Der Januar war also ein ständiger Stop-and-go-Betrieb und fühlte sich an wie „zähflüssiger Verkehr mit Stau“: Zehn Minuten Autofahren und dann wieder fünf Minuten Stehen im Wechsel. Und das für etliche Stunden, immer mit der Hoffnung, dass es endlich wieder normal weitergeht – einfach nur anstrengend. Die Kinder kamen durch die ganzen freien Tage so gar nicht in den Trott und wurden mit der Zeit ganz schön träge. Sie sind nach etlichen Tagen zu Hause nun wirklich „ausgespielt“ und könnten neuen Input und ein bisschen Struktur wieder brauchen. Und ich will auch mal wieder etwas schaffen können, ohne Kinder im Gepäck. Kleiner Hoffnungsschimmer am weißen Horizont: Wegen der vielen snow days im Januar hat der school district einen freien Tag im Februar gestrichen und wieder zum Schultag erklärt. Na bitte, geht also auch andersherum! KEEP TALKING (6) – Zwölf Monate USA Wie nach einem Jahr das Englisch aller Kids immer flüssiger wird und jetzt auch zuhause Einzug hält. Und warum ihr Deutsch gleichzeitig immer mehr Fehler zeigt.
KEEP TALKING (6) – Zwölf Monate USA
Wie nach einem Jahr das Englisch aller Kids immer flüssiger wird und jetzt auch zuhause Einzug hält. Und warum ihr Deutsch gleichzeitig immer mehr Fehler zeigt. Nach einem Jahr hat sich viel getan in der Sprache der Kinder: Seit Sommer redet Theo (8) fast nur Englisch zuhause, und auch er und Tim (6) reden immer mehr Englisch miteinander, egal wo sie sind. Theo macht sich Ende des Jahres sogar große Sorgen um sein Deutsch, und das bedrückt ihn wirklich. Marc konnte ihn beruhigen, als er ihm klarmachte, wie schnell er Englisch gelernt hätte – das würde dann auch wieder funktionieren, wenn wir zurück nach Deutschland gingen. Tim träumt auch auf Englisch – er redet immer im Schlaf. Ole (5) entwickelt sich weiter gut in der preschool und bleibt inzwischen sogar manchmal bis zwölf Uhr dort (also den sogenannten half day). Paul (3) singt voller Begeisterung ungefähr 1.000 Mal im Auto und zuhause den Refrain vom Lied „Mary had a little lamb“ auf Englisch und fragt mich nach dem 1001. Mal: „Warum eigentlich ›Lampe‹?“ J Er bedient sich frei bei beiden Sprachen. Wenn er mit unserem Au-pair Morena Englisch spricht (sie versteht ja kein Deutsch), dann mogelt er viele deutsche Verben unter und hat häufig eine deutsche Wortstellung, z. B. „I zeig you what.“ Das klingt dann fast so, als ob man das Englisch der Deutschen so richtig karikiert. J Aber egal, wie viel da durcheinander geht – Hauptsache, die anderen wissen, was er sagen will. In der preschool spricht er hingegen immer noch nicht. Gegen Ende des ersten USA-Jahres benutzt Tim Adverbien im Englischen korrekt (I can read the book easily), während Theo die meisten „if-clauses“ richtig bildet, also ohne „would“ im if-Satz („If I told you that I did my reading homework already, would you let me play on the Wii?“ (Das „would“ im „if-clause“ ist eine Interferenz vom Deutschen, die man deutschen Schulkindern kaum abgewöhnen kann). Im Deutschen kommen nun Präpositions- und Konjunktionsfehler dazu, die auf Rückübersetzungen beruhen und wirklich sehr „schräg“ klingen. Auch handfeste Grammatikfehler bei den Verben (v. a. den Vergangenheitsformen) machen sich breit. Ab …
Zurück in die Zukunft
Während wir bei unserem Sommeraufenthalt sehr schnell wieder in Deutschland „angekommen“ waren, war die Landung bzw. die ganze erste Woche zu Weihnachten einfach sehr ruppig. Was war anders? Trauriges Gefühl zu Weihnachten Zunächst einmal ist es gerade Winter in Deutschland: saukalt, mega glatt (kein Streusalz mehr!) und einfach Grau in Grau (ja richtig, hatte ich schon fast vergessen). In der warmen Jahreszeit kann man per se leichter Fuß fassen, glaube ich. Hinzu kommt, dass der Effekt „zurück in die Zukunft“ (man erwartet Alt-Vertrautes, aber landet doch irgendwo in der Zukunft) nach einem knappen Jahr im Ausland deutlich gravierender ausfällt als noch im Sommer. Klar, mit vielem ist man zuhause sofort wieder vertraut, aber bei einigen Dingen muss man quasi einen „Schnellverdauungsdurchgang“ einlegen (all das, was die Umwelt bereits im normalen Tempo verdaut hat). Das empfinde ich vor allem für die kleinen Menschen, die inzwischen neu dazugekommen sind (und jetzt schon fast laufen können), aber noch viel mehr für die zwei Menschen, die nicht mehr da sind (ein Nachbar und eine Verwandte – beide im Herbst gestorben). Ihre „Lücke“ in der alt vertrauten Umgebung haut mich fast um – viel mehr als in Morristown, wo sie mir nicht so richtig fehlen konnten, weil sie nie zum Leben dort dazu gehört haben. Aber in Deutschland werde ich jedesmal daran erinnert, wenn ich das Haus verlasse – nein, das kalte, traurige Gefühl im Bauch passt nicht zu Weihnachten.
