Marc und ich besuchen die neueröffnete 9/11-Gedenkstätte Empty Sky im Liberty State Park in New Jersey. Sie liegt direkt gegenüber dem Ground Zero, dazwischen ist nur der Hudson River. Das Memorial besteht aus zwei Stahlwänden (ca. neun Meter hoch und 63 Meter lang), die die eingestürzten Twin Towers symbolisieren sollen. Alle Namen der 746 Opfer aus New Jersey (von 9/11 und von dem Angriff im Jahr 1993 auf das WTC) sind in die Wände eingraviert. Der Name „Empty Sky“ basiert auf dem gleichnamigen Song von Bruce Springsteen aus dem Jahr 2002, in dem er den leeren Himmel in NYC beklagt, wo einst das WTC stand. Unmittelbar vor der Empty Sky-Gedenkstätte sind zwei Teile der verbogenen Stahlträger aus den zerstörten Twin Towers angebracht – dort werden Blumen, Flaggen und kleine Nachrichten niedergelegt. Wir sind erst am späten Abend da – daher ist es dunkel und wir sind fast alleine.
… und am Ende die Kultur
Die Liberty Bell ist die Glocke, die geläutet wurde, als 1776 die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung in Philadelphia zum ersten Mal auf dem Independence Square (Unabhängigkeitsplatz) in der Öffentlichkeit verlesen wurde. Paul wundert sich, dass die Glocke „kaputt“ ist. Stimmt, sie hat einen Riss, weswegen sie heute nicht mehr läuten kann – trotzdem gehört sie zum Weltkulturerbe der UNESCO. Wir gucken uns noch die Independence Hall von außen an – den Ort, an dem die „Declaration of Independence“ unterschrieben wurde – und dann geht es ab nach Hause. Ein Wochenende ganz nach meinem Geschmack – leckeres amerikanisches Essen, Sport und ein bisschen Kultur zum Schluss. Die Kinder sitzen jetzt auch soweit fest im Sattel, dass wir nun endlich damit anfangen können, das Land zu erkunden und Eindrücke mitzunehmen. Es hat ihnen, soweit ich das sehe, auch ganz gut gefallen.
Ausflug Martin Guitar Fabrik
Wir fahren nach Pennsylvania zum weltbekannten Gitarrenbauer „Martin & Co“. Hier werden hochwertige Gitarren von Hand gefertigt, und bei der Tour kann man den Mitarbeiter/innen bei jedem Arbeitsschritt über die Schulter gucken. Jede Gitarre erfordert 300 Arbeitsschritte, und insgesamt dauert der Fertigungsprozess 40 Tage pro Gitarre. Jeden Tag werden ungefähr 340 Gitarren fertiggestellt. Es wird gesägt, gehobelt, geleimt, geformt (handbending), verziert, lackiert … teilweise arbeiten sie wirklich mit sehr einfachen Mitteln, z. B. mit Wäscheklammern als Klemmen. Wir lernen jede Menge über die Bedeutung des Holz und auch, dass am Ende jede Gitarre hier durch echte Profis überprüft wird. Was nicht 1a-Qualität hat, verlässt das Lager nicht, sondern wird entweder repariert oder eingestampft. Gegründet wurde das Unternehmen 1833 übrigens von einem deutschen Emigranten namens Christian Friedrich Martin.
Mein ganz persönlicher Schatz
Aber das Beste kommt am nächsten Tag. Der Tipp von unserem asiatisch aussehenden, amerikanischen Touristenführer, der zu unserer totalen Überraschung mit muttersprachlichem Deutsch in ein Gespräch zwischen Marc und mir einsteigt (sein Vater war in Deutschland stationiert): In den nationalen Archiven kann man sich kostenlos eine Sammlung an historischen Dokumenten der Unabhängigkeit der USA anschauen. In imposanten halbrunden Gewölbehallen liegen die drei „Charters of Freedom“ nebeneinander in prunkvollen Schaukästen: „Declaration of Independence“ (1776), die „US Constitution“ (1787) und „The Bill of Rights“ (1789), im Halbdunkeln und Eiskalten und im Edelgas Argon gelagert. Hier ist nichts „hands-on“: Nicht zum Anfassen, nicht zum Riechen, nicht zum Fotografieren, aber doch wohl zum Lesen und nicht weniger beeindruckend. Ich weiß sofort, wo ich hinwill: Es ist schon ein besonderer Moment für mich, eine ca. 60 x 80 Zentimeter große Original-Urkunde der Unabhängigkeitserklärung aus dem Jahr 1776 vor mir zu haben. Das Lesen fällt nicht gerade leicht: Eine Zeile ist 60 Zentimeter lang, die Schrift recht klein und verschnörkelt und in den letzten knapp 230 Jahren fast komplett verblichen (das dicke Panzerglas macht die Sache auch nicht gerade leichter). Trotzdem: Ich lehne mich auf den Schaukasten und suche die Zeilen mit meinem Finger ab. Und dann finde ich doch tatsächlich den Satz, den ich auswendig kenne und den ich schon so oft als Papierarbeitsblatt an meine Schulkinder ausgeteilt habe: „We hold these truths to be self-evident that all men are created equal, that they are endowed by their creator with certain unalienable rights, that among these are life, liberty and the pursuit of happiness …“ Das steht echt da, Wort für Wort! Auf Deutsch wäre das so ungefähr: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, dass zu diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehören.“ Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, maßgeblich verfasst von Thomas Jefferson, ist das erste offizielle Dokument, das allgemeine Menschenrechte postuliert hat. Sie ist bis heute unübertroffen als Signal, wenn es um die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Volkssouveränität geht. Ich bin jedenfalls …
Trip nach New York
Direkt am Tag nach ihrer Ankunft fahren Vitoria und ich nach NYC. Ich habe da ja auch Nachholbedarf, weil mir noch so einiges an Sehenswürdigkeiten auf meiner Liste fehlt: MoMa Besuch im Museum of Modern Art (kurz MoMa): Ich habe leider (noch) keine große Ahnung von Kunst, aber wir beide arbeiten uns von oben bis unten mit dem “Audio Guide” durch. Dieser kleine Apparat gibt zu bestimmten Bildern Informationen, und es ist wirklich interessant. Was mich am meisten überrascht, ist, dass man da einfach so an Originalen von Picasso und Co. vorbeilaufen kann, ohne dass sie irgendwie hinter Glas wären: Wenn man die Hand ausstreckt, kann man sie einfach so berühren und ggf. auch Unheil anrichten. Bei dem Sicherheitstick, den die hier ansonsten haben, wundert mich das schon. Dinner im Grimaldi’s Das „Grimaldi’s“ ist eine bekannte “coal brick-oven Pizzeria”, zu der wir von Manhattan nach Brooklyn rüberfahren und über eine Stunde in der Schlange am Einlass stehen. Abgesehen davon, dass hier schon viele Berühmtheiten eingekehrt sind, soll es die beste Pizza in ganz NYC geben – na, mal sehen. Ziemlich verfroren und hungrig sind wir dann irgendwann tatsächlich drin: Es ist gemütlich eng, ziemlich italienisch vom Design (rot-weiß-karierte Tischdecken) und die Stimmung ist ausgelassen (alle sind wahrscheinlich froh, dass sie endlich drin sind 🙂 ). Auch wir schielen ab und zu nach draußen auf die Wartenden (die Armen!). Die Tische sind so klein und die Pizzen so groß, dass es irgendwie nicht so ganz zusammenpasst. Und: Ja, die Pizza war lecker, aber nicht umwerfend, und eine war sogar viel zu salzig. Fazit: Es war ein Erlebnis, aber weniger der kulinarischen Art. Wenn ich das noch mal mache, dann nur in einer lauen Sommernacht, wo man die sympathische “Brooklyn-Stimmung” und den Blick auf Manhattan so richtig genießen kann, egal wie lange man sich die Beine in den Bauch steht.
Besuch in Washington D.C.
Wir nutzen das lange Wochenende, um uns das Ganze selbst aus nächster Nähe anzuschauen, und so wird ein Stück amerikanischer Zeitgeschichte für uns ein wenig lebendiger: Marc fährt mit Ole und Tim nach Washington D.C. Tim arbeitet gerade für die Schule an einer Präsentation über Martin Luther King (Thema: „My famous African-American person“ – wir haben gerade den „Black History Month“). Sie besuchen dort das Lincoln Memorial, wo Martin Luther King 1963 seine legendäre Rede „I have a dream“ gehalten hat – da kann man Geschichte endlich mal anfassen. Schon gewusst? Warum ist der Februar der „Black History Month“?
Black History Month
Der Black History Month wird in Kanada und in den Vereinigten Staaten immer im Februar gefeiert. Der Vorläufer für diesen Gedenkmonat war die „Negro History Week“, die 1926 von dem schwarzen Historiker C. Woodson ins Leben gerufen wurde, um auf den Beitrag der schwarzen Bevölkerung zur Geschichte ihres Landes aufmerksam zu machen. Seine Absicht damals war es, dass die Geschichte und Traditionen der Afroamerikaner überhaupt erst einmal Unterrichtsgegenstand in den öffentlichen Schulen wurden. Bis dahin wurden Schwarze in den Geschichtsbüchern nur wegen ihres niedrigen sozialen Status genannt. Es gibt immer wieder Kritik am „Black History Month“: Manche finden es rassistisch, dass nur die „black race“ einen speziellen Monat hat, andere wiederum finden diskriminierend, dass schwarze Geschichte nur in einem Monat bearbeitet wird und nicht integrativ in die USA-Geschichte über das ganz Jahr hinweg („Black history is American history.“).
