„Gobble, gobble!“ So machen hier die Truthähne in Kinderbüchern. Thanksgiving kristallisiert sich immer mehr als mein Lieblingsfest unter den amerikanischen Traditionen heraus: Endlich fährt auch Amerika mal runter Es ist schon Tage vorher überall Gesprächsthema Meine school-moms machen Hausputz – schließlich kommt die Verwandtschaft Die Kids freuen sich: vier Tage keine Schule Alle Leute feiern mit – egal welche Religion, Hautfarbe, ethnischer Hintergrund Es liegt eine ganz besondere Stimmung in der Luft – erinnert mich an Weihnachten Alles ist sehr feierlich Alle kommen mit Familie und Freunden zusammen Alle essen leckere Sachen Und das Beste: Niemand muss sich dabei um Geschenke kümmern Wie der Name „Thanksgiving“ schon sagt, ist es auch eine besinnliche Zeit, in der alle darüber nachdenken können, wofür sie im Leben dankbar sind – das ist doch mal eine super Idee. Sie haben so einen schönen Ausdruck für „dankbar sein“ hier: „We count our blessings“ – das sagt meine Nachbarin Nancy immer, wenn ich sie frage, wie es ihr geht. Also machen wir als Familie auch mit: Mitten auf den Esstisch kommt eine „Dankbarkeits-Dose“, in die alle Zettel reinwerfen können. Ende November öffnen wir die Dose und lesen die Zettel gemeinsam vor. Mein XXL-Projekt Und da wir unseren XXL-Backofen auch mal richtig ausreizen wollten, haben wir dieses Jahr zwei befreundete Familien zu Thanksgiving eingeladen. Wir feiern allerdings einen Tag später (also freitags, da sie donnerstags bei ihren Familien sind). Gesagt, getan: Ich habe einen ganzen Tag in der Küche gewirbelt, mich durch „gallons, quarts, pints und cups“ (imperiale Maßeinheiten) gearbeitet, jede Menge neue Vokabeln gelernt (oder weiß einer von euch auf Anhieb was „clove“, „turnips“ oder „basting“ ist?), ein überraschendes Feuerwerk an Farben und Düften erlebt und dann einen ziemlich perfekten Zehn-Kilo-Truthahn aus dem Ofen gezaubert. Turkey at (pre)school Ole (6) und Paul (4) basteln Truthähne aus Tannenzapfen. Tim (7) spielt im Sport eine Art Brennball, bei dem sie vier Papp-turkeys mit dem Ball abschießen müssen („shoot the turkey-game“). In Mathe gibt es dann die Aufgabe „pick a turkey“, bei der drei verschiedene turkey-Sorten aus einem Säckchen gezogen und dann wieder zurückgelegt werden müssen – …
Mein XXL-Projekt
Und da wir unseren XXL-Backofen auch mal richtig ausreizen wollten, haben wir dieses Jahr zwei befreundete Familien zu Thanksgiving eingeladen. Wir feiern allerdings einen Tag später (also freitags, da sie donnerstags bei ihren Familien sind). Gesagt, getan: Ich habe einen ganzen Tag in der Küche gewirbelt, mich durch „gallons, quarts, pints und cups“ (imperiale Maßeinheiten) gearbeitet, jede Menge neue Vokabeln gelernt (oder weiß einer von euch auf Anhieb was „clove“, „turnips“ oder „basting“ ist?), ein überraschendes Feuerwerk an Farben und Düften erlebt und dann einen ziemlich perfekten Zehn-Kilo-Truthahn aus dem Ofen gezaubert.
Turkey at (pre)school
Ole (6) und Paul (4) basteln Truthähne aus Tannenzapfen. Tim (7) spielt im Sport eine Art Brennball, bei dem sie vier Papp-turkeys mit dem Ball abschießen müssen („shoot the turkey-game“). In Mathe gibt es dann die Aufgabe „pick a turkey“, bei der drei verschiedene turkey-Sorten aus einem Säckchen gezogen und dann wieder zurückgelegt werden müssen – erste Bekanntschaft mit Binominalverteilungen. Theo (9) schreibt einen Brief „A turkey’s last plea“ – das Gnadengesuch eines Truthahns, doch bitte verschont zu werden. Geholfen hat es nicht, denn die Kühltruhen der Geschäfte sind wieder voll mit den großen Vögeln. Am Tag vor Thanksgiving haben die Kids früher Schule aus, und einige laufen mit selbstgebasteltem Indianerschmuck und schwarzen Siedlerhüten aus den Klassenräumen.
