Super Stimmung in der Sportbar

FUN in Amerika

„We cannot make it easy, but we will make it fun.“
Wie das Konzept „fun” hier allgegenwärtig ist, was es mit harter Arbeit zu hat und warum „fun“ und „funny“ längst nicht dasselbe ist.

 
Das Konzept „fun“ ist deshalb erwähnenswert, weil es hier allgegenwärtig ist und ich schon öfter stutzen musste, in welchen Zusammenhängen es gebraucht wird.
Das Thema ist aber komplexer, als es auf den ersten Blick aussieht, da es auch die unterschiedlichen Lebenseinstellungen der Deutschen und der Amerikaner/innen berührt – oder liegt da sogar der Knackpunkt? Ich bin dem „fun“ erst noch auf der Spur, aber schon jetzt kann ich mit Sicherheit sagen: Die Englischbücher in der Schule treffen es nicht ganz, wenn sie das englische/amerikanische „fun“ mit dem deutschen Wort „Spaß“ gleichsetzen – das kommt so nicht hin. Ich bin im Rahmen des Marathontrainings über genau dieses Thema gestolpert, daher dieses Special.

 

„Hard work“ und „fun“ – passt das?
Also, in fünf Monaten ist der Marathon und daher steige ich gerade langsam ins Training ein. Die einleitenden Worte meines Laufteams bei der Einführungsveranstaltung – ernst, aber freundlich und optimistisch gesprochen – lauteten: „The marathon will be the hardest thing you´ll ever do. We cannot make it easy, but we will make it fun.“

Na dann – mal abwarten. Von wegen „hardest thing“ meine ich. Aber der zweite Satz bringt auf den Punkt, was hier überall in der Luft liegt: „We cannot make it easy but we can make it fun.“ Gerade die Kombination klingt total verrückt für deutsche Ohren. Kann etwas, das so richtig schwierig ist, Spaß machen? Oder – anders herum: Kann etwas, was Spaß macht, denn wirklich etwas sein, was schwer ist? Sogar das Schwerste im Leben? Irgendwie haben wir in Deutschland doch eher so die Vorstellung, dass alles, was schwierig ist, sogar noch mit einer besonders großen Portion Ernsthaftigkeit angegangen werden muss, damit es gelingen kann, oder? „Fun“ – also Spaß – hat in diesem Zusammenhang bei uns nichts verloren.

„Fun“ tröstet
Ich muss sagen, dass ich die amerikanische Herangehensweise als eine willkommene Abwechslung empfinde: Auch bei einer großen Herausforderung darf der Spaß nicht fehlen und es besteht kein Generalverdacht gegenüber „fun things“. In Bezug auf den Marathon sind das doch wirklich gute Aussichten für mich: Wenn schon Arbeit (immerhin werde ich bis zum tatsächlichen Marathontag im November etwa 1.000 Trainings-Kilometer hinter mich gebracht haben), dann doch wenigstens mit Spaß, oder?

Auch nach unseren bisherigen Erfahrungen in Schule und Freizeit erfreut sich das Wort „fun“ großer Beliebtheit. Als „Adjektiv“ verwendet passt es zu so mancher Situation:

  • „It was so much fun“ als Feedback nach einer gemeinsamen Aktion
  • „Have fun, guys!“ ist DIE Verabschiedungsformel hier, die ich tausendmal um mich herum gehört habe
  • „Looking forward to fun days of smiles and making great memories” – Werbespruch eines summercamps
  • „Your hair is fun“, meinte einmal meine Friseurin am Ende der Sitzung zu mir. Der Kontext: Ich hatte es abgelehnt, meine Haare permanent glätten zu lassen, wollte auch weder einen „Brazilian Blowout“ noch „products“ gegen „frizzy hair“. Ich sah also für amerikanische Verhältnisse eher so aus, als ob ich die Sitzung noch vor mir hätte – wildes, wuscheliges Haar. So schlimm kann es also nicht sein mit meinen Haaren, wenn sie doch wenigstens „fun“ sind, oder? 🙂

 

So interessant ich den amerikanischen „fun“-Ansatz auch finde, manchmal ist aber auch Vorsicht geboten. Zum Beispiel bei

