Von hungrigen Bären, verrückten squirrels und Schildkröten mit Bolzenschnabel. Alles über supersichere Poolpartys mit und ohne Donner und das Phänomen Baseball. Und warum die Kids von Marcs neuem „Auto ohne Dach“ begeistert sind. Endlich, endlich stehen hier alle Zeichen auf Sommer: Die Laubpuster röhren an allen sieben Wochentagen in den Vorgärten, morgens um neun Uhr sind es oft schon über 30 Grad, in den Fernsehern der Sportsbars und Restaurants laufen rund um die Uhr Baseballspiele (Live-Übertragungen!) und in den Geschäften bricht wie in jedem Jahr die Eiszeit aus. Und wieder mal wird eine neue Generation Amerikaner/innen mit entblößten Speckärmchen und -beinchen ganz nebenbei beim Einkauf abgehärtet 🙂 . Es ist so feucht, dass der frischgekaufte Kaugummi in meiner Tasche nach wenigen Tagen komplett mit dem Papier verklebt. Wie sagen die Leute hier immer so passend? „NJ summer – hazy, hot and humid“. Anfang Juni gibt es sogar einmal hitzefrei für die Jungs: „Early dismissal – HEAT – 6/9/11. Due to extreme weather conditions all schools will operate on a shortened day schedule tomorrow, Thursday, June 9.“
Alles mellow
Die Stimmung ist gut – mir macht die Hitze viel weniger aus als letztes Jahr, und unsere Spaziergänge nach der Schule sind ein absolutes Highlight. Das Leben vieler Familien findet jetzt auf den „porches“ statt, den etwas höher gelegenen Veranden vor der Haustür, ausgestattet mit Korbmöbeln und Pflanzen. Man grüßt sich – es gibt ja nur selten Zäune um die Gärten – man sieht viele Kinder auf den Spielplätzen, die Leute sind noch besser gelaunt als sonst, und hier und da gibt es eine spontane Einladung zum Eis im Garten der anderen Kinder, die zu Fuß gehen – alles sehr „mellow“, alle in Vorfreude – tut gut!
Man lernt nie aus
In der letzten Zeit gab es wieder einige Premieren: Wir wissen jetzt mehr über die Unterschiede zwischen amerikanischen und deutschen Freibädern („Poolparty für Drittklässler“), haben uns eine eigene Meinung zum Thema „Ist Baseball wirklich so schrecklich langweilig?“ gebildet („Baseballspiel bei den Yankees“) und sind ziemlich wilden Tieren begegnet, von denen einige auf den ersten Blick harmloser aussehen als sie sind, und einige wilder aussehen als gedacht. Außerdem weiß ich jetzt, wieso man in unserem Städtchen niemals in Hundekot von Blindenhunden treten wird („Seeing Eye Dog Tour“) und habe wieder mal dazugelernt, was die Amerikaner/innen unter „FUN“ verstehen.
Eiszeit!
Und um in der Hitze einen kühlen Kopf zu bewahren, geht es jetzt öfter zu „Friendlys“ (eine Restaurantkette hier an der Ostküste, wo es u. a. auch 22 verschiedene Eiscremesorten gibt in Form von Eisbechern, Milkshakes, Softeis und auch als Kugeleis) – da bekommt man für 1,20 Dollar zwei große Kugeln Eis – unser diesjähriger Sommerhit! Nach preschool und camp schreien die Kids oft laut im Auto danach – und klar, wir fahren dort vorbei und ich komme auch noch gut dabei weg, denn mit Automatik im Auto kann man selbst am Steuer das Eis-Essen genießen!
Urkunden und Abschlussfeiern
Die Schule geht Anfang Juni mit großen Schritten auf die Sommerferien zu: Erst gibt es noch den „Art and Science Fair“ an Theos (9) und Tims (7) Schule, und dann bringen die Kinder Unmengen diverser Wimpel in vielen Farben und Größen, Aufnäh-Abzeichen, „awards“ and „certificates“ mit nach Hause – hier gibt es einfach für jede Aktivität eine offizielle Urkunde. Theos „national physical fitness award“ ist sogar vom Präsidenten persönlich unterschrieben! Eins steht fest: So viele Urkunden, wie sie hier in eineinhalb Jahren gesammelt haben, werden die vier in Deutschland für den Rest ihrer Schulzeit nicht mehr zusammenbekommen. Für die Abschlussklassen an der Highschool finden in diesen Wochen die Prom Nights statt (die Abschlussfeiern, kennt man ja aus den Highschool-Filmen). Bei der Pediküre sind die „Graduations“ und die „Pre-Prom Nights“ bei den Moms jedenfalls großes Thema („Oh, I’m freaking out“ – O-Ton einer Mutter), und beim Frisör liegen Blättchen für „Prom Night Specials“ aus (Frisur und Schminken). Bei uns ist aber alles entspannt – wir schliddern langsam in den Sommer rein.
