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Fliegen als Gegengewicht zu meinem Beruf

Über Weihnachten wurde mir klar, dass ich ein mentales Gegengewicht zu meinem Beruf brauche und ich hatte im Septemberbrief ja erzählt, dass ich angefangen habe, einen Pilotenschein zu machen. Nach den Anschlägen vom 11. September (die nennt man hier nur 9/11) müssen Ausländer, die einen Pilotenschein in den USA machen wollen, einen Background-Check über sich ergehen lassen und Fingerabdrücke abgeben. Leider zögerte sich meine TSA-Freigabe (Transportation Security Administration) bis Februar hinaus, da ich nicht dazu gekommen bin, diese Fingerabdrücke abzugeben. Doch im Februar habe ich endlich die TSA-Freigabe bekommen und einen engen Zeitplan mit der Flugschule abgestimmt, um die Ausbildung nun zügig durchzuziehen. Im März werde ich jede Woche mindestens vier Stunden pro Woche fliegen! Leider ist die „VFR-Ground-School“ (Visual Flight Rules), also die Theorieausbildung, gerade vorbei und so muss ich viel im Selbststudium erarbeiten. Damit das einfacher geht, habe ich mich für die „IFR-Ground-School“ (Instrument Flight Rules) eingeschrieben. Das ist eigentlich für fertige VFR-Piloten gedacht, die eine weiterführende Ausbildung für den Instrumentenflug absolvieren. Aber ich komme mit den Inhalten gut klar und ich habe bereits eine Menge über VORs (Very High Frequency Omnidirectional Range) und ATCs (Air Traffic Controls) gelernt. Die Ausbildung hier in unmittelbarer Nähe zu NYC gehört sicher zu den anspruchsvollsten der Welt: Der unheimlich dichte und regulierte Luftraum, gepaart mit vielen Sonderregeln und den drei großen Verkehrsflughäfen in unmittelbarer Nähe macht vor allem den Funkverkehr und die Navigation sehr spannend. Aber wenn ich fertig bin, kann ich euch mit zu einem der schönsten Rundflüge der Welt nehmen: die Skyline-Route durch die Hudson River Exclusion Zone (von Norden kommend an der George-Washington-Bridge vorbei, den ganzen Hudson River runter, an der Statue-of-Liberty vorbei und dann über die Verrazano-Bridge raus aufs Meer).  

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THE Day. NYC Marathon, 6. November 2011

Warum die Nacht vor dem Marathon besonders teuer war und wieso der Lauf auf einer Insel startet. Weshalb ich in einem „Fanggehege für wilde Tiere“ auf meinen Start warte und wie es fast wie im Rausch durch die Menschenmengen der Stadtteile geht. Und was für ein unglaubliches Gefühl es ist, am Ende durch einen Metallkasten zu laufen. Getting to the starting line is the biggest hustle Es beginnt mit einer Besonderheit: Start des Marathons ist auf Staten Island (also einer INSEL). Heißt: Bis sieben Uhr muss man im Privatfahrzeug über die Verrazzano-Narrows-Bridge drüber sein, sonst bleibt nur der Weg übers Wasser („The Verrazano-Narrows Bridge will close to all traffic promptly at 7 a.m.“ – official handbook)! Die Teambusse haben etwas mehr Zeit zum Passieren, aber um 8.30 Uhr heißt es „Go!“ für die „wheel chair division“.   4.30 Uhr Mein Wecker klingelt. Endlich mal wieder gut geschlafen. Aber die Nacht war ja auch teuer genug: 491 Dollar! Und das war kein Luxushotel, sondern einfach NYC. Ich fühle mich besser als an den Tagen davor und bin froh, dass es losgeht. Essen, trinken, anziehen und los …   5.30 Uhr Die Temperatur ist sehr angenehm (für alle Fälle habe ich aber eine Wärmflasche dabei). Es ist noch dunkel, zu Fuß geht es zum Treffpunkt (65 West, 54th Street), wo der Teambus wartet. Gestern Abend war hier noch die Hölle los: Es war laut, grell, Geblinke, Gehupe, Taxen, Leute. Und jetzt ist alles friedlich, gedämpfte Geräusche, fast schon still – und das mitten in Manhattan. Man sieht nur wenige Autos, dafür aber an einigen Ecken die geparkten Busse mit der „Marathon“-Anzeige. So ziemlich alle Gestalten, die im Moment zu Fuß in den highrise-Schluchten unterwegs sind, sind Marathonläufer/innen (eindeutig zu erkennen an dem durchsichtigen Gepäckbeutel der NYRR, den man vor dem Start abgeben kann), viele mit dem obligatorischen „cup to go“, einige haben Bademäntel über ihren Laufklamotten, einige Frauen tragen viel zu große Männerpullover (alles Wegwerf-Klamotten), alle wirken gut gelaunt, man wünscht sich im Vorübergehen „Good luck“ oder „The best of luck“. Eine will meinen Nachnamen wissen – warum? „I´ll look you up …

