Marc erzählt: Bei mir wird es leider noch nicht besser – ich fliege nach Ost und nach West und hänge zwischen den Zeitzonen. Meine neue Assistentin ist nach nur wenigen Wochen komplett abgetaucht (im wahrsten Sinne des Wortes, denn niemand weiß, wo sie steckt!), daher muss ich mein Backoffice auch wieder selbst organisieren – Zeitfresser! Seit einer Woche gibt es den ersten Messwagen: Bisher haben wir alle Projekte immer mit Leihwagen abgewickelt, aber jetzt haben wir ein Projekt, bei dem eine riesige Antenne auf das Fahrzeug montiert werden muss. Also haben wir für nur 18.000 USD einen Ford E350 mit 5-Liter-Motor gekauft. In den 12-Sitzer passt alle Elektronik und die Antenne lässt sich einfach montieren. Es macht tierisch Spaß, das Teil zu fahren, aber der Wagen schluckt auch Sprit ohne Ende. 15-Stunden-Tage Bei P3 communicaions Inc. durften wir in den letzten beiden Monaten viele Erfolge feiern. Wir haben zahlreiche neue Aufträge bekommen, die hohe Arbeitslast der Akquise ist inzwischen ersetzt worden durch die noch höhere Last des Personalaufbaus und der Lieferung all dieser Projekte an die Kunden. Wir stellen ein wie verrückt, und alle arbeiten 12-15 Stunden pro Tag, oft länger. Ich fürchte, dass das auch noch eine Weile anhält, bis unser Personal hinreichend gewachsen ist. Aber genau dafür sind wir ja angetreten und das ist der Preis für den Erfolg. Auch die nächsten Monate werden daher sehr, sehr arbeitsreich! Kreatives Chaos Ich mag dieses kreative Chaos: Es gibt super viel zu tun, aber man kann die Veränderungen sofort sehen. An einem Freitag hatte ich die Idee, wie man die Mobilfunkfrequenzen in einer Stadt wie New York besser nutzen könnte. Ich habe überlegt, wie ich daraus eine Dienstleistung machen könnte, die man verkaufen könnte und habe eine E-Mail an einen Kontakt bei AT&T geschrieben, der im Nachbargebäude sitzt und für New York zuständig ist. Ich habe genau den richtigen Nerv getoffen, denn am Montag hatten wir ein erstes Meeting bei ihm und kurze Zeit später haben wir diese Leistungen für AT&T und andere Betreiber quer durch die USA erbracht. Das Problem: Nach dem ersten „Proof of Concept“ benötigt man Mitarbeiterinnen …
Negativ (nach 6 Monaten)
Aber trotz alldem: Es ist ein echter Kraftakt, eine Familie mit vier Kindern an einen anderen Ort in einem anderen Land zu „verpflanzen“, wo es ja schon zuhause ganz schön anstrengend war. Es ist nicht das eine „Problem“, das einen zum Wanken bringt, sondern es sind die Intensität und die Dichte der Dinge, die uns immer wieder an unsere Grenzen bringen: kulturelle Unterschiede (z. B. Konzept der preschool, überall Fernsehen in „Kinderbereichen“, „freizügiger“ Umgang mit Pestiziden), strukturelle Besonderheiten (lange Schule mit Hausaufgaben, lange Sommerferien), die Bedürfnisse und unterschiedlichen Reaktionen der Kinder (Theo (8) und Tim (6) schwimmen schon recht wacker, Ole (5) geht gerade unter …), meine Situation als „staying-at-home mom“ (ich war nie „ausschließlich“ nur Hausfrau und Mutter, ich vermisse meine Arbeit in der Schule, meine Schulkinder und muss mich dauernd umstellen) und Marcs Herausforderungen im privaten wie beruflichen Bereich. Dazu kommen dann noch die „Extra“-Dinge, die man wirklich nicht brauchen kann: Oles Unfall, Duaas Weggang, eine super nervige Waschmaschine (die weder sauber wäscht noch ordentlich schleudern kann 🙁 ) … Da kommt einem vor lauter Kämpfen manchmal die positive Einstellung abhanden (ganz zu schweigen von der Kraft) und wir haben mehr als einmal darüber gesprochen, das „Experiment“ abzubrechen und wieder nach Deutschland zu ziehen – aber dann müsste Marc wieder pendeln.