  • „fun-filled activities“: Unter diesem Begriff erlebe ich im erzieherischen Bereich eher ein willkommenes Deckmäntelchen für alles, was vielleicht eben doch keinen Spaß macht, aber den Kindern schmackhaft gemacht werden soll. Unsere Kinder schimpfen jedenfalls lauthals über diese „fun-filled activities“ im camp.
  • „Why a pediatric dentist?… important, that they learn that going to the dentist can be fun” – Naja, das steht in der Werbebroschüre einer kinderzahnärztlichen Praxis. Unserer Erfahrungen zeigten dann auch das genaue GEGENTEIL („Unsere Kids beim Zahnarzt“)
  • Vorsicht vor kulturellen „Prägungsunterschieden“: Manche Aktivität, die einem als „fun“ angepriesen wird, finde ich eher abtörnend. Als Beispiel seien hier die „boardwalks“ (Promenaden) an den Stränden mit Fressbuden, Fahrgeschäften und Restaurants genannt, von denen viele unserer amerikanischen Freunde mit leuchtenden Augen geschwärmt haben. Für mich ist ein richtig guter Strand genau das Gegenteil – möglichst unberührte Natur mit Sand und Wasser. Das Gute an der Sache ist, dass wir die „wilden Abschnitte“ an der Jersey Shore daher immer fast für uns allein haben 🙂 .
  • Und noch eine Klippe im Umgang mit dem Adjektiv „funny“,
  • Für alle non-native speaker: „Fun“ ist nicht bedeutungsgleich mit „funny“. Wenn einem etwas Spaß gemacht hat, dann sagt man: „That was fun“ – niemals „That was funny.“ Sonst schauen einen die Leute irritiert an. Unsere Kinder haben das zu Beginn immer falsch gemacht.
  • „Funny“ hat nämlich zwei verschiedene Bedeutungen (je nach Kontext): Es heißt sowohl „lustig“, „witzig“ („funny haha)“ als auch „komisch“ („funny peculiar“).
  • Welches „funny“ gemeint ist, ist nicht immer eindeutig. Wenn jemand sich komisch verhält, dann kann man sagen: „He’s been acting funny lately.“ Und wenn einer generell ein lustiger Kerl ist und oft Witze macht, dann kann man z. B. sagen: „He is a funny guy.“
  • „You are a funny lady“, hat mal einer zu mir gesagt, als ich in seinem Vorgarten die Dekos fotografiert habe und er mich gefragt hatte, warum. Ich weiß bis heute nicht, ob das „funny haha“ oder „funny peculiar“ gemeint war – tippe aber eher auf Letzteres.

Also, wie ihr seht, hat es „fun“ hier in sich. Für unser „fun-loving“ Gastgeberland gehört fun jedenfalls zum alltäglichen Leben und da wir im Moment hier leben, eben für uns auch. Ich werde dieses Konzept jetzt beim Marathontraining einmal ausprobieren und euch dann berichten, wie es so läuft, mit dem „hardest thing“ und dem „make it fun“.

Singen, tanzen, Musik machen … Hauptsache spontan!
Und jetzt noch ein kurzer Bericht über die beeindruckendste Darbietung von amerikanischer Lebensfreude und Spontanität, in die Marc und ich rein zufällig eines Abends nach dem Dinner reingeraten sind:

Angelockt von Musik und Gejohle entdeckten wir in der sportsbar nebenan einige Herren mittleren Alters, die richtig losrockten (und zwar wirklich gut!). Alle in bunten Pyjamas und flauschigen, Riesen-Tiger-Hausschlappen. Ich fand das Outfit schon bemerkenswert, aber es schien sich niemand dran zu stören und die Stimmung war kolossal gut! Während der Bassist und der Drummer leise weitermachten, moderierte der Sänger dann auch noch spontan eine kurze Modenschau von einer zufällig anwesenden Bachelorette-Party (die Kleider alle so grell, dass ich mal wieder nicht sicher war, ob das eine „most ugly dress“-Party war oder doch eher normaler dresscode). Die Damen präsentierten sich alle locker, drehten sich ein paarmal herum und dann kam schon die nächste. Komplett verrückt.

Und genauso schnell, wie sie gekommen waren, waren sie wieder verschwunden, und es ging weiter zum nächsten Programmpunkt: Wer aus dem Publikum will etwas vorsingen? Eine Frau meldete sich, sprach kurz mit der Band das Lied ab und legte dann auch schon richtig los (das war jedenfalls nicht das erste Mal, dass die gesungen hat!). Applaus, sie ging wieder von der Bühne, erneut weiter mit der Band.

Also echt, jetzt verstehe ich auch, warum es in amerikanischen Filmen so oft Gesangseinlagen gibt und die öfter mal statt eines Films direkt ein Musical machen. Nehmen die etwa alle Gesangsunterricht? Egal, ich bin beeindruckt, wie entspannt, locker, respektvoll und selbstsicher die Leute hier miteinander in Kontakt treten und miteinander umgehen (und das auch noch vor Publikum!), sich nicht immer so ganz ernstnehmen und dabei eine gute Zeit haben. Davon könnten wir uns in Deutschland mal eine dicke Scheibe abschneiden …