Wir finden uns ein – und alle ein bisschen anders

Überraschung: Theo (7), der am traurigsten war, dass wir weggegangen sind, hat bisher die wenigsten Anpassungsprobleme. Er geht ohne Mucksen in die Schule, versucht „Star Wars“ auf Englisch zu lesen (keinen Schimmer, wie) und kommt mit seinem „Schulenglisch“ (aus den anderthalb Jahren der Grundschule) wohl soweit gut zurecht, fährt gerne mit dem Schulbus, telefoniert mit seinen deutschen Freunden und wirkt ausgeglichen.   Tim (6) dagegen kämpft mit der Umstellung: Jeden Morgen gibt es viele dicke Tränen vor der Schule und wir bekommen ihn überhaupt nur aus dem Haus, wenn Marc die beiden Jungs mit dem Auto fährt. Der Schultag ist lang (von 8.50 a.m. – 3.10 p.m.), Tim versteht kaum ein Wort, steigt direkt mit dem Buchstaben „V“ ein (seine Mitschüler/innen lernen ja schon seit September Buchstaben, viele können sogar schon lesen), ist nachmittags ziemlich platt und hat dann auch noch die Hausaufgaben vor der Brust (total verrückt) … Da bleibt kaum Zeit zum Spielen. Aber ein bisschen Fun ist auch dabei: Tim macht mit beim „Dental Health Month February“ und hat heute den „Groundhog Day“ gefeiert – hier in der Schule finden eine Menge Sonderaktionen statt. Ole (4) ist erleichtert, dass es hier keine freilaufenden Krokodile gibt – das war ja seine größte Sorge. Er realisiert jetzt langsam, dass „in Amerika sein“ etwas anderes ist als „in Deutschland zuhause sein“, er sagt artig „bye-bye“, wenn ich ihn um 1.30 p.m. abhole und wundert sich beim Autofahren immer: „Warum sind hier so viele Fahnen?“ Das frage ich mich allerdings auch: Was würden die Amis wohl machen, wenn es diese US-Flagge nicht gäbe? Auf dem Weg zur Schule (zehn Minuten) sind es über 100 (!), die an Privathäusern und Geschäften hängen – wir haben mehrfach gezählt. Paul (2) lässt das alles kalt. Er hat noch keinen Platz in der preschool und die englische Sprache stört ihn auch nicht. Sein neues Hobby: Schulbusse entdecken – zwischen 7 und 9 Uhr morgens und nachmittags zwischen 14 und 16 Uhr kommen sie alle aus ihren Löchern, wie es scheint.

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Marc arbeitet wie immer viel

Jetzt gibt es zwar keine nächtlichen Telefonkonferenzen mehr (wie in den letzten Monaten), dafür aber den frühmorgendlichen Check der E-Mails aus Europa, die ja schon seit Stunden auf ihn warten. Er stellt gerade das Büro auf die Beine (nur fünf Minuten von Zuhause weg zum Glück!) und kümmert sich um Autos für uns. Er ist also ständig auf Achse und unter Strom.

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Und ich?

Für mich hat sich nicht so viel geändert. Das Einkaufen macht Spaß (tolles Angebot, aber manchmal einfach zu viel) und ich bereite jetzt jeden Abend Snacks und Lunchpakete vor (ein schrecklicher Zeitfresser). Bin schon im Fitnessclub (gym) angemeldet, habe aber bisher noch kein einziges Schweißtröpfchen bei den anderen entdeckt. Der Grund: Schockfrosten durch Ventilatoren und Klimaanlage ist angesagt – haben die nicht gemerkt, dass draußen Winter ist?!?), ich gehe laufen (ist auch eiskalt, aber okay, wie gesagt: Winter :-)). Und vor allem versuche ich, alle Aktionen der Schule in den Griff zu bekommen: 100 days of school, groundhog day, a coin for a cause, cookie walk, bake sale, Valentines Day … Also bisher habe ich noch nicht so richtig den Durchblick, aber auf jeden Fall ist es ziemlich unglaublich, was die hier alles feiern.

Unser Familienprogramm in den nächsten Wochen:

Babysitter und Haushaltshilfe finden (noch hält mir meine Mutter den Rücken frei, aber wenn sie wieder weg ist, ist das alles allein nur schwer zu schaffen). House warming party mit den Nachbarn: Ich habe einfach in alle 30 umliegenden Briefkästen eine Einladung eingeworfen. Persönlich haben wir bisher keinen kennengelernt, weil die Leute hier einfach nicht zu Fuß unterwegs sind – alles was wir sehen, sind ihre Autos, die aus der Garage rollen, vorbeiziehen und dann beim Zurückkommen wieder in den Garagen verschwinden – komisch … Bessere preschool für Ole suchen. Einen Alltag und eine Routine finden mit Ganztagsschule, Hausaufgaben, durcheinandergeratenen Essenszeiten (wann essen wir denn jetzt die warme Mahlzeit?), ohne Aupair (wir dürfen ja keins haben – als Gastfamilie muss man entweder ein „US citizen“ – also US-Staatsbürger – sein, oder aber ein „permanent resident“ sein. Wir sind nur „legal aliens“) und ohne unsere Freunde und Familie.   Schon gewusst? Was bedeutet eigentlich „alien“, „legal alien“ und „permanent resident“?

Heimatgefühle

Ihr zuhause seid genau sechs Stunden vor uns. Schon komisch, dass ihr aufsteht, wenn wir ins Bett gehen und ihr ins Bett geht, wenn unsere Kinder aus der Schule kommen. Das Kochbuch mit euren Rezepten ist natürlich in einem der 15 Koffer gut verpackt mitgeflogen. Ich habe es schon sehr oft durchgeguckt, bin gerührt, welche „Familientraditionen“ ihr uns geschenkt habt, und jede einzelne bedeutet mir sehr viel. Noch mal tausend Dank dafür! Jetzt haben wir euch tatsächlich ganz nah bei uns, obwohl ihr so weit weg seid. Zumindest kulinarisch :-).   Wir hoffen, euch geht es allen gut und ihr haltet den harten deutschen Winter noch aus. Bei uns sind heute Abend die ersten weißen Flocken gefallen, nachdem es hier eine Woche keinen Schnee gegeben hat – also eher ein gemäßigter Winter bisher, sagen die Leute. Unser Leitspruch für die nächsten Wochen (abgeguckt von der Sekretärin in Theos und Tims Schule, die uns immer super freundlich begrüßt und mich mit “Honey“ anredet): „Easy, peasy, lemon squeezee“ – was so viel heißt wie „wird schon werden und alles mit der Ruhe …“