Das Leben auf den Spielplätzen kommt wieder in Gang, und immer öfter hört man den Eiswagen anrollen, angekündigt durch eine verzerrte zweistimmige Synthesizer-Musik. Aber unsere Kinder stört diese „Gruselmusik“ nicht: Sie stürmen wild enthusiastisch nach den ersten beiden Tönen den anderen Kindern hinterher, um sich dann gesittet in der Schlange anzustellen: Es gibt fertig verpacktes Eis am Stiel – Bällchen bekommt man hier nicht.
Florida, April 2011
Die Keys haben wirklich Postkartenqualität! Weißer Sand mit viel türkisfarbenem Wasser drum herum und jeder Menge Palmen. Die Kids fragten sich allerdings die ganze Zeit, wo die Kokosnüsse sind – hat man die alle runtergeholt, damit sie einem nicht auf den Kopf fallen? Das Inselleben ist sehr viel entspannter als in “uptight New Jersey”. Vorteil für uns: Keine “Halsbandpflicht” für Kinder. Und so dürfen die vier auch mal in unserer Ferienanlage herumlaufen, ohne dass ich immer dabei bin. Auf der anderen Seite gibt es hier definitiv anderes “wildlife”: Hier sind es nicht die Schwarzbären, sondern eher die Krokodile, die man nicht füttern sollte. “Don`t feed the alligators” mahnt ein Schild, und prompt sehen wir einen zwei Meter langen Alligator im Wasser treiben – in einem stinknormalen See wohlgemerkt und nicht im Zoo! Außerdem erwähnenswert: Wir erleben in der einen Urlaubswoche tatsächlich drei Trauungen im “sunset gazebo”. Die Braut in Weiß, der Mann in schwarzem Anzug und Flip-Flops (ich will da echt nicht immer drauf rumreiten, weil in Deutschland wohl auch inzwischen alle damit rumlaufen, aber als Schuhe beim Bräutigam sind die doch noch einmal kurz erwähnenswert, oder? 🙂 ).
Noch keine 21?
Bisher haben mich die Regeln für Leute unter 21 Jahren nicht besonders interessiert, aber das hat sich geändert, seitdem jetzt zwei Leute bei uns wohnen, die noch keine 21 Jahre alt sind: Vitoria (19) und Philipp (20). In Deutschland ist das ja alles ziemlich einfach. Alle Welt wartet auf den 18. Geburtstag (vielleicht die Eltern manchmal sogar noch mehr als die Kids), und danach hat man auf einmal so ziemlich alle Rechte und Pflichten eines Erwachsenen: Autofahren, Wählen und Gewählt-werden dürfen, offiziell rauchen dürfen, geschäftsfähig und strafmündig sein, so lange ausgehen dürfen, wie man will und wohin man will. Und heiraten darf man auch. In einer Beziehung sind viele 18-Jährige in Deutschland allerdings schon alte Hasen: Unter 14 Jahren ist Alkohol zwar grundsätzlich tabu, aber ab 16 Jahren bekommt man Bier, Wein und Sekt legal an der Supermarktkasse. Wer mit Eltern im Restaurant sitzt, darf sogar schon mit 14 Jahren ein Bier bekommen, und ab 18 Jahren ist sowieso alles erlaubt. Schon gewusst? Was bedeuten die “magischen Geburtstage” für Teenager in den USA (New Jersey)? Ich bin jedenfalls froh, dass wir hier weg sind, bevor diese Themen (Alkohol, Sex …) für unsere Kinder relevant werden – in Deutschland liegt das Schutzalter übrigens bei 14 Jahren und der Altersunterschied zwischen den Partner/innen spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle.
