Warum ich Pech in der „Marathon-Lotterie“ hatte und trotzdem mitlaufen darf. Wem die 100 Dollar pro Marathon-Meile zugute kommen und was das Ganze mit meinem runden Geburtstag zu tun hat. Und warum mein Wunsch geldgierig und uneigennützig zugleich ist. So, und nun erzähle ich, was dieser Marathon mit meinem runden Geburtstag zu tun hat: Einige von euch haben ihn schon hinter sich (und leben auch noch ganz gut ;-)), für manche ist er noch Lichtjahre entfernt. Aber für mich steht er dieses Jahr (2011) vor der Tür: der 40. Geburtstag. Ganz ehrlich: Freudentänze führe ich nicht auf, aber Bange machen gilt nicht. Und Jammern hilft sowieso schon mal gar nicht (eher im Gegenteil) – dann doch lieber „volle Kraft voraus“. Über Umwege ist mir tatsächlich etwas in den Schoß gefallen, das diesen Geburtstag nun doch zu einem positiven Ereignis werden lässt. Manchmal braucht man einen Umweg Ich habe mich dieses Jahr bereits zum zweiten Mal beim NYC-Marathon beworben, es aber – zu meiner großen Enttäuschung – wieder nicht in der Lotterie geschafft. Da muss man dann schon mal „out-of-the-box“ denken und „Plan B“ aktivieren: Ich bin also Mitglied bei der New Yorker Wohltätigkeitsorganisation „Team for Kids“ geworden und bekomme somit doch eine Startnummer für den „ING New York City Marathon 2011“ am 6. November. Als Gegenleistung für den garantierten Startplatz habe ich mich verpflichtet, 2.600 Dollar (für jede Marathonmeile 100 Dollar) für diese Organisation zu sammeln. Team for Kids New York Road Runners ist eine Wohltätigkeitsorganisation („Non-Profit-Organisation“) mit Sitz in New York, deren Ziel es ist, Menschen durch Laufen zu helfen und sie zu inspirieren. Seit über zehn Jahren hat die NYRR ein spezielles Programm, das „Team for Kids“, mit dem sie Kinder in New York, einigen anderen US-Staaten und sogar in Kapstadt zum Laufen bringen – gerade die Kids, die sonst den ganzen Tag in der Schule oder zuhause nur herumsitzen, sich nicht oder nur wenig bewegen und dabei immer dicker werden. Aus deutscher Sicht hört sich das jetzt vielleicht etwas eigenartig an; manch einer mag auch sagen, dass die Amis selbst schuld daran sind, aber die Kinder können …
Super Hero und Balance Bars
Ansonsten durfte ich mich beim Super Hero Halbmarathon in Morristown austoben und, bevor es losging, wieder einmal die Anstelldisziplin der Leute vor dem Start bewundern: Da sind fünf Minuten vor dem Startschuss noch 40 Meter lange, kreuz und quer über den Campus laufende Schlangen der Läufer/innen, die alle vor den Dixi-Klos enden – nein, kein Gedrängel, keine bösen Blicke, alle nähern sich einfach langmütig im Gänseschritt den Toiletten. Da kann man als Deutsche nur mit offenem Mund dastehen. Habe niemanden gesehen, der sich in die Büsche geschlagen hat. Nach dem Rennen gab es dann wieder einige kostenlose Reklame-Leckerbissen, an denen ich natürlich nicht vorbeigehen konnte: „Balance Bars“ in interessanten Geschmacksrichtungen wie „cookie dough“ und „double chocolate brownie“ – sie waren lecker, aber ich habe Sodbrennen davon bekommen (dann doch lieber die übliche Banane hinterher).