Drittklässler-Poolparty
Theo hat „Poolparty“. Mit anderen Worten: Tagesausflug aller dritten Schuljahre seiner Schule zum Freibad. Die anderen Mütter und ich helfen beim Aufbau des Buffets. Ein amerikanischer Pool ist wie ein deutsches Freibad – aber nur auf den ersten Blick. Klarer Unterschied: Die große Anzahl von „Bademeistern“, hier „lifeguards“ genannt. Das sind meist Highschool-Kids, die wie Schiedsrichter/innen beim Tennis auf erhöhten Sitzen hocken und ihre Köpfe wie beim Ballwechsel rhythmisch hin und her bewegen, die rote Schwimmhilfe unter den Arm geklemmt und allzeit bereit, Leben zu retten. Hier geht niemand unbemerkt unter – im mittelgroßen Pool beobachten einen direkt 6 (ja, SECHS) lifeguards!!! Probeschwimmen mit und ohne Donner Während die freiwilligen Mütter das Essen und die Getränke (Capri-Sonne, Wasser, Popcorn, Cracker, Melonen, Kuchen) organisieren, müssen die Kinder zunächst alle zum Vorschwimmen. Also: Ab in die lange, lange Schlange, und dann schwimmt ein Kind nach dem anderen eine Bahn vor. Die meisten schwimmen von astreinem Kraul bis hin zu wildem Freistil, jeder irgendwie anders. Theos Brustschwimmen kommt schon wieder nicht gut an, der Highschool-lifeguard stoppt ihn („no doggy style!“ – was soll das denn heißen?) und auch er muss nochmal zurück, bekommt noch eine Chance: Theo krault wild los, Wasser spritzt überall – na bitte, zufriedenes Nicken beim lifeguard – er hat bestanden. Ich bin platt: Was soll der Quatsch? Theo ist gut geschwommen beim ersten Mal und hat eindeutig gezeigt, dass er sich koordiniert über Wasser halten konnte – warum soll er dann in diesen doch ziemlich unkoordinierten Kraulstil wie die anderen verfallen? Nach bestandenem Test gibt es ein farbiges Bändchen ums Handgelenk – damit darf er ins tiefe Becken und auch von den Türmen springen. Übrigens gibt es sowohl im Pool als auch bei Fußballspielen draußen die Regel: Wenn es donnert, müssen alle für 30 Minuten aus dem Wasser raus. Die halbe-Stunden-Regel beginnt mit jedem Donnergrollen wieder von neuem und wird absolut pedantisch eingehalten. Nach dem Schwimmtest machen die Kids in den anschließenden Stunden wohl das, was auch deutsche Kids im Freibad machen: Sie quatschen, sitzen auf ihren Badehandtüchern, essen und spielen Ballspiele.
Elf Wochen – unendlich Zeit
Mitte Juni ist dann die Schule vorbei und es gibt Zeugnisse (report cards – alles im grünen Bereich bei uns). Ich muss meinen Alltag jetzt wieder für die nächsten elf Wochen umstellen, aber diesmal fällt es mir leichter. Unmut und Schock sind nicht so groß wie im vergangenen Jahr, und es ist schließlich auch schon wieder der letzte Sommer, den wir hier erleben. Da ist man dann schon milder gestimmt und genießt mehr als dass man schimpft. Zeugnis Theo Zeugnis Tim Das öffentliche Leben „slows down“, die Cafés sind leerer, einige Geschäfte bleiben sonntags geschlossen. Und für viele geht es jetzt in die Sommerhäuser an der Küste, wo es nicht ganz so schwül ist. Die meisten Kinder werden von ihren Eltern wie immer in Sommercamps verfrachtet. Für Ole (5) und Paul (4) bezahlen wir für zwei Wochen Sportcamp à drei Stunden pro Tag beim YMCA knapp 1.000 Dollar – und das ist schon der reduzierte Preis für Mitglieder! Aber davon lassen wir uns die Laune nicht vermiesen …
Das Ferien-Leiden der amerikanischen Moms
Offensichtlich geht es mir diesmal besser als einigen amerikanischen Moms. Eine von ihnen, Samantha Bee, beschreibt sich in einem Artikel im WSJ als „Weary Tiger“ Mom, die schon nach zwei Wochen Ferien am Ende ihrer Kräfte ist: „We are 1,713 minutes in, and so far, I have never worked harder in my life. When is this vacation going to be over?“ Sie fragt sich, wieso im Sommer der Fokus inzwischen auf „enrichment activities and exercises“ liegt, und sie sagt ehrlich: „I just don´t have the energy to dig in and renovate my children into super-intelligent reading cyborgs for the first day of school. I can´t do any more rainy day activities with dry oatmeal in a cardboard box. (…) I simply can’t help but look forward to the fall.“ Ja, genau, immer schön Lesen üben und „fun-filled“ activities across the kitchen table (z. B. Buchstaben aus Nudeln formen) – das sind so die Ansprüche und Vorstellungen von einem gut gelungenen Sommer, zumindest bei (weißen) Mittelklassefamilien. Ohne mich!
Schreck am ersten Ferientag!
