Von sonniger Kälte und amerikanischen Heizungen. Über grüne Kränze, weiße Schneeflocken in allen Größen und lebende blonde Engel. Und warum Nikolaus, Santa und Konsorten zuhause und in der Schule richtig viel Spaß machen. Es weihnachtet sehr … Einstimmung auf Weihnachten: Wie wir schon in den Vormonaten gelernt haben, schmücken viele Leute hier ihre Vorgärten und Haustüren teilweise sehr aufwändig passend zur Jahreszeit oder zum anstehenden Fest. Jetzt in der Weihnachstzeit sind es vor allem grüne Tannenkränze mit großen roten Schleifen.
Home for Christmas
Wir sitzen auf gepackten Koffern und gleich geht es los, zurück nach Deutschland in den Weihnachtsurlaub. Die Kids sind schon super aufgeregt und fiebern dem Wiedersehen mit ihren Freunden, der Familie und natürlich dem Christkind entgegen – Aufregung und Vorfreude in Reinform 🙂 . Es wird auch Zeit – Theo (8) und Tim (6) sind ziemlich platt von der Schule, die Hausaufgaben abends sind vor allem für Tim oft eine ziemliche Quälerei. Ich kann auch eine Pause brauchen – Marc ebenso. Und Ole (5) hat dann endlich bald seine Verabredung mit Tom, seinem deutschen Kumpel, auf die er bereits sehnsüchtig seit vier Monaten wartet.
Kalt aber sonnig
Es ist inzwischen richtig kalt hier geworden und wir unterschreiten jetzt immer öfter die magische Grenze von 32 Grad Fahrenheit (0 Grad Celsius). Und selbst ich als Frostbeule bin guter Dinge, denn es gibt zur Kälte fast jeden Tag Sonne und blauen Himmel 🙂 . Die Blätter sind alle von den Bäumen gefallen und zusammengekehrt – die Laubhaufen an den Straßenrändern sind aber immer noch da. Dazu weht ein oft wirklich eiskalter Wind, so dass jetzt alle mit dicken Mützen herumlaufen. Ich habe mir auch einen dieser unförmigen Daunenmäntel gekauft, die hier fast alle tragen – ich finde sie gar nicht schön, aber sie halten warm. Unter den Expat-Frauen nennen wir sie nur „Bettdecken“, weil sie durch ihre abgesteppten Kammern an Steppoberbetten erinnern. Was die Füße angeht, kommt die Lösung aus Australien: Sie heißen Ugg-Boots und sehen aus wie eine Mischung zwischen Eskimoboots, Astronautenschuhen und Schlappen. Sie sind ziemlich teuer und viele Mädchen an meiner Schule tragen sie mit ganz kurzen Söckchen oder gar barfuß.
Heizen in New Jersey
Unsere Heizung im Haus läuft auf Hochtouren und hat wenig Ähnlichkeit mit den Heizkörpern, die wir aus Deutschland kennen. Zum einen sieht sie komplett anders aus: Meist läuft sie an zwei Seiten eines Zimmers entlang, ist nur zehn Zentimeter hoch und wird durch eine Metallblende verdeckt (die bei der kleinsten Berührung abfällt – super!). Zum anderen funktioniert sie wie ein Fön – sie pustet nämlich einfach heiße Luft ins Zimmer! Der Vorteil dieser Heizung: Es wird schnell warm im Raum – aber der Nachteil liegt auf der Hand: Es wird genauso schnell wieder kalt, wenn man sie ausschaltet. Dazu kommt: Auch die Isolierung der Häuser ist mehr als dürftig. Das Schlimmere aber ist, dass diese Heizungen die Luft einfach unheimlich trocken machen – stellt euch vor, ihr würdet eure Häuser nur mit Heizlüfter und Fön heizen! Augenjucken und trockene Haut sind die Folgen. Daher haben wir Luftbefeuchter in vielen Zimmern stehen – schon etwas paradox, denn im Keller laufen Tag und Nacht die Entfeuchter (hier holen wir literweise das Wasser heraus, wenn nicht, riecht es schnell muffig). In der Schule wird übrigens nach dem gleichen Heizlüfter-Prinzip geheizt. Genau wie in Deutschland sind die Schulräume total überhitzt, aber wenigstens hat man hier eine Lösung gefunden: Wenn’s zu warm wird, schaltet sich automatisch ab einer bestimmten Temperatur die Klimanlage dazu – ist das nicht praktisch? Also echt, was für eine Energieverschwendung …
Umweltschutz? Nein danke.
