Little Germany mitten in Manhattan

Mit den Kolleginnen von der deutschen Schule gehe ich zu einer Konferenz ins Deutsche Konsulat in New York. Nach der Sicherheitskontrolle weist uns ein Mann ein, wo und wie es weitergeht. Ich bin wie vom Donner gerührt – und das nicht wegen der deutschen Sprache! Sondern wegen des Manns, der so „deutsch“ ist, dass ich geschockt bin und mich gleichzeitig ertappt fühle: Es sind diese muffige Miene, der bierernste und unenthusiastische Tonfall und diese kraftlose Körperhaltung, die so vertraut sind und mich innerhalb von Sekunden nach Deutschland versetzen, aber mich doch auf dem völlig falschen Fuß erwischen (ich bin doch in NYC!).   In Deutschland wäre der Mann gar nicht aufgefallen – aber es ist eben der krasse Unterschied (gerade noch in den USA – jetzt in Deutschland), der einen einfach umhaut. Die drei Ansprachen zu Beginn der Konferenz – z. B. über die Bedeutung von Schüleraustauschen für die Stärkung der deutschen Sprache in der Welt – sind nicht nur langweilig, sondern erinnern auch eher an Klagereden. Puh, man hat das Gefühl, dass dieses ganze Unterfangen einfach nur schrecklich, hoffnungslos und grau ist und geht daher eher gedrückt aus der Einführung. Die Workshops danach sind bis auf eine Ausnahme ebenfalls einfach nur schlecht und die Referent/innen wenig vorbereitet. Ich lerne nur bei einem Vortrag wirklich etwas Neues. Das Geld für diese Konferenz, zu der tatsächlich Deutschkollegen/innen aus den gesamten USA nach NY eingeflogen worden sind, hätte sich wirklich besser einsetzen lassen. Das, was Mrs. Low, die amerikanische Schulleiterin von Theo und Tim, manchmal zu viel hat (wenn sie ihre Schule und die Kollegen über den grünen Klee lobt: „We have the most wonderful teachers for your kids“), das haben wir Deutschen definitiv zu wenig. Was ist bloß los mit uns? Und da schließe ich mich hier mit ein, denn man fällt so schnell wieder in „alte Verhaltensmuster“ zurück. Warum fällt es uns so schwer, einfach mal ein bisschen Optimismus zu verbreiten?

Veterans Day

Schon Wochen vor diesem Tag, dem 11. November, werden mehrfach Flugblätter von der Schule nach Hause geschickt, in denen nach Veteran/innen gesucht wird. Der Name der Aktion: „Bring the Veterans to the Kids“ – allein dieses Motto finde ich schon befremdlich. Eine deutsche Bekannte hatte uns gewarnt, dass wir die Kids an diesen Tagen am besten krank melden sollten, denn in den Schulen würden sowohl Dokumentationen diverser Kriege gezeigt als auch zweifelhafte Kriegs“anekdoten“ von Veteran/innen an die Kids weitergegeben – und das Ganze ab „kindergarten“, also der hiesigen Vorschule, wo die 5-Jährigen drinsitzen. Unsere Kids sind dann aber doch an dem Tag zur Schule gegangen, und nachmittags hörte ich Tim direkt begeistert von den Tricks der amerikanischen Soldat/innen in Afghanistan erzählen: „Die Leute da denken, dass das nette Verzierungen für ihr Haus sind und nehmen die Dinger mit und dann drinnen explodieren die. Bummm.“ (Freudestrahlen übers ganze Kindergesicht).   Die deutsche Mutter eines „kindergarteners“ war zufällig mit dabei, als ein amerikanischer Soldat in der Schulbibliothek seine selbstgedrehten Filme aus Afghanistan zeigte. Da gab es zum einen diese Szene, wo amerikanische GIs Bleistifte an afghanische Kinder verteilen; zum anderen gab es einen Soldaten, der in voller Kampfmontur durch einen Fluss watet und dabei sein MG sicher über Kopf hält. Der Sohn dieser Frau ist nach der Vorführung dann auch direkt mit einem aus seinen Fäusten geformten Maschinengewehr aus der Bibliothek gestürmt und hat die vorbeilaufenden Kinder „umgemäht“. Diese Mutter (mit einem Engländer verheiratet) war danach reichlich angesäuert und hat für sich entschieden, dass ihre Kinder nächsten November an diesem Tag zu Hause bleiben.

