PS: Prüderie und Sex

Ich habe mich lange gefragt, wo die stillenden Mütter sind, wo es doch so viele Kinder hier gibt. Immerhin, mittlerweile habe ich schon zwei in der YMCA Damenumkleide gehört (unverkennbares Schmatzen). Eine Mutter musste ziemlich tricksen, denn ihre größere Tochter (etwa zwei Jahre) durfte ja eigentlich gar nicht mit in die Damenumkleide: „Adults only, no kids.“ Ich bin nur froh, dass ich keinen Säugling mehr habe, denn das Verstecken in Umkleiden wäre doch ziemlich kompliziert geworden, vor allem mit den drei größeren Brüdern im Schlepptau! Etwas später habe ich dann tatsächlich in der Öffentlichkeit zwei stillende Frauen entdeckt – an einem Spielplatz mit Sandkasten im Nachbarort. Was sich herausstellte: Es waren zwei deutsche Frauen, deren Babys dabei von einer sogenannten „nursuring apron“ (Stillschürze) verdeckt waren. Das ist ein Stofftuch, das die Vorderseite und den halben Rücken der Mutter verdeckt und am Hals der Mutter durch ein Band gehalten wird – vom Kind sieht man allenfalls die Füße. Amerikanische Still-Mamas scheint es keine zu geben – jedenfalls sieht man nur Mütter und Babys mit Fläschchen in der Öffentlichkeit. Bleiben die Stillmütter alle zuhause oder wie machen die das? Auf der anderen Seite gibt es viele Überlandsender (z. B. XM Satellite Radio), die man bei seiner Fahrt quer durch die Staaten durchhören kann, je nach Geschmack und Interesse. Einer dieser Sender ist ein „Sexkanal“, der 24/7 (also nonstop) so offen über diverse Dinge berichtet, dass man „ganz rote Ohren bekommt und immer wieder das Fenster öffnen muss“ (Zitat: Opa Paul). Und dann gibt es in den USA ca. 250.000 Amish People, die ein Leben ohne Auto und Internet führen. Amerika – das Land der Gegensätze!

Los geht’s: Es ist soweit – It´s spring clean time!

Ganz Morristown macht jetzt großen Frühjahrsputz – überall wird frischer Rasen gesät und sorgfältig mit Stroh abgedeckt, die letzten Laubreste vom Vorjahr verschwinden und Freiwillige sammeln fleißig Müll in Stadt und Umgebung. Hut ab – alles ist jetzt „spring-cleaned“ und überall spürt man Aufbruchsstimmung. Auf den großen Sportplätzen sieht man immer mehr Leute, die Sport machen, die Grillsaison ist eröffnet und neben Mückenschutz-Kerzen gibt es jetzt an jeder Ecke die „Stars and Stripes“ (US-Flagge) zu kaufen. Und während Morristown in neuem Glanz erstrahlt, gibt es ganz woanders im Moment richtig dicke Luft: Der Vulkan Ejafjallajökull auf Island spukt im Moment so viel Vulkanasche, dass der Flugverkehr in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas diesen Monat zeitweise eingestellt ist – Marcs Kolleginnen und Kollegen können daher nicht zum Meeting nach Morristown fliegen. Das Wall Street Journal titelt: „Volcanic cloud keeps fliers grounded – turning airports into hostels”.

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Specht gegen Rasenmäher

Bei uns im Garten hämmert der Specht jeden Vormittag unbeeindruckt gegen die Armada von motorisierten Gartengeräten an, die die Grundstücke der Nachbarschaft wieder auf Vordermann bringt. Auch in unserem Vorgarten stand eines Samstags plötzlich eine Horde Männer, die fleißig Herbizide und Pestizide versprühte – damit sind die hier nicht zimperlich. Ich konnte gerade noch Schlimmeres im Garten hinter unserem Haus (backyard – verrückt „front yard“ schreibt man getrennt, „backyard“ tatsächlich zusammen) verhindern.  

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Viele Väter, viele Kinder

Die Spielplätze füllen sich und vor allem am Wochenende sieht man sehr, sehr viele Väter, die sich um ihren Nachwuchs kümmern – genau wie beim Eltern-Kind-Turnen von Ole (4) und Paul (3) im YMCA, bei dem ich tatsächlich schon öfter die einzige Frau in der Halle war. Außerdem scheinen wir hier in einer sehr fruchtbaren Gegend zu leben, denn es gibt viel mehr Geschwister-Kinderwagen (mit Sitzplätzen für zwei Kinder) als in Deutschland. Ein Blick auf die Statistik bestätigt meinen Eindruck aus dem Alltag: Während wir in Deutschland durchschnittlich weniger als anderthalb Kinder pro Frau haben, sind es in den USA über zwei Kinder. Das fällt sofort auf und diese Tendenz scheint quer durch alle ethnischen Gruppen zu gehen.

