Ole im USA-Fieber

Ole wird im Juli sechs Jahre alt, und er wünscht sich Servietten mit der US-Flagge drauf. Er malt im Moment viele US-Flaggen (mehr als deutsche) und singt dabei begeistert „Born in the USA“.

Frühlingssingen

Ole (5) und Paul (4) haben in der preschool ihren ersten öffentlichen Auftritt beim „Spring Sing“, wo die Kinder ihre über das Jahr eingeübten Lieder vor allen Eltern präsentieren. Das ist ein kleiner Meilenstein, denn unsere Kinder sind wohl schon so weit angepasst, dass man sie auf die Bühne lassen kann (letztes Jahr sind wir inoffiziell ausgeladen worden – ich war stinksauer und bin trotz nachgeholter Einladung und Entschuldigung nicht hingegangen). Ole zieht es professionell durch, ist beim „Pledge of Allegiance“ sogar flagholder. Paul ist danach mit seiner Gruppe dran, und er hat einen Riesenspaß, klatscht und hüpft mit den anderen Kindern. Viele Mädchen tragen festliche Kleider und Ballerinas, die Jungs haben artig gescheitelte, gegelte Haare und – Paul in der Mitte, die Hände tief in den Taschen seiner Latzhose vergraben – so singen sie gemeinsam auf Spanisch von Farben und auf Englisch von „home runs“.

Unsere Florida-Erkenntnisse

Mitten in unseren Ferien fällt uns auf: Es ist unser erster Urlaub seit neun Jahren, in den wir nicht das ganze Geraffel für Babys und Kleinkinder mitschleppen müssen. Keine Reisebetten, Schnuller, Flaschen, Gläschen, kein Tragetuch, Mittagsschlaf, Kinderwagen!!! Alle, die einmal einen Kinderwagen durch den Sand geschleift haben, wissen, wovon ich rede – die Zeit der Mini-Schritte liegt hinter uns und wir haben ein kleines Stück Freiheit zurück.   Meine zweite Erkenntnis: Unsere Kinder können jetzt echt Englisch – und brauchen uns nicht mehr zum Übersetzen. Das klingt vielleicht etwas verrückt, aber irgendwie habe ich erst jetzt realisiert, dass sie eine Sprache können, die ihren Radius extrem erweitert. Im Alltag in Morristown gehört die zweite Sprache einfach dazu, aber so im Urlaub ist der Bonus offensichtlicher. Sie freunden sich direkt mit anderen Kids an, rennen gemeinsam über die Anlage, und Tim (7) belagert den Mann von der “watersports area”, will alles wissen, während ich in aller Ruhe auf der Veranda sitzen und zugucken kann 🙂 .

Fast alte Hasen statt Greenhorns

Die gute Nachricht ist, dass der Februar der erste Monat ist, den wir nun komplett zum zweiten Mal hier erleben – wir sind zwar noch keine „alten Hasen“, aber eben auch nicht mehr die totalen Greenhorns. Ab jetzt gibt es deutlich mehr Wiedererkennungswerte (so hoffe ich), die mir irgendwie ein beruhigendes Gefühl von Sicherheit und Verwurzelung geben. Aber ich sollte mich vielleicht nicht zu sehr darauf verlassen, denn es gibt natürlich auch immer noch die üblichen Unwägbarkeiten des Alltags. Unser ursprünglicher Plan war, Paul (3) mal ein bisschen unter die Arme zu greifen, weil er in der preschool immer noch nicht redet. Doch dieser Plan wurde komplett vereitelt von den ganzen Überraschungen – guten wie schlechten, großen wie kleinen – die uns in diesem Monat überrollt haben und uns kaum eine Verschnaufpause ließen:

Highschool-Cheerleaders

Theo (8) und Tim (7) reden im Moment wieder mehr Englisch miteinander. Martin, unser Gast aus Deutschland, amüsiert sich immer sehr, wenn sie Deutsch mit ihm und mir reden. Der neueste Trend: Rückübersetzungen vom Englischen ins Deutsche – bisher war es eher umgekehrt. Theo beschwert sich über Tim, als er kein warmes Wasser mehr zum Duschen hat: „Der Tim war‘s! Der hat die Dusche rennen lassen so lange.“ Tim fängt endlich an, frei auf Englisch zu schreiben, erzählt aber mit sehr viel Respekt von den Büchern in der Schulbibliothek: „Das sind zu viele Bücher. Das wird Jahre nehmen.“ Beide sind tief beeindruckt von einer Vorführung der Highschool-Cheerleaders inklusive Band an ihren Grundschulen. Sie marschieren im Haus herum, hüpfen und reißen die Arme nach oben, während sie skandieren: „Y-E-L-L – everybody yell yell“ (Buchstaben von Y-E-L-L müssen buchstabiert werden und dann mehrere Wiederholungen) und dann „Go Ravens, go Ravens“ – scheint tatsächlich ansteckend zu sein.

