Nachwehen von Irene

In den Geschäften ist Hurricane Irene übrigens immer noch Thema – man hört es im Vorübergehen. Oft geht es ums Geld, das heißt die Kosten für die Renovierungen. Manche fühlen sich von den Versicherungen über den Tisch gezogen und müssen fünfstellige Beträge aus eigener Tasche bezahlen. Auch der Schulstart muss um einen Tag verschoben werden „due to power outages and storm damage recovery“ (wegen Stromausfall und Sturmschäden) – die restlichen Schäden vom hurricane müssen noch beseitigt werden. In Theos Schule sind Aula, Sporthalle und Cafeteria komplett renovierungsbedürftig, da sie voll Wasser gelaufen waren.

Gelöbnisse

Das Gute: Wir starten mit komplett anderen Vorzeichen als letztes Jahr: Damals gab es noch Chaos und viele Fragezeichen, ob wir wirklich hier bleiben – dieses Jahr läuft alles fast wie am Schnürchen, selbst Ole startet mit Routine und bleibt bis drei Uhr nachmittags in der preschool. Vitoria hat die „school-snack-Produktion“ fest im Griff und wir fräsen uns recht routiniert durch den „paperwork“-Berg von Schulen und preschool. Sogar das „Gelöbnis auf die Parkregeln“ unterschreibe ich recht gelassen: „I agree to abide by the following special parking rules and regulations, which may be modified from time to time: 1) During the hours of picking up and dropping off my child, I will park my motor vehicle only in the areas stipulated in the Parent Handbook. 2) I will exercise appropriate caution when entering, driving in, and exiting the parking lot. 3) I will not park … 4) I will not …“ “Ich stimme zu, mich an folgende besonderen Parkregeln und Parkvorschriften zu halten, welche von Zeit zu Zeit verändert werden können: 1) Während der Zeit des Abholens und Ablieferns meines Kindes werde ich mein Auto nur in den Bereichen parken, die im Elternhandbuch festgeschrieben sind. 2) Ich werde mit Vorsicht handeln, wenn ich auf den Parkplatz, ihn überquere und ihn verlasse 3) Ich werde nicht parken … 4) Ich werde nicht …“ An dieser Stelle: Gelöbnisse (pledges) sind hier an der Tagesordnung – selbst die „Officer of Customs and Border Protection“ (die misstrauischen Officer bei der Einreise) legen einen „pledge to our visitors“ ab, wie z. B. dass sie geloben, die Gäste mit Freundlichkeit und Respekt zu behandeln (so steht es an ihren Kabinen). Und auch der IPM Coordinator („Integrated Pest Management Coordinator“ – der „integrierte Schädlingsmanagement-Koordinator“) ist ernannt und kommt wieder in Schule und preschool vorbei – na dann frohes Pestizid-Versprühen … Der „Honeymoon“ nach der Rückkehr der Kinder (ich war ja zwei Wochen vor ihnen nach New Jersey zurückgekommen) ist jetzt übrigens endgültig vorbei. Mama gehört wieder fest zum Inventar, die Zeit der üppigen Liebesbekundungen ist abgelaufen. Jetzt heißt es „getting back into the groove“ – wieder in den …

Ein „gegen-Schikane-Gesetz“

Außerdem gibt es bei uns in NJ seit dem 1. September ein neues Anti-Bullying Gesetz, das den Umgang mit Mobbingaktionen an jeder öffentlichen Schule in NJ eindeutig regelt und verschärft. Auslöser für diese Verschärfung war der Selbstmord eines Collegestudenten letztes Jahr, der übers Internet von seinem Mitbewohner mit einem privaten Film bloßgestellt worden war. Ab jetzt können Schulkinder, die z. B. in der Mittagspause schikaniert werden, die Namen der bullies anonym bei der „Crime Stopper Hotline“ der Polizei angeben. Und alle Schüler/innen lernen in speziellen Kursen, dass es z. B. keine unschuldigen „bystanders“ gibt, sondern dass alle die Pflicht haben, „Psychoterror“ gegenüber Mitschüler/innen zu stoppen. Theo und Tim haben beide schon mit den Kursen in der Schule angefangen. Das Thema geht groß durch die Presse: „Bullying law puts New Jersey Schools on Spot“ (das neue Anti-Mobbing Gesetz bringt Schulen in New Jersey in Zugzwang) (Wall Street Journal, Sept. 2011). Alle, von den Direktor/innen bis zur Caféteria-Hilfe, werden in diesem Bereich fortgebildet. Außerdem muss jede Schule Anti-Bullying-Spezialist/innen benennen (pro Schule eine Person, meist eine Lehrkraft), die innerhalb von 24 Stunden einen detaillierten Bericht über alle Beschwerden schreiben müssen. Die Begeisterung hält sich in Grenzen, weil die Schulen sich überrumpelt fühlen und weil sie fürchten, dass es nun noch mehr Beschwerden geben wird, die sie kaum bewältigen können.   Eltern und Schulkinder, also auch Theo und Tim, müssen ein umfassendes, 18seitiges Anti-Mobbing Regelwerk lesen und unterschreiben. Außerdem werden sie in einem speziellen Programm geschult (u. a. lernen sie die Unterschiede zwischen normalen Konflikten und Mobbing kennen, Ich-Botschaften senden, die Rolle der „bystanders“ (sollen immer was sagen), „telling vs tattling“ (also den Unterschied von „etwas sagen und petzen“). Hört sich doch spannend an. Ist davon eigentlich schon etwas in Deutschland angekommen? Weiter unten gibt es ein Schulquiz zu diesem Thema – testet doch mal, wie fit ihr in diesem Bereich seid!   Schon gewusst? Was steckt hinter den Feiertagen „Rosh Hashanah“ (29. September) und „Jom Kippur“ (9. Oktober) ?

