Wie man sich auf Matsche freuen kann und vom Eis, das vom Himmel fiel. Warum der Postbote sein Lenkrad auf der falschen Seite hat und wie das Murmeltier sich irrte. Warum sich 111 Millionen Amerikaner/innen mit Begeisterung ansehen, wie erwachsene Männer in einem großen Haufen auf einem Football-Feld liegen und wie der berühmteste Übernachtungsgast Morristowns im Winter 1779 hieß.
GENUG von Schnee, Eis und Kälte!
Der Februar ist vorbei und der übereinstimmende Tenor bei uns allen ist: GENUG von Schnee, Eis und Kälte! Wir wollen Frühling mit Wärme! OHNE Schnee! Klar, das Gefühl kennen wir auch aus Deutschland, aber hier ist es eben noch ein bisschen stärker, weil die Einschränkungen des Winters deutlich größer sind. Die Kids werden langsam wirklich kirre (und ich deswegen eben auch), weil sie jetzt schon für so viele Wochen so viele Stunden drinnen verbringen müssen. Wir haben genug von Schneehosen, Mützen, Schals, Handschuhen, umständlichem Anziehen, Laufnasen, Erkältungen und diesem „den-ganzen-Tag-im-Haus-sein“. Wir waren oft genug diesen Monat beim Arzt – es reicht!
Special: Ärztliche Behandlung in New Jersey |
Pillen und Putzmittel aus der Pharmacy |
Wir wollen Matsche!
Vor allem für Ole (5) ist das eine wirklich lange Durststrecke ohne den sensorischen Input, den er eigentlich braucht – Linsenwanne, Knete und Kuchenteig kneten können eben keine richtige Erde oder den Sandkasten an der frischen Luft ersetzen. Wie dringend er das braucht, zeigte sich deutlich, als er eines Tages an einer Tankstelle plötzlich verschwunden war. Wir fanden ihn auf einem ziemlich ekligen (aber schneefreien!) Stück Erde, wo er selbstvergessen mit den Händen im Dreck wühlte und dabei alles um sich herum vergaß. Kurz: Es wird Zeit, dass der Frühling kommt und Erde, Matsche und Sand wieder überall frei verfügbar sind!
Fast alte Hasen statt Greenhorns
Die gute Nachricht ist, dass der Februar der erste Monat ist, den wir nun komplett zum zweiten Mal hier erleben – wir sind zwar noch keine „alten Hasen“, aber eben auch nicht mehr die totalen Greenhorns. Ab jetzt gibt es deutlich mehr Wiedererkennungswerte (so hoffe ich), die mir irgendwie ein beruhigendes Gefühl von Sicherheit und Verwurzelung geben. Aber ich sollte mich vielleicht nicht zu sehr darauf verlassen, denn es gibt natürlich auch immer noch die üblichen Unwägbarkeiten des Alltags.
Unser ursprünglicher Plan war, Paul (3) mal ein bisschen unter die Arme zu greifen, weil er in der preschool immer noch nicht redet. Doch dieser Plan wurde komplett vereitelt von den ganzen Überraschungen – guten wie schlechten, großen wie kleinen – die uns in diesem Monat überrollt haben und uns kaum eine Verschnaufpause ließen:
Eis, das vom Himmel fällt
Zunächst noch einmal zum Februar-Wetter (weniger überraschend, einfach nur nervig):
Der Februar fängt so an, wie der Januar aufgehört hat: mit Schnee und – noch schlimmer – mit Eis. Direkt zu Beginn gibt es fiesen Eisregen – eine komplett neue Erfahrung für uns. Das ist kein Schnee und auch kein Hagel, sondern das sind winzig kleine Mini-Eiskristalle, die stundenlang vom Himmel regnen, wild vom Wind aufgepeitscht. Sie hören sich an wie Millionen von Stecknadeln, die auf den Boden fallen.
Später wird der Eisregen zu Regen, aber bei eisigen Temperaturen. Bedeutet: Glatteis pur! So wird jeder Meter Fortbewegung zum Abenteuer, und es gibt natürlich wieder einen snow day für die Kids (den fünften dieses Jahr 🙁 ). Über Nacht hat sich alles draußen in eine Eis-Arena verwandelt: Die Kids können über den Schnee schliddern, weil eine mehrere Zentimeter dicke Eisschicht über der 40 Zentimeter dicken alten Schneeschicht liegt. Einen Schlitten brauchen sie nicht mehr – einfach auf den Popo setzen und los geht’s.
Nach dem ersten Spaß aber ist dieses Eis einfach nur nervig. Es ist unvorstellbar hart, wie Beton, und man kann es nicht entfernen – selbst Spaten, Spitzhacke und eine Menge guter Willen und Kraft können da nichts ausrichten. Wem es schwerfällt, das zu glauben, der kann gerne nächstes Jahr vorbeikommen: Unser Gästezimmer ist zwar bis November fast komplett ausgebucht, aber die Wintermonate sind noch frei 🙂 . Schneebälle sind hart wie Stein, selbst kleine Eisbrocken auf der Straße sind so festgefroren, dass man sich eher den Zeh bricht, als das Ding auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Das Schlimmste ist, dass die Kinder fast nirgendwo mehr draußen spielen können: Unser Trampolin biegt sich unter einer mehrere hundert Kilogramm schweren Schnee- und Eisschicht, der ganze Garten ist eine einzige Rutschbahn und die einzig eisfreien Orte – die Straßen – sind nun eben auch nicht gerade geeignet zum Spielen. Selbst ich, die die vier Kids sonst unnachgiebig bei jedem Wetter raussetzt, muss kapitulieren und bin schachmatt gesetzt – es gab genug Verletzte diesen Winter. Und außer Ausrutschen und sich-Wehtun ist nichts mehr drin.
