Vorweihnachts-Highlights

Schon seit Anfang Dezember werden überall Weihnachtsbäume zum Verkauf angeboten und tatsächlich auch gekauft. Der Transport nach Hause erfolgt auf dem Autodach. Ich freue mich immer, wenn ich ein Auto mit Weihnachtsbaum obendrauf an uns vorbeifahren sehe – die Kinder hingegen jauchzen, wenn sie ein „Rudoph-Auto“ entdecken: die dicke, rote Ponpon-Nase steckt vorne am Kühler und das Rentiergeweih ist seitlich an den Scheiben befestigt. Es ist übrigens üblich, die Weihnachtsbäume schon früh in voller Montur im Haus aufzustellen, und so sieht man sie in vielen Häusern schon im Dezember festlich erleuchtet im Wohnzimmer stehen.

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Weihnachtsmusik

Und zur Weihachtszeit gibt es nun endlich auch Musik – Halloween und Thanksgiving fand ich irgendwie recht „stumme“ Feste – so ganz anders als bei uns in Deutschland St. Martin. Aber jetzt geht’s richtig los und von überall her tönt Weihnachtsmusik. Diese ist oft weniger besinnlich als in Deutschland (und daher auch irgendwie besser im Alltag zu ertragen), sondern eher fröhlich, bunt, viele Big Bands, viel Glöckchengebimmmel, viele Popsongs und natürlich ganz viele Klassiker, wie „I’m dreaming of a white Christmas“ (Bing Crosby), „Let it snow, let it snow, let it snow …“ – direkt mit dem ganzen Orchester, inklusive Trompeten und Geigen. Es darf auch gerockt werden, z. B. Bruce Springsteens Version von „Santa Claus is coming to town“ – mein Favorit, um in Stimmung für die amerikanische Weihnacht zu kommen. Hört es euch doch an, während ihr weiterlest – das passt gut…. 🙂 Also, ich muss die Amerikaner/innen (zumindest die hier bei uns) in Schutz nehmen, was den gängigen Kitsch-Vorwurf angeht, denn das Gros der Dekos finde ich einfach sehr geschmackvoll und die Stimmung durch Musik, Laune der Leute und Glöckchengeklingel ist fast schon magisch – den Dezember erlebt man hier als eine wirklich sehr festliche Zeit. Und wer sich drauf einlässt, der wird garantiert angesteckt.

Hannukah, Kwanzaa und andere Feste

Aber selbst wenn hier viele Zeichen unübersehbar auf Weihnachten stehen, bereiten sich viele Leute auch noch auf zwei andere wichtige religiöse bzw. kulturelle Feierlichkeiten vor: Die Christen feiern die Geburt Jesu (Weihnachten), die jüdischen Menschen gedenken acht Tage lang der Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 164 v. Chr. (Lichterfest/Hannukah/Chanukkah) und die Afro-Amerikaner/innen feiern ihr kulturelles und historisches afrikanisches Erbe (Kwanzaa). Ganz ehrlich, von Kwanzaa hatte ich bis vor einigen Wochen noch nie etwas gehört, von Hannukah (Chanukkah) ganz entfernt – also, wir haben viel gelernt diesen Dezember und einen Crash-Kurs in der amerikanischen Multi-Kultur erhalten. Klarer Fall, dass man da nicht zusammen feiern kann, zumal z. B. Kwanzaa 1966 erst ins Leben gerufen wurden, um Afro-Amerikaner/innen ein eigenes Fest zu ermöglichen. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten bei den Festen: Kerzen, die nacheinander angezündet werden (bei den Christen vier, bei den jüdischen Leuten acht (plus „Hilfskerze“ zum Anzünden), bei den Afro-Amerikaner/innen sind es sieben). Geschenke, vor allem für die Kinder traditionelles Essen und Feier Zusammenkommen von Familien und Freunden Und wie immer ist es nicht so ganz „schwarz und weiß“ wie bei uns: Es gibt z. B. praktizierende christliche Afro-Amerikaner/innen, die sowohl Weihnachten als auch Kwanzaa feiern. Bei vielen gemischt-religiösen Familien, wie sie z. B. bei uns in der Nachbarschaft sind, wurden Anfang Dezember schon Hannukah-Partys gefeiert und am 25. Dezember gibt’s dann noch Weihnachten hinterher. Und viele Leute feiern auch einfach gar nichts (einige Kinder in der deutschen Schule zum Beispiel).   Kleine Hilfe zur Orientierung: Wenn man nicht genau weiß, welcher Religion die Deko, Süßigkeit, der Leuchter zuzuordnen sind, kann man nach den Farben gucken: Weihnachten hält sich viel in Grün/Rot und Hannukah in Blau/Weiß. Zu Kwanzaa habe ich bisher wenig gesehen. Ihr seht, dass der Gruß „Happy Holidays!“ auf jeden Fall angebracht ist, oder man hält sich noch neutraler mit „Happy anything“ (habe ich als Spruch auf einer Tasse gesehen). 🙂

