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Ausmisten. Ausmisten. Ausmisten.

Statt Bar Mitzwa gibt es für mich Ausmisten in Deutschland – unser Haus einmal „auf links“ drehen und für die Ankunft unserer sechsköpfigen Familie vorbereiten. Mein erster Eindruck von Deutschland nach zehn Monaten „Entzug“: kühler, technischer, stabiler, viele Leute wirken wie unter Strom, als ob sie alle „Red Bull“ getrunken hätten, ungeduldiger, stoffeliger, viele Frauen mit „Storchennest“ auf dem Kopf, asymmetrischer Brille und vor allem JEANS! Wir Deutsche lieben doch wirklich unsere Jeanshosen über alles und ich komme mir komisch vor, weil ich auf einmal so gut ins Bild passe und gar nicht mehr auffalle – ist das bescheuert?! Autofahren ist anstrengender, weil sich so viel bewegt auf Straße und Bürgersteig (wie ein Wimmelbild). Ich vermisse meine Musiksender und „WNYC“ im Radio, weiß geklinkerte Häuser lösen bei mir Hallenbadgefühle aus (ungemütlich und kalt), oh je! Und viele Leute auf dem Fahrrad, die im Verkehr auf ihrem Handy texten – das kannte ich bisher noch nicht.   Unser Haus: Es ist schon ein verrücktes Gefühl, nach so langer Zeit wieder da zu sein: Unser Haus ist wie ein alter Kleiderschrank – vieles ist vertraut, man erinnert sich, wo alles liegt und steht. Aber diverse Sachen passen nicht mehr (im wörtlichen wie im übertragenen Sinn), alles ist irgendwie muffig – so wie ein alter Schuh, der bequem, aber ausgelatscht ist. Sieben Tage großes Reinemachen – mit zweieinhalb Jahren Abstand kann man sich leichter von Sachen trennen – danach habe ich mich durch die wichtigsten Räume „gefräst“: Teppich gereinigt, Wände gestrichen, aus Kleinkindzimmer ein Kinderzimmer gemacht, aus Grundschulkind-Zimmer ein Jugendzimmer. Beide Altkleidercontainer im Ort quellen über, der Müllcontainer vor unserem Haus ist rappelvoll und ich bin unzählige Male beim örtlichen Wohltätigkeitsverein gewesen. Abgesehen vom schimmeligen Keller und der kaputten Waschmaschine gibt es noch ein grundlegendes Problem: Mir gefällt die ganze Atmosphäre im Haus nicht mehr – nach fast drei Jahren im gemütlichen Holzhaus ist so ein weißes Steinhaus schon irgendwie kalt. Das müssen wir ändern – so halte ich das nicht aus. Da haben es die Expat-Familien besser, die sich vor ihrem Umzug eine ganz neue Bleibe in Deutschland suchen, denn da können …

Mein Kalifornien-Fazit

Kalifornien hat sich dennoch gelohnt und wir haben wieder einen kleinen Stein unseres USA-Puzzles mitgenommen. Aber es war auch ein verdammt anstrengender Trip – das tägliche Ein- und Ausladen plus Schleppen des Gepäcks, viel Zeit im Auto, das mit sechs Leuten, Koffern, Proviant, Spielen und Müll immer proppevoll war.   Oles Standardfrage, fünf Minuten nach Abfahrt, danach in 20-Minuten-Intervallen: „Wie lange noch?“ Was für ein Glück, dass es Schneekugeln (snow globes) gibt, die wir an jeder Station als Souvenir kaufen: Sie lenken ihn wunderbar ab, er schüttelt sie unentwegt und betrachtet sie stundenlang. Ansonsten beruhigt er sich mit meinem Timer am Handy, der die noch vor uns liegende Fahrzeit runterzählt (na, da tut sich wenigstens was). Wenig Übereinstimmung gibt es bei uns, was die musikalische Unterhaltung angeht. Marc liebt die Dire Straits, Tim hasst sie: „Mach die schreckliche Musik aus.“ Paul will „The Ants go marching“. Aber gut, wenn es die nicht gibt, beschäftigt er sich eben mit seinen Zahlen: “I´m counting to 1.000!“. Er will einfach seine Ruhe haben und fängt bei einer Ablenkung wieder von vorne an. Selbst „Route One“ – die landschaftlich reizvolle, steile Küstenstraße – stößt auf wenig Gegenliebe bei den Kids. Für sie ist sie viel zu langweilig und zu lahm. Aber dann zieht ein Unwetter auf und wir fahren durch tiefliegende graue Wolken, bevor der Starkregen einsetzt. Und schon steigt die Stimmung im Auto senkrecht – jedenfalls auf den hinteren Plätzen. Und als wir bei Sonnenuntergang auf dem superbreiten Highway nach L. A. reinfahren, helfen nach einem Tumult zwischen Theo und Ole nur noch Nenas Schlaflieder zur Herstellung des allgemeinen Friedens. Marc krallt sich am Lenkrad fest, nimmt einen großen Schluck aus an seinem Quad-Venti-Latte und tritt aufs Gas; Theo und Tim beißen sich auf die Lippen, aber Ole und Paul lauschen andächtig und gucken selig aus dem Fenster … Und wenn dann später abends alle Kinder im Auto eingeschlafen und ihre Köpfe zur Seite gekippt sind, dann schweigen Marc und ich und genießen einfach nur die Ruhe – wir wissen, dass die vier ihre Batterien gerade wieder aufladen und bald wieder „fully charged“ …