Die „magischen“ Teenager-Geburtstage in den USA
Natürlich ist der Geburtstag immer ein wichtiger Tag im Leben eines Kindes oder Jugendlichen. Einige haben in den USA aber eine besondere Bedeutung – die möchte ich hier vorstellen. Los geht’s mit dem 13. Geburtstag Bei den Juden geht’s bereits mit dem 13. Geburtstag los: Bat Mitzwah für die Mädchen, Bar Mitzwah für die Jungs. An der deutschen Schule, wo ich unterrichte, habe ich schon einige Male folgenden Grund auf Entschuldigungen gefunden: “Einladung zur Bar Mitzwah” – da durfte ich zuhause erst mal googeln. Wie mir andere erzählt haben, werden im Anschluss an die Zeremonie im Tempel dann riesige Feste gefeiert, die für Deutsche eher Ausmaße einer Hochzeit haben: die Kids in prunkvollen Kleidern à la Sissy, sehr viele Gäste und das Ganze für unvorstellbare Summen (jedenfalls nach deutschem Verständnis). 15. Geburtstag Bei den Mädels der Hispanics gibt es die erste Aufregung am 15. Geburtstag, wenn sie hier die “Quinceanera” feiern. Die Feier ehrt den Übergang der 15-Jährigen vom Kind zur Frau. Die Mädchen tragen dazu oft sehr aufwändige Kleider, die bei uns eher mit einer Hochzeit assoziiert werden. 16. Geburtstag Der heißt hier “Sweet Sixteen” – weit verbreitet in den USA. Dieser Geburtstag markiert den Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen (coming of age). Besondern bei den Mädels werden dann riesige Partys gefeiert, wo sie schick zurechtgemacht (ich würde eher “aufgedonnert” sagen) mit ihren Freundinnen nach Manhattan gehen oder mit den Eltern eine teure Reise machen. Ab 16 Jahren darf man hier (in NJ) Auto fahren mit learner`s permit, d. h. mit bestimmten Einschränkungen ein Auto steuern: in Begleitung eines Erwachsenen, nur zu bestimmten Uhrzeiten und nur mit einer eingeschränkten Anzahl an Passagieren. Und dann ist da die Sache mit dem sogenannten “Age of Consent“ (wörtlich “Zustimmungsalter”, im deutschen Gesetz heißt es “Schutzalter”), das man in New Jersey mit 16 Jahren erreicht. Konkret heißt das, dass man dann juristisch berechtigt ist zu sexuellen Handlungen. Mit 15 hat man diesen legalen Status hier nicht, und daher wird jeder Sex rein rechtlich als “statutory rape” (Unzucht mit Minderjährigen) geahndet (zumindest wenn der/die andere 16 Jahre und älter ist). Um die …
“It’s a Party!”
Nun zu denen, die noch kein Interesse an Bier haben, aber auch schon Spaß haben wollen: Ole (5) und Paul (4) sind wieder auf diversen Kindergeburtstagen eingeladen, verrückterweise erneut alle in einem Monat wie letztes Jahr. Ob die Kids wirklich alle jetzt Geburtstag haben oder ob es im Moment einfach gut passt? Paul erhält eine Einladung von Mary, einem kleinen Mädchen aus seiner Gruppe. Die Karte erinnert mich an eine amerikanische Version der in Deutschland so beliebten Prinzessin Lillifee. Der Rest der Einladung ist Standard (was, wann, wo). Und dann gibt es die hier gängige Formel “RSVP by April 12” – ja, da greifen die Amerikaner/innen auf die französische Floskel “répondez s’il vous plait” zurück und nehmen einfach das Akronym, das man auch als Verb benutzen kann (“I haven`t RSVPed yet”). Klingt vielleicht komisch, ist aber Standard hier. Der letzte Satz auf der Einladungskarte macht mich allerdings etwas stutzig, denn da heißt es “Dress for mess”, was soviel heißt wie: Man soll sich Kleidung für eine „Sauerei“ anziehen. Marc hat wieder mal die Ehre und fährt mit Paul hin. Zwei Stunden später kommt er geschockt wieder … Der IRRE Kindergeburtstag Marc erzählt: Britta macht es sich manchmal einfach, denn dann steht ohne weitere Diskussion fest, dass bestimmte Aufgaben mir zufallen. Dazu zählen hier in den USA die Kindergeburtstage. Dazu hatten wir ja schon einmal einen Beitrag 🙂 . Vor einigen Wochen also hatte Paul eine Einladung von einem kleinen Mädchen, und ich hatte die Hoffnung auf den normalen Wahnsinn, so dass ich mich zu Starbucks hätte absetzen und etwas arbeiten können. Aber als wir an der Location ankamen, habe ich von diesem Gedanken sofort Abschied nehmen müssen, denn die Geburtstagsparty für drei- bis vierjährige Kinder fand in einem nachgebauten Filmstudio statt. Hier wurden die Kinder von einem Entertainer durch die Party bzw. Show geleitet! Dabei gab es dann Spiele wie „Rate die Titelmusik der Serie“ (ich habe komplett versagt) bis „Wähle deinen Freund, der kommt dann in die Schleimkammer und wird von oben mit grüner Gülle begossen“. Hinzu kamen Dinge wie „Torte ins Gesicht, wenn du verlierst“ und Ähnliches. …