Am 6. Februar ist Super Bowl Sunday
Am 6. Februar ist Super Bowl Sunday, der Tag des Meisterschaftsspiels der nationalen Footballliga. Für alle, die keine Ahnung von Football haben (wie ich bisher): Beim Football versucht man, einen elliptischen Ball hinter die Linie des Gegners zu bekommen. Alle Spieler tragen gigantische Schulterpolster und Helme – also nicht zu verwechseln mit Rugby. Ich hatte wirklich gar keine Ahnung, aber unser Gast Martin hat mir vor dem Fernseher im Schnellkurs die wichtigsten Dinge erklärt. Ich war überrascht: Ist doch gar nicht so langweilig, wie ich dachte. Im Gegenteil: Wenn man versteht, was passiert, sogar recht kurzweilig. Wirklich gewöhnungsbedürftig fand ich nur die Spielsituationen, wenn nicht klar ist, wer im Ballbesitz ist (weil sich zwei Spieler gerade darum streiten) und sich dann alle übrigen Spieler konzentrisch auf diese beiden draufstürzen und am Ende ein großer Haufen von übereinander gestapelten Männern auf dem Spielfeld liegt. Die Schiedsrichter wühlen sich dann auch noch da rein, um zu gucken, wer von den armen unten Liegenden den Ball nun tatsächlich hat – diese Szenen fand ich schon merkwürdig. Das Spiel wird immer unterbrochen, sobald der Spieler, der im Ballbesitz ist, zu Fall gebracht wird – von daher gibt es super viele Unterbrechungen (nicht wie im Fußball, wo der Ball auch schon mal einige Minuten im Spiel ist). Football passt richtig gut zu den Amis, wie ich finde: Von Null auf Hundert in einer Sekunde, dann mit voller Energie weiter und das Gleiche auch wieder rückwärts (von Hundert auf Null in einer Sekunde). Dieses Verhalten zeigen sie auch oft im Alltagsleben, was für Europäer/innen bzw. Deutsche oft gewöhnungsbedürftig ist. Wir sind eben eher die, die langsam anlaufen, aber dann mit großer Ausdauer „am Ball bleiben“ (ob beim Sport, bei Freundschaften oder beim Applaudieren nach Theater/Ballett). Aber das ist nur so mein ganz persönlicher Eindruck 😉 . Der Super Bowl Sunday ist ein fester Bestandteil der amerikanischen Kultur, ein Riesenfest hier für die Leute – an diesem Tag machen alle Party und die ganze Nation hängt vor dem Fernseher. Dieses Jahr waren es 111 Millionen – die größte Zuschauerquote, die je registriert wurde! Es gibt super …
THE Day. NYC Marathon, 6. November 2011
Warum die Nacht vor dem Marathon besonders teuer war und wieso der Lauf auf einer Insel startet. Weshalb ich in einem „Fanggehege für wilde Tiere“ auf meinen Start warte und wie es fast wie im Rausch durch die Menschenmengen der Stadtteile geht. Und was für ein unglaubliches Gefühl es ist, am Ende durch einen Metallkasten zu laufen. Getting to the starting line is the biggest hustle Es beginnt mit einer Besonderheit: Start des Marathons ist auf Staten Island (also einer INSEL). Heißt: Bis sieben Uhr muss man im Privatfahrzeug über die Verrazzano-Narrows-Bridge drüber sein, sonst bleibt nur der Weg übers Wasser („The Verrazano-Narrows Bridge will close to all traffic promptly at 7 a.m.“ – official handbook)! Die Teambusse haben etwas mehr Zeit zum Passieren, aber um 8.30 Uhr heißt es „Go!“ für die „wheel chair division“. 4.30 Uhr Mein Wecker klingelt. Endlich mal wieder gut geschlafen. Aber die Nacht war ja auch teuer genug: 491 Dollar! Und das war kein Luxushotel, sondern einfach NYC. Ich fühle mich besser als an den Tagen davor und bin froh, dass es losgeht. Essen, trinken, anziehen und los … 5.30 Uhr Die Temperatur ist sehr angenehm (für alle Fälle habe ich aber eine Wärmflasche dabei). Es ist noch dunkel, zu Fuß geht es zum Treffpunkt (65 West, 54th Street), wo der Teambus wartet. Gestern Abend war hier noch die Hölle los: Es war laut, grell, Geblinke, Gehupe, Taxen, Leute. Und jetzt ist alles friedlich, gedämpfte Geräusche, fast schon still – und das mitten in Manhattan. Man sieht nur wenige Autos, dafür aber an einigen Ecken die geparkten Busse mit der „Marathon“-Anzeige. So ziemlich alle Gestalten, die im Moment zu Fuß in den highrise-Schluchten unterwegs sind, sind Marathonläufer/innen (eindeutig zu erkennen an dem durchsichtigen Gepäckbeutel der NYRR, den man vor dem Start abgeben kann), viele mit dem obligatorischen „cup to go“, einige haben Bademäntel über ihren Laufklamotten, einige Frauen tragen viel zu große Männerpullover (alles Wegwerf-Klamotten), alle wirken gut gelaunt, man wünscht sich im Vorübergehen „Good luck“ oder „The best of luck“. Eine will meinen Nachnamen wissen – warum? „I´ll look you up …
Eisprinzessinnen-Joggen
Ich gehe weiter stur morgens laufen. Was zieht man sich bei diesen Temperaturen fürs Laufen an? Also: Ich versuche es mit drei Oberteilen plus Jacke, zwei dicken Laufhosen übereinander, einer Skimaske, dicker Mütze und Handschuhen – damit geht es ganz gut, auch wenn das Laufen durch den Mundschutz echt mühsam ist und meine Oberschenkel bei der Rückkehr eiskalt und knallrot sind und ziemlich stechen. An einem Morgen fand ich nach meiner Laufrunde einen Eisblock in meiner Jackentasche – da habe ich doch etwas überlegen müssen, bis ich verstanden habe, dass das wohl mein Trinkvorrat für unterwegs war, der von mir unbemerkt aus der Flasche ausgelaufen und sofort gefroren ist. Die Kinder staunen immer bei meiner Rückkehr, denn meine schwarze Mütze und die Skimaske schimmern glitzernd weiß, weil sie von vielen winzigen Eiskristallen übersät sind – sieht etwas spooky aus, wenn man leicht angefroren wieder ins Haus kommt. Also: Hinfallen und Nicht-gefunden-werden ist keine echte Option bei diesem Wetter – aber ich laufe ja brav durch Wohngebiete.