Die Folge dieses Extremwetters: Frust, bewegungsdurstige Kinder, genervte Mutter. Und zu allem Überfluss sind die Tage auch noch länger, weil die Kids abends gar nicht müde sind – kein Wunder, denn sie bewegen sich tagsüber ja kaum.
Hindernisparcour
Mit dem Auto muss man im Slalom um die unzähligen, teils mächtig tiefen Schlaglöcher fahren. Bei Nachtfahrten erlebt man hier jede Menge unschöne Überraschungen – es gibt jedes Mal einen lauten Rums, wenn die Karosserie auf den Boden aufsetzt und man durchgeschüttelt wird. Wer jetzt mit tiefliegenden Sportwagen fährt, ist selber schuld.
Ab Mitte Februar gibt es dann zwar keinen neuen Schneefall mehr, aber das Eis liegt immer noch überall herum, obwohl seine Zeit eigentlich längst abgelaufen ist – das Gefühl teilen hier jedenfalls alle: Es ist überall nur noch schmutzig und hässlich. Das Eis ist wie Beton, blockiert Parkplätze, verhindert die Sicht an Kreuzungen und verengt Straßen und Bürgersteige. Aber die Leute gehen unbeirrbar praktisch damit um und wissen sich zu helfen: Mit gigantischen Eisfräsen brechen sie die Eisblöcke auf und transportieren sie mit Lastern ab. Tagelang arbeiten die Maschinen sich Stück für Stück durch die Straßen von Morristown und Madison, bis kein Eis mehr zu sehen ist.
Vor unserer Einfahrt kommt leider keine Fräse vorbei und so droht uns unser Postbote, die Post nicht mehr auszuliefern. Er hat sein Lenkrad auf der „falschen“, der rechten Seite, fährt ganz nah an die Briefkästen heran und steckt die Post in die Mailboxen, ohne auszusteigen. Bei uns war dort allerdings noch eine 15 Zentimeter dicke Eisschicht, so dass er mit dem Auto nicht drankam. Wir hackten das Eis Stück für Stück weg – harte Arbeit und nur bei Tauwetter möglich. Selbst unser neuer Dauergast Martin (Marcs Cousin), „Fitnessstudio-gestählt“, kam dabei schnell an seine Grenzen.
Was vom Schnee übrig bleibt
Als der Schnee überall zu schmelzen beginnt, kommt vieles zum Vorschein, was von diversen Schneestürmen während der letzten zwei Monate zugedeckt wurde, bevor man es wegräumen konnte. Theo (8) kommentiert die große Schneeschmelze: „Boa, ist das hier aber alles dreckig!“ und er hat recht. Jede Menge Müll, verlorene Handschuhe, Spielzeug im Garten, Äste von den Winterstürmen, ausrangierte und vergilbte Weihnachtsbäume, Marcs Bluetooth Headset und sogar unser aufblasbarer Riesenweihnachtsmann, der Mitte Dezember zusammengesunken und dann am Boden festgefroren war, tauchen auf. Und siehe da: Ende Februar ist nach wochenlanger Schneeblockade endlich auch wieder der Weg zu unserer Haustür sichtbar und begehbar – lange Zeit ging es für alle ja nur durch die Garage rein und raus.
Als die Rasenflächen endlich wieder zum Vorschein kommen, lassen sich unzählige, ziemlich abgemagerte squirrels auf ihnen nieder und futtern, futtern, futtern. Sie lassen sich von nichts erschrecken – perfekte Zeit, um Fotos zu machen! Endlich funktioniert auch ihre Tarnfarbe wieder – im Schnee waren sie ja doch sehr auffällig und die unzähligen Raubvögel hatten ein leichtes Spiel mit ihnen.
Schnee oder Sonne?
Wir sind übrigens nicht die einzigen, die die Nase voll vom Winter haben: Den Einheimischen geht es ähnlich. Das weiß ich von den Müttern, die ich jeden Tag beim Pick-up sehe: Alle stöhnen. Daher machen jetzt viele Leute Urlaub, auch wenn sie ihre Kinder für diese Zeit aus der Schule nehmen müssen. Es gibt zwei Destinationen, von denen man immer wieder hört: Entweder geht es nach Colorado zum Skifahren oder nach Florida zum Sonne tanken. Ich wüsste sofort, welches Ziel ICH auswählen würde 🙂 .
Und wenn es für uns auch keinen Urlaub gibt, so dafür in der zweiten Hälfte vom Februar jede Menge „make-ups“. Keine Schminke fürs Gesicht, sondern viele, viele Nachholtermine für Veranstaltungen, die durch die diversen snow days ausgefallen sind – es knubbelt sich ziemlich und zieht sich bis in den März hinein.
Feiern, feiern, feiern.
Diese Feste im Februar durften wir nun schon zum zweiten Mal erleben. Und auf die konnten wir uns auch tatsächlich verlassen 🙂 :
Am 2. Februar ist „Groundhog Day“:
Der Tag, an dem ein Murmeltier – das sind ganz schön große Tiere übrigens, etwa wie eine Katze, nur viel dicker und plumper – in Pennsylvania bzw. Staten Island darüber Auskunft gibt, wann denn endlich der Frühling kommt. Dieses Brauchtum ist weiterhin aktuell, und Ole und Paul bringen in dieser Zeit diverse Versionen von Murmeltierbasteleien mit nach Hause. Die meisten haben eine „Pop-up-Funktion“ und zeigen den Moment, in dem das Murmeltier tatsächlich aus seiner Höhle kommt.
