Was nach den snow days bleibt: Die allgemeine Verwirrung, welche Fächer am nächsten Tag unterrichtet werden. Und jetzt wird es spannend – also gut aufgepasst: Unser Stundenplan ändert sich nämlich durch einen Schneetag: Alle Schultage rutschen einen nach hinten. Die Schule schreibt dazu: „Please be aware that when we have a snow day the following day is the letter of the snow day. We do not skip letter days.” Also: Die Kinder hier im Morris County school district haben keine Fächerverteilung nach Wochentagen, sondern sie haben ihre Fächer auf sechs verschiedene „letter days“ verteilt, nämlich A-, B-, C-, D-, E-, F-Days. Wie passen sechs „letter days“ in eine fünftägige Schulwoche? Also, ein Beispiel: Tim hat Sport immer an A-Days. In der ersten Schulwoche war Sport also an einem Montag, aber schon in der zweiten Schulwoche rutschte der Sport dann auf den Dienstag, und dann auf den Mittwoch usw. – total unpraktisch zum Tornister-Packen, verrückt und unpraktisch, oder? Die Schule gibt daher jeden Monat eine Übersicht, in der steht, welcher letter day auf welchen Wochentag fällt. Zurück zu den snow days: Vor ein paar Jahren hat der Schuldistrikt beschlossen, dass alle Tage „gleichberechtigt“ sind und keiner einfach durch einen snow day oder einen Feiertag ausfallen darf (könnt ihr noch folgen?). Daher wird dann der „letter day“, der an dem snow day/Feiertag war, einfach am nächsten Tag nachgeholt. Das bedeutet: Alle letter days rutschen wieder einen nach hinten, womit der Plan der Schule nicht mehr stimmt. Man muss also gut aufpassen, wenn man den Tornister packt: Wann muss Theo seine Bücher mitnehmen? C-Day: Library! Wann seine Kunstsachen? E-Day: Art. Das Gleiche gilt für Tim. Wie einfach ist es doch in Deutschland: Montag ist Sport, Dienstag ist Englisch, Mittwoch ist Schwimmen … Ich hatte durch den Feiertag und die Schneetage schon recht schnell den Überblick verloren. Um aber alle nun gänzlich zu verwirren, wurde an Theos Schule dann einmal gegen diese Regeln verstoßen, weil sie Besuch von einem Autor bekommen haben. Und sie konnten nicht den Tag „anhalten“, weil das Ganze eben am „library day“ passieren musste J. Also, jetzt haben Theo …
Staying-at-home moms und working moms
Ich bin übrigens nicht die einzige, die ein wenig über die snow days jammert. Die sonst recht korrekten Moms beim pick-up äußern sich ungewohnt deutlich (hinter vorgehaltener Hand und mit leiser Stimme): „Honestly, this weather sucks.“ So ziemlich alle staying-at-home moms haben langsam die Faxen dicke und wollen wieder Routine. Aber was sollen da erst die working moms sagen? Was tun mit Kindern, wenn man zur Arbeit muss und nicht für die snow days seinen halben Jahresurlaub nehmen möchte? Einige machen dann „home office“ (wobei das wohl oft nur beim guten Vorsatz bleibt), manche arbeiten in „Schichten“ (morgens fährt die Mutter, dann nachmittags der Vater zur Arbeit), manche nehmen die Kids einfach mit (Marc hat unsere auch schon mal mitgenommen). In einer Arztpraxis saßen direkt zwei Kids hinter dem Tresen, mit Chipstüten und Soda ausgestattet. Wieder andere lassen die Kids auch einfach alleine zu Hause – was aber hier vor dem 12. Lebensjahr keine wirkliche Option ist. Die gängige Regel lautet, Kinder unter zwölf Jahren nicht alleine zu Hause zu lassen, auch wenn das kein offizielles Gesetz ist. Aber es wird von Eltern und Erzieher/innen als inoffizielle guideline akzeptiert. Egal – es ist einfach so, wie eine der Mütter mir trotz Bedauerns über die erneuten snow days sagte: „Better safe than sorry.“ Das ist übrigens einer der Lieblingssprüche der Amis. Und das Wetter hier hat ja auch einiges in petto, was ich in dieser Form aus Europa nicht kenne. Folglich schütteln die Leute hier nur völlig verständnislos den Kopf, wenn man ihnen erzählt, dass es bei uns trotz Eis, Schnee und Glätte keine snow days gibt.
