Warum es große Unterschiede zwischen den USA und Deutschland gibt und welche Aktionen ich für meine Mission unternommen habe. Meine Mission Für meinen geplanten Marathon in New York brauche ich 2.600 Dollar, die komplett der gemeinnützigen Organisation Team for Kids zugute kommen. Ich habe also die verschiedensten Aktionen gestartet. Ich habe eine E-Mail geschickt an ALLE, die ich kenne einen ice cream social veranstaltet für unsere Freunde in den USA einen Brief an alle Nachbarsfamilien in der Carton Road geschickt einen Präsentkorb mit amerikanischen Leckereien verlost im deutschen Kindergarten, in Theos und Tims Klasse, auf einer Gartenparty, in Marcs office in Deutschland einen Cookie Sale auf unserer Straße in Deutschland veranstaltet diverse Sammelaktionen gestartet, z. B. in Marcs office in Morristown und in Aachen, auf einer wine tasting-Party meiner Familie, an meiner deutschen Schule in Amerika Zeitungsartikel in Zeitungen veröffentlicht Und? Vorweg: Dankschön an alle, die mitgemacht haben!!! Es lief wirklich gut insgesamt, ich habe mich in Laufklamotten „geschmissen“, bin immer wieder über meinen Schatten gesprungen und habe meine „elevator speech“ gehalten, habe an Türen geklingelt, mich vor ein großes Party-Publikum gestellt und einfach alle gefragt. Und dabei eine Menge gelernt: Es stimmt: Die allermeisten geben etwas, wenn man sie nur fragt. Wer gibt und wer nichts gibt, ist jedoch kaum vorhersehbar und es gibt Überraschungen auf beiden Seiten: Eine Oma (mit den lärmenden Kindern im Garten), ein sportlicher Typ (der mir vorher erzählt, wie wichtig Sport für ihn ist), eine Kollegin (die eine Woche bei uns zu Gast war) winken dankend ab, während ein bärbeißiger Motorradfahrer in Kluft und eine gemütliche Nicht-Sportlerin direkt begeistert reagieren und zum Portemonnaie greifen. Die Amerikaner/innen reagieren sehr routiniert und professionell – das ist ihr tägliches Brot. Viele zücken schnell ihre Geldbörsen, geben mir zwischen 1 und 20 Dollar in bar (die meisten zwischen 5 und 10 Dollar), teilweise auch Schecks. In meiner Deutschen Schule bin ich noch nicht mal mit meiner kleinen Rede fertig, da werden mir schon die verschiedenen Scheine entgegengewedelt. Sie fragen interessiert nach, erzählen von ähnlichen Fundraising-Aktionen. Ein älterer Nachbar guckt total verdutzt auf meine selbstgebastelte Sammelbüchse und …
The ABCs of Fundraising
Wie ich die Elevator Speech hinbekomme, eine Kontaktliste erstelle und erstaunlicherweise gefühlt 1.000 Leute anspreche. Und so zur erfolgreichen Geldsammlerin wurde. In den USA ist Fundraising, d. h. die Beschaffung von Mitteln und Geld, an der Tagesordnung. Es gehört mit in den Bereich „bürgerliches Engagement“. Für die großen Hilfsorganisationen, Stiftungen und Parteien übernehmen meist professionelle Fundraiser (oder Geldsammler/innen) die Arbeit des „Geldsammelns“. Will man damit erfolgreich sein, dann ist das eine komplexe Aufgabe, die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle der Maßnahmen erfordert. Aber wie machen das die „kleinen Leute“, also die Schulkinder und Freiwilligen, die sich für gemeinnützige Organisationen einsetzen? Für mich ist dieses Thema jetzt ganz akut, denn ich werde für die nächsten Monate auch zur „Geldsammlerin“ werden. Wie bekomme ich 2.600 Dollar zusammen? Das Startgeld für meinen geplanten