Das Gute: Wir starten mit komplett anderen Vorzeichen als letztes Jahr: Damals gab es noch Chaos und viele Fragezeichen, ob wir wirklich hier bleiben – dieses Jahr läuft alles fast wie am Schnürchen, selbst Ole startet mit Routine und bleibt bis drei Uhr nachmittags in der preschool. Vitoria hat die „school-snack-Produktion“ fest im Griff und wir fräsen uns recht routiniert durch den „paperwork“-Berg von Schulen und preschool. Sogar das „Gelöbnis auf die Parkregeln“ unterschreibe ich recht gelassen: „I agree to abide by the following special parking rules and regulations, which may be modified from time to time: 1) During the hours of picking up and dropping off my child, I will park my motor vehicle only in the areas stipulated in the Parent Handbook. 2) I will exercise appropriate caution when entering, driving in, and exiting the parking lot. 3) I will not park … 4) I will not …“ “Ich stimme zu, mich an folgende besonderen Parkregeln und Parkvorschriften zu halten, welche von Zeit zu Zeit verändert werden können: 1) Während der Zeit des Abholens und Ablieferns meines Kindes werde ich mein Auto nur in den Bereichen parken, die im Elternhandbuch festgeschrieben sind. 2) Ich werde mit Vorsicht handeln, wenn ich auf den Parkplatz, ihn überquere und ihn verlasse 3) Ich werde nicht parken … 4) Ich werde nicht …“ An dieser Stelle: Gelöbnisse (pledges) sind hier an der Tagesordnung – selbst die „Officer of Customs and Border Protection“ (die misstrauischen Officer bei der Einreise) legen einen „pledge to our visitors“ ab, wie z. B. dass sie geloben, die Gäste mit Freundlichkeit und Respekt zu behandeln (so steht es an ihren Kabinen). Und auch der IPM Coordinator („Integrated Pest Management Coordinator“ – der „integrierte Schädlingsmanagement-Koordinator“) ist ernannt und kommt wieder in Schule und preschool vorbei – na dann frohes Pestizid-Versprühen … Der „Honeymoon“ nach der Rückkehr der Kinder (ich war ja zwei Wochen vor ihnen nach New Jersey zurückgekommen) ist jetzt übrigens endgültig vorbei. Mama gehört wieder fest zum Inventar, die Zeit der üppigen Liebesbekundungen ist abgelaufen. Jetzt heißt es „getting back into the groove“ – wieder in den …
Ein „gegen-Schikane-Gesetz“
Außerdem gibt es bei uns in NJ seit dem 1. September ein neues Anti-Bullying Gesetz, das den Umgang mit Mobbingaktionen an jeder öffentlichen Schule in NJ eindeutig regelt und verschärft. Auslöser für diese Verschärfung war der Selbstmord eines Collegestudenten letztes Jahr, der übers Internet von seinem Mitbewohner mit einem privaten Film bloßgestellt worden war. Ab jetzt können Schulkinder, die z. B. in der Mittagspause schikaniert werden, die Namen der bullies anonym bei der „Crime Stopper Hotline“ der Polizei angeben. Und alle Schüler/innen lernen in speziellen Kursen, dass es z. B. keine unschuldigen „bystanders“ gibt, sondern dass alle die Pflicht haben, „Psychoterror“ gegenüber Mitschüler/innen zu stoppen. Theo und Tim haben beide schon mit den Kursen in der Schule angefangen. Das Thema geht groß durch die Presse: „Bullying law puts New Jersey Schools on Spot“ (das neue Anti-Mobbing Gesetz bringt Schulen in New Jersey in Zugzwang) (Wall Street Journal, Sept. 2011). Alle, von den Direktor/innen bis zur Caféteria-Hilfe, werden in diesem Bereich fortgebildet. Außerdem muss jede Schule Anti-Bullying-Spezialist/innen benennen (pro Schule eine Person, meist eine Lehrkraft), die innerhalb von 24 Stunden einen detaillierten Bericht über alle Beschwerden schreiben müssen. Die Begeisterung hält sich in Grenzen, weil die Schulen sich überrumpelt fühlen und weil sie fürchten, dass es nun noch mehr Beschwerden geben wird, die sie kaum bewältigen können. Eltern und Schulkinder, also auch Theo und Tim, müssen ein umfassendes, 18seitiges Anti-Mobbing Regelwerk lesen und unterschreiben. Außerdem werden sie in einem speziellen Programm geschult (u. a. lernen sie die Unterschiede zwischen normalen Konflikten und Mobbing kennen, Ich-Botschaften senden, die Rolle der „bystanders“ (sollen immer was sagen), „telling vs tattling“ (also den Unterschied von „etwas sagen und petzen“). Hört sich doch spannend an. Ist davon eigentlich schon etwas in Deutschland angekommen? Weiter unten gibt es ein Schulquiz zu diesem Thema – testet doch mal, wie fit ihr in diesem Bereich seid! Schon gewusst? Was steckt hinter den Feiertagen „Rosh Hashanah“ (29. September) und „Jom Kippur“ (9. Oktober) ?