Der Groundhog Day funktioniert so: Wenn das Murmeltier am 2. Februar aus seiner Höhle kommt, die Sonne scheint und es Angst vor seinem eigenen Schatten hat, zieht es sich wieder in die Höhle zurück. Das bedeutet, dass es noch mindestens sechs Wochen lang richtig kalt bleibt. Wenn das Murmeltier seinen Schatten aber nicht sieht, geht es nicht in seine Höhle zurück. Und demnach wird der Winter in den nächsten sechs Wochen spürbar milder.
Dieses Jahr war am Groundhog-Tag super schlechtes Wetter. Murmeltier Chuck in Staten Island, begleitet vom NYC Bürgermeister Michael Bloomberg, hat also vorhergesagt, dass dieser harte Winter bald vorbei sein würde. Logischerweise hat es seinen Schatten nicht gesehen und ist nicht wieder nach drinnen geflohen. Auch Chucks Murmeltierrivale in Pennsylvania, Punxsutawney Phil hatte den baldigen Frühling vorhergesagt. Es war das erste Mal seit vielen Jahren, dass die Vorhersage so positiv war – aber als verlässlich erwies sie sich dennoch nicht: Bis auf einige wenige Lichtblicke gab es weiterhin kaltes Wetter und neue Schneeschauer.
Am 6. Februar ist Super Bowl Sunday
Am 6. Februar ist Super Bowl Sunday, der Tag des Meisterschaftsspiels der nationalen Footballliga. Für alle, die keine Ahnung von Football haben (wie ich bisher): Beim Football versucht man, einen elliptischen Ball hinter die Linie des Gegners zu bekommen. Alle Spieler tragen gigantische Schulterpolster und Helme – also nicht zu verwechseln mit Rugby. Ich hatte wirklich gar keine Ahnung, aber unser Gast Martin hat mir vor dem Fernseher im Schnellkurs die wichtigsten Dinge erklärt. Ich war überrascht: Ist doch gar nicht so langweilig, wie ich dachte. Im Gegenteil: Wenn man versteht, was passiert, sogar recht kurzweilig. Wirklich gewöhnungsbedürftig fand ich nur die Spielsituationen, wenn nicht klar ist, wer im Ballbesitz ist (weil sich zwei Spieler gerade darum streiten) und sich dann alle übrigen Spieler konzentrisch auf diese beiden draufstürzen und am Ende ein großer Haufen von übereinander gestapelten Männern auf dem Spielfeld liegt. Die Schiedsrichter wühlen sich dann auch noch da rein, um zu gucken, wer von den armen unten Liegenden den Ball nun tatsächlich hat – diese Szenen fand ich schon merkwürdig.
Das Spiel wird immer unterbrochen, sobald der Spieler, der im Ballbesitz ist, zu Fall gebracht wird – von daher gibt es super viele Unterbrechungen (nicht wie im Fußball, wo der Ball auch schon mal einige Minuten im Spiel ist). Football passt richtig gut zu den Amis, wie ich finde: Von Null auf Hundert in einer Sekunde, dann mit voller Energie weiter und das Gleiche auch wieder rückwärts (von Hundert auf Null in einer Sekunde). Dieses Verhalten zeigen sie auch oft im Alltagsleben, was für Europäer/innen bzw. Deutsche oft gewöhnungsbedürftig ist. Wir sind eben eher die, die langsam anlaufen, aber dann mit großer Ausdauer „am Ball bleiben“ (ob beim Sport, bei Freundschaften oder beim Applaudieren nach Theater/Ballett). Aber das ist nur so mein ganz persönlicher Eindruck 😉 .
Der Super Bowl Sunday ist ein fester Bestandteil der amerikanischen Kultur, ein Riesenfest hier für die Leute – an diesem Tag machen alle Party und die ganze Nation hängt vor dem Fernseher. Dieses Jahr waren es 111 Millionen – die größte Zuschauerquote, die je registriert wurde! Es gibt super viele Werbepausen, und vor allem die Autoindustrie stellt hier ihre teuersten neuen Werbespots vor. Das Zuschauen und die anschließende Diskussion dieser Werbespots sind daher auch schon zu einem festen Bestandteil dieses kulturellen Events geworden. Die Schlagzeile im „Wall Street Journal“ am nächsten Tag: „Between the Commercials, Packers battle the Steelers“ – das sagt doch schon viel über den Stellenwert der Werbung hier.
Für die Sportinteressierten unter euch: Dieses Jahr haben die Green Bay Packers aus Wisconsin gegen die Pittsburgh Steelers aus Pennsylvania (unserem Nachbarstaat) gespielt und die Packers haben gewonnen. Die Siegerehrung fand ich ziemlich wenig enthusiastisch, auch von Seiten der Zuschauer/innen. Das war kein Vergleich zu einer Europa- oder Weltmeisterschaft im Fußball – zumindest wirkte es so im Fernsehen.
Am 14. Februar ist Valentine’s Day
Am 14. Februar ist Valentine’s Day: Seit Wochen hängen überall rote Herzen herum und schon Ende Januar fand ich in den Rucksäcken und Lunchboxen aller vier Kinder „our Valentine´s Class List“. Das funktioniert hier nach dem Prinzip: Alle geben allen in ihrer Gruppe einen Valentinsgruß oder eine Karte, niemand darf außen vor bleiben. Da kommt dann natürlich eine ganze Menge zusammen. Dazu gibt es öfter kleine Geschenke wie Bleistifte, Tattoos, Radiergummis oder Ähnliches. Nur keine Schokolade – die ist strengstens verboten (entsprechend der „Lebensmittelrichtlinien“ in der Schule). Also, Theo (8), Tim (6), Ole (5) und Paul (3) schreiben jeweils 20 Karten für ihre Klassenkamerad/innen. Gottseidank gibt es die kleinen Valentine’s Faltkarten direkt in Klassenstärke zu kaufen, und pro Karte sind dann nur ein Name und eine Unterschrift fällig, wie praktisch. Mitte Februar bringt jedes der Kinder am Valentinstag eine dicke rote Tüte mit vielen kleinen Valentinskarten von der Schule bzw. preschool mit nach Hause.