Stop-and-go
Der Januar war also ein ständiger Stop-and-go-Betrieb und fühlte sich an wie „zähflüssiger Verkehr mit Stau“: Zehn Minuten Autofahren und dann wieder fünf Minuten Stehen im Wechsel. Und das für etliche Stunden, immer mit der Hoffnung, dass es endlich wieder normal weitergeht – einfach nur anstrengend. Die Kinder kamen durch die ganzen freien Tage so gar nicht in den Trott und wurden mit der Zeit ganz schön träge. Sie sind nach etlichen Tagen zu Hause nun wirklich „ausgespielt“ und könnten neuen Input und ein bisschen Struktur wieder brauchen. Und ich will auch mal wieder etwas schaffen können, ohne Kinder im Gepäck. Kleiner Hoffnungsschimmer am weißen Horizont: Wegen der vielen snow days im Januar hat der school district einen freien Tag im Februar gestrichen und wieder zum Schultag erklärt. Na bitte, geht also auch andersherum! KEEP TALKING (6) – Zwölf Monate USA Wie nach einem Jahr das Englisch aller Kids immer flüssiger wird und jetzt auch zuhause Einzug hält. Und warum ihr Deutsch gleichzeitig immer mehr Fehler zeigt.
Chaos
Als ich am Tag nach unserer Ankunft um zwei Uhr nachts in der Waschküche inmitten riesiger Wäscheberge stehe, in einem Haus, das noch unvertraut riecht, wo die meisten Koffer unausgepackt die Hausflure blockieren, Tim (6) und Paul (3) putzmunter im Esszimmer „zu Abend essen“, während Theo (8) sich mit Magen-Darm im Bett quält, da frage ich mich schon, was ich hier mache. Ich kann kaum glauben, dass wir gerade erst angekommen sind und bereits so ein Chaos herrscht. Vor 24 Stunden saßen wir noch voller Vorfreude im Flugzeug, und jetzt fühle ich mich elend … Und wo, bitte sehr, kommt soviel Wäsche in so unglaublich kurzer Zeit her? Ich traue mich kaum, es zuzugeben, aber ich vermisse ganz kurz meine amerikanische Waschmaschine, die eine doppelt so große Waschtrommel hat wie meine „Miele“ in Deutschland. Struktur gegen Chaos Da dies die zweite Chaos-Nacht in Folge ist – die Nacht davor wurde uns durch die Zeitverschiebung ganz „geklaut“ – geht man dann doch ganz schön auf dem Zahnfleisch. Ich habe das Gefühl, dass ich vor lauter Müdigkeit und Reizüberflutung gar nicht mehr geradeaus denken kann. Das Einzige was hilft: kühlen Kopf bewahren und den Tag strukturieren (Marcs Spezialität), sich fokussieren und dann aufräumen (meine Spezialität)! Also: einfach irgendwo anfangen und wenigstens schon an einer Stelle ein bisschen Struktur ins allgemeine Chaos bringen!
+++ Morristown Newsflash 12/2010 +++
Schön statt kitschig In den drei Wochen Dezember, die wir hier erlebt haben, mussten wir unsere klischeehaften Vorstellungen vom kitschigen amerikanischen Weihnachten an vielen Stellen über den Haufen werfen. Es gibt eine Menge positive Überraschungen in Bezug auf Dekoration, Musik, Stimmung (zugegeben: Ich bin ein echter Weihnachtsfan 🙂 ) und buntes Mulitkulti an religiösen und kulturellen Festtagen. Die Winterkonzerte an den Schulen von Theo und Tim zeigen genau diese Vielfalt auf eindrucksvolle Weise – das werde ich so schnell nicht vergessen.