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preschool mit Betonung auf school

Jetzt leider die negative Nachricht: Der kindergarten ist eben kein „Kinder“garten, sondern eine unverkennbar amerikanische preschool und unsere Kinder verhalten sich auch nach drei Monaten immer noch ziemlich deutsch: Jeden Morgen erregen wir Aufsehen, wenn Ole nicht mit seiner „inside voice“ – also leise – spricht, sondern laut ruft, und Paul nicht mit „walking feet“ – also langsam – den Raum betritt, sondern eher hereinstürmt. Die Kids lernen Zahlen und Buchstaben, Schreiben und erstes Rechnen – selbst die Jüngsten müssen zuerst ihren Namen oder Anfangsbuchstaben auf das Blatt „schreiben“, bevor sie losmalen dürfen. Es herrscht absolute Disziplin: Gerenne, Geschubse, lautes Reden und Drängeln sind tabu. Absolut keine Toleranz – zero-tolerance policy – bei körperlichen Auseinandersetzungen. Wer haut und schlägt, für den heißt es: ab nach Hause! Wie gut, dass Ole und Paul sich gegenseitig zum Knuffen und Kneifen haben! Und weil sie Geschwister sind, sehen sie es dann nicht so eng … Viele Kinder sitzen in einem kleinen Raum (in „unserer“ Gruppe sind 25 Kids). Sie haben kaum Bewegung – drei Stunden heißt es am Platz arbeiten, erst dann 20 Minuten raus, ganz zum Schluss. Es gibt nur einen kleinen, sehr sterilen Spielplatz ohne Sand. Stattdessen liegen „woodchips“, eine Art Rindenmulch, unter den Geräten. Ist grässlich und stinkt schimmelig … Hausschuhe und Buddelsachen gibt es gar nicht. Außerdem herrscht eine übertrieben penible Hygiene: Nach dem Händewaschen müssen die Kinder auch noch Desinfektionsspray benutzen! Eins ist immerhin tröstlich: Es gibt Tageslicht im Klassenraum! Viele der anderen preschools, die ich mir angeguckt habe, liegen tatsächlich im Keller von Kirchen – entweder mit Kellerfenstern oder sogar nur mit künstlicher Beleuchtung. Das scheint hier ziemlich verbreitet und vollkommen akzeptiert zu sein.

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Mein aktuelles Grübelthema: Kindererziehung

Was mich diesen Monat besonders umtreibt, sind vor allem die Unterschiede in der Kindererziehung, die sich immer klarer im Alltag zeigen und für mich oftmals sehr widersprüchlich sind. Eine gängige Regel: Eltern sollten ihre Kids bis zum Alter von zwölf Jahren nicht alleine zuhause lassen – ein beliebtes Thema unter den deutschen Expats. Es gibt zwar nur in wenigen Staaten wirklich entsprechende Gesetze wie z. B. in Maryland (bis 8) und in Illinois (bis 14), aber die Altersgrenze von zwölf Jahren geistert hier trotzdem überall herum. Sie wird von der Organisation „Safe Kids“ national empfohlen und von Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen als inoffizielle guideline akzeptiert. „Playdates“, also Verabredungen zum Spielen, machen nicht die Kinder, sondern die Eltern – selbst in Theos Alter (und Theo ist 7!). Kleine Kinder dürfen sich keine zwei Meter von den Eltern entfernen, sonst wird man – wie ich neulich – angehupt. Und Paul lief gerade mal drei Meter vor mir auf dem Bürgersteig! Oder aber man bekommt böse Blicke und spitze Kommentare („He was walking down the driveway (Einfahrt) all by himself!“ Ja, mein Gott, aber ich hatte doch alles im Blick! Auch unsere Nachbarin klingelte verstört an der Haustüre, als Paul auf unserer Einfahrt mit Kreide malte, ohne dass ich direkt neben ihm stand! Schulweg? Nur mit den Eltern. Es gibt eine lückenlose Begleitung zur Schule und wieder zurück, Theo und Tim dürfen morgens noch nicht mal allein über unsere Straße zum bus stop gehen und dort allein warten. Ich muss die ganze Zeit mit dabei sein. Und so stehen sich häufig morgens vier Eltern gemeinsam die Beine in den Bauch, bis der Schulbus kommt – kann man das nicht besser verteilen? Es gibt kaum Zugang zu „gefährlichen“ Gegenständen – auch jetzt gerade wieder bei Theos science-project-Anweisungen: Nichts mit Feuer, Glas oder spitzen Gegenständen! Andererseits … … übertragen Eltern und Pädagog/innen viele Einstellungen aus der Erwachsenenwelt auf die Kinder: Zum Beispiel diese Einstellung in der preschool: „It’s not about having fun, it’s about learning and working“ (O-Ton einer der Erzieherinnen). Es gibt einige bierernste Erzieherinnen, die ich gerne einmal durchschütteln und ihnen sagen möchte: …