Und damit niemand im Auto frieren muss, sieht man in dieser Jahreszeit auch wieder sehr viele „idle cars“ (Wagen im Leerlauf – das ist offiziell verboten, interessiert hier aber niemanden – eins der wenigen Verbote, das hier ALLE konsequent ignorieren). Wenn ich morgens meine Runde durch’s Wohngebiet laufe, staune ich immer wieder: Auf den driveways (Einfahrten) qualmen viele Geisterautos vor sich hin, während drinnen im Haus gemütlich geduscht und gefrühstückt wird (und danach kann man dann ganz bequem in ein vorgewärmtes Auto steigen). Auf der Straße gibt es gegen sieben Uhr an einigen Stellen brummende Autoansammlungen, diesmal mit Leuten drin – das sind Eltern, die ihre Kinder (Middle Schooler – i.d.R. 11-14 Jahre) tatsächlich die 50 Meter vom Haus zum bus stop fahren, wo sie dann mit laufendem Motor einige Minuten auf den Schulbus warten! Und ich muss durch den Qualm laufen. Auch vor den Shoppingmalls sieht man öfter diese Autos mit Eigenleben. Unglaublich …
Tierischer Winter
Auch die Tiere hier bereiten sich auf den Winter vor. Das Naturschutzzentrum vom nahegelegenen Sumpfgebiet – bei dem wir im November den Truthähnen auf die Spur gekommen sind – bietet im Moment einen Kurs mit dem Titel „Snooze, cruise, choose or lose“ (klasse Spruch und mal wieder drei Schreibweisen für den Sound „u“) an. Es geht um die verschiedenen Verhaltensanpassungen der Tiere an den Winter. Also, die squirrels werden uns wohl erhalten bleiben und die sammeln ja auch schon seit einigen Wochen fleißig für den Winter. Die Streifenhörnchen, Stinktiere und Bären dagegen gehen tatsächlich in den Winterschlaf (also „snooze“ – offiziell „hibernation“). Viele Vögel ziehen sich nun in den Süden zurück („cruise“ – offiziell „migrate“). Mal sehen, wer hier im Winter überhaupt noch so zu sehen ist.
+++ Morristown Newsflash 12/2010 +++
Schön statt kitschig In den drei Wochen Dezember, die wir hier erlebt haben, mussten wir unsere klischeehaften Vorstellungen vom kitschigen amerikanischen Weihnachten an vielen Stellen über den Haufen werfen. Es gibt eine Menge positive Überraschungen in Bezug auf Dekoration, Musik, Stimmung (zugegeben: Ich bin ein echter Weihnachtsfan 🙂 ) und buntes Mulitkulti an religiösen und kulturellen Festtagen. Die Winterkonzerte an den Schulen von Theo und Tim zeigen genau diese Vielfalt auf eindrucksvolle Weise – das werde ich so schnell nicht vergessen.