Einlass zur Krone
An unserem 21. Jahrestag besuchen Marc und ich mit Theo und Tim die Freiheitsstatue auf „Liberty Island“ im New York Harbor. Wir haben bereits vor Monaten sogenannte „ crown tickets“ gebucht, die uns den Einlass bis zur Krone ermöglichen – die sind limitiert auf ca. 200 Leute pro Tag. Bisher hatte ich die „Liberty Enlightening the World“ (so ihr „voller“ Name) nur aus dem Auto auf unseren Fahrten nach NYC gesehen – ihre leuchtend goldene Fackel ist schon von Weitem zu entdecken, aber sie wirkte etwas verloren vor der übermächtigen Manhattan-Skyline. Aber heute dürfen wir ihre wahre äußere und innere Größe aus nächster Nähe bewundern. Nach zwei Sicherheitskontrollen und einer Fährfahrt sind wir drin im Innern der Freiheitsstatue. Wir steigen mit einer Gruppe von 15 Leuten und einem Ranger die 354 Stufen über ziemlich enge, steile Wendeltreppen hinauf, bis wir ganz oben in der Krone angekommen sind (nichts für Leute mit Höhenangst oder Klaustrophobie!). Dort hört man den Wind pfeifen und alles schwankt, wackelt und quietscht ein bisschen. Der Ranger ist einfach umwerfend nett, erzählt uns verschiedene Anekdoten zur Entstehung der Statue, und man merkt ihm richtig an, dass sein Herz für seinen Job bzw. für dieses Wahrzeichen schlägt. Während die Jungs nicht genug vom Blick nach draußen bekommen können und Marc von der inneren Stahlkonstruktion total begeistert ist, zieht mich ihre Unmittelbarkeit in den Bann – wir sehen ihre Gesichtszüge von innen, können ihre Haare und ihr Gewand anfassen, wir gucken ihr quasi über die Schulter auf die Tafel in der linken Hand (auf der das Datum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung in lateinischen Zahlen geschrieben steht: July IV, MDCCLXXVI.) Und ich kann mir nicht verkneifen, einmal an ihr zu riechen. Es packt einen schon die Ehrfurcht, wenn man auf einmal mitten im Innersten des Symbols der USA steht, das man schon unzählige Male abgedruckt und im Fernsehen gesehen und verinnerlicht hat. Auch die historische Seite dieses Freiheitszeichens, das die unzähligen Immigrant/innen nach einer oft beschwerlichen Seereise bei ihrer Ankunft auf Ellis Island im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ begrüßte, wird einem in einem solchen Moment gegenwärtig. Seit 125 Jahren steht …
Family Bits and Pieces März 2011
Dr. Seuss‘ Geburtstag Der ganz bekannte, mittlerweile verstorbene Kinderbuchautor Theodor Seuss Geisel alias Dr. Seuss hat fantasievolle Geschichten mit einfachen Silbenkombinationen geschrieben. Warum ist das so erwähnenswert? Weil hier einfach jedes (!) Kind ab zwei Jahren diesen Mann und seine Bücher kennt und mit ihnen lesen lernt – ich habe mich letztes Jahr ganz schön blamiert, weil ich noch nie etwas von ihm gehört hatte. An seinem Geburtstag laufen viele der jüngeren Kids mit einem riesengroßen rot-weiß-gestreiften Hut herum. Wenn ihr das Buch „The Cat in the Hat“ googelt, wisst ihr warum. 🙂
Ausflug zum „Edison Lab“
Thomas Edison (1847-1931) war ein amerikanischer Erfinder, der viele bedeutende Entdeckungen auf dem Gebiet der Elektrizität gemacht hat. Eins seiner Labore liegt direkt hier um die Ecke, und Theos Klasse macht einen Ausflug dorthin. Ich konnte als Begleitperson mit. Die erste praktisch nutzbare Glühbirne (nicht jedoch die erste überhaupt) hat Edison in jahrelanger Arbeit entwickelt. Im September 1882 gingen zum allerersten Mal in Lower Manhattan die Lichter an – das war der Anfang des Elektrozeitalters. Weitere Erfindungen Edisons: Der Phonograph, die erste Maschine, die Geräusche bzw. Musik aufzeichnete und abspielte, gespeichert auf einer Zinnfolie. Edison war also der erste Mensch, der eine Aufzeichnung seiner eigenen Stimme hörte! Beim Museumsbesuch durften wir Musik lauschen, die vor 130 Jahren aufgezeichnet worden war – einfach beeindruckend und krass.