High five von den Jungs
Vom 40. Geburtstag, 42 Kilometern und 132 Kindern. Über zischelnden Feenstaub in amerikanischen Hotels und das Wasser von 17.000 Badewannen in einer Sekunde. Wer „gobble, gobble“ macht, warum „mit Saft übergießen“ total überschätzt wird, und warum ich für einen teilbaren St. Martins-Mantel bestaunt wurde.

 
Unser November war alles andere als trist: eher pickepacke voll und sehr erlebnisreich.

Finally forty

Ein paar Tage vor dem New York City Marathon bin ich tatsächlich 40 geworden – und ich hab’s überlebt! 🙂 Gemäß meinem neuen Motto (geklaut von einer Frauenzeitschrift) – „Confident, grown-up, sexy – love your life after 40!“ – war dann auch mein Ehrentag: Morgens kuscheln mit allen Kids im Bett, Ausflug mit Marc nach Princeton, Pancakes zum Mittagessen, große Torte mit vierzig Kerzen drauf (die Kids haben mir beim Auspusten geholfen), abends die letzte Trainingseinheit mit meinem Laufteam im Central Park, Geburtstagsständchen auf Englisch, Deutsch und Spanisch von den anderen Läufer/innen, danach noch in die Broadway Show „Sister Act“ – die allererste für uns hier.

Es war ein rundum schöner Tag! Aber abends sind wir alle platt, und ich bin froh, dass am nächsten Tag endlich wieder Schule für alle Kinder losgeht und vier Tage später der ersehnte Marathon stattfindet.

132 laufende Kinder – dank euch

Was ich von diesem Tag in meinem Leben nicht vergessen werde und warum er ein Puzzleteil meines ganz persönlichen Sommermärchens war. Und weshalb der Central Park für mich jetzt ein noch schöneres Fleckchen New York ist als vor dem Marathon.

 
Ich bin einmal quer durch NYC gelaufen, von Staten Island über die Verrazano-Narrows-Brigde nach Brooklyn, durch Queens, dann Manhattan, die Bronx und am Ende nochmal Manhattan durch den Central Park – offiziell 42,195 Kilometer (tatsächlich waren es 43,3 Kilometer und knapp 400 Höhenmeter!). Und das Ganze in vier Stunden und siebzehn Minuten!

 

42 Kilometer für 132 Kinder
Nochmals „Danke, danke, danke!“ an alle, die mich unterstützt haben – egal ob mit „Dran-Denken“, „guten Wünschen“ oder einer Spende für das „Team for Kids“. Wir haben 6.600 Dollar zusammenbekommen! Und das bedeutet, dass jetzt 132 Kinder sportlich loslegen dürfen.

Der Lauf und das ganze „Drumherum“ waren ein ziemliches Erlebnis – die Eindrücke dieser vier Stunden (und siebzehn Minuten 😉 ) erforderten ein Multitasking, das ich bei anderen Rennen so noch nie erlebt habe.

Es gab einige Momente, die ich nicht so schnell vergessen werde:

  • Fort Wadsworth, wo sich morgens alle Läufer/innen (47.000) versammelt haben, sehr international, Mischung aus Campingplatz- und Occupy Wallstreet-Atmosphäre.
  • Spektakuläre Blicke von der Verrazano-Narrows Brücke auf Lady Liberty und Lower Manhattan mit Frank Sinatras “New York, New York” im Ohr.
  • Unglaublich enthusiastische Zuschauermengen (zwei Millionen Besucher), die jeden angefeuert haben.
  • Wunderbar ruhige Brücken (Pause für die Sinne, endlich mal „nur” Läufer).
  • Skurrile Stimmung in Williamsburg (Stadtteil von Brooklyn), wo die orthodoxen Jüdinnen und Juden (für die an dem Tag ja ein ganz normaler Wochentag war und die gar nichts von Wettkämpfen wie dem Marathon halten) einfach durch uns hindurch geguckt haben, als wären wir Luft – nur die Kinder, an und in den Kinderwagen, die haben große Augen gemacht und geguckt, was da für verrückte bunte Menschen durch ihr Viertel getrabt kamen (ja, auf euch Kinder ist immer Verlass 🙂 ).
  • Viele, viele Läufer, die fast die ganze Zeit in Armreichweite vor, neben und hinter mir waren – da musste man die ganze Zeit aufpassen, dass man in keinen reinlief bzw. irgendwie vorbeikam.
  • Der klebrige Boden von Gatorade, Wasser und Bananen mit jeder Menge zertretener Becher (2,25 Millionen!) Da muss man erst mal drüberlaufen, ohne sich langzulegen….
  • Jede Menge Live-Musik vor allem in Brooklyn: Von richtig guten Bands bis “Heimorgel am Straßenrand” gab es alles.
  • Eine endlose 5th Avenue und zwei eklige letzte Kilometer im Central Park.

Ein Highlight: „High five“ von den Kids und Marc auf der 1st Avenue abholen (dank riesiger Luftballons am Kinderwagen und „5-minute-Ewarning” haben wir uns nicht verpasst, trotz der Menschenmassen).

Insgesamt kam mir das Ganze vor wie eine gigantische Partywelle, die für einige Stunden durch die Straßen von New York City schwappte – und ich war mittendrin und sollte meinen ersten Marathon in dem ganzen Gewusel laufen – hat dann ja auch geklappt, war aber ganz schön anstrengend und zwar nicht nur in Bezug auf die Muskelarbeit.

