Die Schule hier kommt mir immer so vor wie eine dicke Person, die sich mit ihrem mächtigen Hintern auf einen eh schon engen Sitz quetscht – ich will damit sagen, dass die Schule im Alltag fast den ganzen Tag okkupiert und den Kids für andere Aktivitäten, wie Sport oder Verabredungen, kaum mehr Zeit bleibt. Morgens um 8.25 Uhr kommt der Bus bei uns an. Das System mit dem Schulbus, der jedes amerikanische Kind quasi vor der Haustüre abholt, ist zwar praktisch, aber so fängt der Schultag schon mit 25 Minuten Sitzen für unsere Kinder an. Und für die allermeisten hört er dann um kurz nach 16 Uhr (je nach Schulbeginn auch früher) genauso wieder auf – nämlich sitzend. Die Zeit dazwischen besteht ebenfalls aus Sitzen. Theo (8) und Tim (7) haben in der Schulzeit von 9.00 bis 15.20 gerade mal 40 Minuten keinen Unterricht: 20 Minuten „lunchtime“ (wo sie wieder sitzen!) und eine 20-minütige Pause. Zugegeben, in der Pause dürfen sie sich bewegen – mit Einschränkungen (s.u.). Für meine Schulkinder in der Deutschen Schule (Samstagsschule), die regulär in eine middle school gehen, war die Frage bei der mündlichen Prüfung: „Was machst du in der Schulpause?“ dann auch einfach komplett verwirrend – fragende Gesichter bzw. die Antwort: „Wir haben keine Pause.“ Also beim nächsten Mal besser nicht danach fragen – das ist eine interkulturelle Falle. Zusätzlich gibt es in den letzten Jahren die Tendenz, Schulsportstunden zu streichen. Zum einen, damit die Schulen mit einem kleineren Budget zurechtkommen und zum anderen, damit die Kinder mehr Zeit zum Lernen haben (in standardisierten Tests schnitten die Kinder immer schlechter ab in letzter Zeit – dagegen will man etwas tun). Ich kann nicht glauben, dass das Wissen um den Nutzen von physischer Aktivität fürs Lernen hier noch nicht angekommen ist. Wer sich bewegt, hat ein besser durchblutetes Gehirn, was sich positiv auf Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit und Kreativität auswirkt – alles Dinge, die beim Büffeln durchaus helfen. Außerdem gibt’s „Wohlfühlhormone“ und „Anti-Stresshormone“ quasi frei Haus. Ich konnte kaum glauben, dass erst jetzt (Januar 2012) in der Times stand, dass es „wachsende Hinweise darauf gäbe, dass körperliche Aktivität …
Das Geheimnis der sauberen Schuhe
Am Anfang habe ich mich immer gewundert, wieso amerikanische Kinder so saubere Schuhe an den Füßen haben – kaum Gebrauchsspuren und schon gar kein Dreck oder Matsch. Das ist umso verwunderlicher, da sie noch nicht einmal Buddel- oder Matschklamotten in der preschool haben. Die Antwort? Ganz einfach, sie gehen nur sehr selten raus und wenn, dann nur bei perfektem Wetter – Fall gelöst. Generell ist das Erziehungssystem hier viel weniger auf die Bewegungsfreude und den Bewegungsbedarf der Kids ausgerichtet als in Deutschland. So wie ich das bisher erkenne, liegt der Schwerpunkt ganz klar woanders: Mit fünf Jahren muss man lesen können und bitte auch schon anfangen zu schreiben! Diskutieren kann man sich sparen – die Leute hier sind bei dem Thema „Lesen und Schreiben lernen“ (Literacy) komplett anders sozialisiert und kollektiv programmiert. Unsere Montessori-preschool vernachlässigt fast komplett das Bedürfnis der Kids, sich zu bewegen und die Welt mit allen Sinnen (und eben nicht nur den Montessori-Klassenraum) zu erfahren. Zwischen „work“, „my ABCs“, „lining up“, „Spanish“ und „music“ gibt es nur eine Bewegungspause von 20 Minuten. Über dreieinhalb Stunden (!) sitzen die Kids in dem einen Klassenraum oder sie gehen vorsichtig zwischen den auf dem Teppich liegenden Kindern hindurch. Jeder „Bewegungsausbruch“ wird direkt mit freundlicher, mahnender Stimme gezügelt „walking feet, please!