Es wird Zeit, dass wir den Heimweg antreten, sonst kommen wir hier gar nicht mehr los: Wir haben jetzt zehn Kindergeburtstage hier gefeiert – Paul hat so ziemlich die Hälfte seines Lebens hier verbracht. Bei unserer Ankunft war er zwei, jetzt ist er fünf Jahre alt. Auf dem Hinflug hatte er noch Windeln an, kroch mit seiner Thomas-Lok auf allen Vieren über die Flugzeugflure und fing gerade an, erste komplette Sätze auf Deutsch zu bilden. Jetzt plappert er munter auf Englisch, ist von Zahlen bis 1.000 besessen, sein Zimmer schmücken meterlange Papierschlangen mit Zahlen. Und er erkennt Abraham Lincoln treffsicher unter allen amerikanischen Präsidenten, während er mit dem Namen „Angela Merkel“ gar nichts anfangen kann. Paul kann sich nicht mehr an Karneval erinnern, und Ole kennt den Unterschied zwischen Halloween und Karneval auch nicht mehr. Die Kids können „genug“ Englisch, Tims Akzent kann nicht noch „amerikanischer“ werden und zuletzt fragte er mich: „Mama, bist du echt mit diesen Haaren geboren worden?“ Die Jungs haben genug „Good Job“-Aufkleber und „certificates/awards“ für die nächsten zehn Jahre gesammelt und mehr „pledges-Gelöbnisse“ in den letzten 30 Monaten geleistet als die meisten deutschen Menschen das in ihrem ganzen Leben tun.
KEEP TALKING – Kurzüberblick über zweieinhalb Jahre
Wie heftig Bewegung ins Sprachzentrum der Kinder kommt und auf welche Weise sie sich ganz nebenbei die englische Sprache aneignen. Und was dabei manchmal mit dem Deutschen passiert. Kreatives Abenteuer im Kinderkopf Zu Beginn unserer USA-Zeit im Januar 2010 kannte lediglich Theo ein paar Brocken Englisch aus dem Englischunterricht in der Grundschule – die anderen drei sprachen nur Deutsch. Zu dieser Zeit waren Paul 2, Ole 4, Tim 6 und Theo 7 Jahre alt. Seitdem sind zweieinhalb Jahre vergangen. Die allerersten Wochen waren schwer, aber kurz darauf ging es schon hoch her im Sprachzentrum der Kinder. Da wurde bunt gemischt, wild ausgeliehen und auch mal gut, mal schlecht getarnt untergeschummelt. Aber ich dachte nur: Ruhe bewahren. Die Leute würden hier wohl sagen: „You have to trust the process.“ Fehler machen ist Teil des Sprachlernprozesses und es zeigt auch, wie Kinder Sprachregeln, die sie verstanden haben, kreativ anwenden. So wie ihr Englisch mit der Zeit immer stärker wurde, so war auch ihr Deutsch in ständiger Bewegung, bis am Ende sogar deutsche Sätze kamen, die „rein deutsche“ Kinder gar nicht sagen würden. Wenig verwunderlich, wenn man über sieben Stunden am Tag ein ausschließlich englisches Sprachbad genießt und am Ende nur noch mit einem Menschen zuverlässig Deutsch spricht: mit der Mama. Nebenbei besser werden Innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre haben die Jungs nun unterschiedliche Level im Englischen erreicht. Theo und Tim sind auf einem höheren Level – Tim sei sogar nicht mehr von einem amerikanischen Kind zu unterscheiden, sagen unsere Freunde. „He can function as a native speaker“, erklärte uns auch seine Lehrerin. Es war faszinierend zu sehen, wie die Kinder „nebenbei“ immer besser im Englischen wurden. Ohne dass ich mit ihnen auch nur eine Vokabel gepaukt oder ihnen ein grammatisches Phänomen erklärt hätte. Ich habe mich beim Englischen komplett rausgehalten. Während Marc öfter zwischen den beiden Sprachen hin und her wechselt (er redet im Job ja auch nur Englisch), war bei mir nur Deutsch „im Angebot“. Wenn die Jungs einen Fehler im Deutschen machen, sage ich meist gar nichts. Bei falscher Grammatik oder Wortstellung versuche ich höchstens, die korrekte Version „hinterherzuschieben“ …
KEEP TALKING – Die absoluten Highlights unserer Jungs