Eis, das vom Himmel fällt
Zunächst noch einmal zum Februar-Wetter (weniger überraschend, einfach nur nervig): Der Februar fängt so an, wie der Januar aufgehört hat: mit Schnee und – noch schlimmer – mit Eis. Direkt zu Beginn gibt es fiesen Eisregen – eine komplett neue Erfahrung für uns. Das ist kein Schnee und auch kein Hagel, sondern das sind winzig kleine Mini-Eiskristalle, die stundenlang vom Himmel regnen, wild vom Wind aufgepeitscht. Sie hören sich an wie Millionen von Stecknadeln, die auf den Boden fallen. Später wird der Eisregen zu Regen, aber bei eisigen Temperaturen. Bedeutet: Glatteis pur! So wird jeder Meter Fortbewegung zum Abenteuer, und es gibt natürlich wieder einen snow day für die Kids (den fünften dieses Jahr 🙁 ). Über Nacht hat sich alles draußen in eine Eis-Arena verwandelt: Die Kids können über den Schnee schliddern, weil eine mehrere Zentimeter dicke Eisschicht über der 40 Zentimeter dicken alten Schneeschicht liegt. Einen Schlitten brauchen sie nicht mehr – einfach auf den Popo setzen und los geht’s. Nach dem ersten Spaß aber ist dieses Eis einfach nur nervig. Es ist unvorstellbar hart, wie Beton, und man kann es nicht entfernen – selbst Spaten, Spitzhacke und eine Menge guter Willen und Kraft können da nichts ausrichten. Wem es schwerfällt, das zu glauben, der kann gerne nächstes Jahr vorbeikommen: Unser Gästezimmer ist zwar bis November fast komplett ausgebucht, aber die Wintermonate sind noch frei 🙂 . Schneebälle sind hart wie Stein, selbst kleine Eisbrocken auf der Straße sind so festgefroren, dass man sich eher den Zeh bricht, als das Ding auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Das Schlimmste ist, dass die Kinder fast nirgendwo mehr draußen spielen können: Unser Trampolin biegt sich unter einer mehrere hundert Kilogramm schweren Schnee- und Eisschicht, der ganze Garten ist eine einzige Rutschbahn und die einzig eisfreien Orte – die Straßen – sind nun eben auch nicht gerade geeignet zum Spielen. Selbst ich, die die vier Kids sonst unnachgiebig bei jedem Wetter raussetzt, muss kapitulieren und bin schachmatt gesetzt – es gab genug Verletzte diesen Winter. Und außer Ausrutschen und sich-Wehtun ist nichts mehr drin. Die Folge dieses Extremwetters: Frust, bewegungsdurstige …
Family Bits and Pieces März 2011
Dr. Seuss‘ Geburtstag Der ganz bekannte, mittlerweile verstorbene Kinderbuchautor Theodor Seuss Geisel alias Dr. Seuss hat fantasievolle Geschichten mit einfachen Silbenkombinationen geschrieben. Warum ist das so erwähnenswert? Weil hier einfach jedes (!) Kind ab zwei Jahren diesen Mann und seine Bücher kennt und mit ihnen lesen lernt – ich habe mich letztes Jahr ganz schön blamiert, weil ich noch nie etwas von ihm gehört hatte. An seinem Geburtstag laufen viele der jüngeren Kids mit einem riesengroßen rot-weiß-gestreiften Hut herum. Wenn ihr das Buch „The Cat in the Hat“ googelt, wisst ihr warum. 🙂
Girl Scout Cookie Sale
Die Girl Scouts verkaufen ihre Cookies – das ist ein Fundraising-Projekt, bei dem die Pfadfindermädchen spezielle „fancy“ Kekse vor den Geschäften, in der Nachbarschaft oder auch auf den St. Paddy‘s Paraden verkaufen. Und die gibt es wirklich nur für ein paar Wochen, wie z. B. „Peanut Butter Paddy’s“. Girl Scout Cookie Sales gehören hier mit zum Frühling, und diese Kekse sind heißbegehrt und werden von den Leuten gerne genommen. Auch wir haben natürlich die Nachbarstochter unterstützt und anschließend die Wunderkekse genossen.