preschool mit Betonung auf school
Jetzt leider die negative Nachricht: Der kindergarten ist eben kein „Kinder“garten, sondern eine unverkennbar amerikanische preschool und unsere Kinder verhalten sich auch nach drei Monaten immer noch ziemlich deutsch: Jeden Morgen erregen wir Aufsehen, wenn Ole nicht mit seiner „inside voice“ – also leise – spricht, sondern laut ruft, und Paul nicht mit „walking feet“ – also langsam – den Raum betritt, sondern eher hereinstürmt. Die Kids lernen Zahlen und Buchstaben, Schreiben und erstes Rechnen – selbst die Jüngsten müssen zuerst ihren Namen oder Anfangsbuchstaben auf das Blatt „schreiben“, bevor sie losmalen dürfen. Es herrscht absolute Disziplin: Gerenne, Geschubse, lautes Reden und Drängeln sind tabu. Absolut keine Toleranz – zero-tolerance policy – bei körperlichen Auseinandersetzungen. Wer haut und schlägt, für den heißt es: ab nach Hause! Wie gut, dass Ole und Paul sich gegenseitig zum Knuffen und Kneifen haben! Und weil sie Geschwister sind, sehen sie es dann nicht so eng … Viele Kinder sitzen in einem kleinen Raum (in „unserer“ Gruppe sind 25 Kids). Sie haben kaum Bewegung – drei Stunden heißt es am Platz arbeiten, erst dann 20 Minuten raus, ganz zum Schluss. Es gibt nur einen kleinen, sehr sterilen Spielplatz ohne Sand. Stattdessen liegen „woodchips“, eine Art Rindenmulch, unter den Geräten. Ist grässlich und stinkt schimmelig … Hausschuhe und Buddelsachen gibt es gar nicht. Außerdem herrscht eine übertrieben penible Hygiene: Nach dem Händewaschen müssen die Kinder auch noch Desinfektionsspray benutzen! Eins ist immerhin tröstlich: Es gibt Tageslicht im Klassenraum! Viele der anderen preschools, die ich mir angeguckt habe, liegen tatsächlich im Keller von Kirchen – entweder mit Kellerfenstern oder sogar nur mit künstlicher Beleuchtung. Das scheint hier ziemlich verbreitet und vollkommen akzeptiert zu sein.
Vom Sprung ins kalte amerikanische Wasser
Warum Marc und ich uns jetzt langsam eine neue „Geheimsprache“ suchen müssen und wann Kartoffelpüree mit Fischstäbchen helfen kann. Warum Paul das potty-training nicht ernst nimmt und warum ich mich gerade wie eine Entenmutter fühle. Nach unseren ersten drei Monaten bietet es sich an, einmal Bilanz zu ziehen, wo wir nach unserem „JUMP“ stehen – auch in Bezug auf die Auseinandersetzung mit der neuen Sprache. Und da ja bekanntlich jedes Kind anders ist, gibt es auch bei unseren eine ganze Bandbreite von Reaktionen: Theo (7), der am meisten Angst vor dem Sprung hatte, ist sofort losgeschwommen und hat die Veränderungen sehr gelassen genommen. Für Tim (6) war das Wasser ja zunächst sehr kalt, vom deutschen Kindergarten in den Sechs-Stunden-Alltag der Schule plus Hausaufgaben. Die ersten Wochen gab es viele Tränen, aber inzwischen hüpft er morgens gut gelaunt mit Theo in den Schulbus. In Bezug auf ihren Spracherwerb gilt für die beiden, was uns seit Wochen alle erzählen: „Kids are like little sponges – they pick it up so quickly“. Theo benutzt Englisch ohne Scheu, und er kann sich schon bequem verständigen (u. a. mit Vergangenheit, Komparativ, Verneinung). Marc und ich waren vollkommen überrascht, als wir ihn mit Duaa, unserer Babysitterin, reden hörten – zuhause reden wir ja miteinander sonst nur Deutsch. Jedenfalls müssen Marc und ich uns jetzt eine neue „Geheimsprache“ suchen, wenn wir im Beisein der Kinder über Dinge reden, die nicht für ihre Ohren bestimmt sind. Tim ist noch zurückhaltender und er benutzt vor allem Phrasen, die er anscheinend wie „Wörter“ lernt (sprich [ˌhauˈɑːjə] = How are you?). Auch in der Schule ist bei Theo und Tim alles im grünen Bereich, und ihre Lehrkräfte haben sich beim ersten Elternsprechtag sehr zufrieden geäußert. Beide genießen ihr Wochenende – dann haben sie endlich Zeit zum Spielen und bauen stundenlang mit Lego sehr kreative Erfindungen. Als „science project“ tüftelt Theo z. B. gerade an einer Morsemaschine aus Lego mit Fishertechnik-Motor. Tim spielt seit drei Wochen jeden Donnerstag Fußball mit seinem Freund Justus. Ole (fast 5) dagegen hat seine Orientierung noch nicht wiedergefunden. Er brauchte schon immer Routine, damit er …