 

Das feierliche Dinner am Abend haben wir dann allerdings nicht mehr geschafft – war zeitlich mit der „Rückreise“ zu eng – fast schade, denn ich hätte ohne jedes schlechte Gewissen mal richtig reinhauen können (habe immerhin knapp 2.500 Kalorien verbrannt). Stattdessen bin ich um 20 Uhr ins Bett gefallen und auf der Stelle eingeschlafen …

Ich hatte übrigens keinen Muskelkater am nächsten Tag, kam ohne Probleme in die Dusche und musste auch nicht rückwärts die Treppen runtergehen, wie einige meiner Teamkolleginnen und -kollegen beim Nachtreffen berichteten. Bis auf zwei Fußnägel bin ich so gut wie neu! Und wenn auch meine Zeit nicht überragend war, habe ich es doch in „The New York Times“ geschafft – auf Platz 21.215 steht tatsächlich mein Name (von 43.438 Startern). Den Slogan des diesjährigen Marathon unterschreibe ich daher voll: „26.2 Miles. Five boroughs. One incredible journey.“ Genauso war es.

Hier gehts zum ausführlichem Streckenbericht:
„THE Day. NYC Marathon, 6. November 2011“

NYC Marathon

Warum die Nacht vor dem Marathon besonders teuer war und wieso der Lauf auf einer Insel startet. Weshalb ich in einem „Fanggehege für wilde Tiere“ auf meinen Start warte und wie es fast wie im Rausch durch die Menschenmengen der Stadtteile geht. Und was für ein unglaubliches Gefühl es ist, am Ende durch einen Metallkasten zu laufen.

Kanada, November 2011

Wie der Fernseher im Toyota unsere lange Reise nur ganz kurz gerettet hat und warum in unserem Hotel alle Kinder im Pajama im Foyer sitzen. Und wo pro Sekunde 17.000 Badewannen voller Wasser von den Bergen runterkommen.

 
„Komm, wir geh’n zu Kanada“ (Paul, 4 Jahre)
Im November 2011 gibt es zwei Tage schulfrei – in der Woche nach dem Marathon. Und ziemlich spontan fahren wir Richtung Kanada – mit dem Endziel Niagarafälle, denn die liegen direkt an der Grenze zu den USA. Ich packe in Rekordzeit – gerade mal eine Stunde für fünf Leute, da bin ich jetzt echt stolz drauf! Vitoria, unser Au-pair, darf leider nicht mit, denn sie hat kein Visum für Kanada.

 

Premiere
Unser erster Roadtrip: Unendlich viel Autofahren und jede Nacht in einem anderen Zimmer schlafen.

Unsere Route
New Jersey, Pennsylvania und dann „Upstate New York“ – also durch den Staat, der nicht zu verwechseln ist mit „New York City“ – dann Ontario in Kanada. Die 650-Kilometer-Fahrt ist dabei – mit vier Kindern! – die größte Herausforderung.

Wann sind wir da?
Ole (6) fragt schon nach fünf Minuten: „Wann sind wir endlich da?“ Also testen wir den Fernseher im Toyota und damit läuft es super! Endlich eine entspannte Fernreise mit zufriedenen Kindern – für einen Moment. Dann wird Ole leider speiübel, fünf Minuten später sind Auto und Kind komplett voll… Na Klasse, umziehen bei Minusgraden und eiskaltem Schneeregen auf dem Feld – danach nur noch Gejammer von allen Kids. Nase zuhalten und Nerven behalten!

 

Die Überraschungen
Mitten im Nichts entdecke ich in „Upstate New York“ einen Aldi. Unser sonstiger Eindruck von NY beim Durchfahren: Wahnsinn, wie viel Platz die hier haben – jede Menge Wälder, breite Flussbecken und Sümpfe. Aber alles wirkt ein bisschen verlassen und farblos. Viel Gegend mit vielen Eisenbahnen, die ewig lang sind und auf denen zwei Container übereinander stehen. Viel mehr dicke Leute als in NJ. Selbst tanken. Marc fragt sich, wovon die Leute hier leben …

 

Abstrus
Je weiter wir nach Norden kommen, desto unwirtlicher und kälter wird es. Von Indian Summer ist hier nichts mehr zu spüren – alles kahl und schon richtig kalt. Mitten im Nichts liegt ein Kasino. Und dann kommt – auch in the middle of nowhere – unsere erste Station, die „Great Wolf Lodge“ (https://www.greatwolf.com/poconos).

Mini-Disneyland und Centerpark mit Rummelplatzatmosphäre
Mitten in den „Pocono Montains“ taucht es auf – das große Anwesen mit rustikalem Riesenhotel in der Mitte. Dazu jede Menge kinderreicher Familien, die Kurzurlaub im Wasserparkhotel machen (ja, ihr habt recht, es hört sich schon vorher nach Stress an – wir haben uns wohl nicht richtig schlau gemacht). In der Eingangshalle: ein gigantischer, drei Meter hoher Kamin mit echtem (!) Feuer, davor schwere Ledergarnituren, der Starbucks daneben darf nicht fehlen, überall Leute.

