In den Cafés werden jetzt die „Holiday Favorites“ angeboten, wie z. B. Gingerbread Latte, Peppermint Mocha oder Caramel Bruelee (das ist alles Kaffee mit Geschmack) – leider nichts für mich. Ich entdecke den „Apple Cider“, ein heißes Getränk aus Apfelsaft mit verschiedenen Weihnachtsgewürzen, der nicht nur wie heißer Apfelstrudel mit Zimt und Sahne riecht, sondern auch so schmeckt. Obendrauf gibt es dann, wer möchte, auch noch Sahne mit Karamell – alles ohne Koffein, aber von dem Zucker bekommt man trotzdem einen Kick. In Bezug auf Weihnachtskekse sind sie hier weniger einfallsreich als bei ihren Getränken. Daher gibt es viele aus Europa importierte Waren, wie z. B. „Pfeffernüsse“ (German Spice Cookies), Marzipanbrote, Original German Gingerbread, Windmill Cookies (Spekulatius) und Lebkuchenherzen. Ich probiere lieber etwas Neues: „S´mashing S´mores“, eine Art amerikanischer, ganzjähriger „Riesen-Dominowürfel“, Kekse (oben und unten) mit Marshmallows (in der Mitte) und Schokoladenüberzug, den man für 20 Sekunden in die Mikrowelle/den Ofen stecken muss und der dann vor sich hinschmilzt – noch klebriger als der heiße Apple Cider. Ich probiere auch die „Snicker Doodles“ (was ein toller Name!), eine Art Zuckerkeks mit viel Zimt – ja, lecker, aber schmeckt nicht so, wie ich Weihnachten kenne.
Unser erstes Thanksgiving
Als Anhaltspunkt für Thanksgiving kannten wir bisher nur Spielfilme, die vom Leben bzw. vom Chaos an diesem Tag erzählen: die Anreise (an keinem Tag im Jahr, auch nicht an Weihnachten, sind so viele Amerikaner/innen nach Hause unterwegs!), das Zusammentreffen großer Familien (mit allem was dazu gehört, auch den Familienkrisen) und natürlich das opulente Thanksgiving-Mahl („Thanksgiving Feast“), wo der Truthahn im Ofen brutzelt, die Kinder die alten Tanten ärgern, die Männer „Football“ gucken und sich alle so rund essen, dass sie sich abends kaum mehr rühren können. Nun zu unseren Erfahrungen: Schon in den Wochen davor ist es nicht zu übersehen, dass das Fest tatsächlich eine große Bedeutung hat: Viele Geschäfte machen an diesem Tag früher zu, alle Mütter reden beim Abholen der Kids von der Schule über die Vorbereitungen (viele kochen direkt mehrere Truthähne für über 30! Leute – viele Küchen haben daher tatsächlich zwei Backöfen eingebaut), in den Kühlregalen verdrängen medizinballgroße Truthähne alles andere (wo ist denn jetzt die Salami?) und an Tims Schule wird von der sonst ultra strikt durchgeführten Richtlinie „no food“ bei Partys abgewichen.
Ein bisschen einkaufen
So richtig in Stimmung kommen wir beim Einkaufen: Ich schiebe zwei voll beladene Einkaufswagen zur Kasse und bin wieder mal platt, als sich eine Angestellte vom Laden freundlich anbietet, mir beim Schieben zu helfen. Als wir gemeinsam rausgehen, steht dann draußen ein Mann, der laut mit seiner metallenen Glocke herumbimmelt, um Geld für eine Wohltätigkeitsorganisation zu sammeln (wie in den Fernsehfilmen halten die Leute diese Glocken tatsächlich mit der offenen Seite nach oben – in Deutschland hält man die doch eher nach unten, oder?). Am Auto angekommen flötet mir die Verkäuferin noch ein fröhliches „Happy Holiday!“ entgegen – und ich fahre gut gelaunt nach Hause mit weihnachtlicher Festtagsstimmung im Bauch.
Gemeinsam feiern
Ich hatte mir ja eigentlich fest vorgenommen, endlich mal unseren XXL-Backofen voll auszureizen, in den man zwei runde Pizzen nebeneinander bequem reinschieben kann, aber dann haben wir überraschend eine Einladung von einer deutsch-amerikanischen Familie bekommen – und das ist natürlich noch viel besser als alleine zu feiern, was für eine Ehre! Und so erleben wir einen Thanksgiving-Tag, der geprägt ist von großer Gastfreundschaft, sehr leckerem traditionellem Essen, dem üblichen Kinderchaos und auch etwas Extra-Zeit für interessante, entspannte Gespräche. Zum Entzücken der Kinder fallen sogar die ersten Schneeflocken in diesem Winter. Auch Marc kann das Fest rundum genießen, denn bei ihm im Büro läuft an diesem verlängerten Wochenende einfach nichts, weil alle zu Hause feiern – ein Gefühl wie Weihnachten, nur ohne Geschenke.