Beliebt bei allen Kids: Tim: Ich will das Kids Menü bei McDonalds. Das kommt mit einem schönen Spielzeug. (Das deutsche „ist/hat mit dabei“ ersetzen alle Kinder durch „kommt mit“.) Ole: Papa, kannst du das mal fixen? (April 2011, inzwischen fest bei allen drin – ist ja auch viel griffiger als das deutsche „reparieren“.) Und wenn sie in ein Brettspiel vertieft sind und am Ende einer von ihnen gewinnt, ruft Tim laut: Spiel über! Es ist gut zu wissen, dass die Kinder trotz Sprachenmix im Kopf immer einen Weg finden, sich Gehör zu verschaffen: Ole: Mama, ich warn dir nur! (Jan 2012) Paul schießt den Vogel ab. Er ist super sauer auf mich und macht seinem Ärger Luft: Paul: Und alles nur wegen du! (März 2011) Die Dauerbrenner Einige Formulierungen tauchen schon nach sechs Monaten auf und halten sich hartnäckig für die restliche Zeit. Mal abwarten, wann die Kinder diese Wörter in Deutschland wieder „aufgeben“… Theo: Was ist diese Mappe für? (Juni 2010, er guckt sich gerade eine Weltkarte an, auf der Bodenschätze verzeichnet sind) Tim: Ich liebe die so viel. (Juni 2010) Theo: Ich esse kein mehr Brot. (Juni 2010) Theo: Ich mag es besser, wenn es ohne Joghurt ist. (Juli 2010) Tim: Ich will das Stück hier fixen. (Mai 2010)
KEEP TALKING (9) – knapp zweieinhalb Jahre USA
Warum Theo nur auf Deutsch flucht und Tim nach zweieinhalb Jahren in den USA mittlerweile genauso gut Englisch spricht wie amerikanische Kinder. Und warum Ole manchmal etwas als „komisches Englisch“ bezeichnet. Bevor es jetzt bald zurückgeht nach Deutschland, noch mal ein Blick auf die Sprache: Die Kinder verfügen mittlerweile über eine hohe Kompetenz in beiden Sprachen. Ob sie aber nun besser Deutsch oder besser Englisch sprechen, kann man so gar nicht sagen, weil es auch abhängig vom „Fachgebiet“ ist. Fluchen tut Theo (10) mittlerweile ausschließlich auf Deutsch – keine Ahnung, wo er diese Fremdworte her hat. Etwa von mir??? Die Kids reden untereinander sehr viel Englisch, aber nicht komplett durchgängig. Mit mir reden sie nach wie vor Deutsch. Theo hat sich weiter dem amerikanischen Akzent angenähert, Tim (8) war ja eh immer „gut“ darin. Ein amerikanischer Freund sagte uns, dass er Tim mittlerweile nicht mehr von amerikanischen Kindern unterscheiden könne. Die beiden Jüngeren hören sich vom Akzent her dagegen noch eher deutsch an (finde ich). Alle nehmen inzwischen deutlich wahr, dass es verschiedene Varianten des Englischen gibt, das ist dann eben „komisches Englisch“ (laut Ole, 6). Vor allem Theo horcht immer auf, wenn er „Britisch English“ hört. Dann steht er ganz still „mit dabei“ und lauscht fasziniert (die Mutter eines Klassenkameraden hier kommt aus Großbritannien). Und als zuletzt ein irisches Kinderlied auf der CD kam, hörte Paul (5) sehr aufmerksam zu und meinte hinterher mit einem Stirnrunzeln, dass das ja wohl ziemlich schlechtes Deutsch gewesen sei. Das Englisch der Kids ist übrigens mittlerweile so gut, dass sie nebenbei Radio beim Autofahren mithören und nachfragen, wenn sie etwas interessiert: „Three people dead … why?“ Ihr Deutsch hört sich an manchen Stellen lustig und unidiomatisch an (Rückübersetzung), manchmal auch etwas falsch an (falsche Satzstellung oder Präposition). Aber sie haben immer noch einen wirklich großen Wortschatz und verstehen alles. Vom Schreiben wollen wir hier nicht reden … Man findet auch noch Anglizismen in ihren deutschen Sätzen, wobei ihnen da inzwischen teilweise wohl die deutschen Vokabeln fehlen, wenn sie über Dinge sprechen, die sie primär aus der Schule kennen. Sie haben einfach …
Family Bits and Pieces April 2012
