Morristown ist nicht ganz so jung wie einige andere Städte in Amerika. Der Ort wird wegen seiner strategischen Rolle im Unabhängigkeitskrieg (13 amerikanische Kolonien gegen die britische Kolonialmacht, 1775-1783) auch die militärische Hauptstadt der Revolution genannt. General Washington, der später der erste Präsident der USA wurde, hat während des Krieges gegen die Engländer hier zweimal sein Winterlager aufgeschlagen. Und im Winter 1779/80 mussten 12.000 Soldaten die kalten Wintertage und -nächte in Jockey Hollows überstehen. (https://www.nps.gov/morr/learn/historyculture/jockey-hollow.htm) Immer wieder stolpert man in Morristown und Umgebung daher über gut erhaltene Überreste aus dieser Zeit – ob es nun die Ford Mansion (Washingtons Hauptquartier), ein paar Holzhütten (Unterkünfte der „amerikanischen“ Soldaten) oder alte Kanonen sind. https://www.nps.gov/morr/index.htm Bei uns in Morristown ist aber auch die älteste Blindenhund-Schule der Welt angesiedelt – The Seeing Eye. Sie ist eine rein durch Spenden finanzierte Organisation (non-profit organization), die stolz darauf ist, blinden bzw. im Sehen stark eingeschränkten Menschen durch einen ausgebildeten Hund mehr Unabhängigkeit, Würde und Selbstvertrauen zu geben. Die Hunde werden größtenteils in Morristown ausgebildet, daher gehören die Trainer/innen mit den Hunden zum Stadtbild. Jedes Jahr werden bis zu 260 students mit Hunden zusammengebracht. Viele unserer Freunde sind übrigens puppy raising families, d. h. sie nehmen ein Hundebaby für das erste Lebensjahr auf, bevor es dann im Alter von zwölf Monaten ins Training gehen kann.
4. Viel Natur drumherum: diverse suburban area
Erholungsgebiet mit Parks und Naturreservaten Um Morristown bzw. um das Stadtzentrum herum gibt es Natur satt: viele Bäume, Spazierwege, Seen und Spielplätze. Und natürlich kann man auch einige Farmen besuchen, z. B. die Wightman´s Farm, wo man im Herbst super leckeren apple pie kosten oder kaufen kann. Außerdem findet man jede Menge Golfplätze und zwei Colleges (www.fdu.edu) sowie ein Shakespeare-Theater (www.shakespearenj.org) in unmittelbarer Nähe von Morristown. Und wer kleine Kinder hat, kann in Whippany eine „Nikolausfahrt“ mit dem Zug machen (Santa Special – www.whippanyrailwaymuseum.net).
Essen gehen
Was BYOB bedeutet, wie die Bedienung einen ziemlich schnell nach dem Essen wieder hinauskomplimentiert und warum das Ganze alles andere als „gemutlick“ ist. Und weshalb wir trotz allem sehr gerne hier essen gehen. Die Amerikaner/innen lieben ja bekanntermaßen ihre Akronyme 🙂 . Und sie gehen sehr gerne und sehr oft essen – am Mittag während der Büropause, am Abend mit der Familie und natürlich, wenn etwas Besonderes ansteht, wie z. B. am Valentinstag, am Hochzeitstag oder an Feiertagen. Darum ein kleines Rätsel am Anfang: Wer weiß, was diese vier Buchstaben „BYOB “auf dem Restaurantschild bedeuten? Man findet sie in sehr vielen Gaststätten. Kleiner Tipp: Die meisten von euch würden enttäuscht oder zumindest überrascht sein, wenn sie die Getränke bestellen. Vorweg: Wir sind sicher keine Profis in Bezug auf Essen gehen in Amerika, aber so einiges haben wir inzwischen doch schon herausgefunden. Ich gehe z. B. jeden Freitag mit Theo (8) und Tim (6) quasi als „Belohnung“ für die geschaffte Woche in ein typisch amerikanisches Diner-Restaurant, den „Famished Frog“. Damit haben wir in unserer Anfangszeit angefangen, als der Einstieg in der Schule anstrengend und die Wochen für uns alle hart waren. Und jetzt ist das mittlerweile „Tradition“ und einfach quality time. Mehr als Burger Morristown ist wirklich ein Dorf (ca. 18.000 Einwohner), aber es gibt zahlreiche, sehr gute und leckere Gaststätten. Man braucht nur an unserer „Einkaufsmeile“, der South Street, entlangzugehen und fällt von einem Lokal ins nächste: italienische, thailändische, jamaikanische, persische, afghanische Restaurants und natürlich auch American Grills. Alles, was wir bisher probiert haben, war erschwinglich und lecker. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken – da können wir uns nicht beschweren. Auch in amerikanischen Diners ist für jeden Geschmack etwas dabei, von frischen Salaten über Steaks/Pasta/Meeresfrüchte und natürlich die obligatorischen Burger, die aber wirklich auch mal lecker sind. Die Freundlichkeit der Bedienung übertrifft im Normalfall die der deutschen Belegschaft bei Weitem, was ich sehr angenehm finde. Okay, das mag daran liegen, dass sie auf gute Trinkgelder angewiesen sind, weil ihr Grundlohn oft sehr niedrig ist. Für die Gäste ist es auf jeden Fall angenehmer. Das Tempo …
Das Geheimnis nächtlicher Telefonate und der bad hair month. Von hochgeklappten Bürgersteigen und letter days. Und warum wir bei eisigen Temperaturen und Schnee dann doch irgendwann von faulen Sofahockern zu fleißigen Schneeschippern geworden sind. Wir melden uns aus dem frostigen und verschneiten NJ – aber das kennt ihr ja dieses Jahr wohl auch zur Genüge! Ja, der Winter hält uns fest umklammert, drückt uns einen ganz neuen Rhythmus auf und verlangt viel Flexibilität von uns allen. Wir verloren hin und wieder die Bodenhaftung – im wörtlichen wie übertragenen Sinne – und haben uns vor der gesamten Nachbarschaft bis auf die Knochen blamiert. Dass wir nicht von hier sind, wissen jetzt jedenfalls alle.
Nächtliches Klingeln
Wir haben in den letzten vier Wochen so viele nächtliche Anrufe bekommen wie bisher noch nie in unserem Leben. Wenn es nachts um kurz vor vier Uhr grell durchs schlafende Haus klingelt, dann ist das entweder die Bank aus der Heimat, die meine Finanzen durchsprechen will oder die Schule von den Jungs, die uns mitteilt, dass morgen kein Unterricht stattfindet, weil wieder Schnee gefallen ist. Wir hatten tatsächlich keine einzige reguläre Woche, sondern mindestens immer einen snow day, dazu einige „delayed openings“ und „early dismissals“. Neben dem ganzen Schnee gab es auch eisige Temperaturen und wir haben sogar die Null Grad Fahrenheit Marke geknackt (das sind dann knapp minus 18 Grad Celsius). Letzte Woche waren es sogar minus sechs Grad Fahrenheit (minus 21 Grad Celsius – sprich „minus twenty degrees centigrade“). Bei diesen Temperaturen frieren unsere Vorhänge manchmal am Fenster fest, es steigen überall dicke, weiße Dampffontänen aus den Kanaldeckeln auf die Straßen hoch und in den Cafés setze ich mich etwas weiter in den Raum rein, weil mir meine Lieblingsplätze am Fenster selbst mit Winterjacke zu kalt sind und meine Füße durchfrieren. Und wenn man morgens verschlafen vor die Haustüre tritt und einmal einatmet, ist man sofort putzmunter und glasklar im Kopf und hat das Gefühl, man habe ein extra scharfes Fisherman`s friend Mint inhaliert.
Eisprinzessinnen-Joggen
Ich gehe weiter stur morgens laufen. Was zieht man sich bei diesen Temperaturen fürs Laufen an? Also: Ich versuche es mit drei Oberteilen plus Jacke, zwei dicken Laufhosen übereinander, einer Skimaske, dicker Mütze und Handschuhen – damit geht es ganz gut, auch wenn das Laufen durch den Mundschutz echt mühsam ist und meine Oberschenkel bei der Rückkehr eiskalt und knallrot sind und ziemlich stechen. An einem Morgen fand ich nach meiner Laufrunde einen Eisblock in meiner Jackentasche – da habe ich doch etwas überlegen müssen, bis ich verstanden habe, dass das wohl mein Trinkvorrat für unterwegs war, der von mir unbemerkt aus der Flasche ausgelaufen und sofort gefroren ist. Die Kinder staunen immer bei meiner Rückkehr, denn meine schwarze Mütze und die Skimaske schimmern glitzernd weiß, weil sie von vielen winzigen Eiskristallen übersät sind – sieht etwas spooky aus, wenn man leicht angefroren wieder ins Haus kommt. Also: Hinfallen und Nicht-gefunden-werden ist keine echte Option bei diesem Wetter – aber ich laufe ja brav durch Wohngebiete.
