Man sieht viel mehr

Auf unseren Touren zu Fuß konnten wir dann auch schon einige nette Begegnungen erleben: Wir haben mit einer Señora geplaudert, die gerade Petersilie im Garten erntete (aha, es gibt also doch Biogemüse im Vorgarten hier), wir haben einen Zimmermann interviewt, der ein 120 Jahre altes Holzhaus reparierte (welches bedenklich schief war, aber der Handwerker erklärte uns, dass sie bei „Schrägstellungen“ die entsprechenden Löcher – bis zu fünf Zentimeter – einfach mit Holzkeilen unterstützen und so dem Haus wieder Stabilität geben), wir haben viele Kinder und Jugendliche gesehen, die auf den Spielplätzen Ball spielen – und last but not least, die sehr gute Pizzeria „El Suvio“ entdeckt, wo ich mit Theo und Tim jetzt jeden Freitag nach der Schule Pizza essen gehe. Und siehe da, ganz von selbst machen unsere Kinder wieder die Dinge, die sie auch in Deutschland gemacht haben: Stöcke, Steine und Blätter sammeln, im Dreck spielen, Tiere entdecken wie eine Katze mit Jungem im Maul, einen Adler, der eine Schlange schlägt, ein Kaninchen, das man sehr selten hier sieht (jetzt legen wir jeden Tag eine Möhre dort ab).

Schon ganz gut paddelnd unterwegs

Warum ich das Haus nicht ohne mein TomTom verlasse und mich nur schwer an die „staying-at-home mom“ gewöhnen kann. Warum aber zum Glück die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der amerikanischen Leute einfach nur gute Laune machen.     Bilanz nach sechs Monaten USA Vieles ist jetzt – im Juni/Juli 2010 – toll, vieles nicht. Ich ziehe den Hut vor allen Leuten, die ihre Heimat verlassen und sich woanders niederlassen – vor allem vor denen, die nicht Zugriff auf die Dinge hatten, die mir/uns hier das Leben am Anfang erleichterten und jetzt fester Bestandteil sind: Gleichgesinnte In unserer Gegend sind viele deutsche und europäische Firmen angesiedelt (z. B. BASF, Novartis …). Daher gibt es selbst bei uns in Morristown eine Menge deutsche Familien. Das Verrückte ist, dass man nur eine/einen Deutsche/Deutschen treffen muss, um – im Zeitalter von Mailing-Listen – auf einmal mit ganz vielen Leuten vernetzt zu sein, die alle in derselben Situation stecken. Ich war direkt im Januar bei einer „wine tasting“-Party eingeladen, und schwupps, schon hatte ich Gleichgesinnte gefunden und sofort ein soziales Netz. Von den Expats bekommt man Antworten auf die vielen größeren und kleinen Fragen, wie z. B. „Wie war das bei euch am Anfang?“, „Wie habt ihr eure Kinder beim Englischlernen unterstützt?“, Wo gibt es hier Leberwurst/gutes Brot/Quark/Würstchen?“, „Welcher Kinderarzt/Friseur/Kindergarten ist empfehlenswert?“, „Wie viel Geld muss ich für ein Geschenk bei einem Kindergeburtstag ausgeben?“ … Außerdem lernt man, dass man nicht die einzige ist, die manchmal gegen die unsichtbaren Wände knallt. Und dann kann man sich auch mal schön gemeinsam wundern. 🙂   Ich treffe übrigens immer wieder zufällig auf Deutsche, einfach weil sie sich an denselben Orten aufhalten wie ich mit unseren Kindern – zum Beispiel auf dem einzigen Spielplatz mit Sandkasten im Nachbarort Madison. Hier scharen sich die deutschen Frauen mit ihren Kleinkindern. Wer nur mit locals zu tun haben möchte, muss die Orte meiden, die die eigenen Kinder lieben.

Mein heißgeliebtes TomTom

Im Ausland Autofahren ist einfach anders. Auch wenn die Leute hier i. d. R. viel gelassener und wohlwollender fahren als deutsche Autofahrer/innen (Ausnahme: Trucks – komplett Irre), ist das schon öfter eine Herausforderung. Dazu kommt, dass mein „sense of direction“ miserabel ist und ich auf dem Rückweg von der Toilette im Restaurant schon mal verloren gehe 🙂 . Schlechte Voraussetzungen für einen kompletten Neustart in fremder Umgebung! Ohne Navi wäre das alles noch viel stressiger, und die Kids und ich kämen wohl oft hoffnungslos zu spät (wenn wir denn überhaupt ankämen). Daher bekenne ich offen: Nie wieder ohne mein TomTom!   Internet: Kindergärten, Restaurants, Geschäfte, Sportmöglichkeiten … welch ein Segen, im Internet nachschauen zu können und einen Überblick zu bekommen. Wie viel mühsamer muss ein Quereinstieg mit einer Familie noch vor 20 Jahren gewesen sein! E-Mails: Ich telefoniere kaum mit Deutschland (Zeitverschiebung), dafür kann ich bequem abends E-Mails schreiben und dann am nächsten Morgen die Antworten lesen.

„Welcome to the neighborhood“ – unsere Einweihungsparty

Unsere housewarming party Anfang Februar war ein voller Erfolg. Wir hatten das Haus (bzw. die Küche) voll mit Jennifers, Dicks und Bobs. Und obwohl so eine Einladung wohl unüblich ist in Amerika, haben uns dennoch alle herzlich willkommen geheißen und uns mit guten Tipps versorgt. Sie haben das selbstgemachte Essen gelobt, allem voran das Knäckebrot meiner Mutter. Bemerkenswert, dass fast jeder neben Geschenken auch noch eine Karte zur Begrüßung geschrieben hat, auf der er oder sie uns ihre Hilfe anbietet und direkt die Telefonnummern dazu geschrieben hat. Das Eis ist gebrochen. Und wenn ich jetzt mit den Kindern draußen auf der Einfahrt spiele, dann winken uns die Leute fröhlich aus ihren Autos zu.

Sehnsucht nach den Freunden

Jeden Abend ärgere ich mich über die Zeitverschiebung: Wenn ich endlich „frei“ habe, liegt ihr im schon Bett und ich kann keinen mehr anrufen! Da wäre San Diego auf der anderen Seite von Amerika doch besser gewesen, denn dann könnte ich euch morgens erwischen!  

Heimatgefühle

Ihr zuhause seid genau sechs Stunden vor uns. Schon komisch, dass ihr aufsteht, wenn wir ins Bett gehen und ihr ins Bett geht, wenn unsere Kinder aus der Schule kommen. Das Kochbuch mit euren Rezepten ist natürlich in einem der 15 Koffer gut verpackt mitgeflogen. Ich habe es schon sehr oft durchgeguckt, bin gerührt, welche „Familientraditionen“ ihr uns geschenkt habt, und jede einzelne bedeutet mir sehr viel. Noch mal tausend Dank dafür! Jetzt haben wir euch tatsächlich ganz nah bei uns, obwohl ihr so weit weg seid. Zumindest kulinarisch :-).   Wir hoffen, euch geht es allen gut und ihr haltet den harten deutschen Winter noch aus. Bei uns sind heute Abend die ersten weißen Flocken gefallen, nachdem es hier eine Woche keinen Schnee gegeben hat – also eher ein gemäßigter Winter bisher, sagen die Leute. Unser Leitspruch für die nächsten Wochen (abgeguckt von der Sekretärin in Theos und Tims Schule, die uns immer super freundlich begrüßt und mich mit “Honey“ anredet): „Easy, peasy, lemon squeezee“ – was so viel heißt wie „wird schon werden und alles mit der Ruhe …“