Jetzt leider die negative Nachricht: Der kindergarten ist eben kein „Kinder“garten, sondern eine unverkennbar amerikanische preschool und unsere Kinder verhalten sich auch nach drei Monaten immer noch ziemlich deutsch: Jeden Morgen erregen wir Aufsehen, wenn Ole nicht mit seiner „inside voice“ – also leise – spricht, sondern laut ruft, und Paul nicht mit „walking feet“ – also langsam – den Raum betritt, sondern eher hereinstürmt. Die Kids lernen Zahlen und Buchstaben, Schreiben und erstes Rechnen – selbst die Jüngsten müssen zuerst ihren Namen oder Anfangsbuchstaben auf das Blatt „schreiben“, bevor sie losmalen dürfen. Es herrscht absolute Disziplin: Gerenne, Geschubse, lautes Reden und Drängeln sind tabu. Absolut keine Toleranz – zero-tolerance policy – bei körperlichen Auseinandersetzungen. Wer haut und schlägt, für den heißt es: ab nach Hause! Wie gut, dass Ole und Paul sich gegenseitig zum Knuffen und Kneifen haben! Und weil sie Geschwister sind, sehen sie es dann nicht so eng … Viele Kinder sitzen in einem kleinen Raum (in „unserer“ Gruppe sind 25 Kids). Sie haben kaum Bewegung – drei Stunden heißt es am Platz arbeiten, erst dann 20 Minuten raus, ganz zum Schluss. Es gibt nur einen kleinen, sehr sterilen Spielplatz ohne Sand. Stattdessen liegen „woodchips“, eine Art Rindenmulch, unter den Geräten. Ist grässlich und stinkt schimmelig … Hausschuhe und Buddelsachen gibt es gar nicht. Außerdem herrscht eine übertrieben penible Hygiene: Nach dem Händewaschen müssen die Kinder auch noch Desinfektionsspray benutzen! Eins ist immerhin tröstlich: Es gibt Tageslicht im Klassenraum! Viele der anderen preschools, die ich mir angeguckt habe, liegen tatsächlich im Keller von Kirchen – entweder mit Kellerfenstern oder sogar nur mit künstlicher Beleuchtung. Das scheint hier ziemlich verbreitet und vollkommen akzeptiert zu sein.
„Teddy and me“ – die preschool
Für Ole (4) geht es los mit der preschool „Teddy and me“ – mit mir im Schlepptau, denn er versteht ja kein einziges Wort Englisch bis jetzt. Der Name ist reiner Euphemismus: Hier geht es nicht ums Spielen, sondern es herrschen Zucht und Ordnung. Seine Lehrerin Miss Sandy konnte sich am ersten Tag kaum ein Lächeln abringen und es gibt eine strikte Einteilung des Vier-Stunden-Tages in halbstündige Intervalle (puzzles, free play, toilet, snack, work in progress…). Die Lehrerin gibt kurz an, was ansteht – „now puzzles, please“ – die Kids folgen ohne zu murren, unheimlich diszipliniert! Beim work in progress kommt der preschool-Charakter dann richtig raus: Die Kinder buchstabieren ihre Vor- und Nachnamen, nennen Farbbezeichnungen (nicht „green“, nein „limegreen“!, usw.), sie benennen Formen, die ich noch nicht mal im Deutschen kenne (was ist bitte der deutsche Begriff für ein „curvilinear triangle“? :-)). Das Spielzeug ist eher ramschig, keine Spur von schönen dicken Bauklötzen. Beim gemeinsamen Aufräumen am Ende singen alle aus einer Kehle: „Clean up, clean up, everybody, everywhere. Clean up, clean up, everybody do your share.“ Drill statt Spiel Mein Eindruck im Moment: Hier in den USA hört die „unbeschwerte Kindheit“ mit vier Jahren auf, ab dann wird es ernst. Die Kleinen werden echt gedrillt! Und wehe, einer rutscht auf seinem Popo hin und her! Dann gibt es eine kurze, scharfe Ermahnung und Ende. Körperkontakt zwischen Erzieherin und Kindern habe ich bisher kein einziges Mal gesehen. Und was mich besonders stört: Es gibt niemals eine freundliche Ansprache, sondern es herrscht die ganze Zeit eher ein Kasernenton – das finde ich am schlimmsten. Ich habe beschlossen, mir in den nächsten Tagen noch andere preschools anzusehen. Ole lässt sich von all dem nicht beeindrucken, er geht morgen den dritten Tag hin (dann alleine) und ist bis jetzt zufrieden. Die „Kaserne“ kostet übrigens über 800 Dollar im Monat! Im Vergleich dazu war unser Kindergarten in Deutschland fast geschenkt …