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Pledge of Allegiance und die Stars und Stripes als „gesellschaftlicher Klebstoff“

Über die Allgegenwärtigkeit der amerikanischen Flagge habe ich schon oft genug geschrieben, ebenso über den überwältigenden Stolz, den die Amerikaner/innen für ihr Land empfinden und der einem als Nicht-Amerikaner/in manchmal ganz schön auf die Nerven geht. Und dann ist da auch noch der Fahneneid: Jeden Morgen sprechen etwa 70 Millionen Kinder und Jugendliche – die sich in vielerlei Hinsicht mehr voneinander unterscheiden als viele in Deutschland lebende Kinder – gemeinsam mit Blick auf die amerikanische Flagge den Spruch: „I pledge allegiance to the flag of the United States of America, and to the republic for which it stands, one nation under God, with liberty and justice for all.“ Alle Kids, egal welche Hautfarbe, welche Religion, welche Muttersprache – alle schwören auf die Flagge. In vielen Staaten ist das sogar Pflicht, so auch bei uns in New Jersey! Das ist für unser Empfinden und im Hinblick auf unsere deutsche Geschichte etwas sehr Befremdliches: diese Uniformität, die Pflicht, das Annehmen einer bestimmten Pose (Hand aufs Herz, Blick zur Flagge) von Kindern, das Nachsprechen bzw. Herunterbeten eines nationalen Gelübdes – nein, so etwas kann uns Deutschen nicht so recht schmecken und muss verdächtig wirken.   So funktioniert Gemeinschaft Aber (und das ist ein dickes ABER) vielleicht darf man das nicht mit deutschen Augen sehen, sondern muss es durch die Brille der heterogenen amerikanischen Gesellschaft sehen?! Im Hinblick auf die vielen verschiedenen Komponenten, aus denen sich die amerikanische Gesellschaft zusammensetzt, sind die Amerikaner/innen vielleicht darauf angewiesen, mit verschiedenen Ritualen ein Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln, das stärker ist als die Diversität ihrer Bürger/innen und Bürger, die ja sicherlich auch Fliehkräfte verursacht. Jeder Mensch hat ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit, und es ist wichtig, dass die Menschen hier, die ihre eigene Kultur weiter ausleben, sich auch einem größeren Ganzen zugehörig fühlen und eben nicht nur ihrer ursprünglichen Identität. Ansonsten bestünde sehr schnell die Gefahr, dass das Ganze zerfasert und in viele kleine Einzelteile zerfällt, die dann nicht mehr als Gemeinschaft funktionieren könnten. Da macht es also vielleicht wirklich Sinn, im Interesse der Stabilität der gesamten Nation solche Maßnahmen wie den Fahneneid fest zu „installieren“ und auch zu forcieren, …

„Everybody line up!“

Wenn wir auch nicht mehr anständig über die Straße kommen, so üben wir uns alle dafür mehrfach täglich in einer anderen, in Deutschland ziemlich unbekannten Disziplin: dem gesitteten Anstellen. Ob beim Einsteigen in den Schulbus, beim Bewegen in Schul- oder Kindergartengebäuden, beim Wassertrinken an den „water fountains“ im YMCA, beim Einkaufen oder Abholen der Kinder: „Hinten anstellen“ oder „line up, please“ ist das Motto. Die Amerikaner/innen machen dies mit beeindruckender Disziplin, großer Gelassenheit und absoluter Konsequenz – kein schnelles Vorbeihuschen, kein „Dazustellen“ bei der Freundin, die weiter vorne ist – ab zwei Leuten wird brav angestellt. Es scheint wirklich ein Reflex der Amerikaner zu sein, eine Reihe zu formen und sich hinten anzustellen. Das lernen die Leute hier schon von Kindesbeinen an und selbst die Kleinsten werden, sobald sie mit dickem Windelpopo auf ihren noch wackeligen Beinchen laufen können, von ihren Müttern sofort zurückgepfiffen, wenn sie beim Abholen ihrer Geschwister die Warteschlage „überholen“: „No cutting lines, sweetie.“ Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass die Leute hier per se die (längste) Schlange wählen (in Museen oder beim Autofahren), ohne zu gucken, ob die Schlange denn wirklich dahin führt, wo sie hinwollen – irgendwie fühlen sie sich da wohl sicher.   Aber im Ernst – diese Disziplin macht die vielen alltäglichen Übungen sehr angenehm. Meine ganz frische Erfahrung beim AIDS-Walk: Wir waren mit 45.000 Leuten auf einem Platz versammelt und wurden auf zwei wirklich schmale Wege (zweieinhalb Meter breit) in den Zentralpark geleitet. Und? Alle warteten geduldig, bis sich die Leute bewegten, die vor ihnen standen – Wahnsinn! Keine Spur von Gedränge! Es ist also kein Wunder, dass wir Deutschen – u. a. wohl auch durch unser „rüpelhaftes“ Verhalten in diesem Bereich – hier als „rude“ verschrien sind. Da können wir wirklich noch viel dazulernen. Türen aufhalten gehört hier übrigens auch zum ganz normalen Standard-Programm – wenn ich da an Deutschland denke, wo ich auch mit Kinderwagen so oft die Tür vor der Nase zugeknallt bekommen habe, muss ich zugeben, dass die USA dagegen das Paradies sind. In Morristown haben mir sogar schon etwas skurrile Typen die Tür freundlich aufgehalten, von …

