Aufruhr in der Nachbarschaft um den bus stop: Vorweg: Unsere Nachbarsfamilien sind alle sehr nett und wir kommen gut mit ihnen klar soweit. Aber sie ticken eben manchmal doch anders als wir: Der neue Schulbusfahrer ist ein etwas komischer Kauz und beharrte darauf, nicht dort zu halten, wo wir mit den anderen Leuten gemeinsam warteten, sondern etwa 50 m die Straße hoch, in Richtung unseres Hauses. So stand das angeblich in seiner Anweisung, und viele Amerikaner/innen sind ja sehr law-abiding. Daraufhin brach ein Entrüstungssturm unter unseren Nachbarsfamilien aus, denn alle wohnen am anderen Ende der Straße und mussten diese Entfernung jetzt noch zusätzlich gehen (es geht um ca. eine Minute zu Fuß, ca. 50 Meter!). Sie schrieben mehrfach Briefe an das Transport-Unternehmen, wir wurden telefonisch befragt, ob wir etwas dagegen hätten, wenn der bus stop wieder zurückverlegt würde, und dann, nach fast vier Wochen Hin und Her überbrachte einer unserer Nachbarn eines Morgens strahlend die Nachricht: „Tomorrow is the big day“ – der Bus hielt jetzt wieder an der alten Stelle. Jetzt hat alles wieder seine Ordnung und alle sind zufrieden – ich übrigens auch, denn ich bin froh, wenn unsere Kids morgens genau diese 50 Meter mehr laufen dürfen. Ich will, dass sie später nie auf die Idee kommen, das zu machen, was unsere Nachbarin Deborah (zwei Häuser neben uns) gemacht hat – sie ist mit dem Auto zu unserer Einweihungsparty im Februar gekommen!
Kulturschock Bettzeug
Als unsere Putzfrau unsere Betten das erste Mal bezieht, stellen wir abends überrascht fest: Die Bezüge sind auf links aufgezogen – okay, wir erklären ihr das kurz … In der nächsten Woche klappt es dann auch besser – zumindest auf den ersten Blick: Die Bezüge sind richtig herum aufgezogen. Wir wundern uns nur abends darüber, dass die Decken so schwer sind. Kein Wunder, denn sie hat die alten Bezüge nicht abzogen, sondern die neuen einfach noch drübergezogen! In der nächsten Woche erleben wir abends dann noch mal eine Überraschung: Diesmal steckt meine Matratze (!) fein säuberlich im Oberbettbezug. Jetzt reicht’s mir und ich mache das von nun an selbst. Geht schneller, als es jede Woche den wechselnden Putzteams zu erklären. Die kulturellen Verwirrungen funktionieren also auch andersherum –scheinbar triviale Dinge sind eben auch kulturell geprägt.
Schöne Hände und Füße
Drei Generationen bei der Maniküre und Pediküre: Das Mädchen war nicht älter als sechs oder sieben Jahre und zeigte anschließend den anderen ganz stolz seine schicken Nägel, die Oma platzte ebenfalls vor Stolz. Was für ein Glück, dass wir nur Jungs haben!
Amerikanischer Kinder-Kochkurs
Marc erzählt: Ich versuche, so viel Zeit wie möglich mit den Kids zu verbringen und habe mit Theo in diesem Monat einen Abendkochkurs besucht. Da hat Theo gelernt, wie man selbst eine Pizza macht und dazu ein Blueberry-Milkshake mixt. Es war faszinierend zu sehen, wie er dem Kurs auf Englisch ohne jede Mühe folgen konnte und sogar vor der Gruppe von ca. 30 Leuten problemlos (gute) Fragen gestellt hat. Eine sehr schöne Zeit und Theo war begeistert, selbst kochen zu dürfen. Ich habe danach auch einen Getränkemixer gekauft, und jetzt gibt es ab und an zuhause Blueberry oder Strawberry Shakes – aber ohne Fernseher in der Küche. Der Knaller: Amerikanische Kleinkinder zwischen zwei und fünf Jahren verbingen laut Wall Street Journal 32 Stunden in der Woche vor einem Fernseher. Dabei hoffen die Eltern, dass der elektrische Babysitter auch die akademischen und kognitiven Fähigkeiten ihrer Kinder fördert („vitamin-fortified programming“). Seit 1969 bringen das Cookie Monster, Bird und seine Freunde in Sesame Street (Sesamstraße) den Kindern Zahlen und Buchstaben näher. Heute sollen die Kindergartenkinder auf diese Weise auch noch Spanisch und Mandarin lernen (z. B. durch Dora the Explorer). Fernsehen als brain candy! Und so teilte uns die Leiterin des Kochkurses dann auch mit, dass die Kinder durchaus in der Küche eingespannt werden könnten und dann eben parallel fernsehen und mithelfen könnten! Bon appetit!
