Von „bunt“ gemischten Schulklassen und vom Bild der amerikanischen Gesellschaft als Schmelztiegel und Salatschüssel. Von Amerikaner/innen, die auch Deutsch sprechen – und außerdem Französisch, Spanisch und Vietnamesisch. Von der beeindruckenden Tatsache, dass es in Morristown 35 Kirchen für 19.000 Einwohner/innen gibt. Und wo die amerikanische Flagge überall präsent ist. Als ein absolutes Highlight erlebe ich die „bunte“ Mischung von Menschen, die hier zusammenleben und gemeinsam die amerikanische Gesellschaft bilden – jedenfalls bei uns in Morristown. Deutsch, Amerikanisch, Russisch, Finnisch und mehr Theo (8) geht zu einer öffentlichen Grundschule hier in Morristown. Mit einigen Klassenkameraden ist er näher befreundet: Eric ist halb Deutscher, halb Amerikaner. Theo und Eric kommen gut miteinander aus. Sein Freund Samuel ist aus Russland adoptiert, lebt jetzt in einer jüdischen Familie und feiert eben kein Weihnachten, sondern Hanukkah. Rachel ist ebenfalls Jüdin und geht jeden Sonntag in die „Hebrew School“. Ansonsten kennt Theo noch vom letzten Schuljahr Mikka, einen Finnen, und Max, einen deutschen Jungen. Das sind seine beiden besten Freunde hier. Dazu kommen noch einige Kinder mit hispanischen Eltern und einige junge Afro-Amerikaner/innen. Das Klassenfoto, das Theo dieses Schuljahr mit nach Hause gebracht hat, ist daher richtig „bunt“. Vom Schmelztiegel zur Salatschüssel Wie ihr wisst, sind die USA ein Einwanderungsland und die Gesellschaft besteht aus Leuten ganz verschiedener Herkunft, Religion, Hautfarbe, Sprache und kultureller Tradition. Etwa 61 Prozent der Bevölkerung sind im Moment weiß, 18 Prozent lateinamerikanisch, 13 Prozent afroamerikanisch, 6 Prozent asiatisch und 1 Prozent indigen (also Native Americans oder Native People). Viele von ihnen können einem ganz genau Auskunft geben, wann und woher Vater und Mutter, Großtante oder Urgroßvater nach Amerika gekommen sind. Eine meiner Schülerinnen an der deutschen Schule erzählte mir, dass einer ihrer Vorfahren im Jahr 1776 die Declaration of Independence mitunterschrieben habe. Wer weiß – vielleicht stimmt das sogar…. Aus meinem Englisch-Oberstufenunterricht kenne ich nur allzu gut die beiden Metaphern, die für die amerikanische Bevölkerung benutzt wurden bzw. werden. Früher wurde das Bild des Schmelztiegels (melting pot) benutzt, der die Idee veranschaulichte, dass es zu einer Assimilierung und Integration von Einwander/innen in die Kultur des Landes kommt und dass …
Spannendes neues Hobby
Außerdem habe ich mit meinem Pilotenschein angefangen! Ich bin eine Stunde mit einer Diamond DA40 (mit Garmim G1000 Glas-Cockpit) von MMU (Morristown Airport) geflogen und habe den Flug zu 95 Prozent selber machen dürfen/müssen. Das war ziemlich krass, denn das war echtes Multitasking: Controls, Instruments, Navigation, Radio Coms und Flight Instructor und das alles in Echtzeit. Es war sehr spannend und ich war danach echt froh und fertig – gleichzeitig! Leider musste ich dann aussetzen, denn seit 9/11 müssen alle Ausländer/innen nach der ersten Stunde durch einen Sicherheitscheck, der im September nicht mehr abgeschlossen werden konnte.
Die September-Tops :-)
Multi-Kulti Es ist einfach unglaublich erfrischend zu sehen, wie viele verschiedene Kulturen hier miteinander und nebeneinander leben. Die Metapher der „salad bowl“, die die amerikanische Gesellschaft mit einer Salatschüssel vergleicht, macht Sinn: Es gibt ganz viele verschiedene „Gemüsesorten“, die als solche auch noch gut zu erkennen und zu unterscheiden sind (die verschiedenen Kulturen), die aber dennoch gemeinsam etwas Neues bilden, nämlich den „Salat“ (die amerikanische Gesellschaft). Unsere Jungs spielen nach der Schule oft auf dem Spielplatz vor der Schule und das bunte Treiben dieser „ganz gemischten Kindertruppe“ ist toll anzuschauen. Ich habe in der ganzen Zeit noch nie das Gefühl gehabt, ausgeschlossen zu werden, weil wir aus Deutschland kommen. Es hat noch niemand das Gesicht verzogen, wenn wir mit Akzent reden und es gab keine einzige offene Anfeindung.