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Ich selbst habe mit dem Valentinstag nicht viel am Hut, aber die Kids hatten eine Menge Spaß mit den kleinen Kärtchen – von daher okay. Viele Leute hier regen sich aber ziemlich darüber auf, dass sie den Kids keine Süßigkeiten mehr mitgeben dürfen – guckt mal in die Lebensmittelrichtlinien des Schulbezirks unter Nr. 5 (Lebensmittelrichtlinien im Schulbezirk) Eine Mutter meinte zu mir: „It doesn’t make sense that you cannot give any sweets. Valentine’s Day is all about chocolate.“ Aber alles Jammern hilft nichts – die school nurse an der Schule wacht mit Argusauge, dass keine Süßigkeit ins Schulgebäude kommt. Wie auch immer, unsere Kids waren auch mit ihren „foodless“ Valentinskarten sehr happy und hatten Spaß beim Durchstöbern ihrer roten Herztüten.
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Special: Die school nurse |
Karneval
Den feiern wir mit einer befreundeten deutsch-amerikanischen Familie und genießen die guten Würstchen und den Leberkäs von der deutschen Metzgerei. Außerdem gibt es deutsche Schaumküsse, die man auch nur dort kaufen kann. Martin geht in New York im „Lorelei Biergarten“ feiern. Dort sei es fast wie in Köln, sagt er: Es läuft deutsche Karnevalsmusik und es gibt natürlich endlich mal wieder gutes deutsches Bier: Gaffels vom Fass (0,2 l für 4 Dollar, 0,4 l für 6 Dollar oder auch Reissdorf aus der Flasche für 6 Dollar).
Am 21. Februar ist Presidents‘ Day
Die mächtigsten Männer des Landes: Washington, Lincoln & Co.
Der Presidents‘ Day ist ein offizieller Feiertag und findet jedes Jahr am dritten Montag im Februar statt. An diesem Tag ehren die Leute vor allem zwei Präsidenten: George Washington und Abraham Lincoln. George Washington war der erste Präsident der USA (er hatte am 22. Februar Geburtstag) und wird als Vater der Nation angesehen, da er die amerikanische Armee im Unabhängigkeitskrieg 1783 zum Sieg gegen die Briten geführt hat. Eines seiner Hauptquartiere während des Krieges lag übrigens bei uns in Morristown und seine Soldaten überwinterten in den umliegenden Wäldern. Washington wählte Morristown als sein Winterquartier aus, weil man von hier einen guten Blick nach New York runter hatte, wo die britischen Truppen überwinterten. Sein Konterfei begegnet uns im Alltag jeden Tag auf den 1-Dollar-Banknoten und auf den Quartern (25-Cent-Stücke).
Von den 5-Dollar-Banknoten und den Pennys guckt einen der andere Präsident an, dem besonders an diesem Tag gedacht wird: Abraham Lincoln („Honest Abe“), der 16. Präsident der USA. Er hatte auch im Februar Geburtstag und übrigens wie wir vier Söhne 🙂 . Er führte die 25 nördlichen Staaten (die Union) in den amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) gegen die Armee der abtrünnigen elf Südstaaten (die Konföderierten). Durch seinen Sieg vereinte er die amerikanischen Staaten wieder, schaffte die Sklaverei ab und machte den Weg frei für eine ökonomische Modernisierung.
Besuch in Washington D.C.
Wir nutzen das lange Wochenende, um uns das Ganze selbst aus nächster Nähe anzuschauen, und so wird ein Stück amerikanischer Zeitgeschichte für uns ein wenig lebendiger:
Marc fährt mit Ole und Tim nach Washington D.C. Tim arbeitet gerade für die Schule an einer Präsentation über Martin Luther King (Thema: „My famous African-American person“ – wir haben gerade den „Black History Month“). Sie besuchen dort das Lincoln Memorial, wo Martin Luther King 1963 seine legendäre Rede „I have a dream“ gehalten hat – da kann man Geschichte endlich mal anfassen.
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Und was machen die Kids?
Fangen wir beim Jüngsten an: Paul (3) macht uns langsam doch Sorgen: Er hat immer noch kein einziges Wort (also wirklich GAR KEINS) in seinem Kindergarten gesprochen – und das seit über einem halben Jahr. Weder seine Lehrerinnen noch die anderen Kinder kennen seine Stimme. Er geht sogar weg, wenn andere Kids mit ihm spielen wollen und beobachtet dann alles aus sicherer Entfernung, bis sie wieder gegangen sind. Das Ganze passt irgendwie gar nicht zu Paul: Er ist sonst eigentlich immer ein „Gute-Laune-Bär“ – weder schüchtern noch introvertiert – der sich auch gegen seine großen Brüder durchsetzt, kräftig mitschreit und sich immer besonders viel Mühe gibt, beim Wettrennen endlich auch mal der erste zu sein (was ihm leider selten gelingt, weil seine Beine einfach kürzer sind als die der anderen). Er ist von den vieren der Kontaktfreudigste, der außerhalb des Kindergartens auf wildfremde Kinder zugeht und sich ganz entspannt mit vielen anderen Leuten (Postboten, Verkäufer/innen) auf Englisch unterhält. Er kann sich gut ausdrücken und auch blitzschnell zwischen Deutsch und Englisch hin- und herschalten. An mangelndem Englisch kann es also eigentlich nicht liegen.