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Rosh Hashana und Jom Kippur – jüdische Feiertage

Die Schule hat kaum angefangen, da gibt es Ende September direkt einen Tag schulfrei – es ist Rosh Hashanah, der jüdische Neujahrstag. Ab Rosh Hashanah beginnen die „Zehn ehrfurchtsvollen Tage“ oder „Zehn Tage der Umkehr“. Die rabbinische Literatur beschreibt diesen Tag als einen Tag des Gerichts. Einige Texte schildern Gott als auf einem Thron sitzend, wobei Bücher mit den Taten aller Menschen offen vor ihm liegen. Es folgt eine zehntägige Periode der Reue und Buße, während der die Gläubigen ihre Sünden abschütteln. Zum Abschluss gibt es eine 25stündige Fastenzeit, die dem höchsten Feiertag der jüdischen Religion, Jom Kippur, dem Tag der Versöhnung, unmittelbar vorausgeht. In Israel steht das Leben an Jom Kippur still (Flughäfen und Grenzen sind geschlossen, Radio- und Fernsehstationen senden nicht, es gibt keine Autos auf den Straßen).   In Morristown merken wir von Jom Kippur im Alltagsleben nicht viel, auch wenn fünf Prozent der Bevölkerung in New Jersey jüdisch sind. Hier bei uns im Morris School District ist es so geregelt, dass an Rosh Hashanah (29. September) und an Jom Kippur (9. Oktober) die Schulen geschlossen bleiben – und die Kinder freuen sich natürlich darüber. Es gibt aber auch Stimmen, die diese Praxis nicht gerecht finden – religiöse Feste hätten in der Schule generell keinen Platz. Sie beschweren sich, wenn an „Rosh Hashana“ keine Schule ist. Warum darf man dann nicht „Easter break“ sagen, sondern darf es nur neutral „spring break“ nennen? Und warum gibt es dann, bitteschön, nicht am chinesischen Neujahrstag (im Februar) auch einen freien Schultag? Für uns ist das alles total neu, und ich habe Probleme, mir zu merken, welcher Feiertag was bedeutet. Daher hier nun ein kleiner Tipp zu Rosh Hashanah: Manche sagen, dass die in Deutschland übliche Neujahrs-Redewendung „Guten Rutsch!“ hebräische Wurzeln habe. Der gute Rutsch sei wohl eher als guter „Rosch“ des Jahres, der Neujahrsanfang, zu verstehen. Andere zweifeln das wiederum an – ist aber egal, denn über diese Eselbücke kann ich mir gut merken, dass „Rosh Hashana“ der „Rutsch“ ins Neue Jahr ist, also das jüdische Neujahr.