„Ein paar Koffer sind doch schnell gepackt …“

So lauteten jedenfalls die aufmunternden Worte einer E-Mail mit Neujahrsgrüßen aus Deutschland von einer Freundin. Vor zwei Jahren sind wir mit 15 Koffern hierher geflogen, aber dabei ist es leider nicht geblieben. Unsere Möbel, Unmengen Lego und all die Sachen, die sechs Leute in 24 Monaten so ansammeln, sind dazugekommen. Eigentlich wollte ich nur eine Grobplanung für den Ablauf der „Rückumsiedlung“ machen, aber diese Rechnung ist nicht aufgegangen: Wir müssen für Ole eine geeignete Schule in Mönchengladbach finden, dem „Deutsch“ unserer Kinder unter die Arme greifen, ein Au-pair für Deutschland suchen und noch tausend andere „Kleinigkeiten“ in Angriff nehmen (z. B. ein Umzugsunternehmen finden, Hausinventar auflisten, Plan für die Autos machen, fristgerechte Kündigungen und Abmeldungen vornehmen, Kinder in Deutschland anmelden und uns ums Ausmisten, den Rücktransport, den garage sale, die Krankenversicherung und vieles andere mehr kümmern …).

Elf Wochen – unendlich Zeit

Mitte Juni ist dann die Schule vorbei und es gibt Zeugnisse (report cards – alles im grünen Bereich bei uns). Ich muss meinen Alltag jetzt wieder für die nächsten elf Wochen umstellen, aber diesmal fällt es mir leichter. Unmut und Schock sind nicht so groß wie im vergangenen Jahr, und es ist schließlich auch schon wieder der letzte Sommer, den wir hier erleben. Da ist man dann schon milder gestimmt und genießt mehr als dass man schimpft. Zeugnis Theo Zeugnis Tim   Das öffentliche Leben „slows down“, die Cafés sind leerer, einige Geschäfte bleiben sonntags geschlossen. Und für viele geht es jetzt in die Sommerhäuser an der Küste, wo es nicht ganz so schwül ist. Die meisten Kinder werden von ihren Eltern wie immer in Sommercamps verfrachtet. Für Ole (5) und Paul (4) bezahlen wir für zwei Wochen Sportcamp à drei Stunden pro Tag beim YMCA knapp 1.000 Dollar – und das ist schon der reduzierte Preis für Mitglieder! Aber davon lassen wir uns die Laune nicht vermiesen …

Besuch weg, Mücken da

Auch bei uns zuhause tut sich eine Menge: Im Mai fliegen alle unsere Kurz- und Dauergäste kurz hintereinander wieder nach Hause. Nach insgesamt 23 Wochen mit Besuch sind wir jetzt wieder unter uns – auch schön! Ohne „Beobachter“ ist das Familienleben weniger dynamisch, man kann mal fünf gerade sein lassen und endlich wieder in Unterhosen durch die Gegend laufen, wenn man sich nachts Wasser holt. Und Marc und ich müssen uns auch nicht mehr in unsere Waschküche zurückziehen, um ein ungestörtes Wort wechseln zu können. Als alle weg sind, kommt Ende Mai dann doch endlich mal der Sommer mit 25 bis 30 Grad – und mit ihm auch die endlosen Mückenscharen. Durch das feuchte Wetter vorher gibt es beste Vermehrungsbedingungen, und morgens wird man am bus stop bei lebendigem Leibe fast aufgefressen!  