Mit nackter Haut der Kälte trotzen
Aber dann wundert man sich doch immer wieder – denn die Leute hier lassen sich durch den Winter nicht aus dem Konzept bringen und führen ein vom Wetter entkoppeltes Leben. Man sieht immer noch jede Menge nackte Haut! Einige Middle School-Kids warten weiterhin im Sweater auf den Schulbus, in der preschool erscheinen Mädchen im ärmellosen Hängerchen und Ballerinas, die Jungs tragen Shorts und T-Shirt und das kleine Geschwisterchen wippt sogar barfuß auf Mamas Hüfte. Man geht weiterhin in Flip-Flops zur Pediküre, eine Frau war gar barfuß auf dem Eis unterwegs (das muss doch wehtun!). Hier findet das Leben im Moment nur drinnen statt, und in den Räumen sind die Temperaturen sogar teilweise höher als im Sommer. Unsere ehemalige Babysitterin, die jetzt in einem Büro in Manhattan arbeitet, berichtet, dass es dort unglaubliche 37 Grad sind. Ich kann bestätigen, dass ich in einigen Innenräumen im Moment wirklich weniger Kleidung anziehen muss als im Sommer, wenn man immer besser einen dicken Pullover mitnimmt. Ausnahme: meine geliebten Cafés, leider. In der Middle School der Kinder einer Freundin, die in Madison wohnt, springt jetzt auch mal öfter die Klimananlage an – es ist sonst einfach zu heiß drinnen. Die Pausen in Schule und preschool finden alle drinnen (indoor recess) statt, draußen spielen die meisten Kinder nicht mehr. Unsere schon, die müssen, da kenne ich nichts.
Aber der Rest … naja …
Der Schnee und die Kälte stellen das Leben hier jedoch ganz schön auf den Kopf – jedenfalls unseren Alltag. Paul (3) stimmt immer wieder Weihnachtslieder an und Ole (5) gibt ihm recht, dass „hier alles immer so nach Weihnachten aussieht“. Neben den Briefkästen in unserem Wohngebiet liegen wochenlang ausgediente echte Weihnachtsbäume herum (hier hatte also mindestens jeder zweite Haushalt einen echten Tannenbaum!), die im Laufe der Wochen wieder komplett unter dem neuen Schnee verschwunden sind und erst Ende Januar von einem kombinierten Schneepflug-Grünabfallauto abgeholt werden. Während unser Rasen und unsere Bürgersteige hier seit Wochen unter einer dicken Schneeschicht liegen, sind die Straßen komplett frei. Wer den Bürgersteig vor seinem Haus im Zentrum von Morristown nicht schneefrei macht, muss ein 100 Dollar-Ticket zahlen, erzählte mir eine Freundin. Im Gegensatz zu Deutschland werden die Straßen alle unmittelbar während bzw. nach Schneefall von Schneepflügen freigeräumt – und das gilt auch für die kleinsten Nebenstraßen! Die weißen Häufchen, die man hin und wieder auf den Straßen sieht, sind übrigens kein Schnee, sondern tatsächlich Salzanhäufungen – denn was die Amis machen, machen sie richtig, halbe Sachen gibt´s hier nicht: Also, mit Salz sparen kommt nicht in die Tüte. Da die Straßen durch die Sonne abgetrocknet sind, ist das Fahren völlig unproblematisch. Alles ist slushy und mushy … Kurios finde ich, dass die allermeisten Autos hier keine Winterreifen haben. Kein Wunder, dass die Welt stehenbleibt, sobald ein Schneeschauer herunterkommt (da sind wir in Deutschland definitiv cooler). Schnee ist natürlich nicht gleich Schnee, daher hier noch einige nützliche Wörter, die uns immer wieder begegnen: slushy (gesprochen [slaʃɪ] matschig, schmierig), sleet (Schneeregen, Graupelschauer) und mushy [maʃɪ] (breiig, weich). Um hier im Alltag, z. B. beim Wettfrieren am bus stop mit den anderen Eltern, bei den Wettervorhersagen für den nächsten Tag mitreden zu können, kommt man um die „inches“ nicht herum: „Tomorrow we will have 5-7 inches of snow.“ (ca. 15-18 cm; 1 inch/Zoll = 2,54 cm). Aber auch, wenn man nicht ganz so schnell ist im Umrechnen, tut es im Moment ein „Oh, no, not again!“ eigentlich immer.
