Der Trick mit dem Licht hat funktioniert – es ist nichts passiert. Am späten Nachmittag geht’s dann endlich los: „Let’s go trick or treating.“ Man sieht überall die Kids, die verkleidet in Gruppen von Haus zu Haus ziehen, kurz klingeln und dann die Süßigkeiten einpacken. Die allermeisten Nachbarsfamilien sind tatsächlich zu Hause, und wer nicht da ist, hat die Schokolade in Eimern vor die Tür gestellt mit kurzer Anweisung, wie viele Teile sich jedes Kind nehmen darf. Unsere Kids sind über zwei Stunden unterwegs und werfen anschließend alle Süßigkeiten zusammen. Am Ende sitzen alle super glücklich vor ihrer Ausbeute. Halloween ist also doch schön! Wir haben unser erstes Halloween geschafft und es war besser als erwartet. Das hat sich gelohnt. Halloween ist im Gegensatz zu St. Martin ein besseres „Geschäft“: mehr Ausbeute in kürzerer Zeit und das Ganze auch noch ohne Singen! Am nächsten Tag ist dann auch schon wieder alles vorbei und es ist „business as usual“.
Halloween – manchmal auch anders
In einigen Städten New Jerseys läuft Halloween allerdings auch etwas anders ab. Da einige genug von der „Randale“ der Jugendlichen hatten (z. T. waren wohl auch Autos demoliert), gibt es ein polizeilich verordnetes und kontrolliertes Ausgehverbot (curfew) und in einigen Städten ein so genanntes „Trunk-or-treat“ auf einem Parkplatz vor einer Schule oder einer Kirche. Die Idee: Die Leute parken alle im Kreis (mit dem „Hinterteil“ nach innen) und machen ihren Kofferraum (trunk) auf. Der ist entsprechend geschmückt (mit Spinnweben, Kürbissen, Skeletten usw.) und es gibt jede Menge Süßes und Spiele für die Kids. Die Kleinen ziehen dann von Kofferraum zu Kofferraum und holen sich ihr Süßes so ab – eben „trunk or treat“. Manche ländliche Gegenden machen das immer so – „door to door“ wäre da nämlich ein bisschen weit für die Kids. Andere Eltern finden die Variante „Trunk-or-Treat“ einfach sicherer. Außerdem hat eine Kollegin erzählt, dass ihre Tochter mit Freundinnen auf einen sogenannten „Haunted hay ride“ geht – quasi eine Heuwagentour im Dunkeln, wo unterwegs dann Gespenster aus den Büschen springen oder andere gruselige Dinge passieren.
Sandy Hook
Bei unserem spontanen Ausflug an den Strand gibt es die perfekte Temperatur, nur wenige Leute, viele Muscheln und natürlich endlich einmal ganz, ganz viel Sand! Die Amis sind besser ausgerüstet als wir: Mit Klappstühlen, Kühltasche, Transistorradio (aber leise) genießen sie die Wellen. Im Hintergrund ein toller Ausblick für uns alle: die Skyline von New York (auf dem Foto leider kaum zu sehen).
Besuch von Tante Debbie
Marcs Schwester kommt. Die Kids freuen sich schon vorher, Ole und Paul sind sich aber nicht ganz sicher: „Kann die auch Deutsch reden?“ (Warum? Sie hat ihr ganzes Leben lang in Deutschland gelebt!). Sie genießt den Tapetenwechsel und berichtet, dass bei einem Film im Flugzeug die Stillszene einer Mutter mit Baby rausgeschnitten war (sie kannte den Film schon aus Deutschland). Na bitte, habe ich mir das also bisher nicht nur eingebildet. Ich halte weiterhin meine Augen offen nach der ersten amerikanischen weißen Frau, die öffentlich stillt.
Ein Fast-Unfall
Die einzig wirklich negative Erfahrung in diesem Monat: Paul ist auf einem Parkplatz fast von einem rückwärts fahrenden Auto angefahren worden! Nur ein kräftiger Tritt von mir gegen die Stoßstange brachte die Frau dazu, ihr Auto anzuhalten. Wir waren geschockt, sie auch. Aber sie verteidigte sich, sie hätte doch beim Einsteigen ins Auto noch geguckt … Na toll, und dann fährt sie rückwärts, ohne nach hinten zu gucken? Tja, solche Typen gibt es halt überall auf der Welt, nur hier sind wir einfach viel mehr auf Parkplätzen mit riesigen Autos unterwegs – nach dieser Erfahrung gibt es jetzt für unsere Kids absolute „Halsbandpflicht“.