Marathon in New York beträgt 2.600 Dollar und wird komplett an eine gemeinnützige Organisation geleitet, die Sport- und Laufprogramme für Kinder organisiert, die sonst keinen Zugang zu sportlichen Aktivitäten hätten. So weit, so gut. 2.600 Dollar sind jetzt aber keine kleine Summe und hören sich für deutsche Ohren doch ziemlich utopisch an, oder? Die zwei Fundraising-Methoden, die ich aus Deutschland kenne, helfen nicht weiter: Weihnachtsbasar und Wohltätigkeitswanderung. Da gibt’s nur eins: vorher richtig schlau machen! Die Voraussetzungen dafür sind nicht schlecht: Erstens lebe ich zurzeit im Land der weltbesten Fundraiser und zweitens hat das „Geldsammeln“ hier nicht den „anrüchigen“ Charakter von „Betteln“ wie in Deutschland, sondern genießt im Rahmen der bürgerlichen Pflicht, sich für andere zu engagieren, gesellschaftliche Akzeptanz. Ich hoffe also, dass ich stolz, proaktiv und „strategisch geplant“ auf potentielle Spender/innen zugehen kann. The ABCs of Fundraising: Die Non-Profit-Organisation „Team for Kids“, an die die 2.600 Dollar fließen werden, steht uns Läuferinnen und Läufern beim Thema Fundraising zur Seite. Und so fängt es an: “We know that fundraising can be intimidating (einschüchternd), but with a little creativity and determination (Entschlossenheit) you can meet your fundraising commitment (Sammel-Verpflichtung) in no time … We are putting the FUN in fundraising.“ Hier nun die Grundregeln für erfolgreiches Fundraising Elevator Speech (ca. 60-sekündige Einstiegsrede): Man stellt das Projekt vor und überzeugt die …
Spendenkönigin USA
Wie viel Geld in Amerika durch Spenden zusammenkommt und auf welche Weise schon die Allerkleinsten das „Abgeben“ lernen. Und warum die Amerikanerinnen und Amerikaner – im Gegensatz zu uns Deutschen – „die Freude zu geben“ komplett verinnerlicht haben. „Donate today“ Die Amerikaner/innen sind Weltklasse beim Spenden – in keinem anderen Land spenden Privatpersonen so viel Geld für wohltätige Zwecke wie hier: jährlich etwa 300 Milliarden Dollar und das mit steigender Tendenz. Sie spenden u. a. für die medizinische Forschung, für den Erhalt von Kunst und Kultur, für Bildung und Erziehung, für Bibliotheken, für Menschen in Not, für Parks, für Religion, für Menschenrechte und Demokratie und und und … Spenden ist Teil der amerikanischen Kultur und zieht sich quer durch die gesamte Gesellschaft – von den Superreichen bis zu denen, die selbst wenig Geld haben. Viele Wohlhabende geben direkt sechsstellige Summen (sie können Spenden bis zur Hälfte ihres Jahreseinkommens absetzen), und manch superreicher Unternehmer, wie z. B. Bill Gates oder Mark Zuckerberg, hat gar einen „Giving Pledge“ (Spendenversprechen) geleistet, dass er bis zu seinem Tod mindestens die Hälfte seines Vermögens für Wohltätigkeit spenden wird. Diese Groß-Sponsoren machen übrigens den absoluten Bärenanteil der Spenden aus. Inzwischen stimmt sogar die 80/20-Regel nicht mehr: Mehr als 80 Prozent der Mittel stammen von weniger als 20 Prozent der Spenderinnen und Spender. Aber auch die Otto-Normal-Menschen greifen regelmäßig ins Portemonnaie, sogar wenn sie selbst nicht gerade viel haben. Sie geben an obdachlose Menschen vor dem Café (quasi die amerikanische Straßen-Maut), die örtliche Feuerwehr, das Naturschutzgebiet direkt nebenan oder an die „Fundraiser“ der eigenen