Wie es sich anhört, wenn Ole deutsche Wörter englisch ausspricht und was unsere Jungs mit dem „th“ anstellen. Und warum sich das Wort „looking“ auch nach drei Monaten USA immer noch hartnäckig hält. Die Kinder lernen übrigens nicht nur Englisch, sondern auch ihr Deutsch verändert sich – es herrscht reger (Laut-)Austausch zwischen beiden Sprachen. Vor lauter „th“ haben Theo (7) und Tim (6) auch im Deutschen beide wieder angefangen zu lispeln (nach anderthalb Jahren Logopädie zuhause!) – da wachsen mir graue Haare … Inzwischen fangen sie aber im Englischen an, zwischen „th“- und „s“-Wörtern zu unterscheiden. Und Ole (4) beginnt, Vokale im Deutschen englisch auszusprechen (z. B. oben wie [əʊbn] oder unten wie [ɑntn] und das deutsche „W“ wie ein englisches [w] wie in „water“. Paul (3) redet bisher noch ganz wenig, aber er hat auch schon einen Trick raus: Statt stimmlosem „th“ (wie z. B. in „think“, oder „three“) benutzt er eine Art stimmloses [f] (obere Schneidezähnen auf die Unterlippe setzen) – hört sich gar nicht mal so schlecht an. Jedenfalls besser, als es durch ein stimmloses „s“ zu ersetzen (wie viele Deutsche es machen, die kein „th“ aussprechen können). Probiert es doch mal mit dem Wort „think“ aus: wie Paul [fɪŋk] (wie ein Häschen) oder [sɪŋk]. Na, was hört sich mehr nach „think“ an? Die Floskel „looking“ hält sich übrigens weiter hartnäckig in unserem Haus. Abgesehen von Theo, der es sehr schnell nicht mehr genutzt hat, ist es den Kindern nicht auszutreiben, auch wenn Duaa, unsere Hilfe, und ich inzwischen immer sofort zu „look“ verbessern. Wahrscheinlich erfüllt es einfach seinen Zweck – nämlich Kontakt aufzunehmen und die Aufmerksamkeit der anderen Person zu bekommen. Na bitte, funktioniert doch! Wieso also ändern?
Der Osterhase hat uns gefunden!
Bei uns ist der Schnee inzwischen geschmolzen – endlich! – die Bürgersteige sind wieder begehbar und es sprießen immer mehr Frühlingsblumen in den Beeten (wie auch amerikanische Flaggen in den Vorgärten). Die Amis holen schon beim ersten Sonnenstrahl ihre Sommersachen raus, während wir noch mit Wintermantel herumlaufen. Selbst die kleinsten Kinder werden barfuß und ärmellos auf den Spielplatz geschickt. Als deutsche Mutter schüttelt es mich da … In vielen Bereichen läuft es schon etwas runder und wir haben in einen ersten Alltag gefunden, der vieles erleichtert.
Wir lernen im Moment jeden Tag etwas Neues
Dennoch haben wir zurzeit eine steile Lernkurve in Bezug auf die Eigenheiten der Amerikaner/innen – vieles betrifft unser Leben als Familie mit kleinen Kindern so unmittelbar, dass es großen Einfluss auf unseren Alltag hat. Wer Lust hat, diese Lernkurve selbst nachzuempfinden, kann gerne unser kleines Quiz machen. Auf die Idee mit den Fragen bin ich übrigens durch meine New Jersey-Führerscheinprüfung gekommen, die ich erfolgreich vor zwei Wochen hinter mich gebracht habe – es war ein Hochgenuss für mich, mal wieder mit vollkommen vorhersehbaren, trockenen Fakten zu tun zu haben 🙂
Willkommen im Team, Judith!
Judith, unsere neue deutsche Babysitterin, kommt einmal die Woche vorbei, hat alle vier Kids gut im Griff und kann dazu auch noch Haareschneiden! Endlich können Marc und ich mal wieder gemeinsam ohne Kids aus dem Haus – das ist viel, viel wert – hatten wir lange nicht mehr.
Quiz
Was wir im März alles gelernt haben – einiges auf die „harte Tour“ 🙂 1. Im März sieht man hier überall a) kitschige Osterhasen-Dekorationen b) grünes Essen (grüne Brötchen, grüne Getränke …) c) Aufforderungsschilder, sich an lent (Fastenzeit) zu halten 2. Regen in New Jersey bedeutet a) tagelanger Dauerregen b) kurzer, heftigster Platzregen c) Stromausfälle d) überflutete Keller 3. Endlich wieder Spielplätze: Wenn die Kinder mal Pipi müssen, dann… a) …gehen sie in die Büsche b) …fahren sie nach Hause c) …benutzen sie öffentliche Toiletten Wie viele Gebots- bzw. Verbotsschilder finden sich durchschnittlich an jeder Tür im YMCA (-Sportzentrum)? a) Es gibt keine Gebots- und Verbotsschilder b) Eins c) Zwei und mehr
Auflösung zu Frage 1 – Der März ist grün!
