Wie New Jersey seinem Beinamen „The Garden State“ alle Ehre macht. Warum Montessori hier zwar heißt „Hilf mir, es selbst zu tun“, aber eben auch „Bewege dich wenig und sei nicht allzu kreativ“. Und wie die Bilanz der ersten drei Monate nach unserem „JUMP“ ins kalte USA-Wasser ausfällt.   Unsere Lindt-Osterhasen hatten als deutsche Schokohasen hier in New Jersey schon ein aufregendes Leben: Zunächst wurden ihnen die Glöckchen wegen der erwähnten „Verschluckungsgefahr“ geklaut und dann mussten sie auch noch über 30 Grad aushalten. Sie waren trotzdem lecker und die Kids haben sowohl die Häschen als auch das Wetter genossen. So haben wir schon früh im Jahr einen kleinen Vorgeschmack auf die Temperaturen im hiesigen Sommer bekommen – puh, das kann ja heiß werden …

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Überall bunte Gute-Laune-Inseln

Aber die erste Hitzewelle ist jetzt erst mal vorbei. Zurzeit genießen wir herrliche Frühlingstemperaturen und staunen über die farbenfrohe Blütenpracht, die sich mit aller Macht jeden Tag mehr und überall entfaltet. Besonders die üppigen Magnolien und leuchtend gelben Forsythien verbreiten gute Laune. Für mich waren sie richtige kleine Erholungsinseln auf meinen „Taxidiensten“ zur preschool.   Um diese Jahreszeit bekommt der Beiname von New Jersey als „The Garden State“ tatsächlich eine Bedeutung. Woher dieser Spitzname stammt – der übrigens auch auf unseren Auto-Nummernschildern steht – ist historisch nicht eindeutig geklärt. Aber es gibt hier im Süden außer den erwähnten Blumen und blühenden Sträuchern tatsächlich sehr viele Obst- und Gemüsefarmen. Der Norden New Jerseys ist allerdings eher industriell geprägt.

Los geht’s: Es ist soweit – It´s spring clean time!

Ganz Morristown macht jetzt großen Frühjahrsputz – überall wird frischer Rasen gesät und sorgfältig mit Stroh abgedeckt, die letzten Laubreste vom Vorjahr verschwinden und Freiwillige sammeln fleißig Müll in Stadt und Umgebung. Hut ab – alles ist jetzt „spring-cleaned“ und überall spürt man Aufbruchsstimmung. Auf den großen Sportplätzen sieht man immer mehr Leute, die Sport machen, die Grillsaison ist eröffnet und neben Mückenschutz-Kerzen gibt es jetzt an jeder Ecke die „Stars and Stripes“ (US-Flagge) zu kaufen. Und während Morristown in neuem Glanz erstrahlt, gibt es ganz woanders im Moment richtig dicke Luft: Der Vulkan Ejafjallajökull auf Island spukt im Moment so viel Vulkanasche, dass der Flugverkehr in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas diesen Monat zeitweise eingestellt ist – Marcs Kolleginnen und Kollegen können daher nicht zum Meeting nach Morristown fliegen. Das Wall Street Journal titelt: „Volcanic cloud keeps fliers grounded – turning airports into hostels”.

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Specht gegen Rasenmäher

Bei uns im Garten hämmert der Specht jeden Vormittag unbeeindruckt gegen die Armada von motorisierten Gartengeräten an, die die Grundstücke der Nachbarschaft wieder auf Vordermann bringt. Auch in unserem Vorgarten stand eines Samstags plötzlich eine Horde Männer, die fleißig Herbizide und Pestizide versprühte – damit sind die hier nicht zimperlich. Ich konnte gerade noch Schlimmeres im Garten hinter unserem Haus (backyard – verrückt „front yard“ schreibt man getrennt, „backyard“ tatsächlich zusammen) verhindern.  

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Viele Väter, viele Kinder

Die Spielplätze füllen sich und vor allem am Wochenende sieht man sehr, sehr viele Väter, die sich um ihren Nachwuchs kümmern – genau wie beim Eltern-Kind-Turnen von Ole (4) und Paul (3) im YMCA, bei dem ich tatsächlich schon öfter die einzige Frau in der Halle war. Außerdem scheinen wir hier in einer sehr fruchtbaren Gegend zu leben, denn es gibt viel mehr Geschwister-Kinderwagen (mit Sitzplätzen für zwei Kinder) als in Deutschland. Ein Blick auf die Statistik bestätigt meinen Eindruck aus dem Alltag: Während wir in Deutschland durchschnittlich weniger als anderthalb Kinder pro Frau haben, sind es in den USA über zwei Kinder. Das fällt sofort auf und diese Tendenz scheint quer durch alle ethnischen Gruppen zu gehen.