Deutsches Sprachdiplom
Meine Schülerinnen und Schüler (11 bis 13 Jahre, Expat-Kids oder Amerikaner/innen mit deutschen Wurzeln) an der deutschen Schule machen ihr Sprachdiplom, und ich darf bzw. muss sie mündlich prüfen. Der Schwerpunkt: Konversation über alltägliche Dinge wie Schule, Hobbys, Familie. Eine wunderbare Gelegenheit, etwas über ihr Leben hier und ihre Verbindung zu Deutschland zu erfahren. Auf die Frage, was sie am Wochenende machen, kommt von fast allen: Hausaufgaben (die Kids hier werden ganz schön rangenommen!) und Sport. Nächste Frage: „Was macht ihr bei euren Urlauben in Deutschland?“ Emma liebt es, in Deutschland einkaufen zu gehen, weil sie die Klamotten dort einfach moderner findet, und Leon macht mit seinem deutschen Opa Schnaps aus Kirschen und darf sogar mal probieren (hier bekommt man kein Bier vor dem 21. Geburtstag). Auf die Frage nach seinem Haus und Garten erzählt uns John von einem ganz besonderen Busch bei ihnen im „backyard“, der auf magische Weise immer wieder Schwarzbären anzieht, die sich gerne darin herumwälzen. Mehrere Versuche seiner Mutter, die Bären zu vertreiben und den Busch zu retten, sind fehlgeschlagen: Jetzt reicht es ihr, sie will einen anderen Busch. Tyrell (deutsche Mutter, Vater aus Trinidad) verrät uns sein Lieblingswort: „Streichholzschächtelchen.“ Dieses Wort würde die meisten Deutschlernenden um den Verstand bringen, denn es ist gespickt mit vielen typisch deutschen Lauten. Aber Tyrell spricht es genüsslich und stolz aus und grinst mich dabei an. Ich kann nur zurückgrinsen. Das sind Geschichten, die ich so liebe, weil die Kids sie einfach authentisch erzählen und mir damit kleine Einblicke in ihr Leben schenken.
Musical der Morristown Highschool
Man braucht nicht zum Broadway nach NYC zu fahren, um ein spektakuläres Musical zu sehen! Die Highschool-Kids – teilweise 40 (!) Darsteller/innen gleichzeitig auf der Bühne – waren perfekt koordiniert, sangen, steppten und schauspielerten für zweieinhalb Stunden. Ich war überrascht von der Professionalität der Aufführung, aber gleichzeitig auch sehr zwiegespalten, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Die Schüler/innen haben seit drei Monaten dreimal die Woche z. T. bis 22 Uhr abends geprobt. Einige der Kids haben seit einem Jahr extra Gesangsunterricht genommen und „nebenbei“ auch noch ihre normale Schulbelastung und die Abschlussprüfungen durchgezogen. Hier werden die Kids wirklich schon echt früh zu extremen Leistungen angetrieben – ziemlich stressig und „competitive“, finde ich. In einigen Bereichen scheint das die Norm zu sein, aber für unsere vier möchte ich das definitiv nicht.