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Und was haben wir damit zu tun?

Unsere Kinder sind richtig nah dran und erleben diese Viefalt unmittelbar, weil sie in preschool und Schule die Traditionen teilweise aus erster Hand vermittelt bekommen. An Pauls preschool kündigt schon der monatliche Newsletter an: „We welcome this joyful month of December. Of course, our shelves are beginning to look a lot like Christmas, Hannukah and Kwanzaa.“ Theo singt nach der Schule öfter sein „Happy Hannukah“-Lied, Ole kommt mit einem ausgemalten neunarmigen Hanukkah-Kerzenleuchter nach Hause, und Tim jammert den ganzen Tag, dass seine Lehrerin gesagt hätte, dass alle Kinder heute ein kleines Geschenk bekommen sollten (was für die jüdischen Kinder natürlich stimmt – Hannukah liegt dieser Jahr zeitlich vor Weihnachten), er aber nichts bekommen hätte. Als Trost gab es für ihn eine dicke Lindt-Weihnachtskugel von mir. Ich erlebe zufällig mit, wie Pauls Klasse in der preschool tatsächlich Hannukah zelebriert (die Eltern können dort die kulturellen Feste mit der Gruppe ihres Kindes mitfeiern): mit Latkes, den traditionellen Kartoffelpuffern, und mit Apfelmus. Als Mitbringsel für alle Kids gibt es den typischen „Dreidl“, einen Kreisel, der mit Schokolade gefüllt ist. Die Klasse nebenan singt lautstark „Jingle Bells, Jingle Bells“ und klingelt wild mit ihren Glöckchen, und bei mir tauchen durch den Kartoffelkuchenduft der Latkes auch noch Kindheitserinnerungen an „Schnibbelskuchen“, unser wöchentliches Samstagsmittagessen auf – das war mal wieder eine sehr buntes Erlebnis, wo so einiges nicht zusammenpasst – eine kleine Dehnungsübung für mein Gehirn, in diesem Fall aber eine richtig angenehme.   Unsere Kinder nehmen das alles hin, hinterfragen nichts (jedenfalls fragen sie mich nicht danach) und machen einfach mit. Der einzige, bei dem dann doch ein wenig das „Weltbild“ erschüttert wird, ist Theo (8). Er erfährt von einem deutschen Klassenkameraden zufällig beim Pizzaessen, dass sein Schulkamerad und Freund Samuel (der jeden Tag neben ihm sitzt, sich super in Star Wars auskennt und auch sonst cool ist) kein Weihnachten feiert, sondern eben Hannukah. Theo guckt im ersten Moment ziemlich ungläubig und fragt einmal nach. Danach hat er nichts mehr dazu gesagt. Man sah ihm aber schon an, dass sein Kopf gerade auf Hochtouren arbeitete. Auf diesem Brocken wird er definitiv länger herumkauen als auf …