Unser Geländewagen: eine angenehme Überraschung

Ich habe eine steile Lernkurve in Bezug auf die Nützlichkeit von Geländewagen: SUVs sind nicht nur amerikanisch, protzig und umwelttechnisch eine Katastrophe (meine Meinung), sondern haben bei dem Winterwetter hier tatsächlich auch deutliche Vorteile: Man kann mit ihnen durch 40 Zentimeter tiefen Neuschnee fahren, sogar bergauf auf unsere Einfahrt. Die Beifahrertür lässt sich trotz der aufgetürmten Schneeberge an den Straßenrändern noch öffnen (da sie höher liegt – bei normalen Autos ist man „gefangen“ und muss über den Fahrersitz rausklettern). Deutliches Plus: Wenn man durch eines der Schlaglöcher fährt, bekommt man nur einen starken Stoß in den Körper und einen gehörigen Schreck, aber das Auto setzt nicht sofort mit der Karosserie auf der Straße auf. Insofern ist es ein gutes Gefühl, bei diesem Winterwetter mit unserem Geländewagen durch die Gegend zu fahren – in Deutschland müsste Marc ziemlich viel Überzeugungsarbeit leisten, bis ich mich in einen setzen würde. Aber hier mache ich es freiwillig.

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Die Hälfte ist um – ein Blick von außen

März 2011: Warum wir tatsächlich ein bisschen wie in amerikanischen Filmen leben und was die 15 Monate New Jersey mit uns und unseren vier Jungs gemacht haben. Was das Tolle an amerikanischen Cafés ist und wer Deutschland für den größten Kontinent der Welt hält. Die Hälfte unserer USA-Zeit ist nun um. Wie haben wir uns nach 15 Monaten New Jersey verändert? Sind wir amerikanisierte Deutsche geworden? Oder doch eher ziemlich deutsche internationals? Oder vielleicht auch undefinierbar? Jetzt, Ende März, haben wir Bergfest und – ganz ehrlich – da wird mir schon ein bisschen komisch ums Herz. Jetzt ging es dann doch irgendwie schnell, und ich werde schon traurig, wenn ich an all die Leute denke, die wir hier getroffen haben und die wir bald schon wieder verlassen müssen. Denn einige von ihnen sind inzwischen wirklich unsere Freunde geworden und gehören zu unserem Leben hier. Ob wir schon ein bisschen mehr amerikanisch als deutsch sind, ist eine ziemlich komplexe Fragestellung. Daher heute zuerst mal das, was euch so von außen auf den ersten Blick auffallen würde, kämet ihr uns hier besuchen. Und dazu gibt es die Dinge, die mir an unseren Kindern auffallen. Die „inneren“ Veränderungen sind ein anderes Kapitel, über das ich mir erst einmal selbst klar werden muss. An einigen Stellen gehen die äußeren und inneren Veränderungen sicherlich Hand in Hand und lassen sich kaum scharf trennen. Die Kinder sind ja jünger und deshalb viel formbarer als Marc und ich. Und sie sind dem amerikanischen System viel unmittelbarer ausgesetzt, da sie in Schule und preschool jeden Tag eine konzentrierte Dosis „American Way of Life“ injiziert bekommen. Leben wie im Film? Die Annahme, man kenne die USA aufgrund von Filmen schon ganz gut, hat sich im ersten Jahr für uns in vielerlei Hinsicht als zum Teil schmerzhafter Trugschluss herausgestellt. Aber von außen betrachtet weist unser Leben tatsächlich viele Ähnlichkeiten mit dem „suburban life“ auf, das jeder von den amerikanischen Serien und Filmen kennt:   Der typische Zeitungswurf Morgens vor dem Frühstück muss Marc die Einfahrt hinunterlaufen, um sein heiß geliebtes „Wall Street Journal“ vom Boden aufzuheben. Denn das wird morgens …

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Pauls Geburtstagsüberraschung

Endlich! Genau an seinem 4. Geburtstag am 1. März überwindet Paul tatsächlich sein monatelanges konsequentes Schweigen und spricht seine ersten Worte in der preschool! Überglücklich erzählt mir seine Lehrerin beim Abholen, dass er tatsächlich einige Worte geredet hat, nachdem sie einen deutschen Jungen aus Oles Gruppe für 15 Minuten „ausgeliehen“ hatte. Die beiden redeten zunächst deutsch, aber wechselten dann auf Englisch! Nach 15 Minuten hatte der andere Junge keine Lust mehr und wollte wieder zurück in seine eigene Gruppe (und auch in den nächsten Tagen nicht mehr zu Paul rüber). Diese Viertelstunde hat aber gereicht, um den Knoten bei Paul zum Platzen zu bringen. Er ist super, super stolz und erzählt mir beim Abholen immer wieder: „Ich habe sogar geredet heute“, und strahlt mich dabei wirklich an.   Am ersten Tag spricht er nur wenige Worte und diese nur auf Anfrage („What color is this?“ und Paul gibt die passende Antwort). Aber im Laufe der nächsten Tage bekomme ich immer wieder positive Rückmeldung von der Lehrerin, dass er auch von sich aus erzählt und sich dann sogar auch mit anderen Kindern unterhält. Inzwischen plaudert er ganz ungehemmt schon beim Abgeben an der Tür mit seiner Lehrerin auf Englisch. Na bitte, ab und zu passieren doch noch kleine Wunder, und wir haben einen dicken Kloß weniger im Hals. 🙂   Amis verschieben munter hin und her Da Pauls Geburtstag mitten in der Woche liegt – wo hier kaum Zeit zum Feiern bleibt – haben wir die Feier einfach auf das nächste Wochenende verschoben (seinen wirklichen Geburtstag verbringen wir als normalen Tag – bis auf das kleine Wunder 🙂 ). Damit liegen wir übrigens voll im Trend, denn viele Leute verschieben den Geburtstag so, dass es gut mit dem Feiern passt. Dabei zögern sie auch nicht, die Geburtstagsfeier vor den eigentlichen Geburtstag zu legen: Wer im August Geburtstag hat, wenn alle Leute in Urlaub sind, feiert dann eben schon im Juni vor. Mit dem Aberglauben, dass das Pech bringen könnte, haben die hier nichts am Hut. Paul bekommt zu seinem Wiegenfest einen Stoff- und einen Schokohasen, und er ist sehr zufrieden damit …