Black Friday und Cyber Monday
Und jetzt kommt ein harter Bruch, genauso wie im echten Leben. Denn nach Thanksgiving kommt traditionell am nächsten Tag der „Black Friday“. Das ist der Freitag, an dem im Einzelhandel die Kundschaft mit Hammerangeboten in die Geschäfte gelockt und das Weihnachtsgeschäft („holiday shopping“) eingeläut wird. Ab diesem Tag werden „schwarze Zahlen“ geschrieben (so zumindest eine Erklärung des Begriffs „black friday“). Noch in der Nacht machen einige Geschäfte auf: Toys„R“us um 22 Uhr, andere folgen um drei bzw. vier Uhr morgens. Manche Leute kampieren tatsächlich schon abends bzw. nachts vor den Geschäften, um noch eins von den begehrten Schnäppchen zu bekommen (meist große Elektro-Dinge). Ihr sonst so diszipliniertes Anstellverhalten scheinen die Amerikaner/innen im Angesicht unschlagbarer Angebote an diesem Tag zu vergessen – vor zwei Jahren wurde bei Wal-Mart ein Sicherheitsmann beim Öffnen der Türen von den Horden überrannt und dabei getötet. Black Friday ist laut Wall Street Journal wahrscheinlich auch in diesem Jahr wieder der No.1-Verkaufstag im Einzelhandel – 138 Millionen Käufer/innen werden erwartet. Wir verdauen lieber in Ruhe das Festmahl und genießen die ruhige Zeit mit Freunden und Familie. Einige Mütter hatten mir schon vorher sehr lebensnah ihre Erfahrungen beim nächtlichen Anstellen bzw. stundenlangen Stehen im Stau vom letzten Jahr berichtet. Cyber Monday ist der darauffolgende Montag, an dem die Leute durch Angebote motiviert werden sollen, online besonders viel zu kaufen. Aber auch der ließ uns kalt. So war unser erstes Thanksgiving eine vier Tage dauernde, vom Himmel fallende Auszeit mitten im November – ein durchweg positives, sehr stimmungsvolles Erlebnis.
Sopranos und Pizza
Wir starten den „Sopranos-Club“: Mit einigen deutschen Frauen fangen wir an, die „Sopranos“-Saga auf DVD zu gucken. „Die Sopranos“ ist eine amerikanische Fernsehserie (1999-2007), die vom Leben einer fiktiven italienisch-amerikanischen Mafiafamilie in New Jersey handelt. Die Serie ist hier sehr bekannt, hat Kultcharakter und ist mehrfach preisgekrönt. Die Figuren sind fiktiv, aber die Saga orientiert sich an der Realität, dass New Jersey in fester Hand der italienischen Mafia ist. Sie gibt uns als Neuzugezogenen daher einen guten Einblick, was hier so alles hinter den Kulissen abgeht. Ich habe schon von verschiedenen Leuten verrückte Geschichten gehört, nach denen z. B. italienische Restaurants bzw. deren Besitzer über Nacht auf einmal verschwinden. Ich muss jetzt jedenfalls immer an die „Sopranos“ denken, wenn ich mit Theo und Tim freitags nach der Schule bei „Suvio’s“ Pizza essen gehe – bei den „Sopranos“ ist der zentrale Treffpunkt der Bosse immer die Pizzeria „Vesuvios“. Der Besitzer unserer Pizzeria „Suvio’s“ ist sehr nett zu Theo und Tim, und die Pizza ist auch super lecker – aber es ist doch ein bisschen komisch.
Formal Dinner
Wir hatten unser erstes „Formal Dinner“ zu Hause – mit einem Geschäftspartner von Marc inklusive seiner Frau. Ich war schon etwas nervös, aber es ist gut gelaufen (hoffe ich, so genau weiß man das ja nie). Ich hatte vorher noch einmal fleißig in den Rezepten von zuhause gewühlt und bin dort auch fündig geworden: Als Vorspeise gab es Feldsalat mit roter Beete und Walnüssen, als Hauptgang Coq au vin. Ich bekam übrigens keine Blumen, sondern Marc hat Scotch und Whiskey als Geschenk erhalten. Wie das so in den Restaurants üblich ist, habe ich jeden Gang sofort nach dem Essen abgeräumt und dann sofort den nächsten aufgetischt. Ich hoffe, das entspricht so der amerikanischen Sitte?! Mein Essen wurde mehrfach von beiden gelobt (auch wenn das Fleisch etwas trocken geraten war, wie ich fand). Den Nachtisch hatte ich gekauft (ist hier aber durchaus üblich) – da konnte nichts passieren. Insgesamt ist es hier übrigens ungewöhnlich, Geschäftspartner/innen nach Hause einzuladen, aber Marc ist da eben eher unkonventionell. Auch mit Freunden geht man hier viel auswärts essen.
