Und die Leute, die nicht kommen, schreiben E-Mails und Karten (und nicht nur einen Satz). Ich wusste gar nicht, dass ich soooo tolle Kinder habe 😉 : „It cannot believe time has passed so quickly. It seems like yesterday you arrived.“ „You have smart and wonderful children, keep up the great training, for they are a blessing and a privilege to bring up.“ / „I so enjoyed your boys. Both of them have such a special love in their hearts. Peace, love, and many joys raising those boys.“ / „Theo will be greatly missed at Alexander Hamilton School and we would like to wish him all the best for his future. It was a true pleasure having Theo in Class.“ Solche Sätze schreiben tatsächlich diverse Lehrerinnen der Kids – würde keine deutsche Lehrkraft tun, oder?) Theos Lehrerinnen schenken uns sogar noch eine Stars and Stripes-Porzellanschüssel. Wir werden sie in Ehren halten! „We will be very sad to see you go.“ „We wish you all a great journey back home with new adventures and many blessings to follow each one of you always! Goodspeed to all!“ „See you later, hasta luego, bye-bye …“
Rote Herzen
Der Januar begann mit einem kick-start – seit dem 2. ist hier wieder „business as usual“, das heißt Schule und Arbeit. Und wir merken schon, dass uns die Extraferienwoche, wie wir sie aus Deutschland kennen, geklaut wurde. Das Neue Jahr ist noch nicht mal eine Woche alt, da gesellen sich rote Herzen zu den Weihnachtsdekorationen – ja, ja, der Valentinstag ist nicht mehr weit! Also: besser schon mal die Reservierung für das Abendessen mit der Liebsten machen. In der ersten Januarwoche flattern hier von allen Seiten „Thank you“-Notes für die Weihnachtsgeschenke (Taschen, Schokolade etc.) von den Lehrerinnen der Kids ins Haus. Alle sind persönlich adressiert, und viele sind mit der Hand geschrieben: „Thank you so much for your generous gift – it was so thoughtful/kind of you.“ Gehören diese Begriffe überhaupt noch zum aktiven Wortschatz von uns Deutschen? Aber das hatten wir ja schon mal, ihr erinnert euch? Dabei hatten wir uns nur an den Gemeinschaftsgeschenken der Klassen beteiligt, also keine Extrawurst gemacht.
Weihnachtsheimatfieber
Die Koffer sind gepackt, die Stimmung ist unglaublich ausgelassen und gleich geht es los nach Hause! Die Tatsache, dass wir in ein paar Minuten schon ins Flugzeug nach Deutschland steigen dürfen, verdanken wir übrigens einer total entspannten Schulpolitik in Bezug auf Beurlaubungen: Bis zu zehn Tage darf man während der Schulzeit im Ausland sein. Theo und Tim werden ganze neun Schultage verpassen (und das unmittelbar vor und nach den amerikanischen Winterferien). Da zucken einige Eltern vielleicht kurz zusammen, aber was sollen wir machen – für eine Woche Deutschland lohnen sich das Packen und der Jetlag nun wirklich nicht (Winterferien sind hier nur vom 23. Dezember bis 1. Januar). Also, alles was erforderlich war, war eine E-Mail an die nurse von Tims Schule (über die muss ich unbedingt mal mehr schreiben 🙂 ) und an die Direktorin von Theo, in der wir darüber informieren, dass wir mit den Kindern vom 21.12. bis 7.1. in Weihnachtsurlaub nach Deutschland fahren. Kein Nachfragen – fertig, genehmigt. Ab dem zehnten Tag Abwesenheit in Folge wird man dann allerdings automatisch von der Schule abgemeldet und muss sich nach der Rückkehr wieder anmelden (und hoffen, dass der Platz noch frei ist). Es ist hier aber durchaus Usus, mitten im Schuljahr für zwei Wochen in die Ferien zu fahren – das machen die Nachbarsfamilien auch. Wenn ich da an diese Regelung in Deutschland denke, wo schon wegen eines einzigen Tages vor den Ferien ein Riesenaufstand gemacht wird (klar, dafür gibt es bestimmt auch gute Gründe, aber irgendwie ist das unglaublich stur: Beurlaubensverbot vor/nach den Ferien, Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit, Paragraph 16 Schulpflichtgesetz mit Geldstrafe bis zu 1.000 Euro!). Da haben wir es hier im Moment richtig gut und nehmen ein paar Extra-Tage frei. Zum Abschied haben sowohl Theo als auch Tim von ihren Lehrerinnen auch noch ein kleines Geschenk bekommen, und Theos Lehrerin schreibt uns auf die Thank-you Note: „Dear Theo and Family, Thank you for your kindness! Have a great vacation, Merry Christmas and a Happy New Year.“ Gemaltes Herzchen und Unterschrift von Mrs. Ciorcalo. Da bin ich mal wieder sprachlos (also ich habe noch keinem meiner …
Ein bisschen einkaufen
So richtig in Stimmung kommen wir beim Einkaufen: Ich schiebe zwei voll beladene Einkaufswagen zur Kasse und bin wieder mal platt, als sich eine Angestellte vom Laden freundlich anbietet, mir beim Schieben zu helfen. Als wir gemeinsam rausgehen, steht dann draußen ein Mann, der laut mit seiner metallenen Glocke herumbimmelt, um Geld für eine Wohltätigkeitsorganisation zu sammeln (wie in den Fernsehfilmen halten die Leute diese Glocken tatsächlich mit der offenen Seite nach oben – in Deutschland hält man die doch eher nach unten, oder?). Am Auto angekommen flötet mir die Verkäuferin noch ein fröhliches „Happy Holiday!“ entgegen – und ich fahre gut gelaunt nach Hause mit weihnachtlicher Festtagsstimmung im Bauch.