Unser April

Die letzten Wochen waren wieder ziemlich anstrengend – das Wort „Routine“ im letzten Brief habe ich wohl etwas vorschnell benutzt: Wir sind wieder ohne Hilfe im Haus. Die Folge: Ich bin ganz schön am Rotieren. Seit einer Woche machen wir unseren zweiten Versuch mit einer neuen Kinderfrau: Sie heißt Duaa, kommt aus dem Sudan und lebt seit zehn Jahren in Amerika. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir mit einer Nicht-Amerikanerin bessere Aussicht auf Erfolg haben. Die Schule bei Theo (7) und Tim (6) läuft soweit gut. Wir haben eine neue preschool für Ole (4) gefunden und Paul (3) geht direkt auch mit. Marcs derzeitiger Job: Reisen quer durch die USA. Mein derzeitiger Job: Kinder Hin- und Herfahren und immer mit dem Handy auf Abruf stehen.

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Montessori heißt hier auch Disziplin

Zunächst die positive Nachricht: Der neue Montessori-Kindergarten (also die preschool) von Ole und Paul ist um Lichtjahre besser als die erste preschool. Sie hat viele Vorzüge: Die „Hauptlehrerin“ (the head teacher) Mrs Rossi: mit Leib und Seele dabei und lässt sich von Ole auch mal ganz feste drücken. Die anderen Kids: erfrischend locker und sehr hilfsbereit. Das Montessori-Material: Super. Ole und Paul sind beim „Arbeiten“ (sie sprechen hier von „work“) oft völlig vertieft.

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preschool mit Betonung auf school

Jetzt leider die negative Nachricht: Der kindergarten ist eben kein „Kinder“garten, sondern eine unverkennbar amerikanische preschool und unsere Kinder verhalten sich auch nach drei Monaten immer noch ziemlich deutsch: Jeden Morgen erregen wir Aufsehen, wenn Ole nicht mit seiner „inside voice“ – also leise – spricht, sondern laut ruft, und Paul nicht mit „walking feet“ – also langsam – den Raum betritt, sondern eher hereinstürmt. Die Kids lernen Zahlen und Buchstaben, Schreiben und erstes Rechnen – selbst die Jüngsten müssen zuerst ihren Namen oder Anfangsbuchstaben auf das Blatt „schreiben“, bevor sie losmalen dürfen. Es herrscht absolute Disziplin: Gerenne, Geschubse, lautes Reden und Drängeln sind tabu. Absolut keine Toleranz – zero-tolerance policy – bei körperlichen Auseinandersetzungen. Wer haut und schlägt, für den heißt es: ab nach Hause! Wie gut, dass Ole und Paul sich gegenseitig zum Knuffen und Kneifen haben! Und weil sie Geschwister sind, sehen sie es dann nicht so eng … Viele Kinder sitzen in einem kleinen Raum (in „unserer“ Gruppe sind 25 Kids). Sie haben kaum Bewegung – drei Stunden heißt es am Platz arbeiten, erst dann 20 Minuten raus, ganz zum Schluss. Es gibt nur einen kleinen, sehr sterilen Spielplatz ohne Sand. Stattdessen liegen „woodchips“, eine Art Rindenmulch, unter den Geräten. Ist grässlich und stinkt schimmelig … Hausschuhe und Buddelsachen gibt es gar nicht. Außerdem herrscht eine übertrieben penible Hygiene: Nach dem Händewaschen müssen die Kinder auch noch Desinfektionsspray benutzen! Eins ist immerhin tröstlich: Es gibt Tageslicht im Klassenraum! Viele der anderen preschools, die ich mir angeguckt habe, liegen tatsächlich im Keller von Kirchen – entweder mit Kellerfenstern oder sogar nur mit künstlicher Beleuchtung. Das scheint hier ziemlich verbreitet und vollkommen akzeptiert zu sein.

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Mein aktuelles Grübelthema: Kindererziehung