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Mein aktuelles Grübelthema: Kindererziehung

Was mich diesen Monat besonders umtreibt, sind vor allem die Unterschiede in der Kindererziehung, die sich immer klarer im Alltag zeigen und für mich oftmals sehr widersprüchlich sind. Eine gängige Regel: Eltern sollten ihre Kids bis zum Alter von zwölf Jahren nicht alleine zuhause lassen – ein beliebtes Thema unter den deutschen Expats. Es gibt zwar nur in wenigen Staaten wirklich entsprechende Gesetze wie z. B. in Maryland (bis 8) und in Illinois (bis 14), aber die Altersgrenze von zwölf Jahren geistert hier trotzdem überall herum. Sie wird von der Organisation „Safe Kids“ national empfohlen und von Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen als inoffizielle guideline akzeptiert. „Playdates“, also Verabredungen zum Spielen, machen nicht die Kinder, sondern die Eltern – selbst in Theos Alter (und Theo ist 7!). Kleine Kinder dürfen sich keine zwei Meter von den Eltern entfernen, sonst wird man – wie ich neulich – angehupt. Und Paul lief gerade mal drei Meter vor mir auf dem Bürgersteig! Oder aber man bekommt böse Blicke und spitze Kommentare („He was walking down the driveway (Einfahrt) all by himself!“ Ja, mein Gott, aber ich hatte doch alles im Blick! Auch unsere Nachbarin klingelte verstört an der Haustüre, als Paul auf unserer Einfahrt mit Kreide malte, ohne dass ich direkt neben ihm stand! Schulweg? Nur mit den Eltern. Es gibt eine lückenlose Begleitung zur Schule und wieder zurück, Theo und Tim dürfen morgens noch nicht mal allein über unsere Straße zum bus stop gehen und dort allein warten. Ich muss die ganze Zeit mit dabei sein. Und so stehen sich häufig morgens vier Eltern gemeinsam die Beine in den Bauch, bis der Schulbus kommt – kann man das nicht besser verteilen? Es gibt kaum Zugang zu „gefährlichen“ Gegenständen – auch jetzt gerade wieder bei Theos science-project-Anweisungen: Nichts mit Feuer, Glas oder spitzen Gegenständen! Andererseits … … übertragen Eltern und Pädagog/innen viele Einstellungen aus der Erwachsenenwelt auf die Kinder: Zum Beispiel diese Einstellung in der preschool: „It’s not about having fun, it’s about learning and working“ (O-Ton einer der Erzieherinnen). Es gibt einige bierernste Erzieherinnen, die ich gerne einmal durchschütteln und ihnen sagen möchte: …

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„Teddy and me“ – die preschool

Für Ole (4) geht es los mit der preschool „Teddy and me“ – mit mir im Schlepptau, denn er versteht ja kein einziges Wort Englisch bis jetzt. Der Name ist reiner Euphemismus: Hier geht es nicht ums Spielen, sondern es herrschen Zucht und Ordnung. Seine Lehrerin Miss Sandy konnte sich am ersten Tag kaum ein Lächeln abringen und es gibt eine strikte Einteilung des Vier-Stunden-Tages in halbstündige Intervalle (puzzles, free play, toilet, snack, work in progress…). Die Lehrerin gibt kurz an, was ansteht – „now puzzles, please“ – die Kids folgen ohne zu murren, unheimlich diszipliniert! Beim work in progress kommt der preschool-Charakter dann richtig raus: Die Kinder buchstabieren ihre Vor- und Nachnamen, nennen Farbbezeichnungen (nicht „green“, nein „limegreen“!, usw.), sie benennen Formen, die ich noch nicht mal im Deutschen kenne (was ist bitte der deutsche Begriff für ein „curvilinear triangle“? :-)). Das Spielzeug ist eher ramschig, keine Spur von schönen dicken Bauklötzen. Beim gemeinsamen Aufräumen am Ende singen alle aus einer Kehle: „Clean up, clean up, everybody, everywhere. Clean up, clean up, everybody do your share.“   Drill statt Spiel Mein Eindruck im Moment: Hier in den USA hört die „unbeschwerte Kindheit“ mit vier Jahren auf, ab dann wird es ernst. Die Kleinen werden echt gedrillt! Und wehe, einer rutscht auf seinem Popo hin und her! Dann gibt es eine kurze, scharfe Ermahnung und Ende. Körperkontakt zwischen Erzieherin und Kindern habe ich bisher kein einziges Mal gesehen. Und was mich besonders stört: Es gibt niemals eine freundliche Ansprache, sondern es herrscht die ganze Zeit eher ein Kasernenton – das finde ich am schlimmsten. Ich habe beschlossen, mir in den nächsten Tagen noch andere preschools anzusehen. Ole lässt sich von all dem nicht beeindrucken, er geht morgen den dritten Tag hin (dann alleine) und ist bis jetzt zufrieden. Die „Kaserne“ kostet übrigens über 800 Dollar im Monat! Im Vergleich dazu war unser Kindergarten in Deutschland fast geschenkt …