Unsere Florida-Erkenntnisse

Mitten in unseren Ferien fällt uns auf: Es ist unser erster Urlaub seit neun Jahren, in den wir nicht das ganze Geraffel für Babys und Kleinkinder mitschleppen müssen. Keine Reisebetten, Schnuller, Flaschen, Gläschen, kein Tragetuch, Mittagsschlaf, Kinderwagen!!! Alle, die einmal einen Kinderwagen durch den Sand geschleift haben, wissen, wovon ich rede – die Zeit der Mini-Schritte liegt hinter uns und wir haben ein kleines Stück Freiheit zurück.   Meine zweite Erkenntnis: Unsere Kinder können jetzt echt Englisch – und brauchen uns nicht mehr zum Übersetzen. Das klingt vielleicht etwas verrückt, aber irgendwie habe ich erst jetzt realisiert, dass sie eine Sprache können, die ihren Radius extrem erweitert. Im Alltag in Morristown gehört die zweite Sprache einfach dazu, aber so im Urlaub ist der Bonus offensichtlicher. Sie freunden sich direkt mit anderen Kids an, rennen gemeinsam über die Anlage, und Tim (7) belagert den Mann von der “watersports area”, will alles wissen, während ich in aller Ruhe auf der Veranda sitzen und zugucken kann 🙂 .

Willkommen Vitoria

Gerade als ich mich so richtig warmgelaufen hatte, den ganzen Betrieb alleine zu organisieren – und es auch rund lief – kam unser neues Au-pair aus Sao Paulo, Brasilien an: Vitoria, 19 Jahre. Sie ist unser vierter Versuch in Sachen “Kindermädchen” und wurde daher mit Spannung erwartet. Meine Erfahrung mit unseren bisherigen Au-pairs – auch in Deutschland – sagt mir klar, dass man meist schon nach zwei Minuten sagen kann, wie die Chancen stehen, dass es gut geht – oder eben nicht.   Also, Vitoria kam rein, in Turnschuhen, streckte mir die Hand entgegen, und sagte mit lauter und klarer Stimme: “Hello, I’m Vitoria” (mit spitz ausgesprochenem „vi”, explosivem „to“ (wie im deutschen Wort „Beton“) und brasilianischem Zungen-”r”) – also mit viel mehr „Kawums“, als wir die deutsche Version aussprechen würden. Als sie sich so vorstellte, vermutete man sofort, dass sie nichts so schnell aus der Bahn wirft. Sie nahm schnell Kontakt zu den Kids auf, ist fröhlich, humorvoll und lacht viel, v. a. abends, wenn sie bei uns im family room vor dem Fernseher sitzt. Sie macht die Arbeiten im Haushalt mit großer Selbstverständlichkeit und Selbständigkeit. Sie will unbedingt Deutsch lernen, weil, wie sie sagt, wir ja schließlich eine deutsche Familie sind. Mit ihrem Skype-Telefon telefoniert sie lautstark auf Portugiesisch im ganzen Haus und mit meinen (geringen) Spanisch-Kenntnissen verstehe sogar ich einige Minibrocken. Also – der Anfang ist vielversprechend und das zum Teil ungestüme Verhalten der Jungs bringt sie nicht aus dem Konzept, denn sie hat selbst einen jüngeren Bruder. Wenn man weiß, wie fest sie die Fuß-Handbremse bei unserem Honda durchtritt (noch fester als Marc!), dann weiß man, dass sie es meint, wenn sie sagt: “Stop it … NOW!” Und dann weiß man auch, dass sie sich bei den Jungs hier Gehör verschaffen kann. Also, ein guter Anfang! Seit ihrer Ankunft gibt es jetzt regelmäßig drei Sprachen bei uns: Deutsch (wir untereinander), Englisch (wir mit Vitoria bzw. wir untereinander, wenn Vitoria dabei ist, Theo und Tim untereinander) und Portugiesisch (Vitoria am Telefon).