Unser Thanksgiving-Donnerstag
Wir haben zwei Alternativen: Morgens zur großen Macy’s Thanksgiving-Parade nach NYC fahren, bei der riesengroße Ballons durch die Straßenschluchten getragen werden, oder den lokalen „Turkey trot“, den Fünf-Kilometer-Lauf mitmachen. Mir ist der „Turkey trot“ wichtiger: Im Truthahnkostüm einfach mal „silly“ sein – eine spezielle Übung für mich als Deutsche. Die Leute nehmen es mit Humor, winken, hupen und wollen Fotos mit mir, und beim Rennen treffe ich tatsächlich noch einen anderen turkey, einige Siedler und zwei „Indianer“. Ich liebe diese Rennen – ist fast schon ein „family community event“. Neben den Läuferinnen und Läufern sind auch Kinder in Theos Alter, Kinderwagen und Hunde mit dabei.
Brittas home made food
Und während am Thanksgiving Donnerstag ab mittags überall die Bürgersteige hochgeklappt, ab 16 Uhr alle Geschäfte und Cafés dicht, Morristown wie ausgestorben und die Straßen leergefegt sind, ganz Amerika zu Tisch sitzt und Football guckt, darf ich mich in aller Ruhe zuhause ausprobieren: an butternut soup (Kürbissuppe), corn bread (Maisbrot), banana cranberry bread, oven-roasted vegetables (Ofengemüse), cranberry sauce, bread stuffing (Brotfüllung), turkey gravy (Sauce), pumpkin pie (Kürbiskuchen – ein absolutes MUSS) und apple pie. Natürlich gibt es bei unserem „feast“ (Festmahl) nur „home made food“, also alles selbst gemacht – da stehen die Leute hier drauf. Mein Fazit: Es hat einen Riesenspaß gemacht, sich da mal richtig reinzuknien und alles auszuprobieren (obwohl ich sonst keine große Köchin bin). Das Ergebnis: Es sieht super aus und alles ist knallbunt: leuchtend rot, orange, grün und weiß (u. a. Kürbis, rote Beete, Pastinaken, Möhren, Rüben, Süßkartoffeln, Cranberrys). Es ist ein ganz neues Geruchserlebnis: Muskatnuss, Gewürznelke, Ingwer und Vanilleschote stehen ganz oben auf der Liste vieler Gerichte. Dazu der Duft von frisch gepressten Orangen, Zitronen und frisch geriebenem Ingwer, geröstete Pekan- und Walnüsse sowie Kürbiskerne. Die Küchenwage kann getrost im Schrank bleiben – das meiste wird hier in „cups/Tassen“ gemessen. Etwas unpraktisch, wie ich finde: Butter in den Messbecher reinschmieren und dann wieder rauskratzen (aber vielleicht gibt es da ja auch Tricks, die ich noch nicht kenne?). Testet euch selber: Wie viel ist ein ¾ q? Ohne Cranberrys läuft nichts Ein Highlight ist die Zubereitung der Cranberry-Sauce: Frische Cranberrys (deutsch: Moosbeere) sind hart, klein und schmecken sauer und bitter. Roh sind die ungenießbar – ich habe es probiert. Aber sie sind hier nicht wegzudenken und gehören definitiv als Sauce neben die Pute. Sie wachsen in Nordamerika und Kanada und sind mit unseren Preisel- und Heidelbeeren verwandt (Heidekrautgewächs). Schon die Indianer nutzten Cranberrysaft, um Wunden auszuwaschen – wegen ihres hohen Vitamin-C-Gehalts und ihrer vorbeugenden Wirkungen gegen Blasenentzündungen findet man zahlreiche Cranberry-Präparate in jeder pharmacy. Bei der Ernte werden die Cranberry-Felder geflutet (die sogenannte Nassernte) – da schwimmen dann leuchtend feuerrote, gigantische Beerenteppiche im Wasser. Schaut euch mal ein paar Bilder im Internet an, das …
Unser Thanksgiving-Festmahl