Bus-Aufruhr
Aufruhr in der Nachbarschaft um den bus stop: Vorweg: Unsere Nachbarsfamilien sind alle sehr nett und wir kommen gut mit ihnen klar soweit. Aber sie ticken eben manchmal doch anders als wir: Der neue Schulbusfahrer ist ein etwas komischer Kauz und beharrte darauf, nicht dort zu halten, wo wir mit den anderen Leuten gemeinsam warteten, sondern etwa 50 m die Straße hoch, in Richtung unseres Hauses. So stand das angeblich in seiner Anweisung, und viele Amerikaner/innen sind ja sehr law-abiding. Daraufhin brach ein Entrüstungssturm unter unseren Nachbarsfamilien aus, denn alle wohnen am anderen Ende der Straße und mussten diese Entfernung jetzt noch zusätzlich gehen (es geht um ca. eine Minute zu Fuß, ca. 50 Meter!). Sie schrieben mehrfach Briefe an das Transport-Unternehmen, wir wurden telefonisch befragt, ob wir etwas dagegen hätten, wenn der bus stop wieder zurückverlegt würde, und dann, nach fast vier Wochen Hin und Her überbrachte einer unserer Nachbarn eines Morgens strahlend die Nachricht: „Tomorrow is the big day“ – der Bus hielt jetzt wieder an der alten Stelle. Jetzt hat alles wieder seine Ordnung und alle sind zufrieden – ich übrigens auch, denn ich bin froh, wenn unsere Kids morgens genau diese 50 Meter mehr laufen dürfen. Ich will, dass sie später nie auf die Idee kommen, das zu machen, was unsere Nachbarin Deborah (zwei Häuser neben uns) gemacht hat – sie ist mit dem Auto zu unserer Einweihungsparty im Februar gekommen!
Schöne Hände und Füße
Drei Generationen bei der Maniküre und Pediküre: Das Mädchen war nicht älter als sechs oder sieben Jahre und zeigte anschließend den anderen ganz stolz seine schicken Nägel, die Oma platzte ebenfalls vor Stolz. Was für ein Glück, dass wir nur Jungs haben!
Ungewöhnlicher Schilderwald
Ich habe wieder soooo viele Schilder entdeckt … Aber versprochen, es ist das letzte Mal, dass ich mich darüber auslasse … Ich finde nur immer wieder neue auffällige Exemplare, die sich doch von den deutschen Pendants deutlich unterscheiden. Klare Ansage der Konsequenzen: Bei vielen Schildern bekommt man direkt klipp und klar gesagt, was einem blüht, wenn man sich nicht dran hält. Ist doch gar nicht schlecht und bestimmt effektiver als die deutschen Pendants, oder? Aber auf der anderen Seite muss man sich hier durch mehr Informationen wühlen, um nicht die Hauptaussage zu verpassen. Was ist wohl effektiver? Einfach reicht oft nicht – es wird verstärkt mit „unexceptionably“, „absolutely“ oder auch durch die Wiederholung bzw. Darstellung einer Regel auf diverse Arten. Das ist beim Autofahren manchmal ganz schön verwirrend, weil die Straßenränder oft gepflastert sind von Schildern, die eigentlich überflüssig sind (in meinen Augen). Die Krönung habe ich bei uns in Madison (Nachbarort) gefunden: Linksabbiegeverbot: direkt sechs Mal als Bild und noch drei Mal „No left turn“ (die Leute biegen dort übrigens immer noch links ab).