Eis, das vom Himmel fällt

Zunächst noch einmal zum Februar-Wetter (weniger überraschend, einfach nur nervig): Der Februar fängt so an, wie der Januar aufgehört hat: mit Schnee und – noch schlimmer – mit Eis. Direkt zu Beginn gibt es fiesen Eisregen – eine komplett neue Erfahrung für uns. Das ist kein Schnee und auch kein Hagel, sondern das sind winzig kleine Mini-Eiskristalle, die stundenlang vom Himmel regnen, wild vom Wind aufgepeitscht. Sie hören sich an wie Millionen von Stecknadeln, die auf den Boden fallen. Später wird der Eisregen zu Regen, aber bei eisigen Temperaturen. Bedeutet: Glatteis pur! So wird jeder Meter Fortbewegung zum Abenteuer, und es gibt natürlich wieder einen snow day für die Kids (den fünften dieses Jahr 🙁 ). Über Nacht hat sich alles draußen in eine Eis-Arena verwandelt: Die Kids können über den Schnee schliddern, weil eine mehrere Zentimeter dicke Eisschicht über der 40 Zentimeter dicken alten Schneeschicht liegt. Einen Schlitten brauchen sie nicht mehr – einfach auf den Popo setzen und los geht’s.   Nach dem ersten Spaß aber ist dieses Eis einfach nur nervig. Es ist unvorstellbar hart, wie Beton, und man kann es nicht entfernen – selbst Spaten, Spitzhacke und eine Menge guter Willen und Kraft können da nichts ausrichten. Wem es schwerfällt, das zu glauben, der kann gerne nächstes Jahr vorbeikommen: Unser Gästezimmer ist zwar bis November fast komplett ausgebucht, aber die Wintermonate sind noch frei 🙂 . Schneebälle sind hart wie Stein, selbst kleine Eisbrocken auf der Straße sind so festgefroren, dass man sich eher den Zeh bricht, als das Ding auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Das Schlimmste ist, dass die Kinder fast nirgendwo mehr draußen spielen können: Unser Trampolin biegt sich unter einer mehrere hundert Kilogramm schweren Schnee- und Eisschicht, der ganze Garten ist eine einzige Rutschbahn und die einzig eisfreien Orte – die Straßen – sind nun eben auch nicht gerade geeignet zum Spielen. Selbst ich, die die vier Kids sonst unnachgiebig bei jedem Wetter raussetzt, muss kapitulieren und bin schachmatt gesetzt – es gab genug Verletzte diesen Winter. Und außer Ausrutschen und sich-Wehtun ist nichts mehr drin. Die Folge dieses Extremwetters: Frust, bewegungsdurstige …

Gute Überraschungen. Schlechte Überraschungen.

Der Februar war insgesamt ein ziemlich bewegter Monat für uns, weil mitten in der Winterzeit viele unvorhergesehene Dinge passierten, die uns doch eine Menge Kraft kosteten. Reese’s (die fettigen Peanut-Butter-Cups – ihr erinnert euch? – man liebt sie oder man hasst sie), meine „Soforthilfe“ bei Stress, hatten Hochkonjunktur bei mir. Soviel vorab.

Vorbereitungen in Deutschland

Ein Leben voller To-do-Listen Die Vorbereitungen in Deutschland sind nicht ganz so umfangreich wie in den USA, aber Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist. Marc ist in den Monaten vor unserer Abreise fast nur in New Jersey, so dass ich die meiste Zeit mit den Kindern allein in Deutschland bin. Langeweile kommt also nicht auf. 🙂 Was gibt’s in Deutschland zu tun? rechtzeitig Elternzeit einreichen (Britta) Visum in Frankfurt beantragen (wir alle, Marc und Britta persönlich) Auto abmelden und für die lange Ruhezeit präparieren (unseren VW-Bus behalten wir) Nachsendeauftrag einrichten ausgiebige Gesundheitschecks, v. a. die Zähne in Ordnung bringen kündigen, kündigen, kündigen: Zeitung, Abos, Kindergarten, Musikschule, Turnvereine, Essensgeld Kita, Au-pair, Fördervereine, GEZ, Telefon, Müll, Krankenversicherung (ruhen lassen) … unsere Medikamentenvorräte auffüllen, z. B. das Rectodelt für Pauls Pseudokrupp Haus aufräumen Platz für Untermieter/innen machen alle Lebensmittel verschenken Aber wir behalten auch eine ganze Menge: Allem voran – unser Haus! Es steht fest, dass wir nur auf Zeit umziehen (zwei bis drei Jahre), also brauchen wir bei unserer Rückkehr nach Deutschland wieder ein Zuhause. Solange wir weg sind, ziehen eine Freundin und mein Bruder ein.