Weihnachtsmusik
Und zur Weihachtszeit gibt es nun endlich auch Musik – Halloween und Thanksgiving fand ich irgendwie recht „stumme“ Feste – so ganz anders als bei uns in Deutschland St. Martin. Aber jetzt geht’s richtig los und von überall her tönt Weihnachtsmusik. Diese ist oft weniger besinnlich als in Deutschland (und daher auch irgendwie besser im Alltag zu ertragen), sondern eher fröhlich, bunt, viele Big Bands, viel Glöckchengebimmmel, viele Popsongs und natürlich ganz viele Klassiker, wie „I’m dreaming of a white Christmas“ (Bing Crosby), „Let it snow, let it snow, let it snow …“ – direkt mit dem ganzen Orchester, inklusive Trompeten und Geigen. Es darf auch gerockt werden, z. B. Bruce Springsteens Version von „Santa Claus is coming to town“ – mein Favorit, um in Stimmung für die amerikanische Weihnacht zu kommen. Hört es euch doch an, während ihr weiterlest – das passt gut…. 🙂 Also, ich muss die Amerikaner/innen (zumindest die hier bei uns) in Schutz nehmen, was den gängigen Kitsch-Vorwurf angeht, denn das Gros der Dekos finde ich einfach sehr geschmackvoll und die Stimmung durch Musik, Laune der Leute und Glöckchengeklingel ist fast schon magisch – den Dezember erlebt man hier als eine wirklich sehr festliche Zeit. Und wer sich drauf einlässt, der wird garantiert angesteckt.
Ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk
Diese Sorge muss ich nicht haben, denn ich habe mein Weihnachtsgeschenk für dieses Jahr schon letzte Woche bekommen – weder von Santa noch vom Christkind, sondern von Ole (5): Er kommt an einem Abend leise heruntergeschlichen, setzt sich ganz ruhig in unsere Weihnachts-Bastelecke im Wohnzimmer und fängt an, Ausmalbilder mit Tannenbäumen, Engelchen und anderen Motiven auszuschneiden. Ich höre im Nebenraum unablässig das schneidende Geräusch seiner Schere. Er schneidet über eine Stunde ein Bild nach dem anderen aus, sogar recht akkurat, legt die fertigen Motive weg und nimmt sich ohne abzuwarten ein Neues. Er bemerkt gar nicht, dass ich ihn beobachte, so vertieft ist er. „Das sind Überraschungen für’s Christkind“, erklärt er mir, als er mich dann doch bemerkt – was auch sonst …? Im Sommer war Ausschneiden für ihn noch eine Qual. Und jetzt sitzt er völlig ruhig, konzentriert und in sich ruhend da und wirkt wie ausgewechselt – einfach nur „happy“. Was immer wir gemacht haben seit dem Sommer (mit Ergotherapie, Änderungen zuhause, weniger Druck, mehr Rücksicht) – so falsch kann es nicht gewesen sein. Mein Mutterherz hat endlich einmal Frieden – das tut gut.
Komplizierter Adventskaffee
Das Wort „Advent“ gibt es zwar im Englischen auch, und es wird in den Kirchen hier verwendet wie bei uns. Aber im Alltagsleben hat es keine Relevanz (ich habe es bisher jedenfalls kein einziges Mal gesprochen gehört). Das war mir schon früh aufgefallen. Mitte Dezember laden wir dann einige Freunde zu einem „Adventskaffee“ ein – mit selbstgebackenen deutschen Weihnachtsplätzchen (mit teilweise importierten Backzutaten, z. B. dem Lebkuchengewürz). Das Backen macht super viel Spaß und war im Vergleich zur Einladung ein Kinderspiel. Die Einladungs-E-Mail für die deutschen Expats war einfach – das Übliche, genau wie in Deutschland. Aber als ich dann für die amerikanische Seite loslegen wollte, stieß ich doch an mehrere Grenzen: Die direkte Übersetzung funktionierte an vielen Stellen definitiv nicht – es gibt hier keine „besinnliche“ Adventszeit, das sagt kein Mensch („We wish you an Advent Season of contemplation“ oder vielleicht „We wish you a festive season?“ – NEIN!). Und dann waren auch noch einige jüdische Familien dabei – und denen eine schöne Adventszeit zu wünschen, ist ja wohl einigermaßen unpassend (wer meint, ich stelle mich an – also, das ist wirklich nicht so ganz einfach). Ich muss sagen, dass sowohl Konzept als auch Formulierungen eine nur sehr eingeschränkte Überlappung hatten. Unseren amerikanischen Freunden wünschte ich jedenfalls am Ende der E-Mail eine „Happy and Peaceful time“ – eine „besinnliche Weihnachtszeit“ auf Amerikanisch. Also, die Plätzchen sind alle gut angekommen und wir hatten gemeinsam eine gute Zeit. Gegen Abend haben wir noch Pizza geholt und lagen damit wieder voll im amerikanischen Trend „Pizza Party“ – die scheint es hier immer und zu allen Anlässen zu geben.