Die Bahn
Ich „gucke“ jeden Tag „Züge“ mit unseren beiden Eisenbahnfans Ole und Paul – die nach New York, die direkt hinter der preschool vorbeifahren. Witzige Situation: Am zweiten Tag nach unserer Rückkehr sitzen wir drei auf einer Bank im Bahnhof und machen Picknick. Noch ziemlich müde vom Jetlag bin ich einen Moment eingenickt und werde von lautem Rufen plötzlich geweckt. Es ist tatsächlich der Lokführer des New York-Zuges, der seinen Kopf aus der Riesenmaschine steckt und mir zuruft, ob wir nicht auch noch einsteigen wollen. „Thanks for asking, but no …“ Das ist doch mal wirklich aufmerksam, oder? Mit der Bahn hatten wir auch schon vorher gute Erfahrungen gemacht – sie haben mich mit den Kids zweimal umsonst fahren lassen, und als wir einmal vom „falschen“ Gleis „Züge geguckt“ haben, wurden wir in kürzester Zeit von verschiedenen Passant/innen darauf aufmerksam gemacht, dass heute die Züge vom anderen Gleis abführen (wegen einer Baustelle). Sie dachten eben auch, dass wir mitfahren wollten und wollten uns rechtzeitig informieren – ist das nicht einfach super nett?
Gute Laune hilft
Die Amis haben es echt raus: Freundlich grüßen, anlächeln, Tür aufhalten (oder auch mal zurück zum Lift springen, um die sich schließende Türe aufzuhalten), sich nett verabschieden und auch mal interessiert nachfragen (an der Fleischtheke): „Oh, where does your lovely accent come from?“ – flüchtige Begegnungen im Alltag fühlen sich hier anders an, das hatte ich ja schon erzählt. Viele, viele Menschen sind hier aber auch einfach hilfsbereiter als das in Deutschland der Fall ist (zwar nicht alle, aber eben doch signifikant mehr!) und packen richtig mit an – und ich rede hier nicht von Freunden und Bekannten, sondern von Leuten, die man noch nie vorher gesehen hat und wahrscheinlich so schnell auch nicht wieder sieht, von „Fremden“ auf der Straße. Ein Beispiel: Vor zwei Wochen war ich auf dem Weg zum Strand, als sich mitten auf der Autobahn plötzlich ein Mann mit seinem Auto auf die Spur neben mich setzte, wild auf meinen Wagen zeigte und mir etwas zuschrie – bei Tempo 70 Meilen/Stunde (über 100 km/h)! Ich hatte keinen Schimmer, was los war und fuhr einfach weiter, aber er ließ nicht locker, gestikulierte heftig, und als ich die Scheibe runterließ, schrie er mir zu: „You gonna have a flat tire in no time.“ Als ich dann zur nächsten Tankstelle fuhr, hatte ich direkt zwei gut gelaunte Männer, die sich den fast platten Reifen genauer anschauten und mit nach einer Lösung suchten: der Tankwart, der nebenbei auch noch die anderen Autos betankte und ein Postbote, der zufällig gerade selbst Sprit für sein Auto brauchte. Nach einer halben Stunde war alles wieder okay – der Nagel war rausgezogen und der Reifen prall. Gut gelaunt ging’s dann endlich weiter in Richtung New Jersey Shore. Manchmal geht einfach einiges leichter, wenn man in gut gelaunte Gesichter schaut und die Leute nicht weggucken, sondern mit anpacken! Probiert es doch einfach mal in Deutschland aus: Fahrt zum Parkplatz des IKEA-Lagers, wo die Leute versuchen, die gekauften Möbel in ihre (zu kleinen) Autos zu hieven, und packt mit an. Ich garantiere euch, dass ihr sehr viele Menschen ziemlich glücklich macht und dann auch selbst gut …
„Everybody line up!“
