Rosa Schleifen für die Brustkrebsforschung

Spendenkönigin USA

Wie viel Geld in Amerika durch Spenden zusammenkommt und auf welche Weise schon die Allerkleinsten das „Abgeben“ lernen. Und warum die Amerikanerinnen und Amerikaner – im Gegensatz zu uns Deutschen – „die Freude zu geben“ komplett verinnerlicht haben.

 
„Donate today“
Die Amerikaner/innen sind Weltklasse beim Spenden – in keinem anderen Land spenden Privatpersonen so viel Geld für wohltätige Zwecke wie hier: jährlich etwa 300 Milliarden Dollar und das mit steigender Tendenz. Sie spenden u. a. für die medizinische Forschung, für den Erhalt von Kunst und Kultur, für Bildung und Erziehung, für Bibliotheken, für Menschen in Not, für Parks, für Religion, für Menschenrechte und Demokratie und und und …

Spenden ist Teil der amerikanischen Kultur und zieht sich quer durch die gesamte Gesellschaft – von den Superreichen bis zu denen, die selbst wenig Geld haben. Viele Wohlhabende geben direkt sechsstellige Summen (sie können Spenden bis zur Hälfte ihres Jahreseinkommens absetzen), und manch superreicher Unternehmer, wie z. B. Bill Gates oder Mark Zuckerberg, hat gar einen „Giving Pledge“ (Spendenversprechen) geleistet, dass er bis zu seinem Tod mindestens die Hälfte seines Vermögens für Wohltätigkeit spenden wird. Diese Groß-Sponsoren machen übrigens den absoluten Bärenanteil der Spenden aus. Inzwischen stimmt sogar die 80/20-Regel nicht mehr: Mehr als 80 Prozent der Mittel stammen von weniger als 20 Prozent der Spenderinnen und Spender.

Aber auch die Otto-Normal-Menschen greifen regelmäßig ins Portemonnaie, sogar wenn sie selbst nicht gerade viel haben. Sie geben an obdachlose Menschen vor dem Café (quasi die amerikanische Straßen-Maut), die örtliche Feuerwehr, das Naturschutzgebiet direkt nebenan oder an die „Fundraiser“ der eigenen Kinder, der Nachbarsfamilien oder des Freundeskreises. Fundraising spielt das ganze Jahr über eine Rolle und ist in den USA fest institutionalisiert (preschool, Schule, Sportverein, alle Non-Profit-Organisationen).

Manchmal wird direkt ein ganzer Monat zur großangelegten Spendenaktion genutzt: So ist der Oktober der „Breast Cancer Awareness Month“,

  • in dem viele Leute und auch manche Bäume rosa tragen,
  • in dem Anteile vom Gewinn einiger Lebensmittel direkt der Forschung zufließen (der Code, den man eingeben muss, steht dann z. B. auf dem Joghurt-Becher),
  • in dem viele Geschäfte Aktionen veranstalten, um Geld zu sammeln (die fragen einen dann vor dem Bezahlen: „Do you want to donate a dollar for organization XYZ?“,
  • in dem manch eine Chefin/ein Chef den Angestellten rosafarbene Haarverlängerungen spendiert,
  • und in dem in Brunnen rosa Schleifen liegen und die Kinder fleißig Geld reinwerfen.

 

Früh übt sich: „receiving“ und „giving back“
Eigenengagement mit Zeit und Geld ist „the American way“. Es gehört zum amerikanischen Kanon der bürgerlichen Tugenden, und dies wird den Kindern hier schon früh vermittelt. Sie erleben bereits am eigenen Leib, dass sie von den anderen etwas bekommen, dass es aber auch ihre Pflicht ist, den Mitmenschen (Nachbarsfamilien, Menschen in ihrer Gemeinde) zu helfen – ganz gleich, ob nun mit freiwilligen Diensten oder mit Spenden. „Giving back“ ist hier das Credo – und genau diesen Ausdruck hört man tatsächlich immer wieder.