Chaos
Als ich am Tag nach unserer Ankunft um zwei Uhr nachts in der Waschküche inmitten riesiger Wäscheberge stehe, in einem Haus, das noch unvertraut riecht, wo die meisten Koffer unausgepackt die Hausflure blockieren, Tim (6) und Paul (3) putzmunter im Esszimmer „zu Abend essen“, während Theo (8) sich mit Magen-Darm im Bett quält, da frage ich mich schon, was ich hier mache. Ich kann kaum glauben, dass wir gerade erst angekommen sind und bereits so ein Chaos herrscht. Vor 24 Stunden saßen wir noch voller Vorfreude im Flugzeug, und jetzt fühle ich mich elend … Und wo, bitte sehr, kommt soviel Wäsche in so unglaublich kurzer Zeit her? Ich traue mich kaum, es zuzugeben, aber ich vermisse ganz kurz meine amerikanische Waschmaschine, die eine doppelt so große Waschtrommel hat wie meine „Miele“ in Deutschland. Struktur gegen Chaos Da dies die zweite Chaos-Nacht in Folge ist – die Nacht davor wurde uns durch die Zeitverschiebung ganz „geklaut“ – geht man dann doch ganz schön auf dem Zahnfleisch. Ich habe das Gefühl, dass ich vor lauter Müdigkeit und Reizüberflutung gar nicht mehr geradeaus denken kann. Das Einzige was hilft: kühlen Kopf bewahren und den Tag strukturieren (Marcs Spezialität), sich fokussieren und dann aufräumen (meine Spezialität)! Also: einfach irgendwo anfangen und wenigstens schon an einer Stelle ein bisschen Struktur ins allgemeine Chaos bringen!
Zeitsprünge
Auch die Kids müssen sich erst wieder zurechtfinden und jeder reagiert anders. Sie treffen sich direkt mit ihren Freunden, nach einer kurzen Aufwärmphase ist alles fast wie immer. Aber eben nur fast – es ist genau, wie einer von Theos Freunden leise zu mir meint: „Theo ist anders geworden“. Es klingt weniger vorwurfsvoll, sondern mehr überrascht und vor allem ratlos. Ja, Theo hat sich sicherlich verändert (man braucht ja nur an sein Pizzaerlebnis zu denken, als er erfuhr, dass sein Freund kein Weihnachten sondern Hannukah feiert) und jetzt steht er ziemlich bedröppelt daneben. Was soll er dazu sagen? Mir fällt auch nichts ein – da hilft nur ein Drückerchen für beide. Die Zeit ist eben doch nicht stehen geblieben, weder für unsere Freunde noch für uns. Das Flugzeug überwindet die räumliche Distanz von 6.000 Kilometern in sechseinhalb Stunden mühelos, aber danach muss man selber auch noch einmal in der Zeit springen (und damit meine ich nicht den realen Zeitunterschied), damit man wirklich dort ankommt, wo man gelandet ist – irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und in diesem Durcheinander geht einem die Weihnachtslust schon mal verloren. Wie gut, dass man dafür Kinder hat! Ole (5) beschwert sich in den ersten Tagen immer wieder: „Hier sieht es noch gar nicht nach Weihnachten aus!“ Und was soll ich sagen? Er hat Recht! Puh …
Home again
Jetzt, wieder in Morristown angekommen, genießen wir die Ruhe und freuen uns darauf, dass in den nächsten Wochen Alltag einkehrt. Was haben wir diesmal mit in den Koffern, die wir gleich auspacken werden? neue Winterpullover für die Kids (bisher habe ich hier nämlich keine anständigen gefunden – die sind meist zu dünn und mit ganz viel Synthetik) für Tim Schreibhefte fürs 1. Schuljahr mit Hilfslinien (in NJ schreiben die Kids sofort nur auf einfachen Linien) alle Weihnachtsgeschenke der Kinder, die nun z. T. schon ihren zweiten Interkontinentalflug hinter sich haben Aufnehmer (bisher habe ich noch keinen in NJ gefunden) wie immer Tesafilm und Servietten (schöne findet man drüben einfach nur sehr schwer) Taschentücher (die sind drüben super teuer und viel zu dünn, genau wie das Toilettenpapier) – immer auch als Mitbringsel bei unseren Gästen beliebt Mini-Gummibärchen-Tüten und Überraschungseier (die gibt es zwar beim deutschen Metzger, aber der ist 30 Minuten entfernt von uns) Eins steht jetzt schon fest: Nächstes Jahr bleiben wir über die Feiertage in Morristown und werden Weihnachten und Neujahr in den USA erleben. Dann können wir das besondere Flair der amerikanischen „holiday season“ von vorne bis hinten genießen und brauchen uns nicht mit Packen, Jetlag und Umstellungen herumzuschlagen …