“ Die Pause wird in über 50 Prozent der Fälle nur drinnen in einem urhäßlichen „playroom“ „abgehalten“, weil das Wetter mal wieder nicht perfekt ist – es geht nur raus, wenn die Sonne scheint, es aber dabei nicht zu heiß ist, kein Wind weht und keine Wolke am Himmel ist! Der Raum ist unterteilt: Die Kids, die sich endlich mal bewegen müssen, laufen dann sieben Meter hin und sieben Meter her, von der Wand bis zur Abtrennlinie – immer, immer wieder. Das erinnert mich schon fast an die Eisbären bei uns im Zoo, aber die Kids lachen dabei wenigstens und nach 20 Minuten sind einige sogar nassgeschwitzt. Wenn die Kids Glück haben, geht es in den „Zwinger“ – wie Marc und ich den sterilen, wenig einladenden, hochumzäunten Minispielplatz nennen. Der hat keinen Sandkasten, keine Schaukel, keinen Baum und nur …
Deutscher Kindergarten vs. amerikanische preschool
Warum bei amerikanischen Kindern Lernen statt Toben im kindergarten auf dem Stundenplan steht und wieso wir bei der ersten preschool die Reißleine gezogen haben. Und vom Schreiben lernen auf Butterbrotpapier. Also, während in Deutschland eure Kinder lautstark in Hausschuhen in Kindergärten, Kitas und Krippen herumtollen, Vater-Mutter-Kind spielen, in der Bauecke konstruieren, einmal pro Woche zum Englischunterricht gehen, sich in möglichst naturbelassenen Außenbereichen durch große Sandkästen wühlen, ihre Zeit schon teilweise selbst organisieren und viele Dinge ohne Erwachsene unter sich ausmachen … … sitzen Kinder gleichen Alters in Amerika und so auch Ole (4) und Paul (3) in der preschool sehr gesittet in Trainers (Sportschuhen) in Sitzkreisen („criss-cross-applesauce“) oder an Tischen, hören den Lehrerinnen aufmerksam und interessiert zu, malen und zeichnen Buchstaben, entziffern und lesen Wörter, stellen sich diszipliniert in Schlangen auf, lernen Spanisch, halten anderen Leuten die Tür auf, behalten ihre Hände bei sich („Remember to keep your hands to yourself“) und gehen dann für 20 Minuten auf einen kleinen sterilen Spielplatz (blauer Himmel und angenehme Temperaturen vorausgesetzt). Pre-K Es gibt viele öffentliche und private Vorschulprogramme – einige halbtags, andere ganztags (daycare centers, nursery schools, preschools, kindergarten). Für Kinder unter fünf Jahren bezeichnet man diese Jahre als „Pre-K“ (gesprochen [priː – kei], wobei das „K“ für kindergarten“ steht). Sie unterscheiden sich von den deutschen Vorschuleinrichtungen vor allem darin, dass sie sich allesamt weniger als Betreuungs- sondern vielmehr als Bildungseinrichtung verstehen (zumindest bei uns hier in New Jersey). Es gibt also immer wieder Abschnitte, wo eine „Lernphase“ eingeschoben wird. Die heilige Kuh Die bedeutendste Zeit ist das Kindergartenjahr (kindergarten), ein Bildungsprogramm, das bei uns sowohl von Grundschulen (kostenlos) als auch von vielen preschools (für teuer Geld) angeboten wird. Es ist quasi wie ein „Vorschuljahr“ für 5-Jährige, wobei die Kinder hier schon viele Dinge lernen, die in Deutschland erst nach der Einschulung auf dem Plan stehen, u. a. das Alphabet, Zahlen (bis 100), Rechnen, Lesen, Schreiben. Der kindergarten ist jedoch keine Pflicht und daher gibt es durchaus Kinder, die erst mit dem ersten Schuljahr einsteigen. An Oles preschool ist das kindergarten-Jahr die Kür, so dass alle Pre-K Klassen voller Ehrfurcht …
Amerikanische Bildung für die Kleinsten