Pyjamahotel
Wir kommen gerade recht, denn es ist „Pajama Story Time“, wie uns ein Schild erklärt: Jede Menge kleiner Kinder in bunten Pajamas und Pantoffeln sitzen im Foyer und gucken sich gerade ein Musical aus der Retorte an. Pocahontas, ein singender Elch, eine zwinkernde Eule und ein sprechender Baum nicken und wackeln hoch und runter, hin und her und „singen“ dabei in ohrenbetäubender Lautstärke.

 

Hexen und Zauberer
Auf dem Weg zu unserem Hotelzimmer geht die akustische Berieselung weiter: Hexenstimmen aus dem Off, Regenwald-Sound und leises Gezischel. Wisst ihr, wie sich „fairy dust“ (Feenstaub) anhört? Oder könnt ihr einen „magical spell“ (Zaubertrick) am Geräusch erkennen? Wir holen in Kürze nach, was wir bisher bei Disneyfilmen verpasst haben. Jede Etage ist ein Themenpark mit passender Geräuschkulisse: Vom „Burgverlies“ durch die „Vergessene Halle“ und den „Flüsternden Wald“ zum „Verzauberten Wald“.

Überall rennen Kinder mit Zauberstäben durch die Flure, mit denen sie Zaubertruhen öffnen und große Gemälde lebendig machen können. Alle sind auf „magic quest“ und unsere Jungs sind nicht mehr zu halten. Kostenpunkt: 17 Dollar pro „magic wand“ (Zauberstab) – es gibt kein Entrinnen. Und meine Tasche mit Spielesammlung, Puzzle und Malstiften hätte ich getrost im Auto lassen können …

Kindertraumbüffet
Unseren Kindern steht fast die gesamte Zeit der Mund offen. Es ist fast schade, denn beim Büffet werden Kinderträume wahr:

 

Aber die Jungs sind zu sehr mit Staunen beschäftigt und von TVs und Musik abgelenkt, als dass sie sich aufs Essen konzentrieren könnten. Wie abgehärtet da doch die heimischen Kids sind, die das alles an sich abperlen lassen und das Essen nur so in sich hinein schaufeln. Mich nervt das Schummerlicht im Restaurant – wieso essen die Amis immer im Halbdunkeln?

Schwimmspaßbad
Ich kenne mich nicht mit Spaßbädern aus, aber das Schwimmbad hier ist definitiv GROSS. Viele Becken, überall Hebel, diverse Riesenrutschen, angewärmte Handtücher, so viele man will, unglaublich laut – sowohl die Leute als auch das Wasser.
Nach einem Tag im Superwasserpark sind wir alle platt. Marc und ich steigen mit Ohrensausen ins Auto (wir sind quasi schwerhörig), und wir sind froh, dass wir die „pneumatisch gesteuerte Indianerbraut“ (Marc) samt ihren unechten Freunden und kleinen Fans hinter uns lassen.

 

17.000 Badewannen pro Sekunde
Weiterfahrt durch die Berge im Dunkeln bei Regen – super unangenehm, denn es scheint hier jede Menge irre Truckfahrer/innen zu geben, die schneller als jeder PKW fahren und einen mit 70 Meilen pro Stunde (ca. 130 km/Stunde) ohne Rücksicht auf Verluste überholen. Aber wir kommen zum Glück heil im nächsten Hotel an.

Am nächsten Tag überqueren wir die Grenze nach Kanada. Vom ziemlich grauen und ziemlich amerikanischen Buffalo geht’s rüber nach Niagara (sprich [ˌnaɪˈægra]) – und das fühlt sich direkt europäisch an: Keine Meilen mehr, sondern Kilometer, beim Starbucks gibt’s die Anzeigen auf Englisch und Französisch (und nicht auf Spanisch!), „partly skimmed milk“ ist hier auch „lait partiellement écrémé“. Es rauchen viel mehr Leute auf offener Straße und es gibt jede Menge Bürgersteige. Und außerdem herrscht schon überall Weihnachtstimmung: gigantische Weihnachtsbäume in der Hotellobby, überall künstliches Grün, Weihnachtssongs. Kein Wunder, die Kanadier/innen feiern ihr Thanksgiving schon Anfang Oktober.

Das Städtchen Niagara haut uns nicht gerade um: ziemlich hässlicher Touri-Ort, grelle Leuchtreklamen, viel zu voller Rummelplatz, Massen von japanischen und russischen Leuten. Ich kann echt nicht verstehen, wieso hier viele zu ihrem „Honeymoon“ herfahren – oder ist das nur eine Legende?

