„Tiefere“ Einblicke sorgen für mehr Verständnis

Manchmal hat man Vorstellungen von seinen Mitmenschen, die sich im Laufe der Jahre wenig ändern und quasi fossilisiert sind, weil es einfach bequem ist und keinen Grund gibt, diese Vorstellungen (Vorurteile?) zu ändern. Eine Zeit im Ausland bringt da so einiges in Bewegung, weil es dann nicht mehr ins Bild passt. Ich habe jedenfalls jetzt eine andere Einstellung zu türkischen „Big Mamas“ bekommen: Unsere türkische Nachbarin in Deutschland, die seit 18 Jahren hier lebt, hat fünf Kinder (zwischen 2 und 18 Jahren) und spricht nur sehr gebrochenes Deutsch. Ihr Mann spricht gut Deutsch, und alle Kinder sind bilingual aufgewachsen. Diese Diskrepanz war für mich schwer nachzuvollziehen, weil man nach so langer Zeit in einem Land einfach etwas anderes erwartet. Aber jetzt ist es mir ähnlich gegangen: Marc und die Kinder hatten durch Job und preschool/school schnell einen festen Platz in der neuen Gesellschaft und dadurch täglich mehrere Stunden Kontakt zur neuen Sprache. Bei mir sah das anders aus: Ich war voll ausgelastet mit Hausarbeit und Kinderbetreuung und hatte trotz Bemühen kaum Zeit, mich um „authentischen Sprachinput“ zu kümmern. Als Hausfrau und Mutter von vielen, noch jungen Kindern lebt man tatsächlich ziemlich isoliert vom Rest der einheimischen Welt (im Ausland durch die Kulturunterschiede noch verstärkt), und man muss schon auf die Pauke hauen, um da herauszukommen. Ich kann jetzt also gut nachvollziehen, warum unsere Nachbarin, die den ganzen Tag im Haus putzt, kocht, Kinder hütet und aufräumt, so wenig Deutsch kann. Das muss schon ein verrücktes Leben sein, so lange in einem Land zu leben und kaum Zeit zu haben, eine eigene Berührungfläche mit den „Einheimischen“ zu haben (abgesehen von den Dingen, die im Zusammenhang mit den Kindern stehen). Ich könnte das nicht aushalten, aber man braucht, um aus dieser Falle herauszukommen, einen Mann, der mitzieht, extra Geld für Babysitter und genug Energie, sich selber diesen Raum zu schaffen.

Deutsch bleibt deutsch

Ebenso kann ich jetzt noch besser verstehen, dass man mit den Kindern weiter seine native Sprache spricht. Ich war zwar nie jemand, der es unhöflich fand, wenn Eltern mit ihren Kinder ihre Landessprache gesprochen haben (z. B. beim Abholen im Kindergarten), aber inzwischen weiß ich aus eigener Erfahrung, dass sich alles andere irgendwie falsch anfühlt. Insbesondere mit den eigenen Kindern kann man nicht von heute auf morgen einfach eine andere Sprache sprechen. Für mich ist das Deutsche die Sprache, in der ich mich am wohlsten fühle, in der auch die emotionale Seite der Beziehung verankert ist. Wenn amerikanische Kinder dabei sind, ist das wieder eine völlig andere Sache (z. B. bei playdates), aber wenn man „unter sich“ ist, ist für mich Deutsch die richtige Wahl.

Heimat tut gut

Und als mich eine ukrainische Mutter vor unserem Kindergarten in Deutschland vor kurzem fragte, wie es uns denn so gefallen würde, mal wieder in der Heimat zu sein, da habe ich ehrlich gesagt, dass es richtig gut tun würde. Da bekam sie leuchtende Augen und seufzte: „Ja, kenne ich, das ist doch was anderes, wenn man zuhause ist.“ Wenn wir auch unterschiedliche „Heimaten“ haben, so weiß ich jetzt ohne viele Worte, wovon sie redet. Was ihr wohl in Deutschland alles fehlt? Fazit Irgendwie sieht man alles aus einer neuen, dritten Perspektive, die wohl auf eine Kombination aus den alteingessenen Erfahrungen in der Heimat und den ganz frischen Erfahrungen im neuen Land zurückgeht. Und am Ende des Tages gibt es für uns in Deutschland sogar noch eine Stunde Helligkeit gratis obendrauf. Denn Morristown liegt im Vergleich zu unserem Zuhause am Niederrhein viel weiter südlich (auf demselben Breitengrad wie Neapel) und deswegen ist es dort früher dunkel. Und wenn es dann an der Zeit ist, ins Bett zu gehen, dann freue ich mich drauf! Denn in meinem deutschen Bett versinke ich nicht in der Matratze, weil die so weich ist (Amis lieben einfach alles, was dick und fluffy ist). Welch eine Wohltat ist die harte Matratze für meinen Rücken, einfach purer Luxus!