Turkey Trot
Das heißt übersetzt „Truthahn Traberei“ und bedeutet ein bisschen Bewegung vor dem Festmahl! Um im Bauch Platz für den Truthahn zu bekommen, laufe ich morgens an Thanksgiving noch einen 5-km-Lauf mit. Beeindruckend ist mal wieder die Anstelldisziplin der Leute vor den Dixie-Klos (zwei 50 Meter lange Schlangen – hier schlägt sich wirklich niemand in die Büsche). Vom 5-Kilometer-St.Patties-Lauf im März bin ich „vorgewarnt“: Unterwegs wird die zurückgelegte Distanz in Meilen und nicht etwa in Kilometern angegeben. Heißt: Beim 3-Meilen-Schild kann man in den Endspurt starten, denn dann hat man es fast geschafft (5 km = 3,1 Meilen).
Special-needs-Sport
Marc erzählt: Ich gehe jetzt alle zwei Wochen mit Ole zum Sport. Wir haben hier in Morristown eine offene, kostenlose Sportstunde gefunden, bei der Kinder mit Special Needs einen Buddy zugeteilt bekommen, mit dem sie dann eine Stunde lang Sport treiben. Die Buddys sind Teenager, die sich dort ehrenamtlich engagieren. Das ist eine tolle Sache, denn Ole liebt Bewegung. Er spielt Fußball oder läuft und genießt die exklusive Zeit. Danach ist er viel ausgeglichener und absolut happy. Manchmal lasse ich dann den Blackberry bewusst im Auto und schalte auch einfach mal eine Stunde am Rand des Spielfeldes ab 🙂 . SNAP Matt Certner hat mit 13 Jahren SNAP (Special Needs Athletics Programs) ins Leben gerufen, um seinem autistischen Nachbarn zu helfen, weiterhin Sport zu machen. Ich finde das wirklich imposant, denn bei den ganzen Gesetzen, die die hier haben, kann man sich vorstellen, wie viele Hürden da zu überwinden waren. Matt’s Tipp für Nachahmer/innen: „Dont’ take ‚No‘ for an answer.“ Hut ab – denn ein amerikanisches „No“ ist nach meinen bisherigen Erfahrungen noch viel stärker als ein deutsches „Nein“.
WM-Fieber!
Nicht zu vergessen: Wir haben natürlich auch Fußball geguckt, unsere Mannschaft angefeuert und mitgejubelt. Die WM ist inzwischen tatsächlich auch ein Thema in den USA, viel größer als noch vor vier Jahren, wie uns einige Amerikaner/innen sagten. Aber es kann einem schon mal passieren, dass sie in einer Bar mitten in einem spannenden Fußballspiel auf Baseball umschalten und dann auch dabei bleiben – Pech für Marc und mich 🙁 . Wir sind gespannt, Deutschland am Tag des Endspiels noch im Fußballfieber vor Ort zu erleben (auch wenn unsere Mannschaft nicht mehr dabei ist). Wir freuen uns, bald endlich mal wieder deutsche Fahnen zu sehen, denn im Moment hat die Verteilungsdichte der amerikanischen Flaggen einen Höhepunkt erreicht (sie sind einfach ÜBERALL). Was allerdings nichts mit der WM, sondern mit dem 4. Juli zu tun hat, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag.
YMCA – Ursprung und heutige Bedeutung in den USA
YMCA bedeutet Young Men’s Christian Association (deutsch: Christlicher Verein Junger Menschen), die mit über 45 Millionen Mitgliedern die weltweit größte Jugendorganisation darstellt. Ihren Ursprung hat diese Organisation im 19. Jahrhundert, als es im Zuge der Industrialisierung zu christlichen Erweckungsbewegungen in Europa und Amerika kam. Ziel war es, jungen Männern Glaubens- und Lebensorientierung zu geben. Diese Vereine schlossen sich dann zu nationalen Verbänden zusammen und breiteten sich über den ganzen Globus aus. Da die Bewegung überwiegend von der Basis geführt und geprägt wird, hat sie heute eine sehr pluralistische Ausprägung. In den USA spielten die YMCA-Vereinigungen eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Verbreitung von Bewegungs- und Sportprogrammen. Da Sportvereine weitaus weniger verbreitet sind als etwa in Deutschland, betreibt die YMCA viele Sportzentren, Gesundheitsprogramme, Vorschulen, Kinder-Ferienbetreuungs-Programme, Jugendherbergen, Reisen und vieles mehr. In fast jedem größeren Ort findet sich eine YMCA, die meist sogar über ein Hallenbad verfügt. Da es in den USA nur sehr wenige öffentliche Hallenbäder gibt, ermöglicht die Mitgliedschaft den Zugang zu einem Schwimmbad. Im Alltag benutzen die Leute meist nur die Abkürzung „Y“, z. B. „I’am at the local Y“ (sprich „why“).