Zugegeben, solche Geschichten hört man ja selber öfter von ausländischen Kindern in Deutschland, die verstört für lange Zeit in der Ecke im Kindergarten „herumstehen“. Aber wenn es das eigene Kind ist, macht einem dieser Zustand dann doch irgendwann Sorgen – und dieser Punkt war jetzt bei uns erreicht. Ich habe mich dagegen entschieden, das Fachwort „selective muteness“ zu googeln, weil man sich erfahrungsgemäß hinterher oft eher schlechter fühlt – noch will ich nicht mehr darüber wissen und weiter hoffen, dass es von alleine mit der Zeit verschwindet.
Folgende Geschichte brachte das Fass dann zum Überlaufen: Beim Abholen erzählte mir seine Lehrerin, dass er beim Lunch Hilfe beim Öffnen seiner Banane brauchte und mit der Banane herumwedelte, um Hilfe herzuholen. Sie versuchte, ein „please“ aus ihm herauszulocken, aber er blieb stumm. Nichts. Auch nicht, als sie ihm das Öffnen dann verweigerte (mein Bauchgefühl sagt mir, dass das auch nicht gerade pädagogisch war … egal). Jedenfalls hat er dann anschließend so lange an der Banane herumgefummelt, bis er sie alleine aufbekommen hat. Armer Kerl, was hält ihn nur davon ab, einfach mal den Mund aufzumachen? Freiwillig verzichtet doch niemand auf seine Sprache, um mit den anderen zu kommunizieren! Ob wir es mal mit Bildkarten probieren sollten, die er als Übergang zum Kommunizieren einsetzt? Finde ich aber auch irgendwie zu krass, er kann ja schließlich sprechen.
Unsere Strategie: Marc ist einmal mitgegangen und hat versucht, ihn zum Reden zu bringen, indem er Quatsch machte und ihn provozierte. Das hat sogar ein bisschen geklappt: Paul hat immerhin einige Worte gesprochen. Aber Marc durfte anschließend nicht wiederkommen, weil er viel zu laut geredet und die ganze Kindergartengruppe unterhalten hat. Das geht natürlich nicht, denn hier reden ja immer alle mit leiser Stimme. Wie gut, dass Marc sein eigener Chef ist und nicht weiter an seiner „inside voice“ arbeiten muss. Damit waren wir erst einmal in einer Sackgasse angekommen. Und dann überschlugen sich die Ereignisse, so dass dieses Problem zunächst wieder in den Hintergrund trat. Doch dazu später …
Highschool-Cheerleaders
Theo (8) und Tim (7) reden im Moment wieder mehr Englisch miteinander. Martin, unser Gast aus Deutschland, amüsiert sich immer sehr, wenn sie Deutsch mit ihm und mir reden. Der neueste Trend: Rückübersetzungen vom Englischen ins Deutsche – bisher war es eher umgekehrt. Theo beschwert sich über Tim, als er kein warmes Wasser mehr zum Duschen hat: „Der Tim war‘s! Der hat die Dusche rennen lassen so lange.“ Tim fängt endlich an, frei auf Englisch zu schreiben, erzählt aber mit sehr viel Respekt von den Büchern in der Schulbibliothek: „Das sind zu viele Bücher. Das wird Jahre nehmen.“
Beide sind tief beeindruckt von einer Vorführung der Highschool-Cheerleaders inklusive Band an ihren Grundschulen. Sie marschieren im Haus herum, hüpfen und reißen die Arme nach oben, während sie skandieren: „Y-E-L-L – everybody yell yell“ (Buchstaben von Y-E-L-L müssen buchstabiert werden und dann mehrere Wiederholungen) und dann „Go Ravens, go Ravens“ – scheint tatsächlich ansteckend zu sein.
Gute Überraschungen. Schlechte Überraschungen.
Der Februar war insgesamt ein ziemlich bewegter Monat für uns, weil mitten in der Winterzeit viele unvorhergesehene Dinge passierten, die uns doch eine Menge Kraft kosteten. Reese’s (die fettigen Peanut-Butter-Cups – ihr erinnert euch? – man liebt sie oder man hasst sie), meine „Soforthilfe“ bei Stress, hatten Hochkonjunktur bei mir. Soviel vorab.