Warum hier viele Kinder früher lesen als radfahren können. Und wieso die Kleinen sich mit dem Schreiben auskennen, ehe der erste Milchzahn ausfällt. Unsere Erfahrungen im Bereich „Frühförderung“ (2 bis 5 Jahre) „Frühförderung“ ist im Moment ja auch unter deutschen Eltern ein großes Thema (Englischunterricht, musikalische, sportliche Förderung) und nicht unumstritten. Aber – um euch direkt zu beruhigen – von amerikanischen Verhältnissen sind wir noch meilenweit entfernt! Darum also ein kleiner Beitrag zu dem Thema, an dem wir uns in den letzten Monaten immer wieder die Zähne ausgebissen haben: Es geht um die sogenannte „literacy“ – ein Begriff, der über die Alphabetisierung (sprich Lesen und Schreiben können) hinausgeht und u. a. auch die Fähigkeit im Umgang mit Zahlen, Bildern, Computern sowie generell Fertigkeiten des Wissenserwerbs mit einschließt. Vor allem der Bereich des Lesen- und Schreiben-Lernens betrifft uns bei Ole und Paul in der preschool unmittelbar und bei Tim in der 1. Klasse (hier aber eher die Frage nach der Methode, wie man lesen lernt). Kleine Vorwarnung: Das ist ein „brainwash-Thema“, und ihr werdet vieles nicht glauben können. Ging mir am Anfang auch so – mit in Deutschland erworbenen Denkschemata kommt man hier nicht weit! Die ultra-komprimierte Version vorweg: Amerikanische Kinder werden anders groß als deutsche Kinder: Viele können hier lesen, bevor sie radfahren können. Sie verständigen sich mit Zeichensprache, bevor sie ihr erstes Wort sprechen und schreiben ihre ersten Sätze, bevor der erste Milchzahn ausfällt. Früh übt sich – sonst sieht es später düster aus Das Thema Frühförderung wird in den preschools natürlich ganz groß geschrieben, so dass die Kinder sich hier viel früher mit Themen auseinandersetzen (müssen/ dürfen), die bei uns in Deutschland bis zum 1. Schuljahr fest unter Verschluss bleiben. Aber auch außerhalb der preschool begegnet uns das Thema überall im Alltag, z. B. beim Einkaufen und bei der Kinderärztin. „There is a time when a door opens and the future comes in and it’s the first five years. The first five years are forever – Early Education.“ – Slogan der PNC-Bank , der auf breitem Banner im Supermarkt und vor der Bank in Morristown …
Lesen mit 4 Jahren
Warum hier die meisten 3-Jährigen schon alle Buchstaben kennen und wieso es DVD-Serien für Kinder ab 1 Monat (!) gibt. Und von der unglaublichen Tatsache, dass amerikanische Eltern darüber staunen, dass auch Kinder, die erst mit 6 Jahren lesen lernen, ein erfolgreiches und zufriedenes Leben führen können. Zur Einstimmung auf das Thema „Lesen“ kommt hier ein Ausschnitt aus der Sesamstraßenfolge „Learning about letters“: Experte ist der gelb gefiederte Riesenvogel Bibo („Bird“), der allen hilft – ganz gleich, ob Baby Bear (who has still trouble remembering his letters) oder auch Snuffy (einem mammutähnlichen Tier mit langem Rüssel, riesigen Augen und langen Wimpern): Bird (zu den Zuschauern): „Oh hi, I’m glad you’re here.“ Snuffy (ins Publikum): „And I’m glad you’re here, too, ’cause today we’re gonna get to go through the whole alphabet. Right, Bird?“ Bird: „Right, Snuffy. And we’re gonna read some words.“ Snuffy: „Words, Bird? Aren’t I too little to be reading words?“ Bird: „Too little?“ (er lacht laut) You are four and a half years old! …“ Es folgt der „ABC-Song“, der „C is for cookie“-Song mit Krümelmonster und natürlich der „la la la song“ von Ernie und Bert, in dem alle Buchstaben des Alphabets mit Gegenständen, die mit dem jeweiligen Buchstaben anfangen, nacheinander vorgestellt und mit Schriftbild eingeblendet werden – für 30 Minuten. Das Motto: „Get ready to sing, dance and laugh all the way from A to Z!“ – Ja, jetzt geht die Party richtig los! „Do you know your ABCs?