Am allerersten Ferientag von Ole und Paul bekommen wir direkt zwei Schrecken hintereinander! Schreck 1: Wir probieren einen neuen Spielplatz aus und treffen auf Morena. (Zur Erinnerung: Das ist unser verflossenes Au-pair und die hatte ich komplett verdrängt. Ihre neue Gastfamilie wohnt wohl in der Nähe des Spielplatzes. Sie hatte uns ja ziemlich in die Pfanne gehauen. Die Untersuchung der Au-pair-Agentur gegen uns ist inzwischen zwar eingestellt, weil einer unserer Gäste unserer Entlastungszeuge war – trotzdem, ich traue ihr keinen Meter über den Weg). Wie auch immer: Ole und Paul sind total aus dem Häuschen, freuen sich und kleben an ihr wie die Kletten. Sie sind etwas verwirrt, als Morena ihren neuen Schützling zu sich flötet: „Debbie, come here, sweetie.“ (Puh!) Ole und Paul weichen ihr jedoch nicht von der Seite. Hilflosigkeit auf meiner Seite. Die beiden Jungs nennen sie die ganze Zeit völlig arglos „Vitoria“! Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei: „It was so good to see you!“ (Morena), „same here“ (mehr bekomme ich nicht über die Lippen). Aufatmen, als wir endlich losfahren, und Dankbarkeit, dass wir jetzt Vitoria als Hilfe haben, straight und manchmal bockig, aber nie wieder high-maintenance Diva-Gebaren mit Zickenalarm. Diesen Spielplatz werden wir ab jetzt weiträumig umfahren! Schreck 2: Und als würde das nicht reichen, kommt uns auf dem Heimweg auf einmal ein Schwarzbär am Straßenrand entgegen „galoppiert“ (das kennt man ja aus dem Zoo, wenn das Fell so wackelt 🙂 ), und bevor wir den ersten Schreck überwunden haben und richtig gucken können, ist er dann auch schnell wieder im Dickicht verschwunden. Das war der Beweis! Es gibt sie hier wirklich! Paul ist begeistert: „Das war kein Mama-Bär, das war ein kleiner Bär!“ und macht danach Bärengeräusche. Ole hat Angst. Auf den doppelten Schreck (Morena und Bär) steuern wir den nächsten Eisladen an. Ole weigert sich, aus dem Auto auszusteigen, aber Paul beruhigt ihn: „Aber Ole, der Bär lief doch in die andere Richtung.“ Er hat ja recht, aber es ist trotzdem komisch. Mit einem „Blizzard of the Month: Brownie Butter“ und „Oreo Brownie Earthquake“ beruhigen Ole und ich unsere Nerven und sind …
„Baseball is summer“
Baseball ist eine ziemlich verrückte Sache. Für Nicht-Amerikaner/innen mutet es an wie ein Buch mit sieben Siegeln, das man sich nicht so einfach „einverleiben“ kann wie z. B. amerikanische Freundlichkeit, amerikanischen Football oder amerikanisches Fastfood. Irgendwo ist da ein „disconnect“ zwischen Einheimischen und Zugereisten. Von vielen anderen Expats sind wir daher vorgewarnt worden: total langweilig… kann ewig dauern… ist doch kein Sport… stehen ewig auf dem Spielfeld herum… Bei unseren (männlichen) amerikanischen Freunden dagegen fangen die Augen an zu leuchten, wenn es um Baseball geht. Ich habe da noch nicht so richtig den Überblick, aber es hat wohl auch etwas mit Kindheitserinnerungen an unbeschwerte „summer“ zu tun – „Baseball is summer“ und der ist hier ja heilig! Einer fängt glatt an zu singen „Take me out to the ball game“ (alter Song von 1908), es fallen Namen wie Derek Jeter und Alex Rodriguez. Noch nie gehört? Ich auch nicht. Und unser Freund kann es kaum fassen! Ich habe mich bisher wirklich noch nie für Baseball interessiert, und mein ganzes Wissen darüber habe ich aus einer TV-Serie aus den 70er Jahren: In „Die Bären sind los“ bringt „Buttermaker“ alias Walter Matthau seiner Mädchenmannschaft Baseball bzw. Softball nahe. Aber damit kommt man nicht weit. Den „Einheimischen“ zuzuhören, wenn sie über Baseball fachsimpeln, hilft auch nicht gerade, weil man nur Bahnhof versteht. Viel zu viele Fremdworte drin, z. B. playoffs (immer und immer wieder), out, batter, pitcher, steal a base, strikes, umpire, strikeout, flyout, inning, world series … – keine Chance. In den letzten Wochen durften wir uns aber schon mal etwas einstimmen, denn Baseballschläger, der typische gigantische Lederhandschuh und der mit rotem Garn genähte Ball tauchen auch im öffentlichen Leben öfter auf. Im YMCA gibt es am Samstagmorgen den Einsteigerkurs für die Kleinsten – die stolzen Eltern stehen wie immer drum herum. Hier wird übrigens eine andere Variante, das „Softball“ (u. a. kleineres Feld, größerer Ball, leichtere Schläger …) geübt. Beim bus stop morgens werfen und fangen zwei Väter mit ihren Söhnen jetzt schon fleißig Bälle. Frühmorgens sehe ich beim Laufen ebenfalls einen Vater mit Sohn in einem der „Käfige“ stehen, wo …
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