Morgens stürmen aufgeregte Kinder in unser Schlafzimmer: „Mama, der turkey.“ (Theo), „Daddy, is the turkey in the oven?“ (Tim). Aber klar, ich habe ihn morgens direkt als erstes in die Backröhre geschoben. Am Nachmittag treffen die Gäste ein. Unsere amerikanischen Freunde – sonst immer in Shirt und Turnschuhen – sind heute mit Hemd und Kleid herausgeputzt! Ooops – ich schicke Marc direkt wieder nach oben, damit er sich umziehen kann. Und dann wird es trotz aller Vorbereitungen doch etwas hektisch in der Küche, weil alles auf den Punkt fertig sein muss. Es stellt sich heraus, dass selbst unser gigantischer Backofen zu klein ist, um alles gleichzeitig zu garen und warmzuhalten. Ich muss also zugeben, dass es für Thanksgiving durchaus hilfreich sein kann, zwei Backöfen in einer Küche zu haben, wie es in manchen amerikanischen Familien üblich ist. Unser Truthahn lässt sich von der commotion nicht beeindrucken – nach knapp fünf Stunden kommt der Truthahn aus der Röhre – schön knusprig von außen und richtig saftig von innen. Selbst die „Einheimischen“ sind voll des Lobes – das Fleisch fällt zart und locker vom Knochen, so soll es sein. Ja, da hatte die Dame im New York Times-Video also recht – bloß nicht immer wieder die Ofentür aufmachen … Wie letztes Jahr passt kaum alles auf einen Teller, so viele verschiedene Speisen gibt es. Ein bunt zusammengewürfeltes Essen, eine gesellige Runde – ein perfekter Nachmittag. Eins steht jetzt aber auch fest: Ich mag definitiv immer noch keinen keinen pumpkin pie – brrr. Im Gegensatz zu allen Amerikaner/innen, die ich bisher kenne – für sie gehört Kürbiskuchen untrennbar zu Thanksgiving. Und wer keinen turkey mag? Ich will ehrlich sein – einige mögen turkey nicht gern, finden ihn langweilig oder zu trocken. Daher gibt es bei vielen „ham“ (Schinken in Schweinebratenform) als Alternative. Einige probieren auch mal etwas anderes aus und frittieren den Truthahn: „Deep fried turkey“. Dabei kommt der Vogel im Garten in einen mit heißem Fett gefüllten Blecheimer (Vorsicht: vorher die Kids festbinden!). Für Vegetarier/innen, wie z. B. die Familie von Tims Freund Deepak aus Indien (Hindus), die aus …
Rosa Bäume, orangefarbene Kürbisse und rote Blätter
Die Bäume in Morristown tragen seit einigen Wochen alle dicke rosa Schleifen. Und auch sonst ist Pink überall zu entdecken: Schleifen in allen Größen, Klamotten, Haare, Kuchen, Tüten … selbst einige Männer laufen mit rosa Krawatten, Hemden und Kappen durch die Gegend – Hut ab, das finde ich klasse! Kein Wunder, denn es ist „Breast Cancer Awareness Month“ – eindeutiges Erkennungsmerkmal ist die rosa Schleife. Schon etwas verrückt: Trotz ihrer Prüderie sind die Amerikaner/innen bei diesem Thema – wie auch bei einigen anderen Krankheiten – viel offener und praktischer veranlagt als die Deutschen. Beim Frisör gibt es pinke Haarextensions – der Erlös wird natürlich gespendet. Selbst die Plastiktüten in den Shops sind pink, und auf der Rückseite ist direkt eine Anleitung abgedruckt „How to perform a breast self exam“. In NYC treffe ich am Ende eines Langlaufs im Central Park auf jede Menge rosa Leute, die teilweise etwas abgekämpft aussehen und sich in den Armen liegen (eine humpelt nur noch) – hier endet der Avon Walk for Breast Cancer – eine gigantische „Wohltätigkeitswanderung“ von 39 Meilen (immerhin 63 km!) – der in verschiedenen Städten der USA stattfindet. Der Erlös geht in die Brustkrebsforschung. Motto ist „In it to end it. Get in. Get empowered. Because every statistics is someone’s best friend.“ Es wird politisch korrekt angespornt: „… knowing that every step you take is helping women and men living with breast cancer“.
