Zuerst möchte ich euch allen ganz, ganz herzlich für die Unterstützung beim 25. AIDS-Walk in New York danken (eure Spenden: 330 Dollar, insgesamt 5,7 Mio. Dollar von 45.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern). Es war eine kunterbunte Truppe (alle Hautfarben, jedes Alter, Schulklassen, Firmen, aber auch persönlich Betroffene mit Schildern wie „In Memory of …“), die zunächst durch den Central Park und dann am Hudson River entlang gemäß dem Motto „Step up and walk“ gewandert sind. Und ihr seid, wie versprochen, auf meinem Deutschland-T-Shirt mit dabei gewesen.
Endlich wieder Lehrerin
Mit Duaa läuft es gut und dadurch habe ich wieder mehr Zeit für andere Dinge. Ich lerne seit vier Wochen Gitarre und gebe privat Deutschunterricht. Mein erster Schüler ist ein schwarzer Ex-NBA-Spieler, der Rottweiler aus Deutschland importiert und dann hier verkauft. Er schlägt sich jetzt mit Worten wie „Zuchttauglichkeitsprüfungsbericht“ herum – aber der Kunde ist König. Außerdem habe ich mich bei der deutschen Schule von Morris County als Deutschlehrerin beworben und hoffe, dass meine offizielle Arbeitsgenehmigung bald endlich kommt. Das Verfahren läuft, seitdem ich meine social security number habe. Das heißt, jetzt schon seit acht Wochen – und es dauert durchschnittlich drei Monate, bis es durch ist.
Mother’s Day
Eine Rose zum Muttertag – Einmal im Jahr ist es soweit … Ich werde reichlich mit Karten und kleinen Geschenken überrascht – die Schulen legen sehr viel Wert darauf und selbst Theo, der Malen und Basteln überhaupt nicht mag, malt mir eine rote Rose auf die Karte 🙂 .
Überall bunte Gute-Laune-Inseln
Aber die erste Hitzewelle ist jetzt erst mal vorbei. Zurzeit genießen wir herrliche Frühlingstemperaturen und staunen über die farbenfrohe Blütenpracht, die sich mit aller Macht jeden Tag mehr und überall entfaltet. Besonders die üppigen Magnolien und leuchtend gelben Forsythien verbreiten gute Laune. Für mich waren sie richtige kleine Erholungsinseln auf meinen „Taxidiensten“ zur preschool. Um diese Jahreszeit bekommt der Beiname von New Jersey als „The Garden State“ tatsächlich eine Bedeutung. Woher dieser Spitzname stammt – der übrigens auch auf unseren Auto-Nummernschildern steht – ist historisch nicht eindeutig geklärt. Aber es gibt hier im Süden außer den erwähnten Blumen und blühenden Sträuchern tatsächlich sehr viele Obst- und Gemüsefarmen. Der Norden New Jerseys ist allerdings eher industriell geprägt.
Unser April
Die letzten Wochen waren wieder ziemlich anstrengend – das Wort „Routine“ im letzten Brief habe ich wohl etwas vorschnell benutzt: Wir sind wieder ohne Hilfe im Haus. Die Folge: Ich bin ganz schön am Rotieren. Seit einer Woche machen wir unseren zweiten Versuch mit einer neuen Kinderfrau: Sie heißt Duaa, kommt aus dem Sudan und lebt seit zehn Jahren in Amerika. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir mit einer Nicht-Amerikanerin bessere Aussicht auf Erfolg haben. Die Schule bei Theo (7) und Tim (6) läuft soweit gut. Wir haben eine neue preschool für Ole (4) gefunden und Paul (3) geht direkt auch mit. Marcs derzeitiger Job: Reisen quer durch die USA. Mein derzeitiger Job: Kinder Hin- und Herfahren und immer mit dem Handy auf Abruf stehen.