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Einlass zur Krone

An unserem 21. Jahrestag besuchen Marc und ich mit Theo und Tim die Freiheitsstatue auf „Liberty Island“ im New York Harbor. Wir haben bereits vor Monaten sogenannte „ crown tickets“ gebucht, die uns den Einlass bis zur Krone ermöglichen – die sind limitiert auf ca. 200 Leute pro Tag. Bisher hatte ich die „Liberty Enlightening the World“ (so ihr „voller“ Name) nur aus dem Auto auf unseren Fahrten nach NYC gesehen – ihre leuchtend goldene Fackel ist schon von Weitem zu entdecken, aber sie wirkte etwas verloren vor der übermächtigen Manhattan-Skyline. Aber heute dürfen wir ihre wahre äußere und innere Größe aus nächster Nähe bewundern.   Nach zwei Sicherheitskontrollen und einer Fährfahrt sind wir drin im Innern der Freiheitsstatue. Wir steigen mit einer Gruppe von 15 Leuten und einem Ranger die 354 Stufen über ziemlich enge, steile Wendeltreppen hinauf, bis wir ganz oben in der Krone angekommen sind (nichts für Leute mit Höhenangst oder Klaustrophobie!). Dort hört man den Wind pfeifen und alles schwankt, wackelt und quietscht ein bisschen. Der Ranger ist einfach umwerfend nett, erzählt uns verschiedene Anekdoten zur Entstehung der Statue, und man merkt ihm richtig an, dass sein Herz für seinen Job bzw. für dieses Wahrzeichen schlägt. Während die Jungs nicht genug vom Blick nach draußen bekommen können und Marc von der inneren Stahlkonstruktion total begeistert ist, zieht mich ihre Unmittelbarkeit in den Bann – wir sehen ihre Gesichtszüge von innen, können ihre Haare und ihr Gewand anfassen, wir gucken ihr quasi über die Schulter auf die Tafel in der linken Hand (auf der das Datum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung in lateinischen Zahlen geschrieben steht: July IV, MDCCLXXVI.) Und ich kann mir nicht verkneifen, einmal an ihr zu riechen. Es packt einen schon die Ehrfurcht, wenn man auf einmal mitten im Innersten des Symbols der USA steht, das man schon unzählige Male abgedruckt und im Fernsehen gesehen und verinnerlicht hat. Auch die historische Seite dieses Freiheitszeichens, das die unzähligen Immigrant/innen nach einer oft beschwerlichen Seereise bei ihrer Ankunft auf Ellis Island im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ begrüßte, wird einem in einem solchen Moment gegenwärtig. Seit 125 Jahren steht …

Deutsches Sprachdiplom

Meine Schülerinnen und Schüler (11 bis 13 Jahre, Expat-Kids oder Amerikaner/innen mit deutschen Wurzeln) an der deutschen Schule machen ihr Sprachdiplom, und ich darf bzw. muss sie mündlich prüfen. Der Schwerpunkt: Konversation über alltägliche Dinge wie Schule, Hobbys, Familie. Eine wunderbare Gelegenheit, etwas über ihr Leben hier und ihre Verbindung zu Deutschland zu erfahren. Auf die Frage, was sie am Wochenende machen, kommt von fast allen: Hausaufgaben (die Kids hier werden ganz schön rangenommen!) und Sport. Nächste Frage: „Was macht ihr bei euren Urlauben in Deutschland?“ Emma liebt es, in Deutschland einkaufen zu gehen, weil sie die Klamotten dort einfach moderner findet, und Leon macht mit seinem deutschen Opa Schnaps aus Kirschen und darf sogar mal probieren (hier bekommt man kein Bier vor dem 21. Geburtstag).   Auf die Frage nach seinem Haus und Garten erzählt uns John von einem ganz besonderen Busch bei ihnen im „backyard“, der auf magische Weise immer wieder Schwarzbären anzieht, die sich gerne darin herumwälzen. Mehrere Versuche seiner Mutter, die Bären zu vertreiben und den Busch zu retten, sind fehlgeschlagen: Jetzt reicht es ihr, sie will einen anderen Busch. Tyrell (deutsche Mutter, Vater aus Trinidad) verrät uns sein Lieblingswort: „Streichholzschächtelchen.“ Dieses Wort würde die meisten Deutschlernenden um den Verstand bringen, denn es ist gespickt mit vielen typisch deutschen Lauten. Aber Tyrell spricht es genüsslich und stolz aus und grinst mich dabei an. Ich kann nur zurückgrinsen. Das sind Geschichten, die ich so liebe, weil die Kids sie einfach authentisch erzählen und mir damit kleine Einblicke in ihr Leben schenken.