“ Unsere Erfahrungen mit dem Thema „Literacy“ Am allerersten Schultag fragte uns eine Lehrerin von Tims Schule mit Blick auf Ole (damals 4 Jahre): „And, does he know his ABCs?“ Ich wusste damals nicht, was ich sagen sollte… Was wollte sie wissen? Ob er seinen Namen schon buchstabieren kann? Er war doch erst 4 Jahre – genau wie Snuffy aus der Sesamstraße ;-). Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, dass wir als Eltern eines 3-Jährigen und eines 5-Jährigen schon mal öfter gefragt werden: „Kennt er denn schon alle Buchstaben? – Does he know his ABCs?“ Das ist so eine Art „Gesprächsaufhänger“ mit Kindern, wie man eben …
Schreiben lernen
Welcher Buchstabe sich hinter „big line, little curve, little curve“ verbirgt und welcher unserer Finger der „pinky“ ist. Von den vielen „Teekesselchen“ im Englischen und bei welchen erstaunlichen Vokabeln Theo schon gelandet ist. Keine Schreibschrift, kein Füller Das Schreibenlernen wird ja in den deutschen Schulen gewissermaßen zelebriert – mit richtiger Stifthaltung, vielen Schwungübungen und dem „Füllerführerschein“. Hier geht es dagegen weniger um die „Kunst“ des Schreibens, sondern vielmehr darum, die Buchstaben erkennbar aufs Papier zu bekommen. Bereit mit 3 bis 4 Jahren haben die Kinder ihre ersten Erfahrungen gemacht, wie z. B. Paul (3) mit „Buchstabennachziehen“ durch Butterbrotpapier. Totale Überforderung, da die Feinmotorik überhaupt noch nicht gereift war. Ole (5) lernt im Moment im kindergarten mit einem Buch, das ernsthaft „Handwriting without tears“ heißt!!! Da lernen sie die Buchstaben mit kleinen Sprüchen – das „B“ ist „big line, little curve, little curve“. Tataaaa – fertig ist das „B“. Stifthaltung spielt hier keine größere Rolle (Hauptsache, der Stift hält – bei der Bedienung im Restaurant kann man die diversen verkrampften Varianten in Ruhe bewundern), und Schreibschrift (cursive) ist hier zwar bekannt, aber absolutes Stiefkind. Theo (8) und Tim (6) bekommen für jeden Buchstaben genau ein Arbeitsblatt, auf dem dieser isoliert in Schreibschrift geübt wird, aber das war’s. Der Alltag besteht aus Druchbuchstaben (print) und Bleistiftgekritzel. Füller gibt es noch nicht mal bei Staples zu kaufen. Also, von wegen penmanship (Schreibkunst) … ist hier nicht. „Pinky“: ein Finger und ein Versprechen Ein Highlight zwischen all dem Frust für Tim beim Schreiben ist im Moment der „pinky space“ („pinky“ ist der kleine Finger): Er legt seinen kleinen Finger (pinky) hinter jedes von ihm geschriebene Wort und weiß somit, wo er mit dem neuen Wort anfangen darf, damit es keine endlosen Wortspaghetti werden. Und wo wir schon beim „pinky“ sind: Der kleine Finger hilft nicht nur beim Einhalten von Wortgrenzen – Tim nimmt mir im Moment jede Menge „pinky promises“ ab: Man hakelt sich mit seinem kleinen Finger bei der Partnerin bzw. dem Partner am kleinen Finger ein, macht sein Versprechen und zieht dann kräftig seinen kleinen Finger zurück: „Pinky promise!“ Theo …
Lesen lernen – angucken, merken, lesen
Von flashcards und sight words, warum das Wort „on“ ein Schweinchen ist und A nicht gleich A. Und vom erfreulich hohen Stellenwert der Bücher in der Schule. Unser Aha-Erlebnis Seit einem halben Jahr versuchen wir, dem Lesen von Tim (6), 1. Schuljahr, auf die Sprünge zu helfen. Bisher mit wenig Erfolg. Also, wie lernen amerikanische Kinder lesen? Von Theo kannten wir bisher nur das sehr systematische Vorgehen an der Grundschule in Deutschland: Die Buchstaben werden in einer bestimmten Reihenfolge eingeführt, schreiben geübt, dann zu kleinen Wörtern zusammengesetzt und lesen