Vitoria und die amerikanische Polizei
„Ring, Ring“ – Anruf von Vitoria: Wildes Schluchzen – sie erzählt etwas von Polizei und davon, dass ich sofort kommen soll: „I don’t understand. I don’t understand. You talk to her.“ Kurze Pause – dann die wilde Schreiattacke einer zweiten Stimme: „Get back in the car. Get back in the car. Get back in the car.“ Das hört sich nicht gut an. Was man an dieser Stelle wissen muss: Im Gegensatz zur deutschen Polizei überholt einen die amerikanische Polizei auf der Straße nicht, sondern sie bleibt mit wildem rot-blauen Geblinke und Geheule hinter einem (im Dunkeln sieht das aus, als ob ein Ufo hinter einem landet – ihr kennt das aus Filmen!). Wenn man im „verfolgten“ Auto sitzt, ist danach folgendes Vorgehen angesagt: Rechts ranfahren, Scheibe runterkurbeln, Hände ans Lenkrad und warten. Und dann artig und respektvoll (oder sogar ein bisschen unterwürfig) antworten: „Yes, Sir …, no Madam …) und bloß keine falsche Bewegung – man weiß ja nie, ob der/die Polizist/in nicht denkt, dass man da gerade seine Waffe rausholt. Die Polizei lässt dabei ihr Weihnachtsbaum-Geblinke die ganze Zeit an – von daher war es für mich nicht schwer, Vitoria in Morristown zu finden. In Tränen aufgelöst sagte sie immer wieder, dass sie nichts falsch gemacht habe. Der weibliche Officer sah das anders und listete mir ziemlich verärgert Vitorias sämtliche Vergehen auf: über Rot gefahren, halbe „Verfolgungsjagd“ um den Marktplatz (Vitoria hat nicht sofort angehalten), ohne jede Papiere unterwegs (keine Foto-ID, kein Führerschein, kein Pass, gar nichts – Vitoria?!). Dazu habe sie auch noch ziemlich darauf insistiert, dass sie nichts falsch gemacht habe und habe keine Reue gezeigt. Dann ist sie aus dem Auto gestiegen (!) und zur Polizei hinübermarschiert (ganz schlechte Idee hier in Amerika…) – viel mehr kann man eigentlich nicht falsch machen… Ihre Fahrerlaubnis für NJ ist sie jetzt jedenfalls mit sofortiger Wirkung los – was ein bisschen verrückt ist, weil sie den NJ Führerschein ja dafür erst mal bestanden haben müsste, was aber noch nicht der Fall ist. Wir werden also bald vom Gericht hören. Alles in allem kein richtig guter Abend: Vitoria ist ziemlich …
Theo wird im Juni neun Jahre
Offizielle Regelung an seiner Schule: Kein persönliches Verteilen von Einladungen in der Schule, weil dann die, die keine Einladung bekommen, traurig sind. Und da wir spät dran sind, werfen wir alle seine Geburtstagseinladungen persönlich in die Briefkästen seiner Freunde. Haben wir vor ein paar Monaten noch geschwärmt, dass die Baby-Zeit mit kleinen Schritten vorbei ist, sehen wir bei Theo die nächste Herausforderung am Horizont: Klarer Fall von Vorpubertät.
Urkunden und Abschlussfeiern
Die Schule geht Anfang Juni mit großen Schritten auf die Sommerferien zu: Erst gibt es noch den „Art and Science Fair“ an Theos (9) und Tims (7) Schule, und dann bringen die Kinder Unmengen diverser Wimpel in vielen Farben und Größen, Aufnäh-Abzeichen, „awards“ and „certificates“ mit nach Hause – hier gibt es einfach für jede Aktivität eine offizielle Urkunde. Theos „national physical fitness award“ ist sogar vom Präsidenten persönlich unterschrieben! Eins steht fest: So viele Urkunden, wie sie hier in eineinhalb Jahren gesammelt haben, werden die vier in Deutschland für den Rest ihrer Schulzeit nicht mehr zusammenbekommen. Für die Abschlussklassen an der Highschool finden in diesen Wochen die Prom Nights statt (die Abschlussfeiern, kennt man ja aus den Highschool-Filmen). Bei der Pediküre sind die „Graduations“ und die „Pre-Prom Nights“ bei den Moms jedenfalls großes Thema („Oh, I’m freaking out“ – O-Ton einer Mutter), und beim Frisör liegen Blättchen für „Prom Night Specials“ aus (Frisur und Schminken). Bei uns ist aber alles entspannt – wir schliddern langsam in den Sommer rein.