„Kunterbuntes“ Multi-Kulti Morristown
Von „bunt“ gemischten Schulklassen und vom Bild der amerikanischen Gesellschaft als Schmelztiegel und Salatschüssel. Von Amerikaner/innen, die auch Deutsch sprechen – und außerdem Französisch, Spanisch und Vietnamesisch. Von der beeindruckenden Tatsache, dass es in Morristown 35 Kirchen für 19.000 Einwohner/innen gibt. Und wo die amerikanische Flagge überall präsent ist. Als ein absolutes Highlight erlebe ich die „bunte“ Mischung von Menschen, die hier zusammenleben und gemeinsam die amerikanische Gesellschaft bilden – jedenfalls bei uns in Morristown. Deutsch, Amerikanisch, Russisch, Finnisch und mehr Theo (8) geht zu einer öffentlichen Grundschule hier in Morristown. Mit einigen Klassenkameraden ist er näher befreundet: Eric ist halb Deutscher, halb Amerikaner. Theo und Eric kommen gut miteinander aus. Sein Freund Samuel ist aus Russland adoptiert, lebt jetzt in einer jüdischen Familie und feiert eben kein Weihnachten, sondern Hanukkah. Rachel ist ebenfalls Jüdin und geht jeden Sonntag in die „Hebrew School“. Ansonsten kennt Theo noch vom letzten Schuljahr Mikka, einen Finnen, und Max, einen deutschen Jungen. Das sind seine beiden besten Freunde hier. Dazu kommen noch einige Kinder mit hispanischen Eltern und einige junge Afro-Amerikaner/innen. Das Klassenfoto, das Theo dieses Schuljahr mit nach Hause gebracht hat, ist daher richtig „bunt“. Vom Schmelztiegel zur Salatschüssel Wie ihr wisst, sind die USA ein Einwanderungsland und die Gesellschaft besteht aus Leuten ganz verschiedener Herkunft, Religion, Hautfarbe, Sprache und kultureller Tradition. Etwa 61 Prozent der Bevölkerung sind im Moment weiß, 18 Prozent lateinamerikanisch, 13 Prozent afroamerikanisch, 6 Prozent asiatisch und 1 Prozent indigen (also Native Americans oder Native People). Viele von ihnen können einem ganz genau Auskunft geben, wann und woher Vater und Mutter, Großtante oder Urgroßvater nach Amerika gekommen sind. Eine meiner Schülerinnen an der deutschen Schule erzählte mir, dass einer ihrer Vorfahren im Jahr 1776 die Declaration of Independence mitunterschrieben habe. Wer weiß – vielleicht stimmt das sogar…. Aus meinem Englisch-Oberstufenunterricht kenne ich nur allzu gut die beiden Metaphern, die für die amerikanische Bevölkerung benutzt wurden bzw. werden. Früher wurde das Bild des Schmelztiegels (melting pot) benutzt, der die Idee veranschaulichte, dass es zu einer Assimilierung und Integration von Einwander/innen in die Kultur des Landes kommt und dass …
Sommer im Herbst
Wir haben die Wochen in Deuschland sehr genossen und sie waren wichtig, weil sie uns eine erholsame Auszeit verschafft haben. Aber ich muss auch sagen, dass es wieder unheimlich inspirierend ist, hier zu sein und diese unglaubliche Vielfalt zu erleben, die es eben in dieser Form in Deutschland nicht gibt. Während ihr wahrscheinlich gerade die ersten Lebkuchen und Spekulatius in den Geschäften entdeckt, ist es bei uns noch richtig sommerlich warm – von Weihnachtsplätzchen keine Spur. Dafür gibt’s hier überall Kürbisse – in beeindruckenden Übergrößen und im Übermaß. Wir packen also erstmal unsere mitgebrachten Herbstsachen nach hinten in den Kleiderschrank und holen die T-Shirts und Sandalen wieder raus. Es ist aber deutlich früher dunkel (so gegen 19 Uhr), in den ersten Herbststürmen fallen die Blätter von den Bäumen und man kann den Eichhörnchen und Streifenhörnchen zusehen, wie sie sich über die Eicheln hermachen und diese auch in ihre Verstecke bringen – eben wie in Deutschland. Der Rest aber fühlt sich eher wie Sommer bzw. eine ziemlich verrückte Mischung an. Zu Beginn sind die Nächte noch über 25 Grad warm und wenn man rauskommt (in Erwartung von Kühle), läuft man gegen eine Wand aus feuchter Luft und Grillengezirpe. Ähnlich geht es einem beim Verlassen der Geschäfte, wo zumindest ich immer wieder platt bin, dass es draußen immer noch wärmer ist als drinnen. Ein Laden in Madison meinte wohl, etwas für’s Herbstgefühl tun zu müssen und lockt mit Christmas Card Sale, während die Leute in ihren Flip-Flops vorbeimarschieren. Und während die Flaggendichte wieder abnimmt, bekommt man dafür überall Angebote für Grippeschutzimpfungen („flu shots“) präsentiert.