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Der „Spiel-Zwinger“

Unsere preschool ist in ein neues Gebäude umgezogen. Enttäuschend ist der Spielplatz, der immer noch eher ein Zwinger ist als ein Außengelände. Der Parkplatz ist dagegen wieder gigantisch groß (bloß keinen Meter zu weit laufen!). Macht euch auf dem Foto selbst ein Bild vom neuen „playroom“ der preschool (als Alternative zum Rausgehen bei „schlechtem“ Wetter, d. h. wenn mal ein Wölkchen am Himmel zu sehen ist!). Der neue Spielraum ist kalt und wenig einladend. Die Kids, die sich endlich bewegen wollen, dürfen im hinteren kleineren Teil laufen (auf vielleicht 16 Quadratmetern), die anderen spielen davor auf dem Boden. Das rote Spielelement darf übrigens nur bekrabbelt werden, sich darauf zu stellen ist verboten (zu gefährlich!). Der Aufkleber auf einem SUV einer Mutter unserer preschool: „America was founded by right-winged extremists“ – da muss ich gleich an die tea party denken, die auch schon zweimal hier in Morristown war und gleich die ganze Stadt lahmgelegt hat mit Hetztiraden gegen Obama …

Alptraum

Unser Bett bzw. die Matratze hier ist ein Alptraum – kein Wunder, wenn eine 30 cm dicke Matratze auf einem Sperrholzkasten liegt (ist hier so). Ich will mein deutsches Bett, aber wie kriege ich das hier hin? So lange versuche ich es mit einem Bett von IKEA mit einer extra harten Matratze und einem europäischen Lattenrost.

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Culture clash

Verboten! Verboten! Verboten! Schon fast ein alter Hut, die allgegenwärtigen Gebote und Verbote – aber immer wieder erwischen sie mich auf dem falschen Fuß. Als ich Theo das erste Mal von seiner neuen Schule abhole, bleibe ich zuerst mal stehen und lese mir alle Verbotsschilder durch. Ich bin unsicher, ob ich vielleicht nicht doch unautorisiert bin und dann gleich abgeführt werde. Mein persönlicher Favorit: No horseback riding. Das muss wohl historische Gründe haben, oder? Ein ähnliches Schild steht hier übrigens auch bei einer Auffahrt auf den Highway mitten in Morristown: No pedestrians, no bicycles, no horses.

“Everybody freeze“

Beim preschool-Elternabend (Back-to-school night) erklären sie uns ganz genau, was passiert, wenn ein Kind in die Hose gemacht hat: Das Kind wird ins Badezimmer geschickt, dann wird eine weitere Lehrperson dazugeholt, die gemeinsam mit der ersten beim Wechseln der Kleidung dabei ist. Klingt ziemlich kompliziert – ich habe zufällig bei Ole in der Gruppe eine solche Situation erlebt – eine ganze Kindergartengruppe in Aufruhr wegen einer Pipipfütze: „Everybody freeze“ (lauter Ruf der Hauptlehrerin), alle Kinder gucken auf, fragende Gesichter, dann war der Übeltäter (hochroter Kopf) schnell identifiziert, tuscheln, dann eine EWIGKEIT warten, bis eine dritte Lehrkraft gefunden war – zwei gingen dann mit Kind auf die Toilette, die dritte „bewachte“ den Rest der Kids. Ich wollte den armen kleinen Kerl instinktiv einfach in den Arm nehmen und ihm sagen, dass alles o. k. ist. Wäre vielleicht für ihn doch wichtiger gewesen als die zweite Lehrkraft zur Kontrolle der ersten Lehrkraft. Ich habe manchmal den Eindruck, dass ganz kleine Dinge hier ziemlich verkompliziert werden. In meinen europäischen/deutschen Augen führen diese extremen Maßnahmen (sie wollen das Kind natürlich schützen, und auch sich selbst vor Missbrauchsklagen bewahren) zu absurden Situationen, in denen manchmal die Spontaneität und Menschlichkeit verlorengehen. Auf der anderen Seite ist es natürlich richtig und wichtig, die Gelegenheiten für Missbrauch so gering wie möglich zu halten. Jedenfalls ist die Umsetzung, die sie hier haben, nicht so überzeugend und wirkt aufgesetzt. Aber wie dann? Schwierige Sache.   Ich dachte bisher immer, dass ich schon recht gründlich bin in allem, was ich so tue (und das wirft mir Marc manchmal vor), aber ich bin hocherfreut zu sehen, dass da noch viel mehr drin ist (et voilà, Marc!).