Bunt. Bunter. Am buntesten.

Wir haben diesen Monat den Indian Summer in vollen Zügen genossen. Also, solltet ihr überlegen, eine Reise an die Ostküste zu machen, kann ich euch den September/Oktober nur empfehlen: Angenehme Temperaturen und einfach wunderschön verfärbte Bäume, die in Gelb, Orange und Rot leuchten. Wenn man nicht wüsste, dass sie echt sind, könnte man glatt glauben, dass da jemand nachgeholfen hat. Im Gegensatz zu Deutschland behalten hier die Bäume ihre farbigen Blätter noch für viele Wochen – ich konnte mich gar nicht satt dran sehen. Das Blättersammeln weckt Glücksgefühle wie beim Muschelnsammeln, denn eins ist schöner als das andere und hinterher hat man viele kleine Schätze. Mein Tipp: Kommt einfach selber gucken! Laub. Mehr Laub. Noch mehr Laub. Nicht so schön ist der Lärm von den Laubgebläsen, die jetzt allgegenwärtig das Laub auf dem Boden zusammenpusten. An den Straßenrändern liegen riesige Haufen mit braunen Blättern – bei mir kommen schon die Erinnerungen an den Schnee hoch, der ja ebenfalls bald wieder an den Straßenrändern aufgekippt wird und die Straßen enger macht. Manchmal muss man einfach durch die mannshohen Laubberge stapfen, um auf die andere Seite zu kommen – ähnlich wie beim Schnee.   Stare und noch mal Stare. Immer wieder beobachten wir Stare, die in großen Schwärmen aufsteigen, um sich dann wieder alle gemeinsam über einen Rasen herzumachen und Würmer zu picken. Wenn ihre Schatten an den Bäumen vorbeihuschen, erinnert das eher an Fledermausschwärme: Sie tauchen völlig überraschend auf, dafür aber in wirklich unvorstellbar großen Mengen, und lassen sich dann unvorhersehbar alle gleichzeitig nieder – beeindruckend und auch ein bisschen beängstigend. Wenn man mit dem Auto in so einen Schwarm gerät, muss man schon auf die Bremse treten.

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Special-needs-Sport

Marc erzählt: Ich gehe jetzt alle zwei Wochen mit Ole zum Sport. Wir haben hier in Morristown eine offene, kostenlose Sportstunde gefunden, bei der Kinder mit Special Needs einen Buddy zugeteilt bekommen, mit dem sie dann eine Stunde lang Sport treiben. Die Buddys sind Teenager, die sich dort ehrenamtlich engagieren. Das ist eine tolle Sache, denn Ole liebt Bewegung. Er spielt Fußball oder läuft und genießt die exklusive Zeit. Danach ist er viel ausgeglichener und absolut happy. Manchmal lasse ich dann den Blackberry bewusst im Auto und schalte auch einfach mal eine Stunde am Rand des Spielfeldes ab 🙂 .   SNAP Matt Certner hat mit 13 Jahren SNAP (Special Needs Athletics Programs) ins Leben gerufen, um seinem autistischen Nachbarn zu helfen, weiterhin Sport zu machen. Ich finde das wirklich imposant, denn bei den ganzen Gesetzen, die die hier haben, kann man sich vorstellen, wie viele Hürden da zu überwinden waren. Matt’s Tipp für Nachahmer/innen: „Dont’ take ‚No‘ for an answer.“ Hut ab – denn ein amerikanisches „No“ ist nach meinen bisherigen Erfahrungen noch viel stärker als ein deutsches „Nein“.