Kinder, der Nachbarsfamilien oder des Freundeskreises. Fundraising spielt das ganze Jahr über eine Rolle und ist in den USA fest institutionalisiert (preschool, Schule, Sportverein, alle Non-Profit-Organisationen). Manchmal wird direkt ein ganzer Monat zur großangelegten Spendenaktion genutzt: So ist der Oktober der „Breast Cancer Awareness Month“, in dem viele Leute und auch manche Bäume rosa tragen, in dem Anteile vom Gewinn einiger Lebensmittel direkt der Forschung zufließen (der Code, den man eingeben muss, steht dann z. B. auf dem Joghurt-Becher), in dem viele Geschäfte Aktionen veranstalten, um Geld zu sammeln (die fragen einen …
Amerikanische Bildung für die Kleinsten
Warum hier viele Kinder früher lesen als radfahren können. Und wieso die Kleinen sich mit dem Schreiben auskennen, ehe der erste Milchzahn ausfällt. Unsere Erfahrungen im Bereich „Frühförderung“ (2 bis 5 Jahre) „Frühförderung“ ist im Moment ja auch unter deutschen Eltern ein großes Thema (Englischunterricht, musikalische, sportliche Förderung) und nicht unumstritten. Aber – um euch direkt zu beruhigen – von amerikanischen Verhältnissen sind wir noch meilenweit entfernt! Darum also ein kleiner Beitrag zu dem Thema, an dem wir uns in den letzten Monaten immer wieder die Zähne ausgebissen haben: Es geht um die sogenannte „literacy“ – ein Begriff, der über die Alphabetisierung (sprich Lesen und Schreiben können) hinausgeht und u. a. auch die Fähigkeit im Umgang mit Zahlen, Bildern, Computern sowie generell Fertigkeiten des Wissenserwerbs mit einschließt. Vor allem der Bereich des Lesen- und Schreiben-Lernens betrifft uns bei Ole und Paul in der preschool unmittelbar und bei Tim in der 1. Klasse (hier aber eher die Frage nach der Methode, wie man lesen lernt). Kleine Vorwarnung: Das ist ein „brainwash-Thema“, und ihr werdet vieles nicht glauben können. Ging mir am Anfang auch so – mit in Deutschland erworbenen Denkschemata kommt man hier nicht weit! Die ultra-komprimierte Version vorweg: Amerikanische Kinder werden anders groß als deutsche Kinder: Viele können hier lesen, bevor sie radfahren können. Sie verständigen sich mit Zeichensprache, bevor sie ihr erstes Wort sprechen und schreiben ihre ersten Sätze, bevor der erste Milchzahn ausfällt. Früh übt sich – sonst sieht es später düster aus Das Thema Frühförderung wird in den preschools natürlich ganz groß geschrieben, so dass die Kinder sich hier viel früher mit Themen auseinandersetzen (müssen/ dürfen), die bei uns in Deutschland bis zum 1. Schuljahr fest unter Verschluss bleiben. Aber auch außerhalb der preschool begegnet uns das Thema überall im Alltag, z. B. beim Einkaufen und bei der Kinderärztin. „There is a time when a door opens and the future comes in and it’s the first five years. The first five years are forever – Early Education.“ – Slogan der PNC-Bank , der auf breitem Banner im Supermarkt und vor der Bank in Morristown …
Lesen mit 4 Jahren