 

Die Highlights:

  • Zimmer in 28. Etage mit spektakulärem Blick auf die Wasserfälle.
  • Besuch bei den Wasserfällen: Tims (7) spontaner Ausruf: „Boah, that is ginormous“ (Wortkreation aus „gigantisch“ und „enormous“) – pro Minute fließt da Wasser von einer Million Badewannen runter – das sind pro Sekunde 17.000 Badewannen! 1960 hat ein 7-jähriger Junge seinen unfreiwilligen Sturz tatsächlich überlebt (viele andere sind gestorben). Das Rauschen des Wasser ist so laut, dass wir uns anschreien müssen.
  • Endlich ein Indoor-Pool im Hotel: Das erste Mal seit April sind wir mit der ganzen Familie im Wasser, großes Geplantsche, Paul „säuft“ fast ab, ohne dass wir es sofort merken (er steht mucksmäuschenstill mit dem Kopf unter Wasser, große Augen, nur ein Haarbüschel guckt noch oben heraus – Schreck lass nach!).
  • Mein Drink am letzten Abend: „Chocolate Ment S’more“: Vodka mit Creme de Cacao, frischer Minze und Sahne und zwei Marshmallows drin. War lecker, auch wenn Marc sich geschüttelt hat.
  • Rückweg: Ole verliert seinen allerersten Wackelzahn kurz vor der Grenze – ein waschechter „Kanadazahn“ also.
  • Einreise in die USA mit neuem Gefühl: Wir dürfen uns an einer amerikanischen Grenze mit Amerikaner/innen in eine gemeinsame Reihe eingliedern – kein Foto, kein Fingerabdrücke erforderlich wie sonst, nur alle Scheiben runterkurbeln. Alle Kids werden gefragt: „How old are you?“ – Sie antworten artig: „Nine“, „six“, „seven“, „four“. Dann: „Are you playing hockey?“ Nein, ist aber egal, wir dürfen weiterfahren und sind nach sechs Stunden wieder in Morristown.

Die squirrels haben in der Zwischenzeit Chaos vor unserer Haustüre angerichtet: Die rausgestellten pumpkins sind bis auf die Schale ausgehöhlt, die Maiskolben komplett abgenagt. Von den Maiskörnern haben sie aber nur das Innere gegessen, die Reste überall verteilt liegen gelassen – das sind tatsächlich Feinschmecker.

„Happy Thanksgiving“

„Gobble, gobble!“ So machen hier die Truthähne in Kinderbüchern. Thanksgiving kristallisiert sich immer mehr als mein Lieblingsfest unter den amerikanischen Traditionen heraus:

  • Endlich fährt auch Amerika mal runter
  • Es ist schon Tage vorher überall Gesprächsthema
  • Meine school-moms machen Hausputz – schließlich kommt die Verwandtschaft
  • Die Kids freuen sich: vier Tage keine Schule
  • Alle Leute feiern mit – egal welche Religion, Hautfarbe, ethnischer Hintergrund
  • Es liegt eine ganz besondere Stimmung in der Luft – erinnert mich an Weihnachten
  • Alles ist sehr feierlich
  • Alle kommen mit Familie und Freunden zusammen
  • Alle essen leckere Sachen
  • Und das Beste: Niemand muss sich dabei um Geschenke kümmern

Wie der Name „Thanksgiving“ schon sagt, ist es auch eine besinnliche Zeit, in der alle darüber nachdenken können, wofür sie im Leben dankbar sind – das ist doch mal eine super Idee. Sie haben so einen schönen Ausdruck für „dankbar sein“ hier: „We count our blessings“ – das sagt meine Nachbarin Nancy immer, wenn ich sie frage, wie es ihr geht. Also machen wir als Familie auch mit: Mitten auf den Esstisch kommt eine „Dankbarkeits-Dose“, in die alle Zettel reinwerfen können. Ende November öffnen wir die Dose und lesen die Zettel gemeinsam vor.

 

Mein XXL-Projekt
Und da wir unseren XXL-Backofen auch mal richtig ausreizen wollten, haben wir dieses Jahr zwei befreundete Familien zu Thanksgiving eingeladen. Wir feiern allerdings einen Tag später (also freitags, da sie donnerstags bei ihren Familien sind).
Gesagt, getan: Ich habe einen ganzen Tag in der Küche gewirbelt, mich durch „gallons, quarts, pints und cups“ (imperiale Maßeinheiten) gearbeitet, jede Menge neue Vokabeln gelernt (oder weiß einer von euch auf Anhieb was „clove“, „turnips“ oder „basting“ ist?), ein überraschendes Feuerwerk an Farben und Düften erlebt und dann einen ziemlich perfekten Zehn-Kilo-Truthahn aus dem Ofen gezaubert.

 

Turkey at (pre)school
Ole (6) und Paul (4) basteln Truthähne aus Tannenzapfen. Tim (7) spielt im Sport eine Art Brennball, bei dem sie vier Papp-turkeys mit dem Ball abschießen müssen („shoot the turkey-game“). In Mathe gibt es dann die Aufgabe „pick a turkey“, bei der drei verschiedene turkey-Sorten aus einem Säckchen gezogen und dann wieder zurückgelegt werden müssen – erste Bekanntschaft mit Binominalverteilungen.

 

Theo (9) schreibt einen Brief „A turkey’s last plea“ – das Gnadengesuch eines Truthahns, doch bitte verschont zu werden. Geholfen hat es nicht, denn die Kühltruhen der Geschäfte sind wieder voll mit den großen Vögeln. Am Tag vor Thanksgiving haben die Kids früher Schule aus, und einige laufen mit selbstgebasteltem Indianerschmuck und schwarzen Siedlerhüten aus den Klassenräumen.