Pumpkins

Zur Einstimmung ein Gedicht, das Tim auswendig lernen musste: Pumpkin Pumpkin, pumpkin Big and round I’m glad you grow Upon the ground I’m glad you don’t Grow in a tree, For then you might Fall down on me.   Was im September anfing, erreicht im Oktober seinen Höhepunkt: die pumpkin-Saison. Egal ob Schule, öffentliches Leben oder eigenes Haus – um Kürbisse kommt niemand herum. Man sieht sie überall zur Dekoration (in den Geschäften, in den Vorgärten), es gibt besonders viele Gerichte mit Kürbis, und in den Cafés gibt’s Kürbiskaffee zu trinken („Pumpkin Spice Latte“ oder “Pumpkin Chai “). Da ich keinen Kaffee trinke, kann ich leider nicht sagen, wie der schmeckt. Der Kürbiskäse mit Zimt schmeckt für mich jedenfalls eher gewöhnungsbedürftig. Und in der Schule gibt es den „pumpkin science day“, wo die Kinder Kürbisse messen, wiegen, aushöhlen usw.

Pumpkin picking

Es gibt viele amerikanische Traditionen, die sich um pumpkins drehen. Wir als Neueinsteiger haben dieses Jahr mit dem bei Kids beliebten „pumpkin picking“, also „Kürbisse pflücken/aufheben“ angefangen. Wir sind zu einer Farm gefahren (wie viele, viele andere Familien auch: totale Überfüllung), und nach einer Heuwagenfahrt wurden wir dann auf einem Feld rausgelassen. Dort lagen Hunderte von pumpkins, die hier vorher extra ausgelegt worden waren (etwas verrückt)! Alle durften sich einen Kürbis aussuchen und dann mit nach Hause nehmen. Tipp: Bloß nicht am Stiel anfassen, denn der kann leicht abbrechen! Na ja, nächstes Jahr werden wir wohl einen weiteren Weg auf uns nehmen, um zu einer Farm zu kommen, wo die Kürbisse tatsächlich noch an den Pflanzen hängen und man sie wirklich abpflücken kann – das stelle ich mir doch spannender vor.   Ein unerwartetes Highlight auf der Farm war aber die „corn box“, also eine Art Sandkasten, der voll mit Maiskörnern gefüllt war. Ole und Paul waren gar nicht mehr herauszubekommen.

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Halloween

Am 31. Oktober, am Abend vor Allerheiligen, wird hier groß Halloween gefeiert. Es hat seinen Ursprung in alten keltischen Bräuchen und katholischen bzw. römisch-religiösen Ritualen. Über die Zeit hat es sich von seiner religiösen Bedeutung gelöst und ist eher zu einem weltlichen Fest für die Kids geworden. Zur Einstimmung werden diesen Monat viele Vorgärten in Friedhöfe verwandelt, Gespenster wehen in den Bäumen, aber es gibt auch quietschbunte aufblasbare Riesenkürbisse, die vor allem die Kids erfreuen.   Schon gewusst? Woher kommt Halloween (All Hallows` Eve = der Abend vor All Saints’ Day)?

28. Oktober – die Halloween Vorbereitung

Einer der wichtigsten Aspekte von Halloween für Kids ist es, die Kostüme auszusuchen. Ich will diesen Teil rechtzeitig abhaken, und wir ziehen daher schon Anfang Oktober los in die entsprechenden Geschäfte, wie z. B. Party City. Wir staunen, denn dort gibt es alles, was das Grusel-Herz begehrt: literweise falsches Blut („bottle of blood“), Körperteil-Süßigkeiten („body part candy“) und jede Menge ekliger aufklebbarer Verletzungen (EZ Grand Opening Kit, Burn Ex Kit, Broken Bone, EZ Scar Set; EZ = easy). Dazu unzählige Kostüme: In dem Laden, in dem wir waren, konnte man zwischen über 150 verschiedenen Kinderkostümen wählen. Der Trip in den Laden war ein Erlebnis, nur hatte Tim leider anschließend Alpträume – die amerikanischen Kids, die da auch schon im Kleinkindalter reingeschleppt werden, sind wohl abgehärteter.   Die Kids dürfen ihre Kostüme schon mal anprobieren, aber irgendwie fehlt noch die Stimmung bzw. die Erfahrung, wie sich Halloween denn dann so anfühlen muss. Ich versuche, dieses Vakuum durch deutsche Karnevalslieder aufzulockern – die Kinder rocken zu „Wir spielen Cowboy und Indianer“ durch die Wohnung, aber so ganz passt das nicht – falsche Jahreszeit und falsches Land.