School affairs

Paul (4) ist weiterhin in der preschool, bleibt aber jetzt auch bis 15 Uhr da und will oft gar nicht abgeholt werden. Er arbeitet mit Begeisterung an bunten Perlenketten und legt damit das Einmaleins – verrückt, er ist voll bei der Sache.   „I’m a kindergartener now“, erzählt Ole (6) die ganze Zeit super stolz. Die Kindergartenklasse ist die heilige Kuh der ganzen Montessori-preschool. Viele Eltern erwarten, dass die Lehrerin das erreicht, was der preschool-Newsletter verspricht: (…) „by the age of five, most Montessori children will begin to read, and many, having mastered addition and substraction, will be introduced to multiplication and division …“ Steht Multiplikation in Deutschland nicht erst im zweiten Schuljahr an? Unsere klare Ansage an die preschool lautet daher: „We don’t care if he learns to read this year!!!“ Hauptsache Ole bleibt in seiner Komfortzone. Abwarten. Tim (7) ist jetzt im zweiten Schuljahr, übt fleißig lesen und schreiben und trifft seinen „alten“ Freund Deepak aus dem „Kindergarten-Jahr“ wieder.   Theo (9) ist Viertklässler und hat Glück und Unglück zugleich. Er ist super happy, dass er dieses Schuljahr mit seinen zwei besten Freunden in eine Klasse gekommen ist. Und er kommt in die „advanced math class“ – ab dem vierten Schuljahr werden also die Kinder schon nach Fähigkeiten getrennt. Aber er bekommt auch die Folgen vom hurricane zu spüren: Cafeteria und Turnhalle seiner Schule sind eine Baustelle nach der Überschwemmung. Die Konsequenzen: Auf dem Speiseplan stehen „until further notice“ vier Mal pro Woche Truthahnbrötchen mit Salatblatt, ein Mal Thunfischbrötchen mit Salatblatt alternativ zu PBJ (Peanut-Butter-Jelly-Sandwich). Arme Kids, die das für die nächsten Wochen essen müssen. Lunchbreak und Sport gibt es bis auf Weiteres nur noch im Klassenraum (Wie soll das gehen? Wie wird Theo diesen Bewegungsmangel aushalten? Machen die dann nur „cup staking“ beim Sport, oder was?).

Vier Mal Back-to-School Nights

Der typische amerikanische Elternabend an den Grundschulen läuft so ab: Rede Zu Beginn gibt es die Rede der neuen Schulleiterin an die gesamte Elternschaft: zuckersüß, unterhaltsam und knallhart – ein typisch amerikanischer Mix: „Thank you … thank you … our great/gifted pupils/talented students, our wonderful/fabulous/hard-working teachers … einige Witze eingestreut als Anekdoten … I´m honored … I`m proud … privileged. Never! … Ever! … This policy will be strictly enforced“ … Do not under no circumstances … (z. T. unsinnige Sicherheitsregeln), I already fell in love with this school. Thank you … Thank you …“ Uauh! In Amerika wissen wirklich alle, sich und ihre Arbeit zu präsentieren – ist ja auch okay. Von den Lobeshymnen auf ihre Lehrer/innen könnten sich deutsche Schulleiter/innen etwas abgucken – ein bisschen Lob hat noch niemandem geschadet (auch deutsche Lehrkräfte haben eine Seele!). „Love note“ Anschließend geht es in die Klassenräume der Kinder. In Tims Klasse finden die Eltern auf dem Platz ihres Kindes eine „love note“ – einen kleinen Brief an uns geschrieben (finde ich eine schöne Sache). Anschließend wird das akademische Programm für das kommende Schuljahr per Powerpoint-Präsentation vorgestellt. Class moms Der Tagesordnungspunkt „Wahl des Klassenpflegschaftsvorsitzenden“, wie ich ihn aus der deutschen Schule kenne, entfällt hier komplett. Eine offiziell demokratisch gewählte Elternvertretung gibt es nicht. Aber einige Mütter stellen sich als sogenannte „class mom“ zur Verfügung. Die Regeln, wer bei mehreren Mitstreiterinnen das Rennen macht, habe ich nicht verstanden – schien aber eher gekungelt zu sein. Es scheint vornehmlich um die Unterstützung der Lehrerin bei organisatorischen Aufgaben zu gehen, also z. B. um das Begleiten der Klasse bei Klassenausflügen u. ä. (von einem „class dad“ habe ich noch nie gehört – wie ungerecht).