Mein aktuelles Grübelthema: Kindererziehung
Was mich diesen Monat besonders umtreibt, sind vor allem die Unterschiede in der Kindererziehung, die sich immer klarer im Alltag zeigen und für mich oftmals sehr widersprüchlich sind. Eine gängige Regel: Eltern sollten ihre Kids bis zum Alter von zwölf Jahren nicht alleine zuhause lassen – ein beliebtes Thema unter den deutschen Expats. Es gibt zwar nur in wenigen Staaten wirklich entsprechende Gesetze wie z. B. in Maryland (bis 8) und in Illinois (bis 14), aber die Altersgrenze von zwölf Jahren geistert hier trotzdem überall herum. Sie wird von der Organisation „Safe Kids“ national empfohlen und von Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen als inoffizielle guideline akzeptiert. „Playdates“, also Verabredungen zum Spielen, machen nicht die Kinder, sondern die Eltern – selbst in Theos Alter (und Theo ist 7!). Kleine Kinder dürfen sich keine zwei Meter von den Eltern entfernen, sonst wird man – wie ich neulich – angehupt. Und Paul lief gerade mal drei Meter vor mir auf dem Bürgersteig! Oder aber man bekommt böse Blicke und spitze Kommentare („He was walking down the driveway (Einfahrt) all by himself!“ Ja, mein Gott, aber ich hatte doch alles im Blick! Auch unsere Nachbarin klingelte verstört an der Haustüre, als Paul auf unserer Einfahrt mit Kreide malte, ohne dass ich direkt neben ihm stand! Schulweg? Nur mit den Eltern. Es gibt eine lückenlose Begleitung zur Schule und wieder zurück, Theo und Tim dürfen morgens noch nicht mal allein über unsere Straße zum bus stop gehen und dort allein warten. Ich muss die ganze Zeit mit dabei sein. Und so stehen sich häufig morgens vier Eltern gemeinsam die Beine in den Bauch, bis der Schulbus kommt – kann man das nicht besser verteilen? Es gibt kaum Zugang zu „gefährlichen“ Gegenständen – auch jetzt gerade wieder bei Theos science-project-Anweisungen: Nichts mit Feuer, Glas oder spitzen Gegenständen! Andererseits … … übertragen Eltern und Pädagog/innen viele Einstellungen aus der Erwachsenenwelt auf die Kinder: Zum Beispiel diese Einstellung in der preschool: „It’s not about having fun, it’s about learning and working“ (O-Ton einer der Erzieherinnen). Es gibt einige bierernste Erzieherinnen, die ich gerne einmal durchschütteln und ihnen sagen möchte: …
Entenmutter
Ich fühle mich im Moment wie eine Entenmutter, die ihre Küken in unbekannte Gewässer geführt hat und nun einige Mühen hat, sie da durchzuschleusen und aufzupassen, dass keiner abtaucht. Manchmal steht mir das Wasser auch bis zum Hals (manchmal sogar drüber) und abends klingeln mir die Ohren, wenn die vier ihrem vormittags unterdrückten Mitteilungsbedürfnis dann nachmittags auf Deutsch freien Lauf lassen. Ole und Pauls „Warum?-Phase“ verschärft die Sache noch. Ich genieße die kleinen Freiräume, die sich so langsam durch preschool und Duaa ergeben und versuche dann auch ein bisschen am „Sprachbad“ teilzuhaben. Aber ich vermisse meine Arbeit als Lehrerin und meine Schulkinder. Und dann lebe ich im Moment als einzige in der Familie in einer überwiegend deutschen Sprachumgebung – schon ein bisschen ironisch als Englischlehrerin. Aber das wird sich bestimmt noch ändern – nur Geduld!
Willkommen im Team, Judith!
Judith, unsere neue deutsche Babysitterin, kommt einmal die Woche vorbei, hat alle vier Kids gut im Griff und kann dazu auch noch Haareschneiden! Endlich können Marc und ich mal wieder gemeinsam ohne Kids aus dem Haus – das ist viel, viel wert – hatten wir lange nicht mehr.
Mir fehlt der Durchblick!
Um die richtige Umkleidekabine im YMCA zu finden, muss man sich hier erst einmal durch einen Dschungel von Schildern arbeiten. Und wo ich mich dann mit den Kindern gemeinsam umziehen kann, weiß ich am Ende immer noch nicht. Aber ich bin nicht allein mit diesem Problem – in einer Einzel-Damen-Kabine hörte ich einmal eine verrückte Kombination von leisem Schluck-Glucksen, einer hellen Kinderstimme und einer Frauenstimme, die verzweifelt immer wieder versucht, das Kind mit einem beschwörendem „shush, shush“ zum Schweigen zu bringen (meine Interpretation: stillende Mutter mit Geschwisterkind). Prüderie gepaart mit strengen Regeln – schlimmer geht es nicht! Aber hey – das Y hat auch gute Seiten – man trifft auf eine ganz bunte Klientel. Ich laufe hier oft neben Menschen mit Handicap, z. B. mit Down-Syndrom, die regelmäßig in Jeans ihren workout machen. Ebenso sieht man sehr viele ältere Leute. Letzte Woche übten zwei betagte Damen in der Umkleide ihre neuen Tanzschritte 🙂 .
Unsere Pläne für April
neue Nanny/Haushaltshilfe suchen (Jane, unsere Nanny, will leider aufhören wegen Verständigungsproblemen mit den Kids 🙁 ). Ich habe diesen Monat nach vielen Besichtigungen endlich eine viel versprechende Montessori-preschool gefunden – jetzt heißt es also, Ole und Paul hier einzugewöhnen. auf meine Arbeitsgenehmigung warten Laufen für den guten Zweck: Die Leute scheinen hier alle ständig für etwas Wohltätiges zu sammeln – das scheint superamerikanisch zu sein. Das will ich jetzt auch mal ausprobieren: Ich mache im Mai beim 25. AIDS-Walkathon (zehn Kilometer) in NYC mit. Das ist eine Wohltätigkeitswanderung, bei der Geld für die AIDS-Forschung gesammelt wird. Ich freue mich auf euer Sponsoring!