Good-bye Au-pair
Mitte Februar kündigt Morena – dieser Schritt war nicht besonders überraschend und auch nicht schockierend, sondern eher überfällig. Wir hatten ihr so oft gesagt, dass es völlig okay sei, den Job aufzugeben, wenn es ihr keinen Spaß mache (was nämlich, meiner Meinung nach, der Fall war, aber sie bestritt es). Anfang Februar hatte Morena sich innerhalb einer Woche den Fuß verstaucht UND dann auch noch eine Gehirnerschütterung zugezogen (zum Glück nicht bei der „Arbeit“) – zugegebenermaßen ganz schön hart. Als sie wieder halbwegs fit war, lief gar nichts mehr: Sie aß nichts (nichts Neues bei ihr) und sie trank nichts (auch, wenn ich mehrmals am Tag mit Getränken in ihrem Zimmer stand – sehr schwierig). Diese Geschichte war aber nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte:
Ganz abgesehen davon ging es einfach nicht mehr, trotz „good will“ auf beiden Seiten. Morena war einfach zu viel „Drama“ für unsere Situation: immer im Wechsel von hocheuphorisch bis zu Tode betrübt, und das seit Monaten. So etwas habe ich bei einer Erwachsenen (sie ist 25 Jahre alt) noch nicht erlebt. Beide Seiten haben sich über lange Zeit echt Mühe gegeben, aber „it just didn’t work out“. Die Kids waren nicht der Grund für ihren Weggang, da muss ich die vier Jungs in Schutz nehmen und bin erleichtert, dass es jetzt einen Endpunkt gibt. Die richtig böse Überraschung kam aber erst eine gute Woche später, nachdem sie bereits eine neue Gastfamilie gefunden hatte. Vor Ablauf der 14-tägigen Übergangszeit, in der sie noch bei uns helfen sollte, wartete sie eines Mittags mit gepackten Koffern bereits auf mich und zog aus, ohne sich auch nur von den Kids zu verabschieden. Sie sagte nicht, was los ist, sondern nur, dass mich die Au-pair-Agentur aufklären würde. Drei große Fragezeichen!!! Das tat diese dann auch – kurze Zeit später hatte ich die Hauptzentrale der Au-pair-Agentur an der Leitung, die uns informierte, dass jetzt eine formale Untersuchung des Falles eingeleitet worden sei. Wie bitte? Weswegen? Dass Morena an diesem Tag gegen eins unserer Kinder schwere Anschuldigung erhoben hatte wegen eines „tätlichen Angriffs“ vor drei Wochen, hörte ich jetzt zum ersten Mal … Es ist ein Glück, dass unser Gast Martin an besagtem Nachmittag auch anwesend war und nichts von diesem Angriff gesehen hat. Wir reichen seine schriftliche Zeugenaussage ein und hoffen, dass uns diese entlasten wird …
Das war schon ein echter Schock. Und wie so oft kam alles zusammen: Marc war gerade in Europa unterwegs, Ole und Paul hatten Ferien, ich war krank (Nasennebenhöhlen), es gab noch einen snow day und in meiner deutschen Schule Ärger: Streit zwischen zwei meiner Schüler mit anschließender Ausweitung auf die entsprechenden Mütter, die noch mehr Terz machten als ihre Kids. Und das über E-Mails und Telefonterror. Mir reichte es zu diesem Zeitpunkt jedenfalls!
Das Gute an der ganzen Misere: Ich schlage mich alleine durch und es klappt – ich kann also auch ohne Hilfe bestehen. An einigen Stellen lasse ich meine guten Vorsätze sausen: Die Wäsche kommt in den Trockner statt auf die Leine, Theo und Tim dürfen öfter das Fastfood-ähnliche Schulessen wählen (und sie freuen sich), Ole und Paul dürfen öfter mal DVDs gucken, wenn ich mit Theo und Tim Hausaufgaben mache (und sie freuen sich auch). Theo macht Hausaufgaben, wo es ihm gefällt (unter dem Tisch, neben dem Essen, und auch er freut sich) und am Ende frage ich mich, ob ich mir das Leben nicht manchmal selber schwer mache, indem ich an vielen Stellen im Normalbetrieb den unbequemeren Weg gehe (wenig DVDs, selbstzubereiteter school lunch usw.)?
Abends suche ich dann nach Ersatz für Morena. Ich telefoniere mit vielen Mädels, aber zunächst sagen alle ab. Mich beschleicht das Gefühl, dass wir „schwer vermittelbar“ sind, als bilinguale Immigranten mit vier Kindern und dazu noch Jungs und eben auch der deutschen Sprache in der Familie (was vor allem die deutschen Au-pair-Bewerberinnen verständlicherweise abschreckt). Ein wenig schönes Gefühl, aber eben auch mal eine wertvolle Erfahrung. Ende Februar finden wir dann doch ein Mädchen. Vitoria kommt aus Brasilien, ist 19 Jahre jung – und beim Skypen sehr positiv, lebensfroh und natürlich. Sie stört es nicht, dass wir nicht das ganze Paket „American Dream/Way“ bieten können. Sie wird Mitte April zu uns kommen – so lange müssen wir noch durchhalten und dann bitte Daumen drücken.
Positive Überraschung: Zeugnisse für Theo und Tim
Ich war wirklich total überrascht, als ich beim Ausräumen der Schulrucksäcke von Theo und Tim die sogenannten „progress reports bzw. report cards“ (Zeugnisse) fand. Klar, eigentlich sind Mitte des Schuljahres Zeugnisse fällig (eben wie in Deutschland), aber bei dem ganzen Tohuwabohu waren wir tatsächlich völlig ahnungslos (letztes Jahr hatten die beiden nämlich keine bekommen – wir waren ja erst im Januar quer eingestiegen).
Zum Zeugnis: Im Unterschied zu Deutschland ist das Zeugnis eher eine mehrseitige Lektüre. Hier gibt es bis zum 5. Schuljahr keine Noten, sondern nur drei Kommentare bzw. Buchstaben: E = Experiencing difficulty, P = Progressing and developing, I= Independently used skill. In unserem school district haben sie die Noten abgeschafft, nachdem eine Untersuchung gezeigt hatte, dass vor allem die schlechten Schüler/innen nicht von schlechten Noten profitieren, sondern mehr mit richtungsweisenden Kommentaren anfangen können. Und bei guten Schüler/innen zeigte sich, dass es keinen Unterschied machte, ob sie Noten oder Kommentare bekamen.
Die Lehrerinnen von Tim und Theo äußern sich sehr zufrieden, jedenfalls sind eine Menge Fortschritte dort aufgelistet. Also alles in Butter 🙂 .
Das Zeugnis von Theo umfasst vier Seiten, dicht beschrieben. Es gibt elf „Fächer“ bzw. Beurteilungsbereiche („reading“, „writing“, „maths“, „listening/speaking“, „social/emotional development“, „work study habits“, „science“, „physical education“ (Sport), „art“ (Kunst), „vocal music“ und „media literacy“, die alle noch mal in etliche Teilfertigkeiten aufgedröselt sind. Insgesamt sind es 150! solcher Teilleistungen, die alle individuell von den Lehrkräften zu beurteilen sind – eben mit „E“ (noch schwierig), „P“ (macht Fortschritte) und „I“ (selbständig benutzte Fertigkeit). Am Ende gibt es auf dem letzten Blatt noch eine schriftliche Zusammenfassung über Fortschritte, Leistungen, Verhalten im Unterricht und zukünftige Verbesserungsmöglichkeiten.