Winterkonzerte

Bei den Winterkonzerten der Kinder dürfen Marc und ich dann an einem echten musikalischen Kulturbad teilnehmen. Wie jedes Jahr im Dezember bereiten die Kids in den Grundschulen ein Konzert vor. Die Musikschullehrerinnen von Theo und Tim haben also die Aufgabe, ein Programm auf die Beine zu stellen, das alle Eltern zufriedenstellt und niemandem auf die Füße tritt. Und sie schaffen es: Diese eine Stunde in der Aula ist ein ziemlich beeindruckendes Multikulti-Spektakel, was die kulturelle Vielfalt dieser Festzeit gut widerspiegelt: Kinder aller Hautfarben präsentieren sich in schicken Klamotten und Spitzenkleidchen – und sind noch dazu unheimlich diszipliniert auf der Bühne. Bei Tim alle Kinder der Schule – über 300 zwischen fünf und acht Jahren! – auf einmal auf der Bühne – WAHNSINN und alle benehmen sich (für 45 Minuten!) super und präsentieren klassenweise, was sie geübt haben.   Musikalische Vielfalt An Theos Schule singen sie Lieder über die Dreidelspiele von jüdischen Kindern, über das Glöckchengeklingel in der Weihnachtszeit, über Piñatas, die voller Süßigkeiten und Spielzeug sind und zerschlagen werden, über den Weihnachtsmann im Kamin, über Winterlandschaften und über „African Noël“. Tims Klasse singt von Potato Laktes (die jüdische „Reibekuchen“-Spezialität zu Hannukah), von einem „Hip Hop Reindeer“ und von Weihnachten auf Hawaii „Mele Kalikimaka“. Sie singen auf Englisch, Jiddisch, Spanisch, Hawaiisch und auch auf Deutsch (den „Tannenbaum“). Vor allem aber sind es die Melodien und Rhythmen, durch die die verschiedenen Kulturen/Religionen mit ihren Stimmungen leichtfüßig, aber dennoch unglaublich eindringlich präsentiert werden: Der wiegende Walzerschritt, das fröhliche, helle „Rauf und Runter“ der amerikanischen Lieder, die etwas klagenden, orientalisch klingenden jüdischen Melodien, die südländischen Rumba-Rhythmen und die nach Südsee klingenden Ukulele-Töne. Wenn diese musikalische Reise vorbei ist, muss man zuerst mal tief durchatmen, sich wieder orientieren und kann dann schon etwas besser nachvollziehen, warum die Leute hier: „Happy Holidays!“ sagen.

Gingerbread house

Lebkuchenhäuser sind hier übrigens auch Tradition, nur heißen sie dann „gingerbread house“. Der Teig schmeckt etwas anders, weil die Gewürze anders sind. Bei uns in der Stadt gibt es jedes Jahr einen Wettbewerb, bei dem die Leute ihre Kunstwerke aus gingerbread zeigen und am Ende eine Person gewinnt. Ist schon fantastisch, was einige Leute hier so aus Lebkuchenteig erschaffen … und riechen tut es auch sehr gut.   Hier nun ein lang gehütetes Geheimrezept einer befreundeten Familie: Pistazientaler 250 g Mehl 200 g Butter in Flöckchen verteilen 50 g Puderzucker 1 Zitrone – Saft und abgeriebene Schale Alles zu einem glatten Teig verarbeiten und kalt stellen, dann ausrollen, ausstechen, 13-15 min bei 175 °C hellgelb ausbacken.Plätzchen dünn mit Gelee bestreichen und zusammensetzen. 250 g Puderzucker 3-4 EL Zitronensaft rote Lebensmittelfarbe Mit rosa-gefärbter Zitronen-Puderzuckerglasur bestreichen und sofort mit gehackten grünen Pistazien bestreuen. Super lecker, super mürbe 🙂 .