Ich war beim Einkaufen vollkommen überrascht, als diesen Monat auf einmal überall grünes Essen auftauchte – grüne Bagels, grüne Cupcakes und Eier, sogar der Käse war auf einmal grün. Der ganze Zauber hat ursprünglich gar nichts mit Amerika zu tun, sondern mit dem Schutzpatron der Iren, St. Patrick. Er soll am 17. März im fünften Jahrhundert gestorben sein, und seitdem wird jedes Jahr am 17. März in Irland dieses Mannes gedacht und er wird mit Straßenumzügen gefeiert. Im 18. Jahrhundert brachten irische Immigrant/innen den Brauch mit nach Amerika und seitdem steht der März auch hier im Zeichen des irischen Nationalhelden – zumindest überall da, wo Amerikaner/innen mit irischen Wurzeln leben – und das sind immerhin knapp 40 Millionen. Irland in New Jersey An vielen Häusern in Morristown hängt zurzeit die irische Fahne (orange, weiß, grün) in trauter Eintracht direkt neben der US-Flagge, viele Leute laufen in grünen Klamotten herum und unsere Nachbarn/innen fragen sich am bus stop gegenseitig: „Are you Irish?“ Es ist sehr sympathisch zu sehen, dass trotz unerschütterlichem Patriotismus eine andere Nationalität hier fröhlich von vielen gefeiert wird – ein neuer Blick aufs Land für mich. Übrigens färben sie in Chicago gleich den ganzen Fluss grün ein! Und wie wohl ein grünes Bier so schmeckt? Ich hab’s nicht ausprobiert und bin stattdessen beim örtlichen 5-km-St. Patrick-Lauf mitgelaufen – beim Start gab´s für alle Läufer/innen ein T-Shirt mit grünem dreiblättrigem Kleeblatt drauf. Ostern dagegen ist hier Nebensache, man sieht kaum easter bunnies oder Ostereier in den Läden. Man muss schon selbst dran denken, sonst könnte man es glatt verpassen. Wir hatten gerade eine Woche spring break (Frühjahrsferien) und morgen, Ostermontag, geht’s für uns alle schon wieder zurück in den Alltag – Schule, preschool, Arbeiten – ungewohnt und komisch.
Auflösung zu Frage 2 – Dauerregen!
Von Gummistiefeln im Restaurant und einem schwimmenden Taxi. Lovers in the rain Marc und ich sind “highschool sweethearts” – so bezeichnet man hier Pärchen, die sich aus der Schulzeit kennen. Unseren New York-Ausflug zum 20. Jahrestag werden wir wohl so schnell nicht vergessen: Es fiel stundenlanger, horizontaler Starkregen, wir waren bis zur Hüfte nass, nichts ging mehr – jetzt weiß ich, warum kniehohe Gummistiefel hier absolut ausgehfein sind und einige Damen sie sogar im Restaurant tragen. Abends wurden zu allem Überfluss auch noch alle Züge abgesagt und wir sind mit einem Taxi zurück nach Morristown „geschwommen“. Am nächsten Tag folgte ein Stromausfall für fünf Stunden – der dritte in diesem Monat. Ein umgestürzter Baum hatte mal wieder eine Überlandleitung umgehauen – wie gut, dass wir stolze Besitzer eines Kamins sind. Beim Holzhacken ist Marc dann zudem noch ein Holzstück auf den Fuß gefallen (er war barfuß – eine wahre Marc-Aktion). Nun denn, Marc hat es überlebt – so gerade eben 🙂 – sein Zehennagel leider nicht 🙁 .
Auflösung zu Frage 3 – Man muss erfinderisch werden!
Kind muss Pipi auf dem Spielplatz – Was tun? Amerikaner/innen sind prüde – das habe ich nicht für möglich gehalten. Unmittelbar betrifft uns diese Realität auf dem Spielplatz, wo zwar Hunde an die Bäume pinkeln, Paul (3) und Ole (4) dies aber nicht dürfen. Selbst wenn man versteckte Bäume nimmt, kann man hier richtig Ärger bekommen: „If I ever see you doing this again, I’ll call the Police!“ – Worte eines Vaters zu mir – da war ich echt sprachlos. „Public exposure“, wie sie das hier nennen, ist einfach strengstens verboten. Also, wenn ihr uns besucht und mit einem unserer Jungs zum Pipi-Machen hinter einem Baum verschwindet, landet ihr glatt als Sexualtäter/in hinter Gittern – kein Witz, New Jersey Law, davon kann ich nur abraten. Nacktheit bringt die hier fast um. Kleinkinder nackt im eigenen Garten beim Plantschen? No go! Nackt unter der Dusche Mein zweites Aha-Erlebnis hatte ich neulich im Fitnessstudio, als ich aus der Dusche kam. Es waren Sanitäter im Umkleideraum, weil es einer Frau nicht gut ging. Es kamen direkt zwei andere Frauen auf mich zugestürzt, ob ich ein „extra-towel“ (Handtuch) bräuchte, obwohl ich in einem Bereich war, der für die Sanitäter nicht einsichtig war – zweimal um die Ecke – was für ein Aufstand! Grundsätzlich ziehen sich viele Frauen hier nur um, wenn sie ein Badetuch umgeschlungen haben – sie genießen meine volle Aufmerksamkeit bei diesem Affenzirkus. Bei unserer Kinderärztin werden selbst die Kinder über der Kleidung abgehört. Amerikanische „sleepovers“ (Kids, die bei Freundinnen und Freunden übernachten) schließen sich im Bad ein und ziehen sich dort den Schlafanzug an (so erzählten es mir andere deutsche Expat-Mütter). Ich hoffe, dass unsere Jungs sich diese Hysterie nicht aneignen, sondern ihre natürliche Einstellung zum nackten Körper behalten. Aber die anderen Expats haben mich schon gewarnt, dass ihre Kinder bereits nach kurzer Zeit voll panisch reagieren, wenn sie jetzt die Eltern mal nackt sehen. Verrückt. Aber – wir lernen dazu und passen uns an: Damit wir weiterhin auf den Spielplatz gehen können und nicht beim ersten „Pipi“-Ruf nach Hause müssen, gibt es jetzt in meinem Kofferraum eine leere One-gallon-Apfelsaftflasche, …
Auflösung zu Frage 4 – VIELE!