Snow days
Snow days heißen offiziell „emergency closing day“, d. h. die Schulen bleiben geschlossen. Solche snow days haben eine ganz eigene Stimmung, alles ist gedämpfter und irgendwie verlangsamt. Die Straßen sind natürlich viel leerer und jedes vierte Auto hat einen Schneepflug vorne drangeschnallt. Ich weiß nicht, wie viele Schneepflüge es hier in NJ gibt, aber mir sind innerhalb von einer Zehn-Minuten-Fahrt über zehn Pickups mit Pflügen entgegengekommen. Wenn man das mal hochrechnet, kann man sich vorstellen, wie viele Tausend solcher Fahrzeuge an diesen Tagen im Einsatz sind. Mit einem solchen Gefährt will man definitiv keinen Zusammenstoß haben – da muss ich immer dran denken, insbesondere, wenn mir in engen Kurven eins davon entgegenkommt (auch wenn die ihren Pflug, der ja oft breiter ist als das Auto, seitlich entsprechend „anlegen“ können). Kein snow day ist wie der andere – es gibt da verschiedene Variationen. Eins steht aber fest: Diesen Monat hatten wir vier davon (plus einen regulären Feiertag) und ganz ehrlich: „We´ve had our share!“ Manche kündigen sich schon am Vortag an – entweder durch die Wettervorhersage oder mit leichten bis starken Schneefällen. Und dann machen im Städtchen die Geschäfte und Cafés früher zu und selbst öffentliche Stellen schließen vorzeitig ihre Türen. Ich stand schon oft enttäuscht vor verschlossenen Cafés. Eine andere deutsche Mutter wollte ihren Führerschein machen und fand dann nur ein verlassenes Straßenverkehrsamt vor („closed due to inclement weather“ – geschlossen wegen ungünstiger/widriger Wetterbedingungen). Und das, obwohl zu dem Zeitpunkt noch gar kein Schnee gefallen war! Hochgeklappte Bürgersteige überall Hier klappen sie schon die Bürgersteige hoch, wenn in Deutschland noch alles normal weitergehen würde. Manchmal entdeckt man morgens auch nur eine hauchdünne Schneedecke und trotzdem wird vom school district ein Schneetag ausgerufen. Da fragt man sich dann: warum? Aber das hat mit den Schulbussen zu tun, die überall im Schulbezirk gute Fahrbedingungen brauchen (closed due to „hazardous road conditions“ – gefährliche Straßenbedingungen). Verständlich, denn wir haben tatsächlich auch einige sehr steile Straßen in der Stadt, wo die Ungetüme hochkommen müssen. Wenn die Straßen früh genug wieder frei sind, gehen die Kids einfach später in die Schule („delayed opening“), oder …
So funktionieren snow days
Ein solcher „echter“ snow day fängt früh an … … nämlich um etwa vier Uhr morgens: Das Telefon klingelt und eine weibliche Computerstimme teilt einem recht teilnahmslos und abgehackt mit: „This is a message from the Morris School District. Due to inclement weather all schools will be closed tomorrow, Friday, January 21. All extracurricular activities, the sunrise sunset programs and all community school classes are also cancelled.“ Dann kommt eine freundlichere, flottere Computerstimme (auch weiblich): „To acknowledge this call press 1. To repeat this message press 2”. Erste Reaktion: kurze Freude, denn man kann den Wecker ausmachen und sich noch mal ins warme Bett kuscheln. Aber je mehr Erfahrung man mit snow days hat, desto mehr kommt auch schnell das dumpfe Gefühl: Puh, das wird ein langer Tag! Und unbedingt dran denken: Telefon mit ans Bett nehmen, denn um sechs Uhr kommt der zweite Weckruf. Diesmal ist es eine der class moms von Oles preschool Und da aller guten Dinge drei sind, ruft kurze Zeit später auch noch die class mom von Pauls preschool Gruppe an. So richtig ausschlafen ist also auch nicht … Um etwa sieben Uhr: Erstes Kind wird wach, krabbelt aus dem Bett, guckt aus dem Fenster, freut sich einen Wolf und weckt die anderen, es herrscht Hochstimmung, alle vier spielen zusammen – Frieden! Im Laufe des Vormittags: Die cleaner sagen ab (super, dann selbst putzen, denn das Haus hat es dringend nötig). Ergotherapie fällt auch aus (also kein Workout für Ole). Die Kinder werden langsam unruhiger, erste Auseinandersetzungen, Ole weigert sich, sich so spät noch anzuziehen. Das Haus sieht immer chaotischer aus, die Kinder sind auf „Frei-haben“ eingestellt. Warum also sich anziehen, aufräumen oder gar rausgehen? Alle werden übermütig, aufmüpfig bis rotzfrech. Da hilft nur eins (auch gegen alle Widerstände): RAUS MIT EUCH! Einmal draußen: Entspannung – die frische Luft und die Sonne tun gut – allen! Ausflug mit dem Schlitten zu den Freunden, die um die Ecke wohnen, die Straßen sind wie leergefegt, selbst die Hauptstraßen sind noch sehr schneeig. Die Kids haben Spaß mit den Freunden, spielen auf der Straße, alle Geräusche …