geübt. In Deutschland kommen Kinder also meist erst in der Schule strukturiert mit Buchstaben in Berührung, zumindest was das Schreiben und Lesen angeht. Lesen lernen geht hier anders In Amerika läuft das mit dem Lesen komplett anders. Unter anderem lernen die Kids hier bereits in der preschool (3 bis 5 Jahre) und im „kindergarten“ (Vorschulklasse) kleine Wörter erkennen und „lesen“, indem sie sich den gesamten Schriftzug einprägen – und das, ohne die Buchstaben überhaupt zu kennen. Diese Wörter, die durch das reine Ansehen erkannt werden, heißen hier „sight words“, also „Sichtwörter“. Dazu gehören solche Wörter, die besonders häufig vorkommen und von denen sich viele nicht an die normalen Ausspracheregeln halten. Die müssen die Kinder hier auswendig lernen. Dazu haben viele auch sogenannte „flashcards“, also vorgefertigte „Vokabelkarten“ in Kartenspiel-Größe. Hier eine kleine Auswahl an sight words, die bei uns im ersten Schuljahr sicher gekonnt werden müssen: the, of, and, to, you, that, for, was, on, as, with, his, they, I, at, be, this, from, have, one, by, went, look, got, come, too, ball, day, did, yes … Ich habe bisher mit Tim versucht, diese Wörter durch Zusammensetzen der Laute (Buchstaben) zu lesen, eben so wie man es im Deutschen macht: M-A-M-A = Mama. Das hat aber hinten und vorne nicht hingehauen und eine Menge Frust auf beiden Seiten hervorgebracht. Jetzt sind wir auf dem Elternsprechtag mit Wort-Listen und Ideen versorgt worden, wie man diese Wörter spielerisch üben kann (z. B. mit Bingo). Das funktioniert besser. Meet the sight words Wir waren mit unserem Latein bei Tim ziemlich am Ende, was …
School affairs
Paul (4) ist weiterhin in der preschool, bleibt aber jetzt auch bis 15 Uhr da und will oft gar nicht abgeholt werden. Er arbeitet mit Begeisterung an bunten Perlenketten und legt damit das Einmaleins – verrückt, er ist voll bei der Sache. „I’m a kindergartener now“, erzählt Ole (6) die ganze Zeit super stolz. Die Kindergartenklasse ist die heilige Kuh der ganzen Montessori-preschool. Viele Eltern erwarten, dass die Lehrerin das erreicht, was der preschool-Newsletter verspricht: (…) „by the age of five, most Montessori children will begin to read, and many, having mastered addition and substraction, will be introduced to multiplication and division …“ Steht Multiplikation in Deutschland nicht erst im zweiten Schuljahr an? Unsere klare Ansage an die preschool lautet daher: „We don’t care if he learns to read this year!!!“ Hauptsache Ole bleibt in seiner Komfortzone. Abwarten. Tim (7) ist jetzt im zweiten Schuljahr, übt fleißig lesen und schreiben und trifft seinen „alten“ Freund Deepak aus dem „Kindergarten-Jahr“ wieder. Theo (9) ist Viertklässler und hat Glück und Unglück zugleich. Er ist super happy, dass er dieses Schuljahr mit seinen zwei besten Freunden in eine Klasse gekommen ist. Und er kommt in die „advanced math class“ – ab dem vierten Schuljahr werden also die Kinder schon nach Fähigkeiten getrennt. Aber er bekommt auch die Folgen vom hurricane zu spüren: Cafeteria und Turnhalle seiner Schule sind eine Baustelle nach der Überschwemmung. Die Konsequenzen: Auf dem Speiseplan stehen „until further notice“ vier Mal pro Woche Truthahnbrötchen mit Salatblatt, ein Mal Thunfischbrötchen mit Salatblatt alternativ zu PBJ (Peanut-Butter-Jelly-Sandwich). Arme Kids, die das für die nächsten Wochen essen müssen. Lunchbreak und Sport gibt es bis auf Weiteres nur noch im Klassenraum (Wie soll das gehen? Wie wird Theo diesen Bewegungsmangel aushalten? Machen die dann nur „cup staking“ beim Sport, oder was?).
