Unsere housewarming party Anfang Februar war ein voller Erfolg. Wir hatten das Haus (bzw. die Küche) voll mit Jennifers, Dicks und Bobs. Und obwohl so eine Einladung wohl unüblich ist in Amerika, haben uns dennoch alle herzlich willkommen geheißen und uns mit guten Tipps versorgt. Sie haben das selbstgemachte Essen gelobt, allem voran das Knäckebrot meiner Mutter. Bemerkenswert, dass fast jeder neben Geschenken auch noch eine Karte zur Begrüßung geschrieben hat, auf der er oder sie uns ihre Hilfe anbietet und direkt die Telefonnummern dazu geschrieben hat. Das Eis ist gebrochen. Und wenn ich jetzt mit den Kindern draußen auf der Einfahrt spiele, dann winken uns die Leute fröhlich aus ihren Autos zu.
Unsere Familie ist noch größer geworden
Zu unserem Haushalt gehören seit Kurzem: Jane, 51 Jahre, immer gut gelaunt und stets Kaugummi kauend, Mutter von drei erwachsenen Söhnen. Sie hilft mir montags bis mittwochs nachmittags mit Kindern und Haushalt. Ein Glücksgriff für uns, da sie sehr selbstständig agiert und sich auch durch unsere wilden Jungs nicht abschrecken lässt. Nur die Verständigung mit den Kids ist nicht einfach (sie kann kein Deutsch und unsere Jungs erst sehr wenig Englisch). Sie kommt drei Tage die Woche für jeweils drei Stunden. Ola, unsere polnische Putzhilfe, die einmal in der Woche das Haus sauber macht. Ein gebrauchter, silberblauer Honda Odyssey mit ausreichend Platz für alle Kinder. Wir mussten das Auto übrigens in bar bezahlen, weil wir im Moment hier keine Kreditkarte bekommen (no „credit history“). Und Vorsicht – schwache Batterie: Bloß nicht Radiohören, ohne den Motor laufen zu lassen, sonst springt das Auto nicht mehr an! Ich bin schon mit allen Kids an Bord bei minus fünf Grad „in the middle of nowhere“ gestrandet – war kein Spaß … Schon gewusst? Wie funktioniert das eigentlich mit der Credit History bzw. dem Credit Score?
Snow days – weiße Stolpersteine im Alltag
Als ihr in Deutschland Altweiber gefeiert habt, haben wir hier unseren ersten snow day erlebt – das ist komplett neu für uns. Im Unterschied zu Deutschland schneit es hier stundenlang und hört einfach nicht mehr auf! Dann geht gar nichts mehr, Schule und preschool fallen aus. Ab und zu fährt ein Schneepflug an unserem Fenster vorbei und türmt den Schnee von der Straße an den Straßenrändern auf. Am Vortag hatte ich mich noch über völlig überfüllte Parkplätze vor den Supermärkten gewundert – am snow day hingegen fährt das öffentliche Leben auf Sparflamme runter: Viele Geschäfte in der Stadt schließen früher oder machen gar nicht erst auf. Wer unbedingt etwas zu erledigen hat, fährt los, alle anderen bleiben zu Hause. So ein snow day hat sicherlich zwei Seiten: Zum einen ist er wie eine vom Himmel fallende Auszeit, die das hektische Alltagsleben von jetzt auf gleich total ausbremst und die Umgebung in eine zauberhafte Schneelandschaft verwandelt. Ich aber empfinde es im Moment eher als eine Ablenkung auf unserer Suche nach Alltag (insbesondere in Bezug auf Schule und preschool), die die Kinder erneut aus dem Trott bringt. In den letzten drei Wochen gab es jetzt insgesamt vier solcher snow days und ich bekomme erste Anzeichen von Budenkoller, wenn ich mit vier Kindern von morgens bis abends im Haus bzw. Garten bin und einfach nicht weg kann. Die Kinder mögen das anders sehen, da sie sich natürlich über den schulfreien Tag freuen und auch im Schnee spielen. Aber mir reicht’s! So weit, so gut. Jetzt will ich von den Dingen erzählen, die uns ständig eine Portion Extrakraft kosten, weil sie einfach Teil unseres Lebens hier sind – und vorläufig wohl auch bleiben werden:
Unser Tag und seine harten Lektionen