Ungewöhnlicher Schilderwald
Ich habe wieder soooo viele Schilder entdeckt … Aber versprochen, es ist das letzte Mal, dass ich mich darüber auslasse … Ich finde nur immer wieder neue auffällige Exemplare, die sich doch von den deutschen Pendants deutlich unterscheiden. Klare Ansage der Konsequenzen: Bei vielen Schildern bekommt man direkt klipp und klar gesagt, was einem blüht, wenn man sich nicht dran hält. Ist doch gar nicht schlecht und bestimmt effektiver als die deutschen Pendants, oder? Aber auf der anderen Seite muss man sich hier durch mehr Informationen wühlen, um nicht die Hauptaussage zu verpassen. Was ist wohl effektiver? Einfach reicht oft nicht – es wird verstärkt mit „unexceptionably“, „absolutely“ oder auch durch die Wiederholung bzw. Darstellung einer Regel auf diverse Arten. Das ist beim Autofahren manchmal ganz schön verwirrend, weil die Straßenränder oft gepflastert sind von Schildern, die eigentlich überflüssig sind (in meinen Augen). Die Krönung habe ich bei uns in Madison (Nachbarort) gefunden: Linksabbiegeverbot: direkt sechs Mal als Bild und noch drei Mal „No left turn“ (die Leute biegen dort übrigens immer noch links ab).
Das Geschäft läuft weiterhin stabil und wächst stark
Marc erzählt: Wir haben mittlerweile viele neue Kunden im Bereich Handy-Testing, und im nächsten Jahr muss ich mich mehr auch um die anderen Bereiche wie Consulting und Engineering kümmern. Wir sind jetzt den zweiten Monat in Folge profitabel und fangen an, unsere Investitionen zurückzuverdienen. Ich hoffe, dass wir irgendwann Anfang 2011 dann den Break-Even schaffen. Ich schätze, dass wir hier im ersten Jahr so um die drei Millionen US-Dollar umsetzen werden.
„In the US, anybody can sue anybody on anything“
Das Team ist mittlerweile auf 30 Leute angewachsen, und ich mache die erste unangenehme Begegnung mit dem amerikanischen Rechtssystem: Anfang Oktober hat ein neuer Mitarbeiter über eine Zeitarbeitsfirma bei uns angefangen, doch schon nach dem zweiten Tag ist er nicht mehr aufgetaucht. Kurze Zeit später hat er uns über seine Zeitarbeitsfirma ausrichten lassen, dass wir ein hostile work environment (feindliche Arbeitsumgebung) hätten und eine weitere Mitarbeit nicht zumutbar sei. Wir haben dann alle Kollegen befragt, und in der Tat hat ihm ein Kollege einen Spruch gedrückt, der zwar witzig gemeint, aber nicht angemessen war. Mittlerweile haben wir Post von seinem Anwalt, und der junge Mann hätte gerne eine sechsstellige Summe von uns (P3), dann wäre er bereit, von einer Klage abzusehen. Denn er wäre von uns in diesen zwei Tagen aufs Übelste rassistisch und (auf der Toilette) sexuell belästigt worden. Die Vorwürfe sind frei erfunden, aber wir müssen uns damit natürlich jetzt auseinandersetzen und Stellung nehmen. Selbstverständlich werden wir keinen Vergleich über eine sechsstellige Summe eingehen. Es gibt aber in den USA tatsächlich immer wieder Leute, die nur zum Vorstellungsgespräch oder zum ersten Arbeitstag gehen, um danach zusammen mit einem Anwalt Klage anzudrohen, um einen Vergleich zu erzwingen. Die Anwälte bekommen ein Drittel der erstrittenen Summe und haben so ein Interesse an möglichst hohen Forderungen. Die Firmen müssen sich dagegen wehren und zahlen oft einen Vergleich, um das Thema schnell zu beenden. Mal sehen, wie das bei uns endet. In der Folge haben wir jetzt das interne Regelwerk, das wir seit 2001 hatten, für die USA auf ca. 45 Seiten ausgewalzt und alles haarklein geregelt. Auf diese Weise zwingen wir unseren Mitarbeiter zwar viel Papier auf, aber wir schützen uns vor haltlosen Klagen. Jetzt ist also klar, dass man, wenn man sich belästigt fühlt, mit den Vorgesetzten reden soll, damit sie die Belästigung abstellen. Na klasse.