WM-Fieber!

Nicht zu vergessen: Wir haben natürlich auch Fußball geguckt, unsere Mannschaft angefeuert und mitgejubelt. Die WM ist inzwischen tatsächlich auch ein Thema in den USA, viel größer als noch vor vier Jahren, wie uns einige Amerikaner/innen sagten. Aber es kann einem schon mal passieren, dass sie in einer Bar mitten in einem spannenden Fußballspiel auf Baseball umschalten und dann auch dabei bleiben – Pech für Marc und mich 🙁 . Wir sind gespannt, Deutschland am Tag des Endspiels noch im Fußballfieber vor Ort zu erleben (auch wenn unsere Mannschaft nicht mehr dabei ist). Wir freuen uns, bald endlich mal wieder deutsche Fahnen zu sehen, denn im Moment hat die Verteilungsdichte der amerikanischen Flaggen einen Höhepunkt erreicht (sie sind einfach ÜBERALL). Was allerdings nichts mit der WM, sondern mit dem 4. Juli zu tun hat, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag.

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Deutschland, wir kommen!

Zurzeit freuen wir uns alle darauf, ein paar Wochen in Deutschland Luft holen zu können. Wir sind von Anfang Juli bis Mitte August in der Heimat und freuen uns sehr, viele unserer Freunde und die restliche Familie wiederzusehen – und endlich mal wieder mit ziemlicher Gewissheit in den nächsten Tag zu leben, ohne vor „Wände“ zu laufen. Wir freuen uns auf müde Kinder nach dem Schwimmen, Picknick-Pipi auf den Spielplätzen für die Kids nach Herzenslust und darauf, endlich mal wieder zu Fuß unterwegs zu sein. Unsere Kinder sind auch schon ganz aufgeregt und rasen seit zwei Tagen mit ihrem rollenden Handgepäck durch die Gegend …

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KEEP TALKING (4) – Sechs Monate USA

Welche Kapriolen der Wechsel vom Deutschen ins Englische bei unseren Jungs schlägt. Und wie sie dann nach sechs Monaten schließlich doch langsam in der neuen Sprache Fuß fassen. Und immer noch: „looking“ 🙂 .   „Eis“ schmeckt genauso gut wie „ice“ Nun noch ein paar Worte zur Sprache der Kids. Das Deutsch der Jungs hat sich in den letzten fünf bis sechs Monaten deutlich verändert und enthält an vielen Stellen geschickt eingebaute englische Worte, z. B. „Wo habt ihr geschlafen, als ihr out of town wart.“ Oder „Mama, kannst du das open machen?“ Manche Sätze sind mittlerweile ohne Englischkenntnisse schwer zu verstehen, z. B. „Was ist diese Mappe für?“ (soll sagen: „Was zeigt diese Landkarte an?“). Sie haben manche deutschen Wörter vergessen: „Mama, was heißt noch mal Goodbye auf Deutsch?“ Und das allererste Wort Englisch „looking“… ja, das wird immer noch rege von Ole und Paul benutzt. Im Englischen geht es bei allen nach oben – jeder in seinem eigenen Tempo. Auf Theos Zeugnis steht, dass er große Fortschritte beim Sprechen gemacht hat und dass auch sein Lesen und Schreiben vorwärts geht. Auch Tim führt laut seiner Lehrerin jetzt Unterhaltungen mit seinen Klassenkamerad/innen auf Englisch und versteht viel von dem, was im Unterricht besprochen wird. Das Deutsche Im Laufe der ersten Monate tauchen bei den Jungs immer mehr englische Wörter in den deutschen Sätzen auf – meist sind es die Verben oder Substantive, die sie gut „getarnt“ und nach deutschen Regeln anpassen, aber englisch aussprechen. Dies gilt zunächst vor allem für Theo (8) und Tim (6). Ab und zu tauchen dabei auch „false friends“ auf, also Wörter, die es in beiden Sprachen gibt, die aber ein unterschiedliches Bedeutungsfeld haben. Hier einige Beispiele aus unserem Alltag: Theo (beim Spielen, als sich zwei Kinder eine Süßigkeit teilen und er nichts bekommt): Das ist gemein. Die sharen! (hört sich an wie das dt. „Scheren“) (Mai 2010). Ole: Ich clean this. (Juni 2010) Ole: Ich kenne meine a hundreds noch nicht. (Juni 2010) Ole: Mama, ich eating you. (Juni 2010) Ole: Mama, kannst du das open machen? (Juni 2010) Paul: Mama, hältst du meine …