Ich bin mir sicher, dass die meisten 5-Jährigen in den USA schon in etwa erklären können, was „Fundraising“ ist oder doch zumindest ein Beispiel geben können. Sie gucken sich ab, was die Eltern tun, und machen dann selbst bei vielen Aktionen in preschool, Schule oder (Sport)verein mit, bei denen sie entweder für sich selbst bzw. ihr Team oder aber als Mittelsperson für eine Non-Profit-Organisation sammeln. Beim Taschengeld geht das Abgeben weiter: Ein Drittel ist zum Sparen bestimmt, ein Drittel zum Ausgeben, ein Drittel „for charity“ – das habe ich schon von einigen school moms so gehört. Und auch das „richtige Spenden im großen Stil“ für angehende Philanthrop/innen will gelernt sein: So gibt es die Geschichte des reichen Großvaters aus St. Louis, der seinen fünf Enkelinnen 20.000 Dollar zur Verfügung gestellt hat mit dem Auftrag, sie sinnvoll zu spenden. Anschließend wurde dann gemeinsam ausgewertet, welches das beste Projekt war.

 

Von der Freude zu geben
Es gibt sicherlich viele Dinge im amerikanischen System, die uns als Deutschen bitter aufstoßen, wie z. B. die Macht der US-Millionäre, mit ihrem Geld zu entscheiden, wer oder was gefördert wird und was nicht („Philantro-Capitalism“), die große Armut vieler Menschen, die große Schere zwischen armen und reichen Menschen dort (im Gegensatz zur so genannten „Mittelstandsgesellschaft“ bei uns) und vieles andere mehr.

Aber – und jetzt kommt ein ganz dickes ABER – das amerikanische System ermöglicht den Menschen dort Erfahrungen, die vielen Deutschen im Alltag abhanden gekommen sind: zum Beispiel die Freude, anderen etwas zu geben! Durch die staatlich eingerichtete Umverteilung über den Gehaltscheck wird der Kontakt zwischen den Leuten, die geben, und denen, die nehmen, in Deutschland aufgelöst. Es ist auch nicht mehr freiwillig und geschieht nicht aus Eigeninitiative, sondern es ist ein automatisierter Prozess, den die Gebenden nicht unmittelbar beeinflussen können (durchs Wählen natürlich schon, aber da fehlt der Faktor „von Angesicht zu Angesicht“). Ebenso kann das „Abtreten“ der sozialen Verantwortung für die Gemeinschaft an den Staat zu einer gewissen Passivität führen, durch die man sich ruhigen Gewissens von den sozialen Problemen der anderen distanzieren kann (man hat ja den eigenen Teil dazugegeben, für den Rest sollen „Papa und Mama Staat“ sorgen). Bürgerliches Engagement und Gemeinschaftssinn werden jedenfalls durch diesen Bereich unseres Sozialstaats nicht unbedingt gefördert, finde ich, und spielen auch bei der Erziehung der Kinder keine große Rolle.

Fundraising bis zum Limit
Um die Themen „Fundraising“ und „Geben ist seliger als nehmen“ wieder auf den „Boden des Alltags“ zu bringen, nun noch eine Bemerkung unserer Nachbarin, die mir ziemlich abgeklärt und etwas genervt erklärt: „Everybody is fundraising for something!“ Man darf also auch als „gute Amerikanerin“ einmal etwas beim Spenden ermüden. Das ist absolut nachzuvollziehen, denn Eltern sind hier direkt in doppeltem Dauerstress: Zum einen müssen sie viele Fundraising-Aktionen ihrer Kinder unterstützen, bis Kekse und Co. in der Nachbarschaft unter die Leute gebracht sind, bis die letzte Keksdose verkauft ist und das Kind als „top seller“ gekürt ist. Auf der anderen Seite müssen sie eben auch die vielen Dinge von den Nachbarskindern und Kindern der Kolleg/innen kaufen. Man kauft sich quasi gegenseitig die typischen Fundraising-Waren der Kinder ab (Popcorn, Erdnüsse, Keksteig, Weihnachtskarten, Kalender, Kerzen, CDs, Coupon-Bücher, Früchte, Geschenkpapier, Poster, Erste-Hilfe-Kästen, Fensterdeko, Seifen …), und manche geben etwa 1.000 Dollar pro Jahr für solche Aktionen aus. Daher verwundert es nicht, dass etliche Leute hier ein „no soliciting“-Schild („Hausieren verboten“) an ihre Haustüren hängen (spätestens, wenn die eigenen Kinder aus dem Haus sind 😉 ). Ja, Amerika lässt nicht locker und puscht ihre emsigen Bürger/innen mal wieder bis ans Limit!

Schon gewusst?
Was bitteschön ist Fundraising?