Wenn wir auch nicht mehr anständig über die Straße kommen, so üben wir uns alle dafür mehrfach täglich in einer anderen, in Deutschland ziemlich unbekannten Disziplin: dem gesitteten Anstellen. Ob beim Einsteigen in den Schulbus, beim Bewegen in Schul- oder Kindergartengebäuden, beim Wassertrinken an den „water fountains“ im YMCA, beim Einkaufen oder Abholen der Kinder: „Hinten anstellen“ oder „line up, please“ ist das Motto. Die Amerikaner/innen machen dies mit beeindruckender Disziplin, großer Gelassenheit und absoluter Konsequenz – kein schnelles Vorbeihuschen, kein „Dazustellen“ bei der Freundin, die weiter vorne ist – ab zwei Leuten wird brav angestellt. Es scheint wirklich ein Reflex der Amerikaner zu sein, eine Reihe zu formen und sich hinten anzustellen. Das lernen die Leute hier schon von Kindesbeinen an und selbst die Kleinsten werden, sobald sie mit dickem Windelpopo auf ihren noch wackeligen Beinchen laufen können, von ihren Müttern sofort zurückgepfiffen, wenn sie beim Abholen ihrer Geschwister die Warteschlage „überholen“: „No cutting lines, sweetie.“ Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass die Leute hier per se die (längste) Schlange wählen (in Museen oder beim Autofahren), ohne zu gucken, ob die Schlange denn wirklich dahin führt, wo sie hinwollen – irgendwie fühlen sie sich da wohl sicher. Aber im Ernst – diese Disziplin macht die vielen alltäglichen Übungen sehr angenehm. Meine ganz frische Erfahrung beim AIDS-Walk: Wir waren mit 45.000 Leuten auf einem Platz versammelt und wurden auf zwei wirklich schmale Wege (zweieinhalb Meter breit) in den Zentralpark geleitet. Und? Alle warteten geduldig, bis sich die Leute bewegten, die vor ihnen standen – Wahnsinn! Keine Spur von Gedränge! Es ist also kein Wunder, dass wir Deutschen – u. a. wohl auch durch unser „rüpelhaftes“ Verhalten in diesem Bereich – hier als „rude“ verschrien sind. Da können wir wirklich noch viel dazulernen. Türen aufhalten gehört hier übrigens auch zum ganz normalen Standard-Programm – wenn ich da an Deutschland denke, wo ich auch mit Kinderwagen so oft die Tür vor der Nase zugeknallt bekommen habe, muss ich zugeben, dass die USA dagegen das Paradies sind. In Morristown haben mir sogar schon etwas skurrile Typen die Tür freundlich aufgehalten, von …
Die „Schmieröl-Floskeln“ der täglichen Kommunikation
Warum auf die Frage „How are you?“ eigentlich nie etwas Negatives folgt und wie das gute Laune machen kann. Und warum „excuse me“ und „sorry“ etwas mit „vorher“ und „hinterher“ zu tun haben. „Hi, how are you?“ – der wichtigste Satz in diesem Land! Mit diesen Worten beginnen Amis quasi jede Begegnung, egal ob es ein shop assistant, eine andere Mutter aus der Schule oder auch ein Freund ist. Übersetzt ins Deutsche würde man wohl „Hallo“ sagen. Als Antwort wird jetzt kein ausführlicher Bericht vom letzten Arztbesuch oder dem letzten Streit zwischen den Kindern erwartet, sondern es folgt eine Kurzantwort mit Gegenfrage: „Good, thanks. How are you?“ – die Retoure Kinderleicht – mit dieser Antwort kann man nichts falsch machen. Die Variationen „great“ oder „okay“ hört man auch öfter. Aber „bad“ habe ich noch nie gehört. Unter guten Bekannten oder Freunden liegt die Sache natürlich anders, da kann man auch mal Tacheles reden. „Have a good day“ – das amerikanische „Tschüss“. Zum Abschied bekommt man immer ein „Have a good day“ oder kurz „Have a good one“ mit auf den Weg gegeben. Das sollte man natürlich erwidern: „You, too“. Diese drei Floskeln wirken zusammen wie Schmieröl im täglichen Miteinander. Denn sie brechen das Eis und eröffnen die Möglichkeit für eine weitere Unterhaltung – wenn man denn will. Wenn nicht, auch gut. Manchmal kommt man so aber auch ganz unkompliziert mit Fremden ins Gespräch und das macht einfach gute Laune. Ich staune jeden Tag aufs Neue, wie gut das funktioniert. Vor lauter „How are you?