Drittklässler-Poolparty
Theo hat „Poolparty“. Mit anderen Worten: Tagesausflug aller dritten Schuljahre seiner Schule zum Freibad. Die anderen Mütter und ich helfen beim Aufbau des Buffets. Ein amerikanischer Pool ist wie ein deutsches Freibad – aber nur auf den ersten Blick. Klarer Unterschied: Die große Anzahl von „Bademeistern“, hier „lifeguards“ genannt. Das sind meist Highschool-Kids, die wie Schiedsrichter/innen beim Tennis auf erhöhten Sitzen hocken und ihre Köpfe wie beim Ballwechsel rhythmisch hin und her bewegen, die rote Schwimmhilfe unter den Arm geklemmt und allzeit bereit, Leben zu retten. Hier geht niemand unbemerkt unter – im mittelgroßen Pool beobachten einen direkt 6 (ja, SECHS) lifeguards!!! Probeschwimmen mit und ohne Donner Während die freiwilligen Mütter das Essen und die Getränke (Capri-Sonne, Wasser, Popcorn, Cracker, Melonen, Kuchen) organisieren, müssen die Kinder zunächst alle zum Vorschwimmen. Also: Ab in die lange, lange Schlange, und dann schwimmt ein Kind nach dem anderen eine Bahn vor. Die meisten schwimmen von astreinem Kraul bis hin zu wildem Freistil, jeder irgendwie anders. Theos Brustschwimmen kommt schon wieder nicht gut an, der Highschool-lifeguard stoppt ihn („no doggy style!“ – was soll das denn heißen?) und auch er muss nochmal zurück, bekommt noch eine Chance: Theo krault wild los, Wasser spritzt überall – na bitte, zufriedenes Nicken beim lifeguard – er hat bestanden. Ich bin platt: Was soll der Quatsch? Theo ist gut geschwommen beim ersten Mal und hat eindeutig gezeigt, dass er sich koordiniert über Wasser halten konnte – warum soll er dann in diesen doch ziemlich unkoordinierten Kraulstil wie die anderen verfallen? Nach bestandenem Test gibt es ein farbiges Bändchen ums Handgelenk – damit darf er ins tiefe Becken und auch von den Türmen springen. Übrigens gibt es sowohl im Pool als auch bei Fußballspielen draußen die Regel: Wenn es donnert, müssen alle für 30 Minuten aus dem Wasser raus. Die halbe-Stunden-Regel beginnt mit jedem Donnergrollen wieder von neuem und wird absolut pedantisch eingehalten. Nach dem Schwimmtest machen die Kids in den anschließenden Stunden wohl das, was auch deutsche Kids im Freibad machen: Sie quatschen, sitzen auf ihren Badehandtüchern, essen und spielen Ballspiele.
Schul-Dresscode
Von Theos Schule gibt es in einem Elternbrief klare Ansagen, was den Sommer–Dresscode angeht. Eigentlich ist alles verboten, was Spaß macht: Die Schultern müssen bedeckt sein (also keine Tops für Mädels und keine „Muskelshirts“ für Jungs). Es darf keine Unterwäsche sichtbar sein, Oberteile müssen über die Taille gehen. öcke und Hosen müssen so lang sein „to meet the fingertips when the arm is at rest at the side“ (und bei den Miniröcken gehört trotzdem immer noch eine Art Sporthose unten drunter). Keine nackten Rücken, keine offenen Schuhe („inappropriate in terms of safety“! – unsere deutschen Sandalen sind also auch verboten), keine Hüte, Tücher, kein Schmuck, keine Flip-Flops. Die Begründung kommt am Ende des Briefes: „Our students are becoming young ladies and gentlemen and should dress accordingly – with comfort and good common sense … It is important that we all adhere to these guidelines because students who arrive at school in inappropriate attire will be sent home to change“. Also, wenn ich da an meine Schule in Deutschland denke, müssten an heißen Tagen gleich alle Schüler/innen sowie die Hälfte der Lehrkräfte zum Umziehen nach Hause geschickt werden – und das eher weniger wegen offener Sandalen 🙂 .