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29. Oktober – Halloween in der Schule

Nachdem sie ungeduldig die Tage gezählt haben, ist es am 29. Oktober endlich so weit: Theo und Tim dürfen ihre Kostüme in einer Tüte mit in die Schule nehmen. Waffen und Blut sind grundsätzlich verboten. Ole und Paul dürfen kostümiert in die preschool gehen, aber ohne Kopfbedeckung und Schminke, damit sich niemand erschreckt. In der Schule gibt es zunächst normalen Unterricht, und mittags geht’s dann los mit Kostümanziehen, einer Halloween-Party (sehr gesittet, mit Basteleien, ohne Musik, kleinem Snack). Danach kommt der Höhepunkt: die Halloween-Parade, bei der alle Klassen fünf Mal um die Schule laufen. Viele Eltern stehen mit ihren Kameras bereit, während die Kids stolz ihre Kostüme präsentieren. Auch einige Lehrer/innen sind im Kostüm zur Schule gekommen. Dazu gibt es dann auch zum Glück auch mal Musik (v. a. „Ghostbusters“) – das hebt endlich die Stimmung. Die allermeisten Kinder haben wirklich nette, z. T. auch selbstgebastelte Kostüme an – also von Halloween-Horror keine Spur. Es ist eher wie Kinderkarneval. Ich bin positiv überrascht.

Trick-or-Treat-Walk

Nach der Schule fallen unsere Kids dann in ein Stimmungsloch. „Wie, das war’s jetzt? Machen wir keine Party?“ „Halloween ist blöd.“ Ich packe die vier kurz entschlossen ins Auto und fahre nach Morristown rein, wo von 3 bis 5 p.m. ein „Trick-or-Treat-Walk“ auf einer der Hauptstraßen stattfindet – von Geschäft zu Geschäft Süßigkeiten einsammeln. Wir stürzen uns also ins absolute Getümmel, weil wirklich alle Familien mit Kindern in dieser Zeit auf dieser einen Straße laufen. Aber es wird besser als gedacht: Wir sind zwar viel zu spät dran, aber in dieser letzten halben Stunde sammeln die Kinder bei den Geschäften noch recht viele Süßigkeiten in ihre Plastik-Kürbiseimer ein und sind wieder zufrieden. Puh! Die Stimmung ist trotz extremen Gewusels sehr nett und friedlich, immer wieder hört man Kinderstimmen nach unseren Kindern rufen: [haɪ] [θɪəʊ], [haɪ] [tɪm], [haɪ] [əʊl], [haɪ] [pɔːl] Wir sind tatsächlich nicht mehr ganz unbekannt hier 🙂 .   Gleiches Recht für alle: Wir sehen ganz viele als Kürbis verkleidete Hunde, aber auch Marienkäfer sind dabei. Oder wie wäre es mit Hot Dog – oft im Partnerlook mit Herrchen und Frauchen. Bei uns in Morristown gibt es sogar einen Wettbewerb mit verschiedenen Gewinnkategorien: furchterregendster Hund, süßester Hund, best match: owner – dog. Als wir wieder zu Hause ankommen, schicke ich die Kids sofort los zu den Nachbarhäusern – lieber alles in einem Aufwasch (meine Philosophie). Aber das geht nach hinten los: „Oh, you are too early. Halloween is on Sunday.“ Stimmt, es war erst der 29. Oktober. Nach zwei Versuchen geben wir auf und vertagen die Aktion auf Sonntag.