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Der turkey kommt

Die Hochzeit (mit langem „o“) der pumpkins ist nun vorbei und sie verschwinden peu à peu aus den Vorgärten. An ihre Stelle tritt das Symbol für den November, das natürlich direkt mit der großen amerikanischen Familientradition „Thanksgiving“ verbunden ist: der Truthahn, auf englisch „turkey“. Diese Tiere gibt es hier nun in allen Ausführungen, ähnlich wie die Kürbisse: Ausmalbilder, Basteleien, Gedichte, als Schokolade, als aufblasbare Riesenversion, in Geschichten … und natürlich auch als Festbraten in den Kühlregalen. Für uns fängt im November eine zwei Monate dauernde Festzeit an. Denn auch wenn wir keine Patchworkfamilie sind, so haben wir jetzt doch eine Patchwork-Kultur: das Multi-Kulti von hier und dazu noch unsere deutschen Traditionen, wie St. Martin und Nikolaus. Für unsere Kinder bedeutet das vor allem jede Menge Feste mit kleinen Überraschungen 🙂 . Und endlich mal ein überzeugendes Argument für die Kids, warum man es im Ausland auch mal „besser“ hat als die Freunde zu Hause.

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Gemeinsam feiern

Ich hatte mir ja eigentlich fest vorgenommen, endlich mal unseren XXL-Backofen voll auszureizen, in den man zwei runde Pizzen nebeneinander bequem reinschieben kann, aber dann haben wir überraschend eine Einladung von einer deutsch-amerikanischen Familie bekommen – und das ist natürlich noch viel besser als alleine zu feiern, was für eine Ehre! Und so erleben wir einen Thanksgiving-Tag, der geprägt ist von großer Gastfreundschaft, sehr leckerem traditionellem Essen, dem üblichen Kinderchaos und auch etwas Extra-Zeit für interessante, entspannte Gespräche. Zum Entzücken der Kinder fallen sogar die ersten Schneeflocken in diesem Winter. Auch Marc kann das Fest rundum genießen, denn bei ihm im Büro läuft an diesem verlängerten Wochenende einfach nichts, weil alle zu Hause feiern – ein Gefühl wie Weihnachten, nur ohne Geschenke.

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Endlich wieder laufen

Was unseren Alltag angeht, gibt es noch eine Neuerung: Ich bin es soooo satt, soviel Zeit im Auto zu sitzen und ich möchte mit allen Mitteln verhindern, dass unsere Kinder sich die amerikanische Einstellung zum Thema Fortbewegung zueigen machen (z. B. mit dem Auto von Tür zu Tür, bloß keinen Schritt zuviel, siehe bus stop-Konflikt s. u. mit den Nachbarn). Daher dürfen jetzt alle vier Kinder nach der preschool bzw. nach der Schule ein Stück zu Fuß gehen. Da der Weg nach Hause viel zu weit ist, parke ich einfach ein Stück von den Schulen entfernt und gehe den Rest zu Fuß – hört sich vielleicht komisch an, aber mittlerweile haben wir damit auch schon Routine. Oles (5) und Pauls (3) preschool liegt direkt neben der Bahnlinie mit einem autofreien Erholungsweg daneben, der wunderbar geeignet ist für’s Laufrad, Roller und Fahrradfahren.   Bei Theo (8) und Tim (6) führt der Weg eher durch die Stadt bzw. das Wohngebiet, aber auch dort tut es gut, endlich einmal Leute auf ihren Verandas (porches) zu sehen und zu erleben. Und auch wenn ich oft zunächst eine meuternde Horde hinter mir habe, kommt nach einigen Metern meist bessere Stimmung auf, wir kommen ins Plaudern und die Kinder entspannen sich. Für mich ist das Laufen wieder ein bisschen Heimat.

Pumpkin picking

Es gibt viele amerikanische Traditionen, die sich um pumpkins drehen. Wir als Neueinsteiger haben dieses Jahr mit dem bei Kids beliebten „pumpkin picking“, also „Kürbisse pflücken/aufheben“ angefangen. Wir sind zu einer Farm gefahren (wie viele, viele andere Familien auch: totale Überfüllung), und nach einer Heuwagenfahrt wurden wir dann auf einem Feld rausgelassen. Dort lagen Hunderte von pumpkins, die hier vorher extra ausgelegt worden waren (etwas verrückt)! Alle durften sich einen Kürbis aussuchen und dann mit nach Hause nehmen. Tipp: Bloß nicht am Stiel anfassen, denn der kann leicht abbrechen! Na ja, nächstes Jahr werden wir wohl einen weiteren Weg auf uns nehmen, um zu einer Farm zu kommen, wo die Kürbisse tatsächlich noch an den Pflanzen hängen und man sie wirklich abpflücken kann – das stelle ich mir doch spannender vor.   Ein unerwartetes Highlight auf der Farm war aber die „corn box“, also eine Art Sandkasten, der voll mit Maiskörnern gefüllt war. Ole und Paul waren gar nicht mehr herauszubekommen.