Ganz ehrlich – das dauert über eine halbe Stunde, bis man das gelesen und verstanden hat, und am Ende muss man fast wieder von vorne anfangen. Ich will nicht wissen, wie viel Zeit die Lehrer/innen für jedes einzelne Zeugnis brauchen, um diese 150 Teilfähigkeiten einzeln zu beurteilen und festzulegen. Hammer! Ob sich diese Mühe lohnt und die Eltern sich diese Kommentare wirklich durchlesen und draus lernen? Ich habe da berechtigte Zweifel, wenn ich mein eigenes Verhalten anschaue. Aber ich muss mich da wohl wirklich selbst erziehen im Sinne von „ein Zeugnis ist kein Ergebnis, sondern ein Wegweiser“.
Sowohl Theo als auch Tim hatten übrigens wirklich anständige Zeugnisse, die die Fortschritte der beiden hervorheben: Bei Tim gab es viele „P“s (er macht sich auch richtig gut im Lesen – da hat die ganze „sight-words-Paukerei sich doch gelohnt).
In Literacy und in Mathe sogar schon „I“s; bei Theo fällt es sogar noch etwas besser aus.
Positiv finde ich, dass die Kids selbst eine Art Brief verfassen, in dem sie das Schulhalbjahr reflektieren: Was hat gut geklappt? Was hat Spaß gemacht? Woran muss ich noch arbeiten? Dieser handschriftliche Brief wird mit ans Zeugnis geheftet.
Ins Grübeln komme ich jedoch, wenn ich den vorletzten Satz im Kommentar von Mrs. Ciorcalo über Theo lese, dass er ein „positive, contributing citizen of our school“ ist. Theo redet auch immer schon davon, dass er ein „good citizen“ sein will. Diese Formel „a good pupil = a good citizen“ habe ich auch schon als Poster in einer Klasse gesehen – merkwürdig …
Ein Zoo ohne Tiere
Paul ist zurzeit ein großer Fan von Hasen und wünscht sich nichts sehnlicher als einen zum Geburtstag. Da wir ihm diesen Wunsch nicht erfüllen können, sind wir also zum Zoo gefahren. Der Eintritt war etwas reduziert (nette Überraschung), aber dann kam der Schock: Fast alle Gehege im Zoo waren leer – selbst die Pinguine waren nicht zu sehen! Und die sollten bei dem Eiswetter doch in ihrem Element sein! Großer Frust bei den Kids. Nach einer Runde auf dem Karussell (angeschnallt wohlgemerkt – wir haben dazugelernt!) und nach einem Besuch im Geschenkshop machen wir uns enttäuscht auf den Heimweg. Ein kleiner Hinweis am Eingang, dass die meisten Tieren in Winterquartieren waren, wäre ja doch nett gewesen.
Eis essen im Schnee
Mitten im Februar wird es auf einmal dann sprunghaft wärmer: Gestern noch mit Mütze, Schal und Handschuhen in eisigem Wind, können wir am nächsten Tag bei warmen sonnigen 18°C schon die Jacken ausziehen und erste Frühlingsgefühle genießen. Überall hört man leise das Tauwasser gluckern. Aber Vorsicht: Das Ganze geht auch leider wieder andersherum und Temperaturunterschiede von 20°C innerhalb von Stunden lassen uns immer wieder staunen.
Das Sympathische – wenn auch etwas Irre – an vielen Amerikaner/innen ist jedoch ihre Sturheit gegenüber Temperaturen. In unbeirrbarer Erwartung auf den Frühling bleiben bei den ersten wärmenden Sonnenstrahlen die Jacken zuhause, und Shorts und manchmal sogar T-Shirts werden herausgeholt (wie z. B. für die Müllmänner, die in Neon-T-Shirts auf ihren Müllautos fahren). Und auch die Nachbarskinder kommen in Shorts zum Schulbus, selbst wenn die Eltern schimpfen.
Böse Eis-Überraschung beim Joggen
Ich muss mich einfach bewegen – wie im Januar gehe ich immer raus, egal ob es schneit oder regnet, egal wie kalt (ja, ja, ich weiß …). Ich kann auch schon ganz gut auf Schnee laufen – bisher bin ich noch nie ausgerutscht. Aber eines Morgens lief ich mitten durch einen Schneeschauer, und das Gemeine war, dass man die vereisten, wirklich rutschigen Stellen auf der Straße nicht mehr erkennen konnte, weil sie schneebedeckt waren. Da ich diese Stellen aber aus dem Gedächtnis kannte, wusste ich, wo ich besonders aufpassen musste.
Meine Nachbarin Nancy die frühmorgens immer die Runde mit ihren Hunden macht und die ich stets um kurz vor sieben treffe, war auch unterwegs und hatte leider weniger Glück: Von Weitem sah ich sie stürzen und schreien. Mit meinem Handy holten wir Hilfe. Ihr Handgelenk war gebrochen, sie musste operiert werden und läuft seitdem mit einem Gips herum. Nach dieser Geschichte war ich etwas geschockt und habe tatsächlich ein Laufband für drinnen bestellt (obwohl ich das Laufen auf Laufbändern echt langweilig finde – also nur eine Notlösung bei wirklich miesem Wetter).