Super Hero und Balance Bars
Ansonsten durfte ich mich beim Super Hero Halbmarathon in Morristown austoben und, bevor es losging, wieder einmal die Anstelldisziplin der Leute vor dem Start bewundern: Da sind fünf Minuten vor dem Startschuss noch 40 Meter lange, kreuz und quer über den Campus laufende Schlangen der Läufer/innen, die alle vor den Dixi-Klos enden – nein, kein Gedrängel, keine bösen Blicke, alle nähern sich einfach langmütig im Gänseschritt den Toiletten. Da kann man als Deutsche nur mit offenem Mund dastehen. Habe niemanden gesehen, der sich in die Büsche geschlagen hat. Nach dem Rennen gab es dann wieder einige kostenlose Reklame-Leckerbissen, an denen ich natürlich nicht vorbeigehen konnte: „Balance Bars“ in interessanten Geschmacksrichtungen wie „cookie dough“ und „double chocolate brownie“ – sie waren lecker, aber ich habe Sodbrennen davon bekommen (dann doch lieber die übliche Banane hinterher).
Florida, April 2011
Die Keys haben wirklich Postkartenqualität! Weißer Sand mit viel türkisfarbenem Wasser drum herum und jeder Menge Palmen. Die Kids fragten sich allerdings die ganze Zeit, wo die Kokosnüsse sind – hat man die alle runtergeholt, damit sie einem nicht auf den Kopf fallen? Das Inselleben ist sehr viel entspannter als in “uptight New Jersey”. Vorteil für uns: Keine “Halsbandpflicht” für Kinder. Und so dürfen die vier auch mal in unserer Ferienanlage herumlaufen, ohne dass ich immer dabei bin. Auf der anderen Seite gibt es hier definitiv anderes “wildlife”: Hier sind es nicht die Schwarzbären, sondern eher die Krokodile, die man nicht füttern sollte. “Don`t feed the alligators” mahnt ein Schild, und prompt sehen wir einen zwei Meter langen Alligator im Wasser treiben – in einem stinknormalen See wohlgemerkt und nicht im Zoo! Außerdem erwähnenswert: Wir erleben in der einen Urlaubswoche tatsächlich drei Trauungen im “sunset gazebo”. Die Braut in Weiß, der Mann in schwarzem Anzug und Flip-Flops (ich will da echt nicht immer drauf rumreiten, weil in Deutschland wohl auch inzwischen alle damit rumlaufen, aber als Schuhe beim Bräutigam sind die doch noch einmal kurz erwähnenswert, oder? 🙂 ).
Rauchverbot in den USA
Welche Stadt gerade zur „City that never smokes“ wird und wer seine Produktion von Feuerzeugen auf andere Dinge umstellt. Die USA sind viel restriktiver, was den blauen Dunst angeht und in vielen Bundesstaaten herrschen Rauchverbote in allen öffentlichen Gebäuden, am Arbeitsplatz und in den meisten Restaurants – so auch in New Jersey. Die Amis sind ja in etlichen Dingen viel kompromissloser als wir und so dürfen sich die Raucher/innen oft noch nicht einmal draußen eine anstecken! In der Zeitung wird sogar schon von der „Post-Smoker-World” gesprochen (dort ohne Anführungszeichen, wohlgemerkt!) und die bekannte Firma “Zippo”, die seit 80 Jahren die bekannten “windproof” Feuerzeuge fabriziert, stellt ihre Produktion langsam auf Parfüm und andere Freizeitartikel um – (“Zippo`s men’s fragrance” gibt’s jetzt in Form eines Feuerzeugs). NYC – von der „City that never sleeps“ zur „City that never smokes“? Die Zahl der 18-65-jährigen, die noch nie geraucht haben, ist seit 1965 stetig gestiegen (zurzeit etwa 125 Millionen). Die Zahl der Raucher/innen ist seit den Neunzigern konstant geblieben (ca. 45 Millionen). Die restlichen 50 Millionen sind die, die früher einmal geraucht und jetzt aufgehört haben. Im Alltag nehme ich hier in Morristown auf der Straße viel, viel weniger Raucher/innen wahr als bei uns in Mönchengladbach. Im Auto sieht man öfter Leute mit Zigarette. Aber ganz klar: Ein Elternteil, das am bus stop vor den Augen der Kinder seine Morgenzigarette raucht, wäre hier ein Ding der Unmöglichkeit. Die Eltern bringen vielmehr ihren Kaffee mit an den bus stop. Unsere Kids haben jedenfalls keine/kaum Gelegenheit, Leuten beim Rauchen zuzugucken, was ich klasse finde. Wie es mit den middle school- und highschool-kids aussieht, weiß ich leider nicht. In NYC tritt nächsten Monat ein Rauchverbot für alle 1.700 öffentlichen Stadtparks und die 14 Meilen öffentlichen Strand in Kraft. Das Wall Street Journal titelt schon: „On Break and Breaking the Law“ (im Bild eine junge Frau im Businessanzug, die rauchend auf einem Stuhl in einem Park sitzt). Manche empfinden das als eine starke Einmischung in ihre Privatangelegenheiten. Von der „City that never sleeps“ zur „City that never smokes“ heißt es nun schon. Bei Nichtbeachtung muss man 50 …