Fußball WM 2010

Oliver (Tims Patenonkel) und Birgit bringen echte deutsche Fußball-WM-Kappen mit – wir wollen die deutsche Mannschaft doch auch hier mit anfeuern können! Dabei kommt unser neuer Grill direkt mehrfach zum Einsatz und es gibt 700-g-Steaks mit „smokey Barbecue-Sauce“ – so richtig amerikanisch, aber lecker!

Sehnsucht nach den Freunden

Jeden Abend ärgere ich mich über die Zeitverschiebung: Wenn ich endlich „frei“ habe, liegt ihr im schon Bett und ich kann keinen mehr anrufen! Da wäre San Diego auf der anderen Seite von Amerika doch besser gewesen, denn dann könnte ich euch morgens erwischen!  

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Endlich zuhause!

Im Flieger übergibt sich Ole völlig unvermittelt nach der Landung, kann sich kaum auf den Beinen halten – der Arme … Die anderen drei sind fit und wir passieren die Einwanderungsbehörde in Rekordzeit, da wir wegen Oles „Zustand“ in die express lane dürfen! Die ist eigentlich nur für Leute mit diplomatischem Visum oder Behinderungen. Danach: Koffer einsammeln, durch den Zoll, unsere beiden Leihwagen abholen … Zweieinhalb Stunden nach der Landung sind (ist) endlich alle(s) verpackt in den Autos: Marc fährt die Koffer, ich habe die Kids und meine Mutter dabei. Draußen ist es schon ziemlich dämmrig, als es endlich losgeht. Für mich unvergesslich: der erlösende Moment, als wir nach 14 Stunden unterwegs mit Lärm und Kälte, Warten und Schleppen in die Leihwagen einsteigen und losfahren – endlich wieder wohltuende Privatsphäre, Ruhe und Wärme! Die Kinder sind so platt, dass sie gar nichts mehr sagen. Ole übergibt sich zwar noch einmal im Auto, schläft danach aber zum Glück ein. Und nach 20 Minuten Fahrt sind wir endlich „zuhause“ in „unserem“ Haus in Morristown.

Heimatgefühle

Ihr zuhause seid genau sechs Stunden vor uns. Schon komisch, dass ihr aufsteht, wenn wir ins Bett gehen und ihr ins Bett geht, wenn unsere Kinder aus der Schule kommen. Das Kochbuch mit euren Rezepten ist natürlich in einem der 15 Koffer gut verpackt mitgeflogen. Ich habe es schon sehr oft durchgeguckt, bin gerührt, welche „Familientraditionen“ ihr uns geschenkt habt, und jede einzelne bedeutet mir sehr viel. Noch mal tausend Dank dafür! Jetzt haben wir euch tatsächlich ganz nah bei uns, obwohl ihr so weit weg seid. Zumindest kulinarisch :-).   Wir hoffen, euch geht es allen gut und ihr haltet den harten deutschen Winter noch aus. Bei uns sind heute Abend die ersten weißen Flocken gefallen, nachdem es hier eine Woche keinen Schnee gegeben hat – also eher ein gemäßigter Winter bisher, sagen die Leute. Unser Leitspruch für die nächsten Wochen (abgeguckt von der Sekretärin in Theos und Tims Schule, die uns immer super freundlich begrüßt und mich mit “Honey“ anredet): „Easy, peasy, lemon squeezee“ – was so viel heißt wie „wird schon werden und alles mit der Ruhe …“