Warum hier die meisten 3-Jährigen schon alle Buchstaben kennen und wieso es DVD-Serien für Kinder ab 1 Monat (!) gibt. Und von der unglaublichen Tatsache, dass amerikanische Eltern darüber staunen, dass auch Kinder, die erst mit 6 Jahren lesen lernen, ein erfolgreiches und zufriedenes Leben führen können. Zur Einstimmung auf das Thema „Lesen“ kommt hier ein Ausschnitt aus der Sesamstraßenfolge „Learning about letters“: Experte ist der gelb gefiederte Riesenvogel Bibo („Bird“), der allen hilft – ganz gleich, ob Baby Bear (who has still trouble remembering his letters) oder auch Snuffy (einem mammutähnlichen Tier mit langem Rüssel, riesigen Augen und langen Wimpern): Bird (zu den Zuschauern): „Oh hi, I’m glad you’re here.“ Snuffy (ins Publikum): „And I’m glad you’re here, too, ’cause today we’re gonna get to go through the whole alphabet. Right, Bird?“ Bird: „Right, Snuffy. And we’re gonna read some words.“ Snuffy: „Words, Bird? Aren’t I too little to be reading words?“ Bird: „Too little?“ (er lacht laut) You are four and a half years old! …“ Es folgt der „ABC-Song“, der „C is for cookie“-Song mit Krümelmonster und natürlich der „la la la song“ von Ernie und Bert, in dem alle Buchstaben des Alphabets mit Gegenständen, die mit dem jeweiligen Buchstaben anfangen, nacheinander vorgestellt und mit Schriftbild eingeblendet werden – für 30 Minuten. Das Motto: „Get ready to sing, dance and laugh all the way from A to Z!“ – Ja, jetzt geht die Party richtig los! „Do you know your ABCs?“ Unsere Erfahrungen mit dem Thema „Literacy“ Am allerersten Schultag fragte uns eine Lehrerin von Tims Schule mit Blick auf Ole (damals 4 Jahre): „And, does he know his ABCs?“ Ich wusste damals nicht, was ich sagen sollte… Was wollte sie wissen? Ob er seinen Namen schon buchstabieren kann? Er war doch erst 4 Jahre – genau wie Snuffy aus der Sesamstraße ;-). Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, dass wir als Eltern eines 3-Jährigen und eines 5-Jährigen schon mal öfter gefragt werden: „Kennt er denn schon alle Buchstaben? – Does he know his ABCs?“ Das ist so eine Art „Gesprächsaufhänger“ mit Kindern, wie man eben …
St. Martin in der preschool
In unserer preschool gibt es immer wieder Eltern, die in einer Sonderaktion einen Teil ihrer Kultur vermitteln, z. B. Irish folk dance (zum St. Patrick’s Day), Lichterfest (Schweden), Hannukah (mit Lattkes und Dreideln), chinesisches Neujahr. Ole und Paul sind also schon öfter mit kleinen Basteleien nach Hause gekommen. Heute sind wir dran und es gibt das ganze „Paket“: Martinsgeschichte erzählen, Bilder zeigen, Laternen basteln und Martinslieder hören. St. Martin kennt hier wirklich niemand. Ole und Paul waren mächtig stolz. Beim Vorlesen der Martinsgeschichte fügt Ole an der richtigen Stelle ein: „Now comes the most important part“ – klar, die Mantelteilung. Das Holzschwert war dann natürlich ein Highlight für viele Kids, insbesondere die Jungs. Ein Mädchen war ganz perplex, als ich den mit Bindfäden zusammengenähten „Ikea-Decken-Mantel“ mit einem Schwerthieb durchtrennte: „How did she do it?“ Jaja, den Trick kennen die amerikanischen Kids noch nicht ;-); offene Münder und konzentrierte Gesichter. Warum das Ganze so erwähnenswert ist? Weil ich überrascht war, wie sicher man doch auf eigenem kulturellem Boden steht, wie viel Spaß es macht, von deutschen Traditionen zu erzählen, und wie viel man selbst ein Stück dieser Traditionen in sich trägt. Einfach mal die Rollen tauschen, tat vor allem Paul und Ole gut. Aber auch die Lehrerinnen fanden es klasse und sagten hinterher, es sei so toll gewesen, Ole und Paul mal in dieser Experten-Rolle zu sehen – besonders, wenn man im Ausland ist und sich fast immer in der Rolle des „Ahnungslosen“ lebt. Und so hörte sich die Aktion in der Monatsausgabe der preschool-Zeitung an: Thank you to Mrs. W. for sharing „The Feast of Saint Martin“. This German Martinstag celebration is like Halloween and Thanksgiving rolled into one. It is celebrated on November 11th. Each child had an opportunity to make a traditional lantern and to parade around the classroom listening to German music.