Was mich diesen Monat besonders umtreibt, sind vor allem die Unterschiede in der Kindererziehung, die sich immer klarer im Alltag zeigen und für mich oftmals sehr widersprüchlich sind. Eine gängige Regel: Eltern sollten ihre Kids bis zum Alter von zwölf Jahren nicht alleine zuhause lassen – ein beliebtes Thema unter den deutschen Expats. Es gibt zwar nur in wenigen Staaten wirklich entsprechende Gesetze wie z. B. in Maryland (bis 8) und in Illinois (bis 14), aber die Altersgrenze von zwölf Jahren geistert hier trotzdem überall herum. Sie wird von der Organisation „Safe Kids“ national empfohlen und von Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen als inoffizielle guideline akzeptiert. „Playdates“, also Verabredungen zum Spielen, machen nicht die Kinder, sondern die Eltern – selbst in Theos Alter (und Theo ist 7!). Kleine Kinder dürfen sich keine zwei Meter von den Eltern entfernen, sonst wird man – wie ich neulich – angehupt. Und Paul lief gerade mal drei Meter vor mir auf dem Bürgersteig! Oder aber man bekommt böse Blicke und spitze Kommentare („He was walking down the driveway (Einfahrt) all by himself!“ Ja, mein Gott, aber ich hatte doch alles im Blick! Auch unsere Nachbarin klingelte verstört an der Haustüre, als Paul auf unserer Einfahrt mit Kreide malte, ohne dass ich direkt neben ihm stand! Schulweg? Nur mit den Eltern. Es gibt eine lückenlose Begleitung zur Schule und wieder zurück, Theo und Tim dürfen morgens noch nicht mal allein über unsere Straße zum bus stop gehen und dort allein warten. Ich muss die ganze Zeit mit dabei sein. Und so stehen sich häufig morgens vier Eltern gemeinsam die Beine in den Bauch, bis der Schulbus kommt – kann man das nicht besser verteilen? Es gibt kaum Zugang zu „gefährlichen“ Gegenständen – auch jetzt gerade wieder bei Theos science-project-Anweisungen: Nichts mit Feuer, Glas oder spitzen Gegenständen! Andererseits … … übertragen Eltern und Pädagog/innen viele Einstellungen aus der Erwachsenenwelt auf die Kinder: Zum Beispiel diese Einstellung in der preschool: „It’s not about having fun, it’s about learning and working“ (O-Ton einer der Erzieherinnen). Es gibt einige bierernste Erzieherinnen, die ich gerne einmal durchschütteln und ihnen sagen möchte: …

Vom Sprung ins kalte amerikanische Wasser

Warum Marc und ich uns jetzt langsam eine neue „Geheimsprache“ suchen müssen und wann Kartoffelpüree mit Fischstäbchen helfen kann. Warum Paul das potty-training nicht ernst nimmt und warum ich mich gerade wie eine Entenmutter fühle.   Nach unseren ersten drei Monaten bietet es sich an, einmal Bilanz zu ziehen, wo wir nach unserem „JUMP“ stehen – auch in Bezug auf die Auseinandersetzung mit der neuen Sprache. Und da ja bekanntlich jedes Kind anders ist, gibt es auch bei unseren eine ganze Bandbreite von Reaktionen: Theo (7), der am meisten Angst vor dem Sprung hatte, ist sofort losgeschwommen und hat die Veränderungen sehr gelassen genommen.   Für Tim (6) war das Wasser ja zunächst sehr kalt, vom deutschen Kindergarten in den Sechs-Stunden-Alltag der Schule plus Hausaufgaben. Die ersten Wochen gab es viele Tränen, aber inzwischen hüpft er morgens gut gelaunt mit Theo in den Schulbus. In Bezug auf ihren Spracherwerb gilt für die beiden, was uns seit Wochen alle erzählen: „Kids are like little sponges – they pick it up so quickly“. Theo benutzt Englisch ohne Scheu, und er kann sich schon bequem verständigen (u. a. mit Vergangenheit, Komparativ, Verneinung). Marc und ich waren vollkommen überrascht, als wir ihn mit Duaa, unserer Babysitterin, reden hörten – zuhause reden wir ja miteinander sonst nur Deutsch. Jedenfalls müssen Marc und ich uns jetzt eine neue „Geheimsprache“ suchen, wenn wir im Beisein der Kinder über Dinge reden, die nicht für ihre Ohren bestimmt sind. Tim ist noch zurückhaltender und er benutzt vor allem Phrasen, die er anscheinend wie „Wörter“ lernt (sprich [ˌhauˈɑːjə] = How are you?). Auch in der Schule ist bei Theo und Tim alles im grünen Bereich, und ihre Lehrkräfte haben sich beim ersten Elternsprechtag sehr zufrieden geäußert. Beide genießen ihr Wochenende – dann haben sie endlich Zeit zum Spielen und bauen stundenlang mit Lego sehr kreative Erfindungen. Als „science project“ tüftelt Theo z. B. gerade an einer Morsemaschine aus Lego mit Fishertechnik-Motor. Tim spielt seit drei Wochen jeden Donnerstag Fußball mit seinem Freund Justus.   Ole (fast 5) dagegen hat seine Orientierung noch nicht wiedergefunden. Er brauchte schon immer Routine, damit er …