Unser Thanksgiving-Donnerstag
Wir haben zwei Alternativen: Morgens zur großen Macy’s Thanksgiving-Parade nach NYC fahren, bei der riesengroße Ballons durch die Straßenschluchten getragen werden, oder den lokalen „Turkey trot“, den Fünf-Kilometer-Lauf mitmachen. Mir ist der „Turkey trot“ wichtiger: Im Truthahnkostüm einfach mal „silly“ sein – eine spezielle Übung für mich als Deutsche. Die Leute nehmen es mit Humor, winken, hupen und wollen Fotos mit mir, und beim Rennen treffe ich tatsächlich noch einen anderen turkey, einige Siedler und zwei „Indianer“. Ich liebe diese Rennen – ist fast schon ein „family community event“. Neben den Läuferinnen und Läufern sind auch Kinder in Theos Alter, Kinderwagen und Hunde mit dabei.

 

Brittas home made food
Und während am Thanksgiving Donnerstag ab mittags überall die Bürgersteige hochgeklappt, ab 16 Uhr alle Geschäfte und Cafés dicht, Morristown wie ausgestorben und die Straßen leergefegt sind, ganz Amerika zu Tisch sitzt und Football guckt, darf ich mich in aller Ruhe zuhause ausprobieren: an butternut soup (Kürbissuppe), corn bread (Maisbrot), banana cranberry bread, oven-roasted vegetables (Ofengemüse), cranberry sauce, bread stuffing (Brotfüllung), turkey gravy (Sauce), pumpkin pie (Kürbiskuchen – ein absolutes MUSS) und apple pie. Natürlich gibt es bei unserem „feast“ (Festmahl) nur „home made food“, also alles selbst gemacht – da stehen die Leute hier drauf.

Mein Fazit: Es hat einen Riesenspaß gemacht, sich da mal richtig reinzuknien und alles auszuprobieren (obwohl ich sonst keine große Köchin bin). Das Ergebnis:

  • Es sieht super aus und alles ist knallbunt: leuchtend rot, orange, grün und weiß (u. a. Kürbis, rote Beete, Pastinaken, Möhren, Rüben, Süßkartoffeln, Cranberrys).
  • Es ist ein ganz neues Geruchserlebnis: Muskatnuss, Gewürznelke, Ingwer und Vanilleschote stehen ganz oben auf der Liste vieler Gerichte. Dazu der Duft von frisch gepressten Orangen, Zitronen und frisch geriebenem Ingwer, geröstete Pekan- und Walnüsse sowie Kürbiskerne.

Die Küchenwage kann getrost im Schrank bleiben – das meiste wird hier in „cups/Tassen“ gemessen. Etwas unpraktisch, wie ich finde: Butter in den Messbecher reinschmieren und dann wieder rauskratzen (aber vielleicht gibt es da ja auch Tricks, die ich noch nicht kenne?). Testet euch selber: Wie viel ist ein ¾ q?

Ohne Cranberrys läuft nichts
Ein Highlight ist die Zubereitung der Cranberry-Sauce: Frische Cranberrys (deutsch: Moosbeere) sind hart, klein und schmecken sauer und bitter. Roh sind die ungenießbar – ich habe es probiert. Aber sie sind hier nicht wegzudenken und gehören definitiv als Sauce neben die Pute. Sie wachsen in Nordamerika und Kanada und sind mit unseren Preisel- und Heidelbeeren verwandt (Heidekrautgewächs). Schon die Indianer nutzten Cranberrysaft, um Wunden auszuwaschen – wegen ihres hohen Vitamin-C-Gehalts und ihrer vorbeugenden Wirkungen gegen Blasenentzündungen findet man zahlreiche Cranberry-Präparate in jeder pharmacy.

 

Bei der Ernte werden die Cranberry-Felder geflutet (die sogenannte Nassernte) – da schwimmen dann leuchtend feuerrote, gigantische Beerenteppiche im Wasser. Schaut euch mal ein paar Bilder im Internet an, das sieht echt cool aus.
Zurück zur Sauce: Die frischen, knackigen Cranberrys kommen in eine kochende Orangensaft-Zucker-Ingwermischung und dann Deckel drauf und warten … kurze Zeit später hört man im Topf ein leises, dumpfes Ploppen, zuerst vereinzelt, dann immer mehr, bis es eine einzige Plopp-Symphonie ist. Es findet ein kleines rotes Feuerwerk im Topf statt – und das Ergebnis schmeckt super lecker. Weil’s so schön war, bereite ich direkt zwei Portionen zu.

 

 

Cranberry-Sauce zum Truthahn

1,5 Tassen Zucker
1 Orange
0,5 TL geriebenen frischen Ingwer
4 Tassen frische Cranberrys
0,5 Tassen geröstete Pekannüsse

Zubereitung:
Orangenschale abreiben und mit dem Zucker und dem Ingwer in einen Topf füllen. Den Saft der Orange hinzufügen und auf mittlerer Flamme köcheln lassen, bis der Zucker ganz aufgelöst ist. Die Cranberrys hinzufügen und kochen lassen, bis sie alle aufplatzen. Die Pekannüsse hinzufügen und abkühlen lassen.

 

Und wie geht Truthahn?

