Helikopter-Eltern

Wenn die Kids dann endlich mal frei haben und sich weder im Auto, in Aufzügen oder in Räumen aufhalten (müssen), gibt es aber immer noch einige einschränkende Besonderheiten hier:

Da ist zum einen die Mentalität der hypersensiblen „Kinderüberwachung“: Bis zum 12. Lebensjahr gilt, dass die Kids eigentlich nicht alleine unterwegs sein dürfen. Es gibt dazu in New Jersey zwar kein entsprechendes Gesetz, aber diese Regel wird dennoch von den allermeisten Eltern befolgt und es wird auch von uns so erwartet: Wie ein Schatten müssen wir immer in der Nähe unserer Kinder sein. Theo und Tim dürfen also nicht einfach mal alleine um den Block fahren mit dem Fahrrad, Ole und Paul dürfen sich nicht auf unserer Auffahrt aufhalten, ohne dass ich unmittelbar daneben stehe! Mit vier Kindern ist das einfach schwierig, weil ich mich ja schlecht teilen kann. Und wenn mir mal wieder einer „durch die Lappen“ geht, z. B. Paul, der alleine auf der Einfahrt mit Kreide malt, oder Ole, der vorläuft, um den New York Zug besser zu sehen, dann bekomme ich das in 90 Prozent der Fälle direkt mit einer „Abmahnung“ von vorbeigehenden Leuten quittiert: Die Nachbarin, die klingeln kommt, mit Paul an der Hand, und mir vorwurfsvoll erzählt „that he was playing by the road all by himself“ (also, erstens war er mitten auf der Einfahrt und zweitens habe ich ihn durch die offene Küchen-Garagentür die ganze Zeit im Blick gehabt). Oder Autofahrer/innen, die mich laut hupend darauf hinweisen wollen, dass da eins meiner Kinder auf dem Bürgersteig steht (und ich nicht direkt daneben). Man traut den Kids hier echt nicht viel zu und das verringert ihren aktiven Radius ungemein.

Better safe than sorry – No running!
Und dann gibt es da noch die in meinen Augen absurde Einschränkung, dass die Kinder oft nicht laufen dürfen: Die „No running“-policy ist hier an vielen Stellen zu finden. Das hängt wohl eng mit der Angst vor Schadensersatzklagen zusammen und mit der allgemeinen Haltung hier, die immer wieder in dem Spruch Ausdruck findet: „Better safe than sorry.“ Die Aussage „We just want you to be safe“ halte ich mittlerweile in ganz vielen Fällen für vorgeschoben, einfach um etwas mehr oder weniger Sinnvolles durchzusetzen. Bei diesem Argument widerspricht hier niemand! Ihr erinnert euch vielleicht auch noch, dass die Kids an Tims Schule in den Pausen nicht laufen dürfen, sondern nur gehen.

Im Winter verschärft sich die Lage dann noch: Sobald draußen Schnee liegt oder es kalt ist, dürfen die Kids in der Pause gar nicht mehr raus – zu gefährlich! Dann dürfen einige Klassen zwar ins gym (Sporthalle), aber die anderen müssen in den Klassenräumen bleiben. Wenn ich Theo an so einem Tag um 15.30 Uhr abhole, stehen ihm die Tränen in den Augen, er ist total aggressiv und schreit nur rum: „Wir hatten wieder indoor recess“ (sprich: Pause im Schulgebäude bzw. im Klassenraum) – keine Ahnung wie die anderen Kids das aushalten. Die scheint das – zumindest von außen betrachtet – nicht umzuhauen. Die sind auch beim Pick-up um 15.30 Uhr noch zivilisiert.