Unser Tagesablauf steht hier einfach „Kopf“: 7.00 Uhr Wecken der Kinder 8.24 Uhr Theo und Tim nehmen den Schulbus 8.55 Uhr Unterrichtsbeginn 15.05 Uhr Schulschluss – ich hole Theo und Tim ab 15.45 Uhr Wir essen unser „Mittagessen“ (alle Kids und ich) 16.00 Uhr Die Kinder wollen spielen, sich bewegen 17.00 Uhr Theo und Tim müssen rein wegen Hausaufgaben – immer großer Protest, stets lange Anlaufphase. Es ist schwierig, beide Kinder gleichzeitig zu betreuen. Ole (4) und Paul (2) lärmen oft im hellhörigen Haus – STRESS, STRESS, STRESS! 18.00 Uhr Jane muss nach Hause – und danach geht auch schon der Abendcountdown los. Oft sind die Hausaufgaben noch nicht fertig. Sie nach dem Abendessen zu machen funktioniert aber auch nicht, da die Jungs dann viel zu müde sind. Also wie? Ich bin ratlos …
Zu wenig Zeit
Überhaupt bin ich im Moment auch etwas irritiert: Hier ist keiner der Auffassung, dass die Kinder sich nachmittags erholen sollen. Vielmehr dominiert die Schule den gesamten Tag und auch nachmittags bleibt den Kids kaum Zeit zu spielen, weil dann ja noch die Hausaufgaben zu machen sind. Vor allem Theo und Tim haben daran zu knabbern, dass sie hier tatsächlich nur am Wochenende mal dazu kommen, mehrere Stunden am Stück zu spielen. Kein Wunder, dass die Erwachsenen in diesem Land alle Arbeitstiere sind und sich mit zehn Tagen Urlaub im Jahr zufriedengeben …
Bloß nicht bewegen
Das Zweite, was mich ziemlich schockt, ist der geringe Stellenwert, den die Bewegung der Kinder und der Menschen überhaupt im Alltag einnimmt. Sowohl in der Schule als auch in der preschool gibt es oft über den ganzen Tag nur eine einzige Bewegungspause von 20 (!) Minuten. Wie halten die Kinder das bloß aus? Wie werden Ole und Paul mit diesem „Bewegungsmangel“ in ihrer preschool umgehen? Mich selbst nervt es auch ohne Ende, dass ich für alles das Auto brauche, dass es einem selbst bei gutem Willen unmöglich gemacht wird, sich hier zu Fuß zu bewegen – oft fehlen einfach die Bürgersteige oder sie sind, wie im Moment, komplett mit Schneemassen zugeschüttet. Und Spaziergänge mit vier Kindern auf den Straßen? Zu gefährlich, da die Autofahrer nicht gerade rücksichtsvoll sind.
Unsere Pläne für März
Wir haben für Ole und Paul eine bessere preschool gefunden. Wir hatten die Auswahl zwischen drei (!) Montessori preschools und haben schließlich eine gefunden, die uns in Bezug auf Erzieherinnen, generelle Stimmung und Räumlichkeiten wirklich gut gefällt. Das Montessori-Material wird Ole, der eher ein haptischer Typ ist, sicherlich helfen, die Dinge besser zu „be-greifen“. Nächsten Monat geht es los für die beiden. Sportmöglichkeiten für die Kinder suchen (vielleicht bei einem YMCA?). Schon gewusst? Was bedeutet “YMCA“? – Ursprung und heutige Bedeutung in den USA Marc und ich haben im März unseren 20. Jahrestag und möchten gern etwas Verrücktes, Schönes oder Beeindruckendes in New York tun. Aber noch keine Ahnung, was … Habt ihr eine Idee? Meine social security number beantragen (ohne die man hier quasi nicht existiert). Schon gewusst? Wofür brauche ich eine “Social Security Number (SSN)“? – Sozialversicherungsnummer Die Kinder haben andere Sorgen als wir. Sie bewegt im Moment hauptsächlich die Frage, ob der Osterhase die Sache mit unserem Umzug mitbekommen hat und seine Nester tatsächlich hier anstatt in Deutschland verstecken wird. Abwarten. 🙂
Sehnsucht nach den Freunden
Jeden Abend ärgere ich mich über die Zeitverschiebung: Wenn ich endlich „frei“ habe, liegt ihr im schon Bett und ich kann keinen mehr anrufen! Da wäre San Diego auf der anderen Seite von Amerika doch besser gewesen, denn dann könnte ich euch morgens erwischen!