Winterkonzerte

Bei den Winterkonzerten der Kinder dürfen Marc und ich dann an einem echten musikalischen Kulturbad teilnehmen. Wie jedes Jahr im Dezember bereiten die Kids in den Grundschulen ein Konzert vor. Die Musikschullehrerinnen von Theo und Tim haben also die Aufgabe, ein Programm auf die Beine zu stellen, das alle Eltern zufriedenstellt und niemandem auf die Füße tritt. Und sie schaffen es: Diese eine Stunde in der Aula ist ein ziemlich beeindruckendes Multikulti-Spektakel, was die kulturelle Vielfalt dieser Festzeit gut widerspiegelt: Kinder aller Hautfarben präsentieren sich in schicken Klamotten und Spitzenkleidchen – und sind noch dazu unheimlich diszipliniert auf der Bühne. Bei Tim alle Kinder der Schule – über 300 zwischen fünf und acht Jahren! – auf einmal auf der Bühne – WAHNSINN und alle benehmen sich (für 45 Minuten!) super und präsentieren klassenweise, was sie geübt haben.   Musikalische Vielfalt An Theos Schule singen sie Lieder über die Dreidelspiele von jüdischen Kindern, über das Glöckchengeklingel in der Weihnachtszeit, über Piñatas, die voller Süßigkeiten und Spielzeug sind und zerschlagen werden, über den Weihnachtsmann im Kamin, über Winterlandschaften und über „African Noël“. Tims Klasse singt von Potato Laktes (die jüdische „Reibekuchen“-Spezialität zu Hannukah), von einem „Hip Hop Reindeer“ und von Weihnachten auf Hawaii „Mele Kalikimaka“. Sie singen auf Englisch, Jiddisch, Spanisch, Hawaiisch und auch auf Deutsch (den „Tannenbaum“). Vor allem aber sind es die Melodien und Rhythmen, durch die die verschiedenen Kulturen/Religionen mit ihren Stimmungen leichtfüßig, aber dennoch unglaublich eindringlich präsentiert werden: Der wiegende Walzerschritt, das fröhliche, helle „Rauf und Runter“ der amerikanischen Lieder, die etwas klagenden, orientalisch klingenden jüdischen Melodien, die südländischen Rumba-Rhythmen und die nach Südsee klingenden Ukulele-Töne. Wenn diese musikalische Reise vorbei ist, muss man zuerst mal tief durchatmen, sich wieder orientieren und kann dann schon etwas besser nachvollziehen, warum die Leute hier: „Happy Holidays!“ sagen.

Weihnachtsfeier

Im Gegensatz dazu gibt es bei mir an der deutschen Schule eine klassisch-christliche Weihnachtsfeier: In der Mitte der Bühne steht ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum und es gibt Geschichten (z. B. vom „Kleinen Tannenbaum“), Gedichte und Lieder (z. B. die „Weihnachtsbäckerei“) zum Weihnachtsfest. Zum Abschluss dann das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“, bei dem alle mitsingen (sollten 🙂 ). Das kommt mir alles schon vertrauter vor, und das ist auch genau das, was die Eltern unserer Kids von einer deutschen Schule hier erwarten: Besinnliche deutsche Weihnachten! Ja, wir sind eben eine deutsche Schule und ich muss sagen, dass es eine ebenso schöne Feier war.

Nikolaus, Santa und Konsorten

In unserer familiären Patchwork-Kultur kommt es auch schon mal zu gewissen „Rangeleien“ um Positionen, die auf einmal „doppelt besetzt“ sind. Unsere Kinder sind verwirrt: Ist Santa etwa der Nikolaus? Sie sehen sich ja doch ähnlich, aber der Santa hat wiederum keine Mitra und keinen Bischofsstab, dafür aber eine rote Zipfelmütze und einen prall gefüllten Geschenkesack. „Hohoho“ taucht dieser mit Rauschebart und Rentierschlitten hier überall auf. Wir lesen verschiedene Weihnachtsbücher, so natürlich auch von Rudoph, dem Rentier, der Santa Claus mit seiner leuchtend roten Nase den Weg leuchte durfte. Diese Geschichte lieben die Kinder und Tim wundert sich: „Warum hat Santa den Rudolph aufgewacht? Die Nase war so ganz licht, stimmt’s?“   Schon gewusst? „T’was the night before Christmas“ – Wo kommt der Weihnachtsmann eigentlich her?

Wer denn nun?