P3 in den USA
Marc erzählt: Britta hat mir erzählt, dass es vielleicht auch erwähnenswert ist, wie sich das Geschäftsleben in den USA vom Business in Deutschland unterscheidet. Nachdem ich im letzten Jahr wochenweise gependelt bin und die Grundlagen gelegt habe, sind wir jetzt seit Ende Januar wirklich „feet on the ground“, also nach ziemlich genau drei Monaten. In dieser Zeit haben wir ein heftiges Pensum absolviert: Büro gefunden (keine 500 Meter von zuhause), renovieren lassen, IT installiert, Büromöbel gekauft, Leute eingestellt (wir sind jetzt zwölf) und vieles mehr. Die Arbeitsbelastung ist echt groß, weil – anders als in Deutschland – die Infrastruktur noch nicht da ist: kein Backoffice, keine Buchhaltung, keine IT. Wir arbeiten eng mit Deutschland und unseren Kollegen von P3 North America (Automotive) in Detroit zusammen, aber im Endeffekt mache ich CEO, CTO, CFO und was sonst noch alles gleichzeitig. Hinzu kommt mein eigentlicher Job, das business development. Das ergibt dann auch schon mal vier 20+ Stunden Tage nacheinander. Resultat: ein erhebliches Schlafbedürfnis am Wochenende. 🙂 Viele Kunden in Sicht Aber das Geschäft läuft gut an. Unser Hauptkunde Verizon Wireless (DER Mobilfunkbetreiber in den USA) mag uns und weitet sein Geschäft mit uns aus. Wir haben mittlerweile weitere wichtige Kunden gewinnen können, die ich aber nicht alle nennen darf. Meine Tagesreisen führen mich jetzt nach Toronto, Chicago, Dallas oder Kansas City. Da der Flughafen Newark zwar perfekte Verbindungen hat, aber recht teuer ist, fliege ich häufig auch ab La Guardia oder sogar Philadelphia. Allerdings bedeutet ein Abflug um 6 a.m. auch Aufstehen um zwei Uhr morgens. 🙁 Die Sprache ist überhaupt kein Problem. Die Leute halten mich in der Regel zumeist für einen Südafrikaner oder (seltener) Schweden (warum auch immer), und ich lache mich vor allem über den Slang (‚red tape’) kaputt. Kündigungs- und Zahlprocedere Einige Worte zu den Unterschieden im „Corporate America“ verglichen mit Deutschland: Die Leute sind viel mobiler und das ist nicht immer gut. Da der Arbeitsmarkt viel durchlässiger ist, kann ich innerhalb von zwei Wochen jemanden feuern. Aber das ist ein zweischneidiges Schwert: Wenn jemand Mist baut und man dann ein paar ernste Worte mit ihm redet, …
Mir fehlt der Durchblick!
Um die richtige Umkleidekabine im YMCA zu finden, muss man sich hier erst einmal durch einen Dschungel von Schildern arbeiten. Und wo ich mich dann mit den Kindern gemeinsam umziehen kann, weiß ich am Ende immer noch nicht. Aber ich bin nicht allein mit diesem Problem – in einer Einzel-Damen-Kabine hörte ich einmal eine verrückte Kombination von leisem Schluck-Glucksen, einer hellen Kinderstimme und einer Frauenstimme, die verzweifelt immer wieder versucht, das Kind mit einem beschwörendem „shush, shush“ zum Schweigen zu bringen (meine Interpretation: stillende Mutter mit Geschwisterkind). Prüderie gepaart mit strengen Regeln – schlimmer geht es nicht! Aber hey – das Y hat auch gute Seiten – man trifft auf eine ganz bunte Klientel. Ich laufe hier oft neben Menschen mit Handicap, z. B. mit Down-Syndrom, die regelmäßig in Jeans ihren workout machen. Ebenso sieht man sehr viele ältere Leute. Letzte Woche übten zwei betagte Damen in der Umkleide ihre neuen Tanzschritte 🙂 .