Es war spannend mit unserem Truthahn – mit knapp 19 amerikanischen pounds (gut 8,5 Kilo) passte er kaum in unseren Kühlschrank. Es gibt Unmengen an verschiedenen Zubereitungsmethoden – wir bleiben erst mal klassisch beim „oven roasted turkey“ mit leckerer Füllung. Ich mache mich schlau und empfehle euch folgende Schritte:

 

Tag vor Thanksgiving:

  • Unwrapping (Auspacken), damit die Haut knuspriger wird.
  • Seasoning und stuffing (Würzen und Füllung rein): Auf das Backblech kommen Apfelcider (Apfelmost) und Weißwein, dann das Gestell mit dem Puter.
  • Dann füllt ihr Zitronen, Äpfel, Knoblauch, frischer Lorbeer, Petersilie, Zwiebeln und Salbei rein, unter die Haut kommt frischer Rosmarin mit Butter.
  • Und dann noch schön von oben mit Olivenöl einpinseln,

und das war es auch schon.

 

Alles über Nacht in den Kühlschrank stellen (und da kommt selbst unser amerikanischer Kühlschrank an seine Grenzen, weil der Truthahn einfach zu groß ist).

Thanksgiving-Tag:

  • Roasting, also heiß anbraten bei 450 Grad Fahrenheit (230 Grad Celsius für 30 Minuten) und dann auf 350 Grad Fahrenheit (170 Grad Celsius) weitergaren.
  • Wichtiger Tipp vom New York Times-Video online: „Basting is highly overrated“ warnt die Köchin – „mit Saft übergießen wird total überschätzt“ – lieber die Backofentür zulassen und die Feuchtigkeit nicht rauslassen, dann bleibt der Vogel schön saftig.
  • Rule of thumb (als Faustregel): 12-15 Minuten pro Pfund – bei 20 Pfund dauert es also etwa vier bis fünf Stunden.

 

Vor dem Essen:

  • „Carving“ (Zerteilen) – das wird schon irgendwie klappen.
  • „Resting“ (Ruhen lassen): Mindestens 30 Minuten ruhen lassen „for maximum flavor and juiciness“ (für besten Geschmack und Saftigkeit). Ihr Hobbyköchinnen und -köche kennt das sicher schon, für mich ist das neu.

Unser Thanksgiving-Festmahl
Morgens stürmen aufgeregte Kinder in unser Schlafzimmer: „Mama, der turkey.“ (Theo), „Daddy, is the turkey in the oven?“ (Tim). Aber klar, ich habe ihn morgens direkt als erstes in die Backröhre geschoben.
Am Nachmittag treffen die Gäste ein. Unsere amerikanischen Freunde – sonst immer in Shirt und Turnschuhen – sind heute mit Hemd und Kleid herausgeputzt! Ooops – ich schicke Marc direkt wieder nach oben, damit er sich umziehen kann.

Und dann wird es trotz aller Vorbereitungen doch etwas hektisch in der Küche, weil alles auf den Punkt fertig sein muss. Es stellt sich heraus, dass selbst unser gigantischer Backofen zu klein ist, um alles gleichzeitig zu garen und warmzuhalten. Ich muss also zugeben, dass es für Thanksgiving durchaus hilfreich sein kann, zwei Backöfen in einer Küche zu haben, wie es in manchen amerikanischen Familien üblich ist.

 

Unser Truthahn lässt sich von der commotion nicht beeindrucken – nach knapp fünf Stunden kommt der Truthahn aus der Röhre – schön knusprig von außen und richtig saftig von innen. Selbst die „Einheimischen“ sind voll des Lobes – das Fleisch fällt zart und locker vom Knochen, so soll es sein. Ja, da hatte die Dame im New York Times-Video also recht – bloß nicht immer wieder die Ofentür aufmachen …

 

Wie letztes Jahr passt kaum alles auf einen Teller, so viele verschiedene Speisen gibt es. Ein bunt zusammengewürfeltes Essen, eine gesellige Runde – ein perfekter Nachmittag. Eins steht jetzt aber auch fest: Ich mag definitiv immer noch keinen keinen pumpkin pie – brrr. Im Gegensatz zu allen Amerikaner/innen, die ich bisher kenne – für sie gehört Kürbiskuchen untrennbar zu Thanksgiving.

 

Und wer keinen turkey mag?
Ich will ehrlich sein – einige mögen turkey nicht gern, finden ihn langweilig oder zu trocken. Daher gibt es bei vielen „ham“ (Schinken in Schweinebratenform) als Alternative. Einige probieren auch mal etwas anderes aus und frittieren den Truthahn: „Deep fried turkey“. Dabei kommt der Vogel im Garten in einen mit heißem Fett gefüllten Blecheimer (Vorsicht: vorher die Kids festbinden!). Für Vegetarier/innen, wie z. B. die Familie von Tims Freund Deepak aus Indien (Hindus), die aus religiösen Gründen kein Fleisch essen, gibt es einen tofukey, einen vegetarischen turkey aus Tofu oder Seitan (Weizenprodukt) – mit Füllung drin! Oder man geht, wie eine Nachbarsfamilie, die keine Lust auf all den Kochstress hat, ins Restaurant und alle essen, was sie wollen – as you like it.

Ist schon komisch – wir übernehmen in Europa so viel von den Amerikaner/innen an Ideen, Festen, Strömungen – wieso gehört Thanksgiving nicht dazu? Man könnte doch unser Erntedankfest, das ja einen sehr ähnlichen Gedanken hat, auch ein bisschen ausweiten und ein Familienfest draus machen. Schade …

Family Bits and Pieces November 2011

St. Martin in der preschool
In unserer preschool gibt es immer wieder Eltern, die in einer Sonderaktion einen Teil ihrer Kultur vermitteln, z. B. Irish folk dance (zum St. Patrick’s Day), Lichterfest (Schweden), Hannukah (mit Lattkes und Dreideln), chinesisches Neujahr. Ole und Paul sind also schon öfter mit kleinen Basteleien nach Hause gekommen.