Vitoria muss vor Gericht, weil sie ihre NJ drivers license (die sie nie erworben hat) abgeben soll. Kurios. Ein offizieller Brief wegen der vielen vermasselten Prüfungen ist nie bei uns angekommen, daher ist irgendeine Frist verstrichen. Nun geht es um eine hohe Geldstrafe. Marc geht mit zur Verhandlung. Verrückterweise ist es hier hilfreich und effektiv, sich bei Verkehrsdelikten dagegen zu wehren und vor Gericht zu verhandeln (auch ohne Anwältin oder Anwalt). Die beiden sind erfolgreich: Vitoria muss am Ende 140 Dollar zahlen (billiger als gedacht) und eine zweite Verhandlung abwarten. Na ja, vielleicht wäre es doch einfacher gewesen, einfach mal richtig für die Theorieprüfung zu lernen – hätte ihr und uns den ganzen Schlamassel erspart. Die wirklich gute Nachricht: Vitoria verlängert ihren Au-pair-Vertrag mit uns für die knapp drei Monate, die wir noch hier sind. Das ist super für uns – könnte nicht besser laufen. Theo (9) ist immer noch total im „Harry Potter Fieber“. Man hört und sieht von ihm tagsüber nicht viel. Aber wenn man es in der Küche klappern hört, dann ruft Tim sofort: „Theo, are you trying out a new potion (Zaubertrank)?“ Dann finde ich dort Überreste von Brühwürfeln und anderen Gewürzen. Er hat immer einige Zauberstäbe („wands“) dabei, die er selber aus Papier gedreht hat. Damit versucht er nun neuerdings „ganz unauffällig“ halb hinter dem Sofa versteckt, den DVD-Player für Ole und Paul anzumachen. Tim ist schon voll genervt davon. Theo liest wie ein Wahnsinniger, seine Bücher sind schon ganz zerlesen und haben viele „Pferdeöhrchen“, wie er mir zuletzt sagte. Und er hat ein neues Problem: „I need a book. How to understand girls.“ Er beschwert sich, dass sie sich so komisch verhalten 🙂 . Das Ergebnis des Parent/Teacher Conference (Elternsprechtags) zu Theo: “High maturity level, serious, has to slow down, add details in the stories, doesn´t explain them thoroughly, more time to plan the story, good sense of humour, witty, funny, more flexible to trust teachers, his language has blossomed, on 3rd grade level, improved reading, spelling”. Also bis auf die fehlende Sorgfalt alles wunderbar im grünen Bereich. Er beschwert sich nur, dass er …
KEEP TALKING (8) – 18 Monate USA
Wie eineinhalb Jahre USA langsam ihre Wirkung zeigen. Und warum es manchmal auch witzig ist. Zum Beispiel, wenn Theo sagt „Wir sind an Butter ausgelaufen!“ Gleich geht’s in den Sommerurlaub nach „Good Old Germany“. Die Zeit in Deutschland kommt wie gerufen – mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass die vier kaum noch einen „geraden“ deutschen Satz herausbringen. So fragte mich Theo (9) kürzlich, nachdem er mir etwas erklärt hatte und wissen wollte, ob ich das verstanden habe: „Kriegst du das?“ Ole (6) erzählte mir begeistert nach dem summercamp: „Ich bin durch die pit gecrawled“, und Paul (4) berichtete: „Da sind twenty-one people in dem Bus. Ich hab gecounted.“ Paul hat seit einigen Wochen einen genial einfachen Trick gefunden: „Ich trinke nur das Saft./ Mama, kannst du das Rest essen? / Ich komme mit das Buch.“ Warum sich mit einer unpraktischen Sache wie Artikeln aufhalten … (die anderen drei machen diese Fehler nicht!). Und Tim (7) bringt es kurz vor unserem Abflug nach Deutschland auf den Punkt: „Ich freue mich total, nur noch zwei mehr Tage bis wir fahren.