Letter Days
Was nach den snow days bleibt: Die allgemeine Verwirrung, welche Fächer am nächsten Tag unterrichtet werden. Und jetzt wird es spannend – also gut aufgepasst: Unser Stundenplan ändert sich nämlich durch einen Schneetag: Alle Schultage rutschen einen nach hinten. Die Schule schreibt dazu: „Please be aware that when we have a snow day the following day is the letter of the snow day. We do not skip letter days.” Also: Die Kinder hier im Morris County school district haben keine Fächerverteilung nach Wochentagen, sondern sie haben ihre Fächer auf sechs verschiedene „letter days“ verteilt, nämlich A-, B-, C-, D-, E-, F-Days. Wie passen sechs „letter days“ in eine fünftägige Schulwoche? Also, ein Beispiel: Tim hat Sport immer an A-Days. In der ersten Schulwoche war Sport also an einem Montag, aber schon in der zweiten Schulwoche rutschte der Sport dann auf den Dienstag, und dann auf den Mittwoch usw. – total unpraktisch zum Tornister-Packen, verrückt und unpraktisch, oder? Die Schule gibt daher jeden Monat eine Übersicht, in der steht, welcher letter day auf welchen Wochentag fällt. Zurück zu den snow days: Vor ein paar Jahren hat der Schuldistrikt beschlossen, dass alle Tage „gleichberechtigt“ sind und keiner einfach durch einen snow day oder einen Feiertag ausfallen darf (könnt ihr noch folgen?). Daher wird dann der „letter day“, der an dem snow day/Feiertag war, einfach am nächsten Tag nachgeholt. Das bedeutet: Alle letter days rutschen wieder einen nach hinten, womit der Plan der Schule nicht mehr stimmt. Man muss also gut aufpassen, wenn man den Tornister packt: Wann muss Theo seine Bücher mitnehmen? C-Day: Library! Wann seine Kunstsachen? E-Day: Art. Das Gleiche gilt für Tim. Wie einfach ist es doch in Deutschland: Montag ist Sport, Dienstag ist Englisch, Mittwoch ist Schwimmen … Ich hatte durch den Feiertag und die Schneetage schon recht schnell den Überblick verloren. Um aber alle nun gänzlich zu verwirren, wurde an Theos Schule dann einmal gegen diese Regeln verstoßen, weil sie Besuch von einem Autor bekommen haben. Und sie konnten nicht den Tag „anhalten“, weil das Ganze eben am „library day“ passieren musste J. Also, jetzt haben Theo …
Stop-and-go
Der Januar war also ein ständiger Stop-and-go-Betrieb und fühlte sich an wie „zähflüssiger Verkehr mit Stau“: Zehn Minuten Autofahren und dann wieder fünf Minuten Stehen im Wechsel. Und das für etliche Stunden, immer mit der Hoffnung, dass es endlich wieder normal weitergeht – einfach nur anstrengend. Die Kinder kamen durch die ganzen freien Tage so gar nicht in den Trott und wurden mit der Zeit ganz schön träge. Sie sind nach etlichen Tagen zu Hause nun wirklich „ausgespielt“ und könnten neuen Input und ein bisschen Struktur wieder brauchen. Und ich will auch mal wieder etwas schaffen können, ohne Kinder im Gepäck. Kleiner Hoffnungsschimmer am weißen Horizont: Wegen der vielen snow days im Januar hat der school district einen freien Tag im Februar gestrichen und wieder zum Schultag erklärt. Na bitte, geht also auch andersherum! KEEP TALKING (6) – Zwölf Monate USA Wie nach einem Jahr das Englisch aller Kids immer flüssiger wird und jetzt auch zuhause Einzug hält. Und warum ihr Deutsch gleichzeitig immer mehr Fehler zeigt.
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