Aber es gibt ja schließlich auch noch eine weitere praktische Verwendungsmöglichkeit von Laufbändern: Ich habe schon von verschiedenen Hundebesitzerinnen gehört, dass sie auch ihre Hunde zum Auslauf mit auf das Laufband nehmen – und was für Hunde gilt, könnte ja auch für Kinder funktionieren – mal sehen 😉
Unser Geländewagen: eine angenehme Überraschung
Ich habe eine steile Lernkurve in Bezug auf die Nützlichkeit von Geländewagen: SUVs sind nicht nur amerikanisch, protzig und umwelttechnisch eine Katastrophe (meine Meinung), sondern haben bei dem Winterwetter hier tatsächlich auch deutliche Vorteile: Man kann mit ihnen durch 40 Zentimeter tiefen Neuschnee fahren, sogar bergauf auf unsere Einfahrt. Die Beifahrertür lässt sich trotz der aufgetürmten Schneeberge an den Straßenrändern noch öffnen (da sie höher liegt – bei normalen Autos ist man „gefangen“ und muss über den Fahrersitz rausklettern).
Deutliches Plus: Wenn man durch eines der Schlaglöcher fährt, bekommt man nur einen starken Stoß in den Körper und einen gehörigen Schreck, aber das Auto setzt nicht sofort mit der Karosserie auf der Straße auf. Insofern ist es ein gutes Gefühl, bei diesem Winterwetter mit unserem Geländewagen durch die Gegend zu fahren – in Deutschland müsste Marc ziemlich viel Überzeugungsarbeit leisten, bis ich mich in einen setzen würde. Aber hier mache ich es freiwillig.
Indian Summer mitten im Februar
Ein kurzer, aber sehr versöhnlicher Moment: Morgens beim Joggen durch unser Wohngebiet staune ich nicht schlecht, als ich mich in den farbenfrohen Herbst zurückversetzt fühle. Die Sonne geht gerade im Osten auf, steht also noch ganz tief und der „Morgenrot-Effekt“ taucht die hohen Bäume in ein strahlendes Rot-Orange. Es tut so gut, nach den ewigen weiß-grau-schwarz-Variationen mal wieder eine Farbe in der Natur zu sehen. Auf dem Rückweg ist das Schauspiel dann vorbei – die Sonne steht schon zu hoch und alles ist wieder wintergrau.
Es war also ein ziemlich aufwühlender, anstrengender Monat, der mal wieder meine Nervenstärke und Flexibilität getestet hat, aber ich mache Fortschritte und bin nicht kopflos geworden – von daher eben auch positiv.
Es gibt auch eine Neuigkeit, die ausnahmsweise mal nur mich betrifft – die verrate ich euch in ein paar Wochen. Martin, unser Dauergast, weiß es schon … Sein Kommentar dazu: „Echt?…Cool.“
Jetzt ist Marc dran mit seinem Blick auf den Februar 2011
Marc erzählt:
Wir waren über Weihnachten in Deutschland und sind kurz vor meinem Geburtstag wieder nach NJ geflogen. Doch im Februar war ich bereits wieder zweimal in Europa: Zum einem hatten wir einen P3-Strategieworkshop, zu dem ich für zwei Tage in Deutschland war. Eine Woche später war dann der Mobile World Congress 2011 in Barcelona. Also bin ich wieder nach Deutschland geflogen, um anschließend zum MWC nach Spanien weiterzureisen. In der Woche danach war ich in San Francisco und so sind alleine im Februar 44.742 Meilen zusammengekommen. Man sollte meinen, mir würde es erst mal reichen mit dem Fliegen …
Fliegen als Gegengewicht zu meinem Beruf
Über Weihnachten wurde mir klar, dass ich ein mentales Gegengewicht zu meinem Beruf brauche und ich hatte im Septemberbrief ja erzählt, dass ich angefangen habe, einen Pilotenschein zu machen. Nach den Anschlägen vom 11. September (die nennt man hier nur 9/11) müssen Ausländer, die einen Pilotenschein in den USA machen wollen, einen Background-Check über sich ergehen lassen und Fingerabdrücke abgeben. Leider zögerte sich meine TSA-Freigabe (Transportation Security Administration) bis Februar hinaus, da ich nicht dazu gekommen bin, diese Fingerabdrücke abzugeben. Doch im Februar habe ich endlich die TSA-Freigabe bekommen und einen engen Zeitplan mit der Flugschule abgestimmt, um die Ausbildung nun zügig durchzuziehen.
Im März werde ich jede Woche mindestens vier Stunden pro Woche fliegen! Leider ist die „VFR-Ground-School“ (Visual Flight Rules), also die Theorieausbildung, gerade vorbei und so muss ich viel im Selbststudium erarbeiten. Damit das einfacher geht, habe ich mich für die „IFR-Ground-School“ (Instrument Flight Rules) eingeschrieben. Das ist eigentlich für fertige VFR-Piloten gedacht, die eine weiterführende Ausbildung für den Instrumentenflug absolvieren. Aber ich komme mit den Inhalten gut klar und ich habe bereits eine Menge über VORs (Very High Frequency Omnidirectional Range) und ATCs (Air Traffic Controls) gelernt.
Die Ausbildung hier in unmittelbarer Nähe zu NYC gehört sicher zu den anspruchsvollsten der Welt: Der unheimlich dichte und regulierte Luftraum, gepaart mit vielen Sonderregeln und den drei großen Verkehrsflughäfen in unmittelbarer Nähe macht vor allem den Funkverkehr und die Navigation sehr spannend. Aber wenn ich fertig bin, kann ich euch mit zu einem der schönsten Rundflüge der Welt nehmen: die Skyline-Route durch die Hudson River Exclusion Zone (von Norden kommend an der George-Washington-Bridge vorbei, den ganzen Hudson River runter, an der Statue-of-Liberty vorbei und dann über die Verrazano-Bridge raus aufs Meer).
PS: Hier geht’s weiter zum nächsten Monatsbrief. Viel Spaß beim Lesen!