Tim bringt die Sache auf den Punkt: „Also wer bringt denn jetzt die Geschenke – das Christkind oder Santa? Die in meiner Klasse sagen, dass es nur den Santa gibt.“ Mein Erklärungsversuch, dass das Christkind in Amerika natürlich auch helfende Hände brauche und dass es hier ebenso den Weihnachtsmann gebe, der es beim Geschenke-Verteilen unterstütze, überzeugt keinen und wird nicht richtig angenommen. Santas Allgegenwärtigkeit ist zu mächtig, egal, wieviel ich mich innerlich dagegen wehre – keine Chance. Eine andere Frage scheint dagegen noch vordringlicher zu sein: Tim ist vielmehr in Sorge, dass das Christkind zwar die Wunschzettel wie jedes Jahr eingesammelt hat, aber vielleicht nicht mitbekommt, dass wir an Weihnachten wieder in Deutschland sind. Was, wenn es die Geschenke hier nach Morristown bringt?

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Ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk

Diese Sorge muss ich nicht haben, denn ich habe mein Weihnachtsgeschenk für dieses Jahr schon letzte Woche bekommen – weder von Santa noch vom Christkind, sondern von Ole (5): Er kommt an einem Abend leise heruntergeschlichen, setzt sich ganz ruhig in unsere Weihnachts-Bastelecke im Wohnzimmer und fängt an, Ausmalbilder mit Tannenbäumen, Engelchen und anderen Motiven auszuschneiden. Ich höre im Nebenraum unablässig das schneidende Geräusch seiner Schere. Er schneidet über eine Stunde ein Bild nach dem anderen aus, sogar recht akkurat, legt die fertigen Motive weg und nimmt sich ohne abzuwarten ein Neues. Er bemerkt gar nicht, dass ich ihn beobachte, so vertieft ist er. „Das sind Überraschungen für’s Christkind“, erklärt er mir, als er mich dann doch bemerkt – was auch sonst …?   Im Sommer war Ausschneiden für ihn noch eine Qual. Und jetzt sitzt er völlig ruhig, konzentriert und in sich ruhend da und wirkt wie ausgewechselt – einfach nur „happy“. Was immer wir gemacht haben seit dem Sommer (mit Ergotherapie, Änderungen zuhause, weniger Druck, mehr Rücksicht) – so falsch kann es nicht gewesen sein. Mein Mutterherz hat endlich einmal Frieden – das tut gut.

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Kulinarisches zur Festzeit

In den Cafés werden jetzt die „Holiday Favorites“ angeboten, wie z. B. Gingerbread Latte, Peppermint Mocha oder Caramel Bruelee (das ist alles Kaffee mit Geschmack) – leider nichts für mich. Ich entdecke den „Apple Cider“, ein heißes Getränk aus Apfelsaft mit verschiedenen Weihnachtsgewürzen, der nicht nur wie heißer Apfelstrudel mit Zimt und Sahne riecht, sondern auch so schmeckt. Obendrauf gibt es dann, wer möchte, auch noch Sahne mit Karamell – alles ohne Koffein, aber von dem Zucker bekommt man trotzdem einen Kick.   In Bezug auf Weihnachtskekse sind sie hier weniger einfallsreich als bei ihren Getränken. Daher gibt es viele aus Europa importierte Waren, wie z. B. „Pfeffernüsse“ (German Spice Cookies), Marzipanbrote, Original German Gingerbread, Windmill Cookies (Spekulatius) und Lebkuchenherzen. Ich probiere lieber etwas Neues: „S´mashing S´mores“, eine Art amerikanischer, ganzjähriger „Riesen-Dominowürfel“, Kekse (oben und unten) mit Marshmallows (in der Mitte) und Schokoladenüberzug, den man für 20 Sekunden in die Mikrowelle/den Ofen stecken muss und der dann vor sich hinschmilzt – noch klebriger als der heiße Apple Cider. Ich probiere auch die „Snicker Doodles“ (was ein toller Name!), eine Art Zuckerkeks mit viel Zimt – ja, lecker, aber schmeckt nicht so, wie ich Weihnachten kenne.