“ (Vielen Dank an Frau W., die uns das “St. Martinsfest“ näher gebracht hat. Das deutsche St. Martinsfest ist eine Kombination aus Halloween und Thanksgiving. Es wird am 11. November gefeiert. Jedes Kind hatte die Möglichkeit, eine traditionelle Laterne zu basteln und zu deutscher …
Safety issues
Also, diesen Monat bin ich mal wieder in Sachen „gesunder Menschenverstand in Bezug auf Sicherheit“ an meine Grenzen gestoßen – vor allem, was den Bereich „Muttersicherheitsbedürfnis“ für Kinder angeht. Hier scheint alles verdreht, und ich liege verrückterweise irgendwie immer daneben – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung: Ich spüre noch ziemlich stark die Nachwehen vom Schneesturm Ende Oktober – mein „Urvertrauen“ in unsere Sicherheit hier ist zurzeit etwas angekratzt. Mich belasten die gigantischen Äste, die noch bis Mitte November über unserer Wiese und über dem driveway baumelten, bis sie dann endlich abgeschnitten wurden. Das dumpfe, intensive Aufschlagen der abgeschnittenen und auf den Boden aufschlagenden Holzstücke hängt mir immer noch nach. Die, die senkrecht fallen, rammen sich in den Boden ein und stecken danach fest – ich habe immer Angst um die Kids und meine Fantasie läuft manchmal Amok. Mit meinem deutschen „Muttersicherheitsbedürfnis“ für die eigenen Kinder bin ich – jedenfalls was die Naturgefahren angeht – nicht gut gerüstet hier. Die Amerikaner/innen scheint das alles jedoch nicht zu belasten und sie leben weiter seelenruhig in ihren Holzhäusern. Ich frage mich, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, in den USA von einem Baum bzw. Ast erschlagen zu werden? Mit Sicherheit (haha, doofes Wort 🙂 ) um 100 Prozent höher als in Deutschland. Aber das wird hier wohl unter „normales Lebensrisiko“ abgebucht. Und während einerseits irgendwo schwere Bäume umkippen, sorgen sich die Leute andererseits, dass eine Person, die ihre Kinder auf dem Schulweg anspricht, ein Entführer bzw. eine Entführerin sein könnte – drei entsprechende Warn-E-Mails sind diesen Monat schon vom school district reingekommen (gibt es denn direkt drei Verrückte hier???). Ich warne euch – sprecht NIEMALS ein Kind oder einen Jugendlichen auf dem Schulweg an! Da könnt ihr ganz schnell in Schwierigkeiten geraten, selbst wenn ihr nur nach dem Weg oder eurem eigenen Kind fragen wollt. Was ich wiederum gut finde, ist ein Programm in der Schule, bei dem die Kinder schon sehr früh auf diese Situationen vorbereitet werden, indem man ihnen Handlungsanweisungen gibt: Wenn dich z. B. ein Fremder aus dem Auto anspricht: weglaufen und schreien! Oder auch …
Spielspuren
Eine Sorge, die ich zu Beginn unseres Aufenthaltes hier hatte, bin ich in dem ganzen Durcheinander aber definitiv los: Die Angst, Ärger mit unserem Vermieter zu bekommen, weil unsere Jungs den gemieteten Garten so „auseinandernehmen“ könnten. Nun muss ich sagen, dass die „Spielspuren“ unserer Kinder im Vergleich zu den Einwirkungen der Natur hier komplett vernachlässigbar sind.