Unser Tag und seine harten Lektionen
Unser Tagesablauf steht hier einfach „Kopf“: 7.00 Uhr Wecken der Kinder 8.24 Uhr Theo und Tim nehmen den Schulbus 8.55 Uhr Unterrichtsbeginn 15.05 Uhr Schulschluss – ich hole Theo und Tim ab 15.45 Uhr Wir essen unser „Mittagessen“ (alle Kids und ich) 16.00 Uhr Die Kinder wollen spielen, sich bewegen 17.00 Uhr Theo und Tim müssen rein wegen Hausaufgaben – immer großer Protest, stets lange Anlaufphase. Es ist schwierig, beide Kinder gleichzeitig zu betreuen. Ole (4) und Paul (2) lärmen oft im hellhörigen Haus – STRESS, STRESS, STRESS! 18.00 Uhr Jane muss nach Hause – und danach geht auch schon der Abendcountdown los. Oft sind die Hausaufgaben noch nicht fertig. Sie nach dem Abendessen zu machen funktioniert aber auch nicht, da die Jungs dann viel zu müde sind. Also wie? Ich bin ratlos …
KEEP TALKING (1) – Ein Monat USA
Warum aller Anfang schwer ist. Wieso viele Tipps anderer Expats beim Englischlernen nicht geholfen, wir aber selbst nach einem Monat USA ein paar gute Wege für die Kids in die neue Sprache gefunden haben. Und warum „looking“ ein zentrales Wort unserer Jungs wurde. Am Anfang war die Situation mit dem Englischen nicht leicht für die Kinder. Bis auf Theo (7) verstehen die Kinder so gut wie gar nichts – und mit seinen Vokabeln aus dem ersten Schuljahr kommt Theo auch nicht gerade weit. Ihm ist in der ersten Woche fast die Blase in der Schule geplatzt, weil ihn bei seiner Suche nach einer Toilette niemand verstanden hat. Bei Tim (6) gibt es jeden Morgen dicke Krokodilstränen vor der Schule, und Ole (4) zupft mich für viele, viele Wochen am Ärmel und fragt: „Mama, was hat die gesagt?“ Er lernt zwar bald, dass er wiederholen soll, was die Lehrerin zu ihm sagt, aber Sätze sind lange „Spaghetti“ für ihn, und die Wortgrenzen versteht er nicht: „Say puzzle, please“ (Lehrerin) – „Saypuzzleplease“ (Ole). Paul (2) fängt bei unserer Ankunft gerade an, komplette deutsche Sätze zu sprechen. Ihn interessiert das alles am Anfang nicht sonderlich – er ist noch nicht in der preschool und hat von daher weniger Kontakt mit dem Englischen. Was nicht hilft Die größte Herausforderung in den ersten Wochen und Monaten ist die Suche nach „verständlichem Sprachinput“. Wir fragen herum, probieren einiges aus und enden trotz Empfehlungen schnell in Sackgassen 1. Tipp vieler anderer Expats: Kinderfernsehen, z. B. Sesamstraße oder Barney. Unsere Erfahrung: völlig ungeeignet für den Anfang, weil die Sprachinformationen viel zu komplex sind und sich deren Bedeutung auch nicht aus dem Kontext erschließen lässt. Selbst ich verstehe akustisch vieles nicht – dazu kommt der totale Informationsoverflow (bunt, wild, schnelle Wechsel, mit Musik, Geschrei, Gehopse) – ihr könnt ja gerne mal probieren, Chinesisch mit chinesischem Kinderfernsehen zu lernen – viel Erfolg schon mal 😉 . Unsere Kinder waren jedenfalls danach immer total aufgedreht und haben so gut wie nichts verstanden … 2. Tipp vieler Expats: Verabredungen mit anderen Kindern. Unsere Erfahrungen: nur sehr bedingt geeignet, da Kleinkinder …