Die Bahn
Ich „gucke“ jeden Tag „Züge“ mit unseren beiden Eisenbahnfans Ole und Paul – die nach New York, die direkt hinter der preschool vorbeifahren. Witzige Situation: Am zweiten Tag nach unserer Rückkehr sitzen wir drei auf einer Bank im Bahnhof und machen Picknick. Noch ziemlich müde vom Jetlag bin ich einen Moment eingenickt und werde von lautem Rufen plötzlich geweckt. Es ist tatsächlich der Lokführer des New York-Zuges, der seinen Kopf aus der Riesenmaschine steckt und mir zuruft, ob wir nicht auch noch einsteigen wollen. „Thanks for asking, but no …“ Das ist doch mal wirklich aufmerksam, oder? Mit der Bahn hatten wir auch schon vorher gute Erfahrungen gemacht – sie haben mich mit den Kids zweimal umsonst fahren lassen, und als wir einmal vom „falschen“ Gleis „Züge geguckt“ haben, wurden wir in kürzester Zeit von verschiedenen Passant/innen darauf aufmerksam gemacht, dass heute die Züge vom anderen Gleis abführen (wegen einer Baustelle). Sie dachten eben auch, dass wir mitfahren wollten und wollten uns rechtzeitig informieren – ist das nicht einfach super nett?
Gute Laune hilft
Die Amis haben es echt raus: Freundlich grüßen, anlächeln, Tür aufhalten (oder auch mal zurück zum Lift springen, um die sich schließende Türe aufzuhalten), sich nett verabschieden und auch mal interessiert nachfragen (an der Fleischtheke): „Oh, where does your lovely accent come from?“ – flüchtige Begegnungen im Alltag fühlen sich hier anders an, das hatte ich ja schon erzählt. Viele, viele Menschen sind hier aber auch einfach hilfsbereiter als das in Deutschland der Fall ist (zwar nicht alle, aber eben doch signifikant mehr!) und packen richtig mit an – und ich rede hier nicht von Freunden und Bekannten, sondern von Leuten, die man noch nie vorher gesehen hat und wahrscheinlich so schnell auch nicht wieder sieht, von „Fremden“ auf der Straße. Ein Beispiel: Vor zwei Wochen war ich auf dem Weg zum Strand, als sich mitten auf der Autobahn plötzlich ein Mann mit seinem Auto auf die Spur neben mich setzte, wild auf meinen Wagen zeigte und mir etwas zuschrie – bei Tempo 70 Meilen/Stunde (über 100 km/h)! Ich hatte keinen Schimmer, was los war und fuhr einfach weiter, aber er ließ nicht locker, gestikulierte heftig, und als ich die Scheibe runterließ, schrie er mir zu: „You gonna have a flat tire in no time.“ Als ich dann zur nächsten Tankstelle fuhr, hatte ich direkt zwei gut gelaunte Männer, die sich den fast platten Reifen genauer anschauten und mit nach einer Lösung suchten: der Tankwart, der nebenbei auch noch die anderen Autos betankte und ein Postbote, der zufällig gerade selbst Sprit für sein Auto brauchte. Nach einer halben Stunde war alles wieder okay – der Nagel war rausgezogen und der Reifen prall. Gut gelaunt ging’s dann endlich weiter in Richtung New Jersey Shore. Manchmal geht einfach einiges leichter, wenn man in gut gelaunte Gesichter schaut und die Leute nicht weggucken, sondern mit anpacken! Probiert es doch einfach mal in Deutschland aus: Fahrt zum Parkplatz des IKEA-Lagers, wo die Leute versuchen, die gekauften Möbel in ihre (zu kleinen) Autos zu hieven, und packt mit an. Ich garantiere euch, dass ihr sehr viele Menschen ziemlich glücklich macht und dann auch selbst gut …
Science Fair
Einmal im Jahr stellen alle Kinder bei dieser „Wissenschaftsshow“ ihr eigenes kleines Projekt vor. Tim (6) hat eine magnetic Lego garage gebaut, bei der man mit Hilfe eines kleinen Magneten die Eisenspäne auf dem Dach verschieben kann. Theo (7) hat aus Fischertechnik eine Morsemaschine gebaut. Viele Projekte sind „hand on“, d. h. man kann z. B. auf einen Knopf drücken oder etwas schütteln oder auch mal etwas Essbares probieren. Es ist schon toll, was für Projekte die Kids auf die Beine stellen (wenn auch viel mit Hilfe der Eltern) und selbst präsentieren.
Meine absoluten Highlights
Als sehr positiv erlebe ich dagegen das ziemlich kunterbunte kulturelle Neben- und Miteinander in der amerikanischen Gesellschaft. Ein Beispiel: Am Aschermittwoch kamen unsere Familienmitglieder so nach Hause: Ole (preschool) mit einer Geschichte zum gerade beginnenden chinesischen Neujahr. Tim (kindergarten) mit 100 winzig kleinen Süßigkeiten zum 100-days-of-school (über Fastenzeit haben sie nicht gesprochen). Jane, unsere Hilfe, mit Aschenkreuz auf der Stirn. Und gleichzeitig schmücken hier immer noch Weihnachtsdekorationen die Vorgärten unzähliger Häuser. Die Elterninformationen aus der Schule sind sowohl auf Englisch als auch auf Spanisch gedruckt, man hört in Morristown viele verschiedene Sprachen und sieht zahlreiche unterschiedliche Hautfarben und Gesichter. Die Amerikaner/innen, die wir bisher kennengelernt haben, haben oft Verwandtschaft, die ursprünglich aus Europa oder einem anderen Land kommt. Ich habe bisher noch nie das Gefühl gehabt, hier nicht willkommen zu sein, weil wir Deutsche sind. Hier ist Anderssein irgendwie normal. Und das fühlt sich für uns alle gut an.