 

Heute sind wir dran und es gibt das ganze „Paket“: Martinsgeschichte erzählen, Bilder zeigen, Laternen basteln und Martinslieder hören. St. Martin kennt hier wirklich niemand. Ole und Paul waren mächtig stolz. Beim Vorlesen der Martinsgeschichte fügt Ole an der richtigen Stelle ein: „Now comes the most important part“ – klar, die Mantelteilung. Das Holzschwert war dann natürlich ein Highlight für viele Kids, insbesondere die Jungs. Ein Mädchen war ganz perplex, als ich den mit Bindfäden zusammengenähten „Ikea-Decken-Mantel“ mit einem Schwerthieb durchtrennte: „How did she do it?“ Jaja, den Trick kennen die amerikanischen Kids noch nicht ;-); offene Münder und konzentrierte Gesichter.

 

Warum das Ganze so erwähnenswert ist? Weil ich überrascht war, wie sicher man doch auf eigenem kulturellem Boden steht, wie viel Spaß es macht, von deutschen Traditionen zu erzählen, und wie viel man selbst ein Stück dieser Traditionen in sich trägt. Einfach mal die Rollen tauschen, tat vor allem Paul und Ole gut. Aber auch die Lehrerinnen fanden es klasse und sagten hinterher, es sei so toll gewesen, Ole und Paul mal in dieser Experten-Rolle zu sehen – besonders, wenn man im Ausland ist und sich fast immer in der Rolle des „Ahnungslosen“ lebt.

Und so hörte sich die Aktion in der Monatsausgabe der preschool-Zeitung an:

Thank you to Mrs. W. for sharing „The Feast of Saint Martin“. This German Martinstag celebration is like Halloween and Thanksgiving rolled into one. It is celebrated on November 11th. Each child had an opportunity to make a traditional lantern and to parade around the classroom listening to German music.“

(Vielen Dank an Frau W., die uns das “St. Martinsfest“ näher gebracht hat. Das deutsche St. Martinsfest ist eine Kombination aus Halloween und Thanksgiving. Es wird am 11. November gefeiert. Jedes Kind hatte die Möglichkeit, eine traditionelle Laterne zu basteln und zu deutscher Musik im Klassenzimmer zu marschieren.)

Und eins muss ich gestehen – ich habe noch nie eine so disziplinierte „Martinsparade“ gesehen wie in diesen Klassenzimmern: Ohne Gerempel, ganz andächtig und still sind die Kinder mit ihren Laternen (mit „Spongebob“, japanischen Schriftzeichen und Kriggelkraggel verziert) im Kreis gelaufen und haben sich dabei „Laterne, Laterne, Sonne Mond und Sterne“ angehört. Heißa, es lebe die kulturelle Vielfalt!

Safety issues
Also, diesen Monat bin ich mal wieder in Sachen „gesunder Menschenverstand in Bezug auf Sicherheit“ an meine Grenzen gestoßen – vor allem, was den Bereich „Muttersicherheitsbedürfnis“ für Kinder angeht. Hier scheint alles verdreht, und ich liege verrückterweise irgendwie immer daneben – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung:
Ich spüre noch ziemlich stark die Nachwehen vom Schneesturm Ende Oktober – mein „Urvertrauen“ in unsere Sicherheit hier ist zurzeit etwas angekratzt. Mich belasten die gigantischen Äste, die noch bis Mitte November über unserer Wiese und über dem driveway baumelten, bis sie dann endlich abgeschnitten wurden. Das dumpfe, intensive Aufschlagen der abgeschnittenen und auf den Boden aufschlagenden Holzstücke hängt mir immer noch nach. Die, die senkrecht fallen, rammen sich in den Boden ein und stecken danach fest – ich habe immer Angst um die Kids und meine Fantasie läuft manchmal Amok.

 

Mit meinem deutschen „Muttersicherheitsbedürfnis“ für die eigenen Kinder bin ich – jedenfalls was die Naturgefahren angeht – nicht gut gerüstet hier. Die Amerikaner/innen scheint das alles jedoch nicht zu belasten und sie leben weiter seelenruhig in ihren Holzhäusern. Ich frage mich, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, in den USA von einem Baum bzw. Ast erschlagen zu werden? Mit Sicherheit (haha, doofes Wort 🙂 ) um 100 Prozent höher als in Deutschland. Aber das wird hier wohl unter „normales Lebensrisiko“ abgebucht.

Und während einerseits irgendwo schwere Bäume umkippen, sorgen sich die Leute andererseits, dass eine Person, die ihre Kinder auf dem Schulweg anspricht, ein Entführer bzw. eine Entführerin sein könnte – drei entsprechende Warn-E-Mails sind diesen Monat schon vom school district reingekommen (gibt es denn direkt drei Verrückte hier???). Ich warne euch – sprecht NIEMALS ein Kind oder einen Jugendlichen auf dem Schulweg an! Da könnt ihr ganz schnell in Schwierigkeiten geraten, selbst wenn ihr nur nach dem Weg oder eurem eigenen Kind fragen wollt.