Erst mal beschweren
Aus meiner Sicht werden auch die Kinder hier sehr früh darüber aufgeklärt (im Prinzip ja gut) und darauf „gedrillt“, sich bei „Benachteiligungen“ sofort bei offiziellen Stellen zu beschweren, ohne zunächst mal eine Lösung im Kleinen zu probieren. Als Theo in der letzten Woche von einem Jungen in der Schule ein paar Bemerkungen einstecken musste, wollte er sofort eine „bully note“ schreiben. So eine „bully Note“ (Mitteilung übers Mobben) geht ohne Umweg ganz bis nach oben zur Direktorin, die dann die „Übeltäterin“ oder den „Übeltäter“ vorlädt und zur Rede stellt. Ich konnte Theo gerade noch davon abhalten, diese Mitteilung zu schreiben, und wir haben die Sache ganz in Ruhe mit dem Jungen und seiner Mutter geklärt. Der „offizielle“ Klärungsweg hätte so unglaublich viel mehr Wirbel verursacht und vielleicht sogar einen Kollateralschaden angerichtet. Der Hintergrund dieser „zero tolerance“ policy gegenüber dem Mobben ist sicherlich auch der Freitod einiger minderjähriger Schüler/innen in den letzten Monaten in den USA, die massiven Schikanen durch Mitschüler/innen ausgesetzt waren. Das Thema „Mobbing an Schulen“ und effektive Gegenstrategien sind aber sicherlich ein eigenes Kapitel. In Deutschland habe ich an meiner Schule bisher die gegenteilige Erfahrung gemacht: Da spielt das Thema überhaupt keine Rolle, und die Anregung einiger engagierter Lehrerinnen und Lehrer, doch ein Schülerschlichtungsprogramm aufzubauen, wurde jahrelang von einer mächtigen Lehrerfraktion immer wieder mit dem Argument abgelehnt, dass wir dann ja offiziell zugeben würden, dass es an unsere Schule Probleme unter den Schulkindern gäbe. Das macht mich auch zornig und mir stehen auch die Haare zu Berge! Was lernen wir von diesen Vorfällen? Vorsicht mit flapsigen Bemerkungen – das gilt sowohl für unsere Kinder (die ja auch sonst auf einmal bei den Schulleiter/innen vorgeladen werden könnten), als auch für uns in Beruf (auch für mich als Lehrerin) und Privatleben. Hier gelten einfach andere Regeln als in Europa.
KEEP TALKING (5) – Neun Monate USA
Warum Paul auch nach neun Monaten USA in der preschool noch nichts auf Englisch sagt und wie sich bei Tim, Theo und Ole die Sprachen langsam miteinander vermischen. Und wie „learning by doing“ richtig gut funktioniert. Und wie sehen das Deutsche und das Englische jetzt nach neun Monaten USA aus? Es ist faszinierend, wie die Kids (bis auf Paul in der preschool-Situation) so unbefangen an eine Sprache herangehen, wild drauflosreden, viele Fehler machen, sich nicht darum scheren und das Englische dabei auch noch richtig gut lernen – „learning by doing“ par excellence.
„Ich sag nix.“
Paul (3) macht sich insgesamt weiterhin gut. Er redet immer mehr Englisch, zumindest mit unserem Au-pair Morena und vielen anderen Leuten. Verrückterweise hat er bisher noch kein einziges Wort in seiner neuen Kindergartengruppe gesprochen, was uns überrascht. Als Marc ihn fragte, warum er nicht redet, sagte er, dass die anderen Kinder alle viel besser seien im Englischen. Aber wir machen uns keine Sorgen – er geht gerne in die preschool und spielt auch mit den anderen Kids. Abwarten.