Vorbereitungen für Halloween
Die meisten Vorgärten zieren jetzt Halloween-Dekorationen und überall heißt es R.I.P. („rest in peace“) mit passendem Skelett. Und ich bekomme im Alltag wieder häufiger das flaue Gefühl des Blutabnehmens – neu entdeckt habe ich dieses Jahr Mini-Desinfektionsmittel, die am Schlüsselbund einiger Mütter Platz finden: Damit reiben sie ihren Sprösslingen gerne mal zwischendurch die Hände ein. Im „sick room“, dem Wartezimmer beim Kinderarzt, inmitten fiebriger und hustender Kinder beneide ich eine Mutter fast. Warum? Auf den letzten Metern vor dem Marathon im November krank zu werden und ihn zu verpassen, wäre schon echt mega-ärgerlich …
Alles bereit für Halloween
Es sind noch zwei Tage bis Halloween und alle freuen sich: Diesmal haben wir einen Harry Potter (Theo verschlingt die Bücher gerade), einen Ninja (Tim), den Marienkäfer vom letzten Jahr (Ole) und einen Clown (Paul) bei uns zuhause herumlaufen. Vitoria marschiert als „Gretchen“ und „Daisy Bee“ mit high knees und Stöckeln sehr offenherzig durch die Gegend. Theo und Tim freuen sich auf ihre Halloween-Parade in der Schule, Paul und Ole sind zu einem „monster mash“ eingeladen, und Vitoria will auf die Straßenparade in NYC und auf Studentenpartys („I´m here now, so I want to party“). Bis auf die Kinder-Halloween-Party ist also schon fast alles Routine. Nichts wirklich Neues. Aber dann kommt doch alles ganz anders.
Schneesturm
Warum Knacken im Garten beunruhigend sein und wann Schlafen vor dem Kamin gefährlich werden kann. Wieso Halloween ausfällt und warum ich endlich verstehe, weshalb so viele Amerikaner/innen lieber ohne Zaun leben. Schneesturm trifft auf Indian Summer Zwei Tage vor Halloween, genau eine Woche vor dem Marathon, hält komplett überraschend der Winter Einzug und bringt direkt einen Schneesturm mit. Die Leute hier reden von einem „Nor’easter“ – einem großflächigen Sturm mit Winden aus dem Nordosten, der häufig sturmflutartige Regenfälle, in diesem Fall aber einen Schneesturm mit sich bringt. Es trifft alle hier unerwartet – ich habe bisher keine hochmontierten Scheinwerfer, keine Schneemarken in Nachbarsgärten und keine snowploughs gesehen. Was aber schlimmer ist: Die Natur ist nicht darauf vorbereitet ¬– schließlich haben wir hier noch Indian Summer, also recht dicht belaubte Bäume. Ein Chaoswochenende Ende Oktober Samstagvormittag, 29.10.2011 Wir sind gerade, wo wir immer sind um diese Zeit: Ole hat Schwimmkurs und schwimmt seine allerallererste Bahn im doggy-style. Ich bin in der deutschen Schule und meine sonst so coolen Schulkinder laufen immer wieder aufgeregt zum Fenster: „It snows? … No, that is no snow! … Yes, it is snow … it sticks, it sticks.“ Und tatsächlich: Schnee! Und er bleibt liegen! Nach zwei Stunden sind es fast 30 Zentimeter! Schlidderfahrt mit Sommerreifen nach Hause. Dort ist Vitoria ganz aus dem Häuschen, denn das ist der allererste Schnee in ihrem Leben! Auch die Kids sind begeistert und wollen direkt mit den Schlitten raus … Samstagmittag Und dann auf einmal überall ein ungewohntes, unheimliches Knarren und Knacken im Garten. So was habe ich noch nie gehört, aber gut hört sich das nicht an. Es ist das gemeinsame Ächzen der Bäume, die die Schneelast kaum halten können. Die farbigen Blätter sind zum Teil noch unter den Schneehauben zu sehen. Eine ungewohnt bunte Wintermärchenwelt – aber im falschen Moment und nicht ganz geheuer. Marc pfeift die Kids zurück ins Haus – alle haben Ausgehverbot. Kurz danach wird es mit einem Mal dunkler und still im Haus: Stromausfall. Vitorias Bettzeug steckt in der Waschmaschine fest, alle Lampen sind aus und unsere Heizung funktioniert …