“ Im Englischen sind Tim und Theo mittlerweile richtig zuhause. Ein Blick auf ihren Test Ende dieses Schuljahres zeigt, dass beide vor allem im mündlichen Sprachgebrauch riesige Fortschritte im Vergleich zum letzten Jahr gemacht haben. Tim ist im Sprechen bis zur obersten Kategorie geklettert. Theo hat sich vor allem in den Bereichen „Hören, Sprechen und Schreiben“ weiter verbessert. Hier einige Beispiele aus unserem Alltag: Tim: Wie magst du mein Flugzeug, Mama? (Juni 2011) Theo: Wir sind an Butter ausgelaufen. (Juni 2011, als er feststellt, dass wir keine Butter mehr haben.) Theo: Ich bin ernst. (Mai 2011, als er sich nicht ernstgenommen fühlt und mir klar machen will, dass ich ihn ernst nehme.) Paul: Ich trinke nur das Saft / Mama, dann kannst du das Rest essen / Ich komme mit das Buch. (Mai 2011; Paul benutzt fast nur noch den neutralen Artikel – das hat er vor einem Jahr noch nicht gemacht. Die anderen machen diese Fehler so gut wie gar nicht.) Tim: Mama, kannst du wieder mit mir …
Unsere Florida-Erkenntnisse
Mitten in unseren Ferien fällt uns auf: Es ist unser erster Urlaub seit neun Jahren, in den wir nicht das ganze Geraffel für Babys und Kleinkinder mitschleppen müssen. Keine Reisebetten, Schnuller, Flaschen, Gläschen, kein Tragetuch, Mittagsschlaf, Kinderwagen!!! Alle, die einmal einen Kinderwagen durch den Sand geschleift haben, wissen, wovon ich rede – die Zeit der Mini-Schritte liegt hinter uns und wir haben ein kleines Stück Freiheit zurück. Meine zweite Erkenntnis: Unsere Kinder können jetzt echt Englisch – und brauchen uns nicht mehr zum Übersetzen. Das klingt vielleicht etwas verrückt, aber irgendwie habe ich erst jetzt realisiert, dass sie eine Sprache können, die ihren Radius extrem erweitert. Im Alltag in Morristown gehört die zweite Sprache einfach dazu, aber so im Urlaub ist der Bonus offensichtlicher. Sie freunden sich direkt mit anderen Kids an, rennen gemeinsam über die Anlage, und Tim (7) belagert den Mann von der “watersports area”, will alles wissen, während ich in aller Ruhe auf der Veranda sitzen und zugucken kann 🙂 .
KEEP TALKING (7) – 15 Monate USA
Wie riesig die Lernfortschritte der Kinder nach 15 Monaten sind und wie das Englische immer mehr aufs Deutsche abfärbt. Im zweiten Jahr reden Theo (8) und Tim (7) dann nur noch Englisch untereinander, während sie mit Ole (5), Paul (4) und mir meist Deutsch sprechen. Nur wenn Theo sich richtig aufregt und emotional ist, redet er ausschließlich Englisch. Ole und Paul reden meist Deutsch untereinander. Zu Beginn des zweiten Jahres gelingt es auch Paul immer besser, die Sprachen zu trennen, wobei er sie direkt mit Personen verbindet: „Nein, nicht so wie Morena spricht. Rede anders.“ (Unser Au-pair Morena spricht natürlich Englisch.) Paul kann auf einmal auch schnell hin und her wechseln. So ruft er Morena, nachdem das Puzzle fertig ist: „I’m done. I’m done.“ Als er sie nicht findet und Marc sieht, ruft er: „Ich bin fertig.“ Ihm gehen einige Lichter auf: „›You are welcome‹ heißt ›bitte‹, richtig?“ (Febr. 2011) Ab dem Zeitpunkt, wo Paul im März in der preschool tatsächlich Englisch spricht, entwickeln sich seine Sprachkenntnisse zusehends (noch mit einigen deutschen Wörtern, um Vokabellöcher zu stopfen). Sätze wie „Morena, can you this out cut?“ (Jan. 2011) höre ich immer weniger. Im Urlaub in Florida staunen Marc und ich, wie viel Englisch die Kids schon können. Auch Ole hat Riesenfortschritte gemacht und spricht viele rein englische Sätze. Paul ist nicht zu stoppen: You have so viele wundervolle Palmen here! Mit ihrem Deutsch passiert zu Beginn des zweiten Jahres etwas Auffälliges: Theo und Tim benutzen immer öfter wörtliche Rückübersetzungen vom Englischen ins Deutsche. Sie bilden also Sätze, die nur aus deutschen Wörtern bestehen, die Grammatik stimmt ebenfalls, aber trotzdem redet so kein „rein deutsches“ Kind, irgendwie „unidiomatisch“. Hört sich oft witzig an, und ich muss öfter grinsen, aber ab jetzt muss ich unseren Gästen schon mal erklären, was sie damit meinen. Die Formulierungen kenne ich auch von meinen amerikanischen Schulkindern und langjährigen Expatkindern in der Deutschen Schule: Vielleicht ist das ein Wendepunkt, wo das Englische langsam die Führung übernimmt und immer mehr aufs Deutsche abfärbt – mal sehen. Theo: Papa hat mich reingesendet, um mir andere Schuhe anzuziehen. (März …