Die Dämpfer

Dann kamen leider die schlechten Nachrichten: Wir hatten einen medizinischen Notfall bei den Großeltern, so dass Marc, der den Sommer in Morristown verbracht hat, extra wieder für einen Blitztrip nach Deutschland kam. Und gleich darauf die Sache mit Oles (gerade 5) Handgelenk, das leider schief zusammengewachsen ist. Zunächst stand eine Korrekturoperation zur Diskussion. Dann haben die Ärzte aber doch entschieden, zunächst abzuwarten, ob der Knochen sich selber wieder richtet. Außerdem hat der Kinderarzt bei Ole eine Wahrnehmungsstörung festgestellt. Damit hatten wir nicht gerechnet und so mussten wir uns erst mal schlaumachen: Bei einer sensorischen Wahrnehmungsstörung ist die „sensorische Integration“ gestört. Darunter versteht man das Ordnen von Sinneseindrücken durch das Nervensystem. Wenn dieser Prozess nicht richtig läuft, dann sind Bewegungs- und Verhaltensweisen oft nicht angemessen. Ole ist u. a. motorisch nicht altersgemäß entwickelt, packt oft zu fest an, läuft gegen Sachen, verschluckt sich häufig. Zusätzlich besteht der Verdacht, dass er eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung hat – ADHS, habt ihr doch bestimmt schon öfter gehört. Umgangssprachlich wird das als „Zappelphilipp-Syndrom“ bezeichnet – eine psychische Störung, die sich durch Auffälligkeiten bei der Aufmerksamkeit, durch Impulsivität und Hyperaktivität auszeichnet. Wir machen uns jetzt erst mal selbst schlau und lesen uns ins Thema ein. Das „Gute“ an dieser Neuigkeit ist, dass es zumindest mit Blick auf die Wahrnehmungsstörung einen guten „Pack-an“ gibt, denn mit Ergotherapie kann man Ole in einigen Bereichen (z. B. in der Grob- und Feinmotorik) fördern. Damit haben wir dann auch sofort in Deutschland angefangen. Im Nachhinein lässt sich seine „Schieflage“ in den USA jetzt auch mit diesen Einschränkungen erklären – er braucht im Moment genau die Sachen, die in New Jersey und vor allem in der preschool eben nicht ganz einfach zu bekommen sind: viel Bewegung, Erleben mit allen Sinnen (also z. B. Sand und Matsch), keinen Erfolgsdruck und Rückzugsmöglichkeiten, wenn es ihm zu „bunt“ wird. Das war ehrlich gesagt ein ganz schöner Schock für uns. Wir haben überlegt, ob ich mit den Kindern nun doch in Deutschland bleibe. Marc ist allerdings für die nächsten Jahre in New Jersey eingebunden und wird weiter dort wohnen bleiben müssen – und eine Trennung der Familie …

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Ein Sommer (fast) ohne Atempause