Home for Christmas
Wir sitzen auf gepackten Koffern und gleich geht es los, zurück nach Deutschland in den Weihnachtsurlaub. Die Kids sind schon super aufgeregt und fiebern dem Wiedersehen mit ihren Freunden, der Familie und natürlich dem Christkind entgegen – Aufregung und Vorfreude in Reinform 🙂 . Es wird auch Zeit – Theo (8) und Tim (6) sind ziemlich platt von der Schule, die Hausaufgaben abends sind vor allem für Tim oft eine ziemliche Quälerei. Ich kann auch eine Pause brauchen – Marc ebenso. Und Ole (5) hat dann endlich bald seine Verabredung mit Tom, seinem deutschen Kumpel, auf die er bereits sehnsüchtig seit vier Monaten wartet.
Umweltschutz? Nein danke.
Und damit niemand im Auto frieren muss, sieht man in dieser Jahreszeit auch wieder sehr viele „idle cars“ (Wagen im Leerlauf – das ist offiziell verboten, interessiert hier aber niemanden – eins der wenigen Verbote, das hier ALLE konsequent ignorieren). Wenn ich morgens meine Runde durch’s Wohngebiet laufe, staune ich immer wieder: Auf den driveways (Einfahrten) qualmen viele Geisterautos vor sich hin, während drinnen im Haus gemütlich geduscht und gefrühstückt wird (und danach kann man dann ganz bequem in ein vorgewärmtes Auto steigen). Auf der Straße gibt es gegen sieben Uhr an einigen Stellen brummende Autoansammlungen, diesmal mit Leuten drin – das sind Eltern, die ihre Kinder (Middle Schooler – i.d.R. 11-14 Jahre) tatsächlich die 50 Meter vom Haus zum bus stop fahren, wo sie dann mit laufendem Motor einige Minuten auf den Schulbus warten! Und ich muss durch den Qualm laufen. Auch vor den Shoppingmalls sieht man öfter diese Autos mit Eigenleben. Unglaublich …
Schneeflocken statt Sterne
Im Vergleich zu Deutschland „vermisse“ ich allerdings Sterne und Engel. Habe bisher noch kaum goldene Sterne in der Stadt gesehen – das amerikanische Pendant scheint hier vielmehr die weiße Schneeflocke zu sein, die in allen Größen und in diversen Variationen daherkommt. Paul (3) stanzt jedenfalls im Moment ganz fleißig sogenannte „arctic snowflakes“ mit seiner Martha-Stewart Crafts Punch aus. Martha Stewart ist bekannt als „Beste Hausfrau Amerikas“ – eine sehr erfolgreiche amerikanische Fernsehmoderatorin, Fernsehköchin, Unternehmerin und Autorin. Sie ist bekannt wie ein bunter Hund auf Gebieten wie Kochen, Hauswirtschaft, Gartenarbeit, Etikette und Basteln sowie handwerklichen Tätigkeiten. Sie kann einfach ALLES. Paul arbeitet also mit einer der von ihr vertriebenen Sternstanzen. Was Engel angeht, so kommen sie einem eher in Lebensgröße, in kurzen Röcken und mit blonden Locken auf dem Bürgersteig entgegen (ja, die Amis verkleiden sich eben gern) – ist mal was anderes als unsere deutschen frommen Deko-Engelchen.
Vorweihnachts-Highlights
Schon seit Anfang Dezember werden überall Weihnachtsbäume zum Verkauf angeboten und tatsächlich auch gekauft. Der Transport nach Hause erfolgt auf dem Autodach. Ich freue mich immer, wenn ich ein Auto mit Weihnachtsbaum obendrauf an uns vorbeifahren sehe – die Kinder hingegen jauchzen, wenn sie ein „Rudoph-Auto“ entdecken: die dicke, rote Ponpon-Nase steckt vorne am Kühler und das Rentiergeweih ist seitlich an den Scheiben befestigt. Es ist übrigens üblich, die Weihnachtsbäume schon früh in voller Montur im Haus aufzustellen, und so sieht man sie in vielen Häusern schon im Dezember festlich erleuchtet im Wohnzimmer stehen.