“, „Good“ und „Have a good day“ ist schlechte Laune und so mancher Frust oft bei mir schnell vergessen und ich fühle mich hinterher besser. Ich halte es für ein kulturelles Missverständnis, dass viele Deutsche dies als oberflächliches Phrasendreschen und Pseudointeresse abtun, so nach dem Motto: „Die fragen, wie es einem geht, wollen es in Wirklichkeit aber gar nicht wissen.“ Diese Formeln darf man nicht wörtlich ins Deutsche übersetzen, sondern muss sie einfach komplett separat betrachten, als die angelsächsische/amerikanische Art quasi, mit dem Gegenüber in Kontakt zu treten. Das deutsche „Hallo“ oder „Guten Tag“ wirkt dagegen einfach …
Auflösung zu Frage 1 – Der März ist grün!
Ich war beim Einkaufen vollkommen überrascht, als diesen Monat auf einmal überall grünes Essen auftauchte – grüne Bagels, grüne Cupcakes und Eier, sogar der Käse war auf einmal grün. Der ganze Zauber hat ursprünglich gar nichts mit Amerika zu tun, sondern mit dem Schutzpatron der Iren, St. Patrick. Er soll am 17. März im fünften Jahrhundert gestorben sein, und seitdem wird jedes Jahr am 17. März in Irland dieses Mannes gedacht und er wird mit Straßenumzügen gefeiert. Im 18. Jahrhundert brachten irische Immigrant/innen den Brauch mit nach Amerika und seitdem steht der März auch hier im Zeichen des irischen Nationalhelden – zumindest überall da, wo Amerikaner/innen mit irischen Wurzeln leben – und das sind immerhin knapp 40 Millionen. Irland in New Jersey An vielen Häusern in Morristown hängt zurzeit die irische Fahne (orange, weiß, grün) in trauter Eintracht direkt neben der US-Flagge, viele Leute laufen in grünen Klamotten herum und unsere Nachbarn/innen fragen sich am bus stop gegenseitig: „Are you Irish?“ Es ist sehr sympathisch zu sehen, dass trotz unerschütterlichem Patriotismus eine andere Nationalität hier fröhlich von vielen gefeiert wird – ein neuer Blick aufs Land für mich. Übrigens färben sie in Chicago gleich den ganzen Fluss grün ein! Und wie wohl ein grünes Bier so schmeckt? Ich hab’s nicht ausprobiert und bin stattdessen beim örtlichen 5-km-St. Patrick-Lauf mitgelaufen – beim Start gab´s für alle Läufer/innen ein T-Shirt mit grünem dreiblättrigem Kleeblatt drauf. Ostern dagegen ist hier Nebensache, man sieht kaum easter bunnies oder Ostereier in den Läden. Man muss schon selbst dran denken, sonst könnte man es glatt verpassen. Wir hatten gerade eine Woche spring break (Frühjahrsferien) und morgen, Ostermontag, geht’s für uns alle schon wieder zurück in den Alltag – Schule, preschool, Arbeiten – ungewohnt und komisch.
„Welcome to the neighborhood“ – unsere Einweihungsparty
Unsere housewarming party Anfang Februar war ein voller Erfolg. Wir hatten das Haus (bzw. die Küche) voll mit Jennifers, Dicks und Bobs. Und obwohl so eine Einladung wohl unüblich ist in Amerika, haben uns dennoch alle herzlich willkommen geheißen und uns mit guten Tipps versorgt. Sie haben das selbstgemachte Essen gelobt, allem voran das Knäckebrot meiner Mutter. Bemerkenswert, dass fast jeder neben Geschenken auch noch eine Karte zur Begrüßung geschrieben hat, auf der er oder sie uns ihre Hilfe anbietet und direkt die Telefonnummern dazu geschrieben hat. Das Eis ist gebrochen. Und wenn ich jetzt mit den Kindern draußen auf der Einfahrt spiele, dann winken uns die Leute fröhlich aus ihren Autos zu.