Im Laufschritt Richtung Christmas
Wie ihr seht, war wirklich viel los in den letzten Wochen. Meine Hummeln im Bauch, mal rauszukommen und etwas zu erleben, geben jedenfalls erst mal Ruhe. Wir zehren immer noch vom Thanksgiving-Festmahl, und so langsam kann niemand von uns mehr „turkey sandwiches“ sehen. Ole verkündet sofort nach Thanksgiving, dass er sich auf Weihnachten freut. Und vor ein paar Tagen habe ich auch tatsächlich das erste Auto mit Weihnachtsbaum auf dem Dach vorbeifahren sehen. Die Bäume sind inzwischen ziemlich kahl, dafür sieht man überall noch lose Äste in schwindelerregenden Höhen baumeln. Die Laubpuster röhren wieder. Und wenn sie weg sind, ist es ungewohnt ruhig draußen – das Zirpen der crickets ist inzwischen auch verstummt. Ab und zu sieht man noch mal ein chipmunk (Streifenhörnchen) vorbeihuschen, vielleicht auf der Suche nach einem guten Winterquartier. Dafür fallen hier wieder unglaublich große Schwärme von Starenvögeln ins Land ein. Bei einer Fahrradtour habe ich mit offenem Mund gestaunt – der ganze Waldboden war für einige Minuten von einer schwarzen, krächzenden Masse bedeckt, bevor sich die Truppe gemeinsam erhob, um sich ein paar Meter entfernt wieder niederzulassen – gespenstisch. Unser Garten ist übrigens jetzt winterbereit – wir haben gemeinsam aufgeräumt: Spielzeug, Pflanzen, Laub, alle haben mitgeholfen. Am Ende zeigt mir Paul stolz seinen Eimer voll abgepflückter Rhododendronknospen (schluck – ein bisschen Verlust ist immer).
Mixed feelings
Wir haben im Moment weder Zeit, uns ausgiebig auf Deutschland zu freuen, noch uns unserem Abschiedsschmerz hinzugeben – dafür steht zu viel auf unseren To-do-Listen. Und wenn uns jemand fragt, wie wir uns fühlen, dann ist die Antwort: „We have mixed feelings.“ Das ist nicht nur eine diplomatische Antwort, sondern gleichzeitig die Wahrheit – ein lachendes und ein weinendes Auge, wie sollte es auch anders sein … Wir sind im maximalen „Spagat“: „Winding down“ – also alles langsam runterfahren, abmelden, vieles „zum letzten Mal“ machen, Reste essen, ausmisten, ausmisten, ausmisten … Und „unwinding“ – also mental Abschied nehmen von unserem Alltag hier, Abschiede feiern, traurig sein – und gleichzeitig unser Leben in Deutschland vorbereiten. Heißt: Kinder in den Schulen/im Kindergarten anmelden, nach Sportvereinen und anderen Freizeitaktivitäten Ausschau halten, unser Haus für die Familie vorbereiten, Ferien strukturieren … Da wird einem schon manchmal schwindelig, denn unser Alltag hier läuft ja auch voll weiter. Das Ende des Schuljahres steht unmittelbar bevor, und es gibt wie immer viele Extraaktionen wie Klassenpartys, Picknicks und field trips. Der amerikanische „summer“ ist für alle eine natürliche Zäsur im Jahresverlauf, aber wir kommen nach diesem „summer“ eben nicht mehr zurück – „we are gone for good“. Das ist schwer zu kapieren. Ich bin eigentlich ganz fit, was die normale Organisation unseres Haushaltes angeht. Aber mit diesem Projekt komme selbst ich an meine Grenzen. Jedenfalls bin ich bei der abendlichen Gute-Nacht-Geschichte oft die erste (und einzige), die einschläft. Und das, obwohl ich es bin, die vorliest … 🙂 Und auch, wenn hier alle ein bisschen unruhig werden und ungewöhnliche Dinge im Haus passieren, ist auf die squirrels Verlass. Sie sind völlig unbeeindruckt von der commotion und frech wie immer. Unsere Garage ist schon fast ein Stammplatz für sie (wenn wir mal wieder ein Tor aufgelassen haben) und sie stecken sogar manchmal den Kopf bei uns durch die Türe im family room. Theo (9) versucht, einige zu fangen und hat als Köder Vogelfutter im Wägelchen verstreut (ein Leckerbissen für sie). Kurze Zeit später kreisen direkt mehrere mächtige Greifvögel über die Szene (das war von uns nicht beabsichtigt) – …