Wie viele Gebote bzw. Verbote gibt es im YMCA? Aber nun zur Antwort: Es gibt unfassbar viele Gebote und Verbote an Türen und Wänden, einfach überall! Als Europäer/in kann man sich gar nicht vorstellen, was hier im Alltag alles genau reglementiert oder direkt ganz verboten ist! Der Klassiker – egal ob im YMCA oder in der Schule – no food, no drinks allowed due to allergic reactions! Es gibt hier sogar „nut-free“ (nussfreie) Klassenräume und Spielplätze! Der für mich absurdeste Fall bisher ist die „no running“-Regel, die sowohl auf Theos (7) und Tims (6) Schulhof als auch im YMCA auf der Laufbahn im Indoor-Spielplatz gilt: Die Jungs dürfen auf dem großen Schulhof nicht laufen, aber sie müssen gehen (stehen bleiben dürfen sie auch nicht!) – es ist ein bisschen wie beim Gefängnis-Freigang. Im Schwimmbad des YMCAs gibt’s dann direkt fünffach folgendes Verbot an der Wand: „No breath-holding activities permitted“ (zu Deutsch: Man darf die Luft nicht unter Wasser anhalten – ich vermute es geht darum, dass man sich da keine Wettbewerb liefern soll). Wer ein solches Schild schon einmal in Deutschland gesehen hat, der schreibe mir bitte sofort. 🙂 Das ist wohl der amerikanische Ansatz, jedes Risiko vor absurd hohen Schadenersatzklagen auszuschließen, getarnt mit dem Deckmäntelchen der Fürsorglichkeit: „Better safe than sorry“, „Your safety is our primary concern.“ Oder auch ganz knapp „Safety first!“ (Ähnlichkeiten zu Aussagen von Donald Trump konnten wir damals noch nicht erkennen 🙂 ). So ist auch der Zugang zu Scheren in preschool und Schule extrem limitiert (bloß keine Schere mitgeben – dann wird man noch rausgeworfen), mit dem Ergebnis, dass selbst einige Zehnjährige kaum eine Schere halten können. Ohne waiver läuft hier nichts Als wir Ole zu einem Kindergeburtstag bringen, der in einem „Indoor-Spielplatz“ stattfindet, mussten wir vorher eine ganze Litanei von Haftungsverzichtserklärungen unterschreiben (die sogenannten „waiver“). Und der Nachsatz „Sorry, no exception“ ist hier Standard – ein „no“ ist und bleibt ein „no“, da sind die Amis unnachgiebig. Also, wer die Haftungsverzichtserklärung nicht unterschreibt und zu Beginn der Kinderparty abgibt, bleibt draußen. Jetzt wisst ihr auch, wieso man Lindt-Osterhasen generell nur ohne …
Mir fehlt der Durchblick!
Um die richtige Umkleidekabine im YMCA zu finden, muss man sich hier erst einmal durch einen Dschungel von Schildern arbeiten. Und wo ich mich dann mit den Kindern gemeinsam umziehen kann, weiß ich am Ende immer noch nicht. Aber ich bin nicht allein mit diesem Problem – in einer Einzel-Damen-Kabine hörte ich einmal eine verrückte Kombination von leisem Schluck-Glucksen, einer hellen Kinderstimme und einer Frauenstimme, die verzweifelt immer wieder versucht, das Kind mit einem beschwörendem „shush, shush“ zum Schweigen zu bringen (meine Interpretation: stillende Mutter mit Geschwisterkind). Prüderie gepaart mit strengen Regeln – schlimmer geht es nicht! Aber hey – das Y hat auch gute Seiten – man trifft auf eine ganz bunte Klientel. Ich laufe hier oft neben Menschen mit Handicap, z. B. mit Down-Syndrom, die regelmäßig in Jeans ihren workout machen. Ebenso sieht man sehr viele ältere Leute. Letzte Woche übten zwei betagte Damen in der Umkleide ihre neuen Tanzschritte 🙂 .