Highschool-Cheerleaders
Theo (8) und Tim (7) reden im Moment wieder mehr Englisch miteinander. Martin, unser Gast aus Deutschland, amüsiert sich immer sehr, wenn sie Deutsch mit ihm und mir reden. Der neueste Trend: Rückübersetzungen vom Englischen ins Deutsche – bisher war es eher umgekehrt. Theo beschwert sich über Tim, als er kein warmes Wasser mehr zum Duschen hat: „Der Tim war‘s! Der hat die Dusche rennen lassen so lange.“ Tim fängt endlich an, frei auf Englisch zu schreiben, erzählt aber mit sehr viel Respekt von den Büchern in der Schulbibliothek: „Das sind zu viele Bücher. Das wird Jahre nehmen.“ Beide sind tief beeindruckt von einer Vorführung der Highschool-Cheerleaders inklusive Band an ihren Grundschulen. Sie marschieren im Haus herum, hüpfen und reißen die Arme nach oben, während sie skandieren: „Y-E-L-L – everybody yell yell“ (Buchstaben von Y-E-L-L müssen buchstabiert werden und dann mehrere Wiederholungen) und dann „Go Ravens, go Ravens“ – scheint tatsächlich ansteckend zu sein.
KEEP TALKING (6) – Zwölf Monate USA
Wie nach einem Jahr das Englisch aller Kids immer flüssiger wird und jetzt auch zuhause Einzug hält. Und warum ihr Deutsch gleichzeitig immer mehr Fehler zeigt. Nach einem Jahr hat sich viel getan in der Sprache der Kinder: Seit Sommer redet Theo (8) fast nur Englisch zuhause, und auch er und Tim (6) reden immer mehr Englisch miteinander, egal wo sie sind. Theo macht sich Ende des Jahres sogar große Sorgen um sein Deutsch, und das bedrückt ihn wirklich. Marc konnte ihn beruhigen, als er ihm klarmachte, wie schnell er Englisch gelernt hätte – das würde dann auch wieder funktionieren, wenn wir zurück nach Deutschland gingen. Tim träumt auch auf Englisch – er redet immer im Schlaf. Ole (5) entwickelt sich weiter gut in der preschool und bleibt inzwischen sogar manchmal bis zwölf Uhr dort (also den sogenannten half day). Paul (3) singt voller Begeisterung ungefähr 1.000 Mal im Auto und zuhause den Refrain vom Lied „Mary had a little lamb“ auf Englisch und fragt mich nach dem 1001. Mal: „Warum eigentlich ›Lampe‹?“ J Er bedient sich frei bei beiden Sprachen. Wenn er mit unserem Au-pair Morena Englisch spricht (sie versteht ja kein Deutsch), dann mogelt er viele deutsche Verben unter und hat häufig eine deutsche Wortstellung, z. B. „I zeig you what.“ Das klingt dann fast so, als ob man das Englisch der Deutschen so richtig karikiert. J Aber egal, wie viel da durcheinander geht – Hauptsache, die anderen wissen, was er sagen will. In der preschool spricht er hingegen immer noch nicht. Gegen Ende des ersten USA-Jahres benutzt Tim Adverbien im Englischen korrekt (I can read the book easily), während Theo die meisten „if-clauses“ richtig bildet, also ohne „would“ im if-Satz („If I told you that I did my reading homework already, would you let me play on the Wii?“ (Das „would“ im „if-clause“ ist eine Interferenz vom Deutschen, die man deutschen Schulkindern kaum abgewöhnen kann). Im Deutschen kommen nun Präpositions- und Konjunktionsfehler dazu, die auf Rückübersetzungen beruhen und wirklich sehr „schräg“ klingen. Auch handfeste Grammatikfehler bei den Verben (v. a. den Vergangenheitsformen) machen sich breit. Ab …
- Page 1 of 2
- 1
- 2