Pumpkins
Zur Einstimmung ein Gedicht, das Tim auswendig lernen musste: Pumpkin Pumpkin, pumpkin Big and round I’m glad you grow Upon the ground I’m glad you don’t Grow in a tree, For then you might Fall down on me. Was im September anfing, erreicht im Oktober seinen Höhepunkt: die pumpkin-Saison. Egal ob Schule, öffentliches Leben oder eigenes Haus – um Kürbisse kommt niemand herum. Man sieht sie überall zur Dekoration (in den Geschäften, in den Vorgärten), es gibt besonders viele Gerichte mit Kürbis, und in den Cafés gibt’s Kürbiskaffee zu trinken („Pumpkin Spice Latte“ oder “Pumpkin Chai “). Da ich keinen Kaffee trinke, kann ich leider nicht sagen, wie der schmeckt. Der Kürbiskäse mit Zimt schmeckt für mich jedenfalls eher gewöhnungsbedürftig. Und in der Schule gibt es den „pumpkin science day“, wo die Kinder Kürbisse messen, wiegen, aushöhlen usw.
Lots of treats
Noch einige Sätze zu den erbeuteten Schätzen: Die Schokolade ist hier ausgesprochen schlecht! Mich wundert’s, dass ein so großes Land nur so schlechte Schokolade herstellen kann. Die hier als Top-Produkt gehandelte Hersheys-Marke ist ebenfalls ungenießbar: zu süß und einfach ohne Schmelz (eher „sandig“). Wer mich kennt, weiß, dass „Süß“ meine große Schwäche ist, aber amerikanische Schokolade lasse selbst ich liegen – und das will wirklich etwas heißen! Sogar in Europa bekannte Schokoriegel, wie z. B. Kitkat, schmecken hier viel süßer und einfach nur schlecht. Einzige Ausnahme: Reeses Peanut-Butter Cups = Reese’s Erdnussbutter-Schälchen (die orangen Packungen im Bild): Das ist Erdnussbutter innen und Schokolade außen. Daran scheiden sich die Geister: Entweder man liebt sie oder man hasst sie (wegen der Erdnussbutter) – ich liebe sie (leider). Aber als Soforthilfe bei „culture clash“ haben sie mir schon gute Dienste geleistet.
Amerikanischer Kinder-Kochkurs
Marc erzählt: Ich versuche, so viel Zeit wie möglich mit den Kids zu verbringen und habe mit Theo in diesem Monat einen Abendkochkurs besucht. Da hat Theo gelernt, wie man selbst eine Pizza macht und dazu ein Blueberry-Milkshake mixt. Es war faszinierend zu sehen, wie er dem Kurs auf Englisch ohne jede Mühe folgen konnte und sogar vor der Gruppe von ca. 30 Leuten problemlos (gute) Fragen gestellt hat. Eine sehr schöne Zeit und Theo war begeistert, selbst kochen zu dürfen. Ich habe danach auch einen Getränkemixer gekauft, und jetzt gibt es ab und an zuhause Blueberry oder Strawberry Shakes – aber ohne Fernseher in der Küche. Der Knaller: Amerikanische Kleinkinder zwischen zwei und fünf Jahren verbingen laut Wall Street Journal 32 Stunden in der Woche vor einem Fernseher. Dabei hoffen die Eltern, dass der elektrische Babysitter auch die akademischen und kognitiven Fähigkeiten ihrer Kinder fördert („vitamin-fortified programming“). Seit 1969 bringen das Cookie Monster, Bird und seine Freunde in Sesame Street (Sesamstraße) den Kindern Zahlen und Buchstaben näher. Heute sollen die Kindergartenkinder auf diese Weise auch noch Spanisch und Mandarin lernen (z. B. durch Dora the Explorer). Fernsehen als brain candy! Und so teilte uns die Leiterin des Kochkurses dann auch mit, dass die Kinder durchaus in der Küche eingespannt werden könnten und dann eben parallel fernsehen und mithelfen könnten! Bon appetit!