Marc erzählt: Der Sommer in Morristown war extrem ereignisreich und überhaupt nicht langweilig. Nachdem ich Britta mit allen Jungs nach Deutschland gebracht hatte, habe ich mich auf zwei etwas ruhigere Wochen alleine in den USA gefreut. Allerdings gab es dann in dieser Zeit bei P3 so viel zu tun, dass ich quasi durchgearbeitet habe. In der ersten Woche war wahnsinnig viel in New Jersey los, in der zweiten Woche war ich drei Tage an der Westküste unterwegs und habe mich mit Kunden getroffen. Wenn ich nicht gearbeitet habe, gab es die lange Liste der Dinge zu bearbeiten, die wir als Familie hier in Morristown in Angriff nehmen wollten, um die Situation besser in den Griff zu bekommen. Anfang August habe ich Theo und Tim in Deutschland abgeholt und mit den Jungs zunächst drei Wochen in Morristown verbracht. Die ersten zwei Wochen waren die beiden vormittags im summercamp, nachmittags hat mir unser Babysitter Judith oft geholfen. Danach habe ich mich eine Woche lang nur um die Vorbereitung der Rückkehr von Britta, Ole und Paul gekümmert. Dazu gehörte die neue Waschmaschine, das Gespräch mit der preschool, ein Roller für Ole, das Organisieren einer Putzhilfe und vieles mehr. Alles in allem ein Sommer ohne Atempause. Und zu allem Überfluss ist dann bei einem Sturm auch noch ein Baum direkt neben unserem Haus umgekippt….

Die magische Elf

Bei uns hat eine neue Ära angefangen: Alle fragen einen jetzt: „What are you guys doing over the summer?“ Das heißt dann soviel wie: „Was tut ihr in den nächsten drei Monaten?“ Der amerikanische Sommer fängt am Memorial Day (Ende Mai) an und geht bis Labor Day (Anfang September). Es gibt ab Mai sogar extra „Sommer-Kalender“, die von Juni 2010 bis August 2011 gehen. In dieser Zeit gelten andere Gesetze, denn die Schule ist vorbei und die Kids haben 11 – in Worten „ELF!“ – Wochen frei. Schulbusse haben ebenso lange Ferien. Ole (4) und Paul (3) haben sogar noch zwei Wochen länger preschool-frei. Das alles stellt nicht nur unser Leben auf den Kopf, sondern ist auch eine Herausforderung für viele andere amerikanische Familien hier. Die Zauberworte in diesem Zusammenhang sind „Pool“ oder „summercamp“. Fast alle Familien werden also Mitglied in einem der örtlichen Freibäder (für mehrere hundert Dollar). Heißt: Die Kinder springen morgens in ihre Badesachen und verbringen den Tag am Pool, sprich Freibad. Das macht hier (fast) jeder – ich könnte mir das allerdings mit unseren Vieren nicht so gut vorstellen. Je nachdem, wie weit man vom Pool wegwohnt, zahlt man zwischen 350 und 500 Dollar für die Familienmitgliedschaft.

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Wasser und Kühlung marsch!

Auch die Hitze hat jetzt noch einmal zugelegt – das Thermometer in Morristown zeigt 101 Grad Fahrenheit, also über 38 Grad. Tagsüber kann man sich eigentlich nur im klimatisierten Haus oder im Wasser aufhalten. Da überall die Klimaanlagen laufen, kommt es wegen Netzüberlastung immer wieder zu Stromausfällen. In den letzten Tagen gab’s Temperaturen über 100 Grad Fahrenheit (knapp unter 40 Grad Celsius)! Das Erschlagende ist oft die Luftfeuchte – mir beschlägt manchmal die Brille, wenn ich aus klimatisierten Räumen (gefühlte Kühlschranktemperatur) nach draußen gehe. Joggen fällt bei diesem Wetter im Moment leider für mich flach, da ich sonst fast explodiere. Es gibt aber immer noch einige Sportler/innen (Verrückte?), die sich in der prallen Mittagssonne quälen. Die Rasenflächen werden langsam gelblich-bräunlich und das Bewässern des Gartens ist in einigen Landkreisen schon wegen Wassermangels verboten. Die Formel „Sommerzeit gleich Urlaubszeit“ scheint hier übrigens nicht zu stimmen: Zu meiner Überraschung winken viele Leute ab, wenn man sie nach ihrem Urlaubsziel fragt – viele nehmen ihren Familienurlaub einfach irgendwann anders im Jahr, wenn keine Schulferien sind (da sind die Schulen sehr kulant). Einige haben allerdings auch irgendwo ein „summer house“, in dem sie den Sommer verbringen – zum Beispiel an der Küste, um dem schwülen Klima hier zu entkommen.