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Stürmisches Rafting statt erholsamer Kreuzfahrt

Januar 2011. Unsere Phasen im ersten Jahr: rosaroter Honeymoon und zerplatzende Seifenblasen. Interkulturelle Clashs und schallende Ohrfeigen. Und ein paar Beispiele, wie man aus dem ganzen Kulturschock-Schlamassel wieder herauskommt.   Wo drückt der Schuh noch und wo läuft es rund? Unser erstes Jahr haben wir jetzt hinter uns – und ihr habt ja selbst miterlebt, dass es bisher nicht immer einfach war. Am Wetter liegt es jedenfalls nicht nur – so viel steht mal fest! Resümee nach einem Jahr Unser Prozess der Anpassung ist definitiv (immer noch) eine Herausforderung, und wir sind noch mitten drin. Es gibt einige Fallen, in die man aus unserer Sicht definitiv nicht tappen sollte (und in die wir natürlich getappt sind 😉 ). Falle 1: Ich war schon mal längere Zeit im Ausland, bin flexibel und passe mich schnell an Meine Zeit als Studentin im Ausland (Uni, Partys, Leute kennenlernen, Reisen) war eine „Kreuzfahrt“ verglichen mit dem Projekt „Familienumsiedlung“. Denn bei diesem Projekt stecken alle – Kinder, Ehepartner und man selbst – in Anpassungsprozessen und alle müssen ins System integriert werden. Dazu kommt, dass eine/r von beiden Elternteilen meist beruflich pausieren muss – das macht die Sache nicht leichter (ich ausschließlich zuhause, Marc arbeitet). Das erste Jahr war daher eher eine „Raftingtour“ mit so manchem Sturm. Falle 2: Amerika? Kenn’ ich aus Urlauben und den Medien! Ich bin bestimmt nicht die erste und nicht die letzte, die in diese Falle reingetappt ist. Natürlich kennen fast alle ein paar offensichtliche Unterschiede (die Amis haben Pick-ups, eine Menge Fahnen und sprechen Englisch), aber im Urlaub hatte man ja auch eine richtig gute Zeit, zuhause guckt man ständig irgendwelche amerikanischen Filme und glaubt, die USA zu kennen. Wer aber dann wirklich länger hier wohnt, der erlebt doch an ziemlich vielen Stellen sein blaues Wunder. Falle 3: Mir passiert das nicht! Dass es nicht einfach werden würde, war allen klar. Aber den Erzählungen anderer zu glauben und zu denken „Nein, bei uns wird das schon besser laufen“, ist einfach nur blauäugig. Wir haben uns vor unserem Umzug nicht wirklich schlau gemacht – wie das einige unserer Expat-Freunde getan haben, …

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Der Anfang war richtig gut …

Wir sind seit dem 7. Januar wieder zurück aus Deutschland. Die Ankunft hier tat überraschend gut: Unser Haus ist durch den draußen liegenden Schnee ungewöhnlich hell, es ist warm und sehr gemütlich – im Winter kann ich Holzhäusern definitiv mehr abgewinnen als im Sommer. Marc und ich sinken unmittelbar nach der Ankunft in die Sessel im family room und genießen den Moment Ruhe: kein Weihnachtsstress mehr, keine Anrufe, keine Besucher … Der Aufenthalt in Deutschland war sehr schön, aber auch ganz schön anstrengend. Jetzt nur noch die Koffer auspacken und dann ist wieder für ein halbes Jahr Ruhe. Theo (8) und Tim (6) meistern ihren ersten Schultag nach drei Wochen unterrichtsfrei gut: Sie werden begeistert von ihren Klassenkameraden empfangen – die freuen sich tatsächlich, denn unsere beiden wurden vermisst. Und so kommen die Jungs gut gelaunt von ihrem ersten Schultag nach Hause – ein guter Start. Und zusätzlich ist es morgens um sieben Uhr schon angenehm hell (wenn es in Deutschland ja immer noch stockfinster ist).