P3 in den USA

Marc erzählt: Britta hat mir erzählt, dass es vielleicht auch erwähnenswert ist, wie sich das Geschäftsleben in den USA vom Business in Deutschland unterscheidet. Nachdem ich im letzten Jahr wochenweise gependelt bin und die Grundlagen gelegt habe, sind wir jetzt seit Ende Januar wirklich „feet on the ground“, also nach ziemlich genau drei Monaten. In dieser Zeit haben wir ein heftiges Pensum absolviert: Büro gefunden (keine 500 Meter von zuhause), renovieren lassen, IT installiert, Büromöbel gekauft, Leute eingestellt (wir sind jetzt zwölf) und vieles mehr. Die Arbeitsbelastung ist echt groß, weil – anders als in Deutschland – die Infrastruktur noch nicht da ist: kein Backoffice, keine Buchhaltung, keine IT. Wir arbeiten eng mit Deutschland und unseren Kollegen von P3 North America (Automotive) in Detroit zusammen, aber im Endeffekt mache ich CEO, CTO, CFO und was sonst noch alles gleichzeitig. Hinzu kommt mein eigentlicher Job, das business development. Das ergibt dann auch schon mal vier 20+ Stunden Tage nacheinander. Resultat: ein erhebliches Schlafbedürfnis am Wochenende. 🙂 Viele Kunden in Sicht Aber das Geschäft läuft gut an. Unser Hauptkunde Verizon Wireless (DER Mobilfunkbetreiber in den USA) mag uns und weitet sein Geschäft mit uns aus. Wir haben mittlerweile weitere wichtige Kunden gewinnen können, die ich aber nicht alle nennen darf. Meine Tagesreisen führen mich jetzt nach Toronto, Chicago, Dallas oder Kansas City. Da der Flughafen Newark zwar perfekte Verbindungen hat, aber recht teuer ist, fliege ich häufig auch ab La Guardia oder sogar Philadelphia. Allerdings bedeutet ein Abflug um 6 a.m. auch Aufstehen um zwei Uhr morgens. 🙁 Die Sprache ist überhaupt kein Problem. Die Leute halten mich in der Regel zumeist für einen Südafrikaner oder (seltener) Schweden (warum auch immer), und ich lache mich vor allem über den Slang (‚red tape’) kaputt. Kündigungs- und Zahlprocedere Einige Worte zu den Unterschieden im „Corporate America“ verglichen mit Deutschland: Die Leute sind viel mobiler und das ist nicht immer gut. Da der Arbeitsmarkt viel durchlässiger ist, kann ich innerhalb von zwei Wochen jemanden feuern. Aber das ist ein zweischneidiges Schwert: Wenn jemand Mist baut und man dann ein paar ernste Worte mit ihm redet, …

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Der Osterhase hat uns gefunden!

Bei uns ist der Schnee inzwischen geschmolzen – endlich! – die Bürgersteige sind wieder begehbar und es sprießen immer mehr Frühlingsblumen in den Beeten (wie auch amerikanische Flaggen in den Vorgärten). Die Amis holen schon beim ersten Sonnenstrahl ihre Sommersachen raus, während wir noch mit Wintermantel herumlaufen. Selbst die kleinsten Kinder werden barfuß und ärmellos auf den Spielplatz geschickt. Als deutsche Mutter schüttelt es mich da … In vielen Bereichen läuft es schon etwas runder und wir haben in einen ersten Alltag gefunden, der vieles erleichtert.

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Auflösung zu Frage 3 – Man muss erfinderisch werden!