Nix mit Routine

Unsere Routine vom Mai ist leider wieder dahin. Unser Leben stand im Juni und Juli ziemlich Kopf: Ole hat sich das Handgelenk gebrochen (die Erfahrungen in der Notfallaufnahme waren nicht die besten) und der Schreck sitzt uns allen noch in den Knochen. Wir hatten aber auch einige Feiern (zwei Kindergeburtstage, eine Sommerparty) und sind inzwischen um einiges klüger, was amerikanische Partyregeln angeht. Die Kinder haben ihr erstes Schul(halb)jahr beendet, es gab Zeugnisse (report card) und sie standen mit ihren Klassen auf der Bühne. Und unsere Hilfe, Duaa, ist wieder weg. Hals-über-Kopf. Bumms. Trotz der unruhigen Zeiten gab es zwei absolute Highlights (gute Laune und schöne Füße), an denen ich mich hochziehen kann. Und wir sind jetzt ein knappes halbes Jahr hier – Zeit für eine zweite Bilanz (auch hier später mehr).

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Hilfe! Emergency Room!

Ole (4) ist in unserem Haus die Treppe heruntergefallen. Ich war mit ihm zunächst in einer ambulanten Notarztpraxis, wo seine Platzwunde genäht und Röntgenaufnahmen von Hand und Kiefer gemacht wurden. Der Arzt und die Helfer/innen waren alle super nett zu uns, einer hat sogar sein angestaubtes Highschool-Deutsch rausgekramt und sich unheimlich Mühe gegeben, Ole abzulenken. Die ganze Mannschaft hat zwei Überstunden gemacht (bis 22 Uhr), bis er soweit versorgt war, dass wir zunächst mal nach Hause konnten. Ich musste meine Kreditkarte übrigens nicht schon gleich zu Beginn abgeben wie sonst – sie wollten sie erst am Ende haben! Die ganze Sache war für mich eine Herausforderung der neuen Art: Ich hatte keine Ahnung, wo Marc steckte (ich hoffte, irgendwo in der Luft auf dem Weg zu uns) und bin bei blutigen Angelegenheiten nicht die erste Wahl (da behält Marc eher den kühlen Kopf – er hat ja als Kind genug Erfahrungen aus erster Hand gemacht, als er nach einigen Unfällen und Verletzungen Stammgast in der Notaufnahme war). Leider wurden die Diagnosen in der Praxis immer schlimmer: komplizierter Handgelenksbruch und Verdacht auf Kieferbruch. Hieß: Ole musste auf jeden Fall zum Richten noch in der Nacht ins Krankenhaus, also in den emergency room (ER). Ole weinte und blutete, mir sackte der Kreislauf weg. Zum Glück fiel mir dann der Name einer neuen Expat-Freundin ein, die tatsächlich auch direkt kam, um zu helfen. Aber es war schon ein ungewohnt hilfloses Gefühl, in einer Situation, die einen selbst umhaut, die volle Verantwortung zu haben. Dazu kamen auch noch die fremden Namen der Schmerzmittel (Tylenol, Advil, Benadryl …) – kein Mensch hat mich verstanden, als ich etwas von „Paracetamol“ oder „Nurofen“ erzählte. Marc ist um Mitternacht tatsächlich in Newark gelandet und mit Ole sofort in den ER (Emergency Room) gefahren. Dort waren allerdings 41 (!) Leute vor ihnen dran und sie mussten bis morgens um acht Uhr warten, bis die Knochen wieder in die richtige Position gebracht waren – ganz ohne OP, nur durch Ziehen! Kommentar Marc: „Ole hat ganz schön gejunkt!“.   Sechs Wochen Gips („cast“) sind jetzt für Ole angesagt. Nach zwei Wochen …