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Irene aus Kinderaugen

Hier nun ein Brief meiner Schülerin Malin (12 Jahre) an eine Freundin in Deutschland, in dem sie über ihre „Irene-Erlebnisse“ berichtet (das hatte ich meinen Schulkindern an der deutschen Schule als Hausaufgabe aufgegeben – nur die Rechtschreibung ist korrigiert). Morris Plains, 30. September 2011 Hallo Annika, wie geht es dir? Mir geht es sehr gut. In diesem Brief will ich dir alles über den Hurrikan Irene erzählen, der vor einem Monat uns erwischt hat. Ich habe dir ja gesagt, dass ich dir alles ganz gründlich erzählen werde. Erst mal werde ich dir ein paar Infos über den Hurrikan schreiben. Der Hurrikan, der am 20. August entstanden ist und sich am 29. August aufgelöst hat, hieß Irene. Irene war ein Kategorie-3-Hurrikan. Das ist schon ganz schön stark. Er gibt nämlich fünf Kategorien. Eins ist die schwächste und fünf die stärkste. Später wurde Irene runtergestuft zu einem Kategorie-1-Hurrikan. Dieser Hurrikan ist auch der erste seit 1903, der diese Gegend so stark trifft. Wir haben uns natürlich ganz gut auf den Hurrikan vorbereitet. Als erstes sind wir einkaufen gegangen und haben wichtige Lebensmittel und andere Sachen gekauft. Als wir in einem Supermarkt waren, da haben wir festgestellt, dass viele Sachen schon ausverkauft waren. Zum Beispiel gab es kein Wasser, keine Milch, und Brot gab es auch nicht mehr viel. Glücklicherweise haben wir die letzte Packung Streichhölzer kriegen können. Die Generatoren waren auch alle ausverkauft und an den Tankstellen waren lange Schlangen. Zuhause haben wir alle Taschenlampen und Kerzen zusammengesucht für den Fall, dass wir Stromausfall haben. Draußen haben wir alle Sachen, die wegfliegen können, reingestellt. Irene hat uns in der Nacht vom 26. auf den 27. August getroffen. Das war von Samstag auf Sonntag. Der Wind hat stark geweht und es war sehr laut. Ich bin zum Glück nicht in der Nacht aufgewacht, nämlich dann hätte ich bestimmt nicht mehr einschlafen können. Als ich dann morgens aufgewacht bin, habe ich festgestellt, dass wir Stromausfall hatten. Die betroffenen Gebiete vom Hurrikan Irene waren die Kleinen Antillen, Puerto Rico, Bahamas, Dominikanische Republik und die Ostküste der Vereinigten Staaten. Der Hurrikan hat ganz schön viele Schäden …

Unser autofreier Schulweg

Paul beschwert sich, dass er immer noch kein Taschengeld bekommt. Er macht in der preschool fleißig bei „show and tell“ mit – so einer Art Sitzkreis, wo die Kinder von zuhause mitgebrachte Dinge zeigen können, die ihnen am Herzen liegen. Und er wird mir gegenüber manchmal etwas rebellisch: „Du hast mir nichts sagen. Der Papa ist in unserem Haus der Sir“! Wo hat er das nur her? Auf Nachfrage erklärt er mir: „Der Sir ist der, der immer die Wii anmacht.“ Na, mal abwarten.

Theo wird im Juni neun Jahre

Offizielle Regelung an seiner Schule: Kein persönliches Verteilen von Einladungen in der Schule, weil dann die, die keine Einladung bekommen, traurig sind. Und da wir spät dran sind, werfen wir alle seine Geburtstagseinladungen persönlich in die Briefkästen seiner Freunde. Haben wir vor ein paar Monaten noch geschwärmt, dass die Baby-Zeit mit kleinen Schritten vorbei ist, sehen wir bei Theo die nächste Herausforderung am Horizont: Klarer Fall von Vorpubertät.

Von hungrigen Bären, verrückten squirrels und Schildkröten mit Bolzenschnabel. Alles über supersichere Poolpartys mit und ohne Donner und das Phänomen Baseball. Und warum die Kids von Marcs neuem „Auto ohne Dach“ begeistert sind.   Endlich, endlich stehen hier alle Zeichen auf Sommer: Die Laubpuster röhren an allen sieben Wochentagen in den Vorgärten, morgens um neun Uhr sind es oft schon über 30 Grad, in den Fernsehern der Sportsbars und Restaurants laufen rund um die Uhr Baseballspiele (Live-Übertragungen!) und in den Geschäften bricht wie in jedem Jahr die Eiszeit aus. Und wieder mal wird eine neue Generation Amerikaner/innen mit entblößten Speckärmchen und -beinchen ganz nebenbei beim Einkauf abgehärtet 🙂 . Es ist so feucht, dass der frischgekaufte Kaugummi in meiner Tasche nach wenigen Tagen komplett mit dem Papier verklebt. Wie sagen die Leute hier immer so passend? „NJ summer – hazy, hot and humid“. Anfang Juni gibt es sogar einmal hitzefrei für die Jungs: „Early dismissal – HEAT – 6/9/11. Due to extreme weather conditions all schools will operate on a shortened day schedule tomorrow, Thursday, June 9.“