Höhen und Tiefen
Ole (5) und Paul (3) „laufen“ recht gut bzw. unverändert: Ole macht jetzt sogar manchmal in seiner preschool bei der Spanisch-Klasse mit Señora Alto mit, während Paul nach wie vor komplett stumm bleibt (will er nicht? kann er nicht?), ansonsten aber unbeirrbar gute Laune verbreitet. Mit Morena, unserem Au-pair, erleben wir hier so unsere Höhen und Tiefen. Durch ihre Hilfe im Haushalt und mit den Kindern bin ich zwar ein gutes Stück entlastet, aber sie gibt uns auch schon einmal Einblicke in das Leben mit Teenagern: Sie ist unstet und irrational, zeigt extreme Stimmungsschwankungen und ein richtiges Diva-Verhalten – so etwas kenne ich von unseren Jungs überhaupt nicht. Marcs Vermittlungsgeschick ist es zu verdanken, dass sie noch bei uns ist. Unser Motto jetzt: abwarten und uns zusammenreißen. Ende November hört leider auch unsere Babysitterin Judith auf, die von Anfang an einmal die Woche auf die Jungs aufgepasst hat. Sie geht jetzt Vollzeit arbeiten. Das ist super schade, weil sie einfach die einzige war und ist, die auf alle vier gleichzeitig aufpassen konnte. Für unsere „off-Tage“ müssen Marc und ich uns jetzt also etwas anderes überlegen, da Morena mit vier Kindern überfordert ist.
Family Bits and Pieces November 2010
Mein Geburtstag In meinen Geburtstag Anfang November haben wir „low key“, wie sie hier sagen („total entspannt“) mit Peanutbutter-Icecream reingefeiert. Morgens gab‘s einen Jane-Austen-Film im Bett (Mütter brauchen auch mal einen Tag im Jahr eine Pause 🙂 ) und als Geschenk einen Basketballkorb. Der steht jetzt übrigens in unserer Einfahrt, und wir spielen öfter dort mit den Kids. Marc übt nur Freiwürfe und ist schon echt gut geworden. Abends sind wir Indisch essen gegangen – Augen zu und genießen, bei diesen tollen Gewürzen. Mein Geburtstags-Highlight: Theo (8) und Tim (6) hatten keine Schule und mussten daher mitkommen, um Ole (5) und Paul (3) in der preschool abzuholen. Oles Gruppe war noch draußen auf dem Spielplatz, und als Theo und Tim am Gitter auftauchten – wegen der Leuchtjacken für jeden zweifellos als zu Ole gehörig zuzuordnen – bildete sich eine Traube von Kids, die die beiden anstarrten und anstaunten. Ole wurde bewundernd gefragt, ob dass seine Freunde seien. Nein, das seien seine Brüder! Theo und Tim wurden für den Rest der Spielzeit von innen bestaunt, Ole schwebte quasi über den Spielplatz, im Schlepptau einige Jungs, die ihn sonst noch kaum wahrgenommen hatten. Wunderbar, manchmal ist es doch richtig cool, große Brüder zu haben 🙂 .