„Tis this time of the year again“
„Tis this time of the year again …“ – das sind die Worte, die einem jetzt überall begegnen, egal ob es um Spendengesuche, Schulinformationen zur Festzeit oder Aufrufe zur Grippeschutzimpfung geht. Was die Verabschiedungsformel im öffentlichen Leben angeht, kann man auf den November aufbauen und braucht sich zum Dezember gar nicht umzugewöhnen: „Happy Holidays!“ bzw. „Have a nice Holiday!“. Was zum Thanksgiving-Fest passte, ist auch jetzt noch aktuell, man liegt damit immer goldrichtig und tritt keinem auf die Füße. Bei Leuten, die man jeden Tag sieht, sagt man natürlich weiterhin „Have a nice day“! Der schriftliche Gruß (auf Karten oder in Geschäften) ist neben „Happy Holiday!“ auch oft „Seasons’ Greetings“. Kein Adventskranz Die Weihnachtszeit ist hier viel kürzer als in Deutschland, weil wir im Oktober und November noch voll mit Halloween und Thanksgiving beschäftigt waren. Wir gehen also frisch und unverbraucht in die Weihnachtswochen im Dezember – wie angenehm – und verpassen glatt die ersten zwei Adventssonntage. Der Brauch mit dem Adventskranz ist hier sowieso nicht so verbreitet – jedenfalls sehe ich keinen einzigen Adventskranz in den Geschäften, und die öffentlichen Schulen unserer Kinder haben ja sowieso keinen (keine religiösen Feste an public schools).
Nicht besinnlich, aber stimmungsvoll
Unmittelbar nach Thanksgiving machen sich die Leute an die Arbeit und schmücken ihre Häuser und Vorgärten. Auch in der Stadt und in den Geschäften taucht flächendeckend üppige weihnachtliche Dekoration auf. Ein „must-have“: die grünen Kränze aus echtem Tannengrün, die mit roten Schleifen und Lichterketten festliche Stimmung verbreiten (also quasi wie deutsche Adventskränze, nur ohne Kerzen). Sie hängen an Haustüren und Fenstern, an öffentlichen Gebäuden, Kirchen, Polizeistationen und Feuerwachen, an den Anzeigetafeln auf den Sportplätzen, an Tankstellen, vorne an Kühlern der Autos und sogar an Grabsteinen habe ich einige gesehen. Und in Morristown hat JEDE Straßenlaterne einen dieser grünen Kränze mit Schleife drumherum – das wirkt einfach feierlich. Viele Bäume sind mit Lichterketten umwickelt und verbreiten Festtagsstimmung in der Nacht. Morristown könnte jedenfalls glatt als Kulisse für einen schmalzigen amerikanischen Weihnachtsfilm herhalten! Zugegeben: Es gibt einige Leute, die es zu gut meinen und ihr Haus und ihren Vorgarten tatsächlich komplett mit Leuchtfiguren zustellen. Und es stimmt ebenso, dass das Schmücken anscheinend ansteckend ist (jedenfalls kommt eine verrückte Person selten allein). Auch Krippen, die es hier in allen Größen und Ausführungen gibt und die oft in Parks aufgebaut werden, sind manchmal schon nicht mehr grenzwertig, sondern eindeutig kitschig. Aber das scheinen eher Randerscheinungen zu sein.
Schneeflocken statt Sterne
Im Vergleich zu Deutschland „vermisse“ ich allerdings Sterne und Engel. Habe bisher noch kaum goldene Sterne in der Stadt gesehen – das amerikanische Pendant scheint hier vielmehr die weiße Schneeflocke zu sein, die in allen Größen und in diversen Variationen daherkommt. Paul (3) stanzt jedenfalls im Moment ganz fleißig sogenannte „arctic snowflakes“ mit seiner Martha-Stewart Crafts Punch aus. Martha Stewart ist bekannt als „Beste Hausfrau Amerikas“ – eine sehr erfolgreiche amerikanische Fernsehmoderatorin, Fernsehköchin, Unternehmerin und Autorin. Sie ist bekannt wie ein bunter Hund auf Gebieten wie Kochen, Hauswirtschaft, Gartenarbeit, Etikette und Basteln sowie handwerklichen Tätigkeiten. Sie kann einfach ALLES. Paul arbeitet also mit einer der von ihr vertriebenen Sternstanzen. Was Engel angeht, so kommen sie einem eher in Lebensgröße, in kurzen Röcken und mit blonden Locken auf dem Bürgersteig entgegen (ja, die Amis verkleiden sich eben gern) – ist mal was anderes als unsere deutschen frommen Deko-Engelchen.