„Teddy and me“ – die preschool
Für Ole (4) geht es los mit der preschool „Teddy and me“ – mit mir im Schlepptau, denn er versteht ja kein einziges Wort Englisch bis jetzt. Der Name ist reiner Euphemismus: Hier geht es nicht ums Spielen, sondern es herrschen Zucht und Ordnung. Seine Lehrerin Miss Sandy konnte sich am ersten Tag kaum ein Lächeln abringen und es gibt eine strikte Einteilung des Vier-Stunden-Tages in halbstündige Intervalle (puzzles, free play, toilet, snack, work in progress…). Die Lehrerin gibt kurz an, was ansteht – „now puzzles, please“ – die Kids folgen ohne zu murren, unheimlich diszipliniert! Beim work in progress kommt der preschool-Charakter dann richtig raus: Die Kinder buchstabieren ihre Vor- und Nachnamen, nennen Farbbezeichnungen (nicht „green“, nein „limegreen“!, usw.), sie benennen Formen, die ich noch nicht mal im Deutschen kenne (was ist bitte der deutsche Begriff für ein „curvilinear triangle“? :-)). Das Spielzeug ist eher ramschig, keine Spur von schönen dicken Bauklötzen. Beim gemeinsamen Aufräumen am Ende singen alle aus einer Kehle: „Clean up, clean up, everybody, everywhere. Clean up, clean up, everybody do your share.“ Drill statt Spiel Mein Eindruck im Moment: Hier in den USA hört die „unbeschwerte Kindheit“ mit vier Jahren auf, ab dann wird es ernst. Die Kleinen werden echt gedrillt! Und wehe, einer rutscht auf seinem Popo hin und her! Dann gibt es eine kurze, scharfe Ermahnung und Ende. Körperkontakt zwischen Erzieherin und Kindern habe ich bisher kein einziges Mal gesehen. Und was mich besonders stört: Es gibt niemals eine freundliche Ansprache, sondern es herrscht die ganze Zeit eher ein Kasernenton – das finde ich am schlimmsten. Ich habe beschlossen, mir in den nächsten Tagen noch andere preschools anzusehen. Ole lässt sich von all dem nicht beeindrucken, er geht morgen den dritten Tag hin (dann alleine) und ist bis jetzt zufrieden. Die „Kaserne“ kostet übrigens über 800 Dollar im Monat! Im Vergleich dazu war unser Kindergarten in Deutschland fast geschenkt …
Und ich?
Für mich hat sich nicht so viel geändert. Das Einkaufen macht Spaß (tolles Angebot, aber manchmal einfach zu viel) und ich bereite jetzt jeden Abend Snacks und Lunchpakete vor (ein schrecklicher Zeitfresser). Bin schon im Fitnessclub (gym) angemeldet, habe aber bisher noch kein einziges Schweißtröpfchen bei den anderen entdeckt. Der Grund: Schockfrosten durch Ventilatoren und Klimaanlage ist angesagt – haben die nicht gemerkt, dass draußen Winter ist?!?), ich gehe laufen (ist auch eiskalt, aber okay, wie gesagt: Winter :-)). Und vor allem versuche ich, alle Aktionen der Schule in den Griff zu bekommen: 100 days of school, groundhog day, a coin for a cause, cookie walk, bake sale, Valentines Day … Also bisher habe ich noch nicht so richtig den Durchblick, aber auf jeden Fall ist es ziemlich unglaublich, was die hier alles feiern.