Was ich wiederum gut finde, ist ein Programm in der Schule, bei dem die Kinder schon sehr früh auf diese Situationen vorbereitet werden, indem man ihnen Handlungsanweisungen gibt: Wenn dich z. B. ein Fremder aus dem Auto anspricht: weglaufen und schreien! Oder auch in Bezug auf das Internet: Immer an Erwachsene wenden, wenn dir etwas nicht geheuer ist! Ihnen wird auch erklärt, wie wichtig es ist, niemals seine persönlichen Daten (Name, Adresse, Telefonnummer, Schule) herauszugeben. Ich glaube nicht, dass es etwas Entsprechendes bereits implementiert an deutschen Grundschulen gibt. Motto der Kampagne ist: „Keep safe – keep away – keep telling“.

 

Sie verbieten Scheren in den Schulen, Glasflaschen sind total verteufelt (beim Marathon drohte einem Teilnehmer wegen einer mitgebrachten Glasflasche die Disqualifikation!), in jedem Restaurant hängen große Plakate, die den „Heimlich-Griff“ demonstrieren (falls gerade jemand an Essen zu ersticken droht), auf Rolltreppen muss man sich festhalten, die Kinder auf Karussells festschnallen – gut, macht vielleicht auch Sinn, ist aber alles trotzdem verwirrend.

Kinderarbeit auf der Bühne
Das I-Tüpfelchen diesen Monat war das große Warnschild am Eingang des Shakespeare-Theaters: Es macht darauf aufmerksam, dass an einer Stelle ein lauter Schuss ertönen wird (so weit, so gut). Aber dann spielen im Stück Kinder in Theos Alter (9 Jahre) mit, die tatsächlich bis zum Ende ausharren (etwa 22.30 Uhr). Was machen Kinder um diese Zeit auf der Bühne? Sollten die nicht längst zuhause im Bett liegen?

 

Das Stück wird für sechs Wochen, sechsmal die Woche jeweils zweimal pro Tag aufgeführt. Wenn die nicht zehn verschiedene Kinderbesetzungen haben, finde ich das einfach nicht okay! Während meine Sitznachbarin im Theater leise vor sich hin schnarcht und ich mich nur mit Cola wachhalte (es lag nicht an der Qualität der Vorstellung, eher an mir), stehen da Kinder im Rampenlicht, die noch nicht mal Teens sind und müssen funktionieren – das geht mir echt gegen den Strich. Haben die hier kein Kinderschutzgesetz?

Also, ihr seht, ich bin ein bisschen emotional bei diesem Thema und sehe das vielleicht auch zu unrealistisch, zugegeben. Die Sache kostet mich aber trotzdem Kraft und Nerven – ist nicht abzustellen.

Spielspuren
Eine Sorge, die ich zu Beginn unseres Aufenthaltes hier hatte, bin ich in dem ganzen Durcheinander aber definitiv los: Die Angst, Ärger mit unserem Vermieter zu bekommen, weil unsere Jungs den gemieteten Garten so „auseinandernehmen“ könnten. Nun muss ich sagen, dass die „Spielspuren“ unserer Kinder im Vergleich zu den Einwirkungen der Natur hier komplett vernachlässigbar sind.

 

Im Laufschritt Richtung Christmas
Wie ihr seht, war wirklich viel los in den letzten Wochen. Meine Hummeln im Bauch, mal rauszukommen und etwas zu erleben, geben jedenfalls erst mal Ruhe. Wir zehren immer noch vom Thanksgiving-Festmahl, und so langsam kann niemand von uns mehr „turkey sandwiches“ sehen. Ole verkündet sofort nach Thanksgiving, dass er sich auf Weihnachten freut.

Und vor ein paar Tagen habe ich auch tatsächlich das erste Auto mit Weihnachtsbaum auf dem Dach vorbeifahren sehen. Die Bäume sind inzwischen ziemlich kahl, dafür sieht man überall noch lose Äste in schwindelerregenden Höhen baumeln. Die Laubpuster röhren wieder. Und wenn sie weg sind, ist es ungewohnt ruhig draußen – das Zirpen der crickets ist inzwischen auch verstummt.

 

Ab und zu sieht man noch mal ein chipmunk (Streifenhörnchen) vorbeihuschen, vielleicht auf der Suche nach einem guten Winterquartier. Dafür fallen hier wieder unglaublich große Schwärme von Starenvögeln ins Land ein. Bei einer Fahrradtour habe ich mit offenem Mund gestaunt – der ganze Waldboden war für einige Minuten von einer schwarzen, krächzenden Masse bedeckt, bevor sich die Truppe gemeinsam erhob, um sich ein paar Meter entfernt wieder niederzulassen – gespenstisch. Unser Garten ist übrigens jetzt winterbereit – wir haben gemeinsam aufgeräumt: Spielzeug, Pflanzen, Laub, alle haben mitgeholfen. Am Ende zeigt mir Paul stolz seinen Eimer voll abgepflückter Rhododendronknospen (schluck – ein bisschen Verlust ist immer).

 

Euch allen eine fröhliche Weihnachtszeit
 PS: Hier geht’s weiter zum nächsten Monatsbrief. Viel Spaß beim Lesen!