Kind muss Pipi auf dem Spielplatz – Was tun? Amerikaner/innen sind prüde – das habe ich nicht für möglich gehalten. Unmittelbar betrifft uns diese Realität auf dem Spielplatz, wo zwar Hunde an die Bäume pinkeln, Paul (3) und Ole (4) dies aber nicht dürfen. Selbst wenn man versteckte Bäume nimmt, kann man hier richtig Ärger bekommen: „If I ever see you doing this again, I’ll call the Police!“ – Worte eines Vaters zu mir – da war ich echt sprachlos. „Public exposure“, wie sie das hier nennen, ist einfach strengstens verboten. Also, wenn ihr uns besucht und mit einem unserer Jungs zum Pipi-Machen hinter einem Baum verschwindet, landet ihr glatt als Sexualtäter/in hinter Gittern – kein Witz, New Jersey Law, davon kann ich nur abraten. Nacktheit bringt die hier fast um. Kleinkinder nackt im eigenen Garten beim Plantschen? No go!   Nackt unter der Dusche Mein zweites Aha-Erlebnis hatte ich neulich im Fitnessstudio, als ich aus der Dusche kam. Es waren Sanitäter im Umkleideraum, weil es einer Frau nicht gut ging. Es kamen direkt zwei andere Frauen auf mich zugestürzt, ob ich ein „extra-towel“ (Handtuch) bräuchte, obwohl ich in einem Bereich war, der für die Sanitäter nicht einsichtig war – zweimal um die Ecke – was für ein Aufstand! Grundsätzlich ziehen sich viele Frauen hier nur um, wenn sie ein Badetuch umgeschlungen haben – sie genießen meine volle Aufmerksamkeit bei diesem Affenzirkus. Bei unserer Kinderärztin werden selbst die Kinder über der Kleidung abgehört. Amerikanische „sleepovers“ (Kids, die bei Freundinnen und Freunden übernachten) schließen sich im Bad ein und ziehen sich dort den Schlafanzug an (so erzählten es mir andere deutsche Expat-Mütter). Ich hoffe, dass unsere Jungs sich diese Hysterie nicht aneignen, sondern ihre natürliche Einstellung zum nackten Körper behalten. Aber die anderen Expats haben mich schon gewarnt, dass ihre Kinder bereits nach kurzer Zeit voll panisch reagieren, wenn sie jetzt die Eltern mal nackt sehen. Verrückt. Aber – wir lernen dazu und passen uns an: Damit wir weiterhin auf den Spielplatz gehen können und nicht beim ersten „Pipi“-Ruf nach Hause müssen, gibt es jetzt in meinem Kofferraum eine leere One-gallon-Apfelsaftflasche, …

Auflösung zu Frage 4 – VIELE!

Wie viele Gebote bzw. Verbote gibt es im YMCA? Aber nun zur Antwort: Es gibt unfassbar viele Gebote und Verbote an Türen und Wänden, einfach überall! Als Europäer/in kann man sich gar nicht vorstellen, was hier im Alltag alles genau reglementiert oder direkt ganz verboten ist! Der Klassiker – egal ob im YMCA oder in der Schule – no food, no drinks allowed due to allergic reactions! Es gibt hier sogar „nut-free“ (nussfreie) Klassenräume und Spielplätze! Der für mich absurdeste Fall bisher ist die „no running“-Regel, die sowohl auf Theos (7) und Tims (6) Schulhof als auch im YMCA auf der Laufbahn im Indoor-Spielplatz gilt: Die Jungs dürfen auf dem großen Schulhof nicht laufen, aber sie müssen gehen (stehen bleiben dürfen sie auch nicht!) – es ist ein bisschen wie beim Gefängnis-Freigang. Im Schwimmbad des YMCAs gibt’s dann direkt fünffach folgendes Verbot an der Wand: „No breath-holding activities permitted“ (zu Deutsch: Man darf die Luft nicht unter Wasser anhalten – ich vermute es geht darum, dass man sich da keine Wettbewerb liefern soll). Wer ein solches Schild schon einmal in Deutschland gesehen hat, der schreibe mir bitte sofort. 🙂   Das ist wohl der amerikanische Ansatz, jedes Risiko vor absurd hohen Schadenersatzklagen auszuschließen, getarnt mit dem Deckmäntelchen der Fürsorglichkeit: „Better safe than sorry“, „Your safety is our primary concern.“ Oder auch ganz knapp „Safety first!“ (Ähnlichkeiten zu Aussagen von Donald Trump konnten wir damals noch nicht erkennen 🙂 ).   So ist auch der Zugang zu Scheren in preschool und Schule extrem limitiert (bloß keine Schere mitgeben – dann wird man noch rausgeworfen), mit dem Ergebnis, dass selbst einige Zehnjährige kaum eine Schere halten können. Ohne waiver läuft hier nichts Als wir Ole zu einem Kindergeburtstag bringen, der in einem „Indoor-Spielplatz“ stattfindet, mussten wir vorher eine ganze Litanei von Haftungsverzichtserklärungen unterschreiben (die sogenannten „waiver“). Und der Nachsatz „Sorry, no exception“ ist hier Standard – ein „no“ ist und bleibt ein „no“, da sind die Amis unnachgiebig. Also, wer die Haftungsverzichtserklärung nicht unterschreibt und zu Beginn der Kinderparty abgibt, bleibt draußen. Jetzt wisst ihr auch, wieso man Lindt-Osterhasen generell nur ohne …