Wir feiern Abschied bei uns im Garten, um noch einmal befreundete Familien, die Nachbarschaft, bekannte Eltern, Arbeitskolleginnen und -kollegen und Laufkameradinnen und -kameraden zu sehen. Ein letztes Mal gibt es Multi-Kulti zum Anfassen und als Abschiedgeschenke bekommen wir jede Menge neue Rezepte von unseren Gästen: Gram´s Noodle Pudding, Texas Trash, Sweet Potatoe and Pecan Pie, Pulled Pork – super lecker. Und dann noch viel Internationales (homemade Mexican Salsa vom Fluglehrer, Italian Meetball Recipe von Ole Lehrerin, Chinese Cucumber Salad, Finnish „Pulla“, South African Curry Chicken, Pasta e Fagioli und auch deutsches „Fischragout“). Trotz großer Party-Konkurrenz von Bar Mitzwahs, graduations, weddings und anderen BBQs ist unser Garten voll. Eigentlich ist alles gut, wenn nur der Anlass nicht so traurig wäre. Eine deutsche Freundin, die mit amerikanischem Mann und Kindern fest hier lebt, äußert ganz offen ihren Frust. Sie sagt, sie wolle sich nicht mehr mit deutschen Expat-Familien anfreunden, weil sie in den letzten Jahren so viele wieder verabschieden musste. Ich kann das echt gut nachvollziehen.
+++ Morristown Newsflash 04/2012 +++
Eine köstliche Nachricht noch: Wir haben ein neues Café am Green bekommen, das vielleicht die schmerzliche Lücke des geschlossenen „Greenberrys“ etwas schließen kann: eine etwas eigenwillige Ansammlung verschiedener Stilrichtungen. Die Wände tragen eine „scratchy-sniff“ wallpaper, eine Tapete, die anfängt zu duften, wenn man daran reibt (was die sich nicht alles für einen Quatsch einfallen lassen …). Und unter die Decke ist eine Eisenbahnstrecke gehängt, auf der tatsächlich eine Eisenbahn herumfährt (habe ich hier jetzt schon häufiger gesehen). Das neue Café liegt zentral, alles ist „homemade“, es gibt sogar selbstgemachte Eiscreme, man kann draußen sitzen, die Bechergrößen sind „small“ und „large“ (ha, von wegen „tall“ und „grande“, wie bei Starbucks) und es gibt heiße Schokolade mit Marshmallows, die sie mit einem Bunsenbrenner kurz anschmoren. Das Eis haben unsere vier Jungs schon getestet, und wir freuen uns, dass wir dafür endlich nicht mehr 30 Minuten in der Schlange stehen müssen bei der „Creamery“. Paul (5) und Ole (6) lieben die Eisenbahn und ich habe endlich mal wieder eine schöne Anlaufstelle zum Kaffeetrinken. Den Starbucks (der direkt gegenüber liegt) habe ich seit unserem Kalifornien-Urlaub nämlich echt „gefressen“ – die waren mir einfach zu unpersönlich, omnipräsent, fast schon etwas unheimlich (die wird man hier echt gar nicht mehr los – sogar in Zoos und Vergnügungsparks haben die ihre Zelte aufgestellt). Außerdem ist er sehr teuer. Für Marc kommt allerdings jede Hilfe zu spät, denn er ist inzwischen abhängig von seinem „Quad Venti Latte“. Die Chancen, ihn noch zu bekehren, stehen daher eher schlecht – aber ich versuch’s trotzdem.
Kekse für den guten Zweck
Und da wir gerade von Schokolade sprachen: Die Girl Scouts, die „spring-fundraiser“, schwärmen wieder aus und versuchen, ihre Kekse unters Volk zu bringen. Die Mädchen unserer Straße läuten also an den Haustüren der Nachbarn und wir sind dabei. Klar, wir bestellen auch, für vier Dollar pro Keksbox. Bis Ende Januar habe ich für ca. 50 (!) Dollar Girl Scouts-Kekse bestellt, denn wir haben mehrere Nachbarstöchter bei den Girl Scouts (was mir aber beim ersten Mädchen nicht klar war), und ich wollte keins zurückweisen. Mein Favorit unter den Keksen, die es nur über diese Quelle gibt, sind „Samoa“, mit viel Karamell und Kokosnuss. Aber Geduld ist angesagt – die Lieferung wird erst für März erwartet.
Schokoküsse und Frühlingstemperaturen
Tim wird Anfang Januar acht Jahre alt. Er wünscht sich natürlich wie immer Lego. Aber er hat diesmal auch einen ausgefallenen Wunsch: Er will unbedingt Schokoküsse! Warum ausgefallen? Tja, die gibt es hier in normalen Läden nicht, denn das ist etwas typisch Deutsches! Wusstet ihr, dass insgesamt jährlich eine Milliarde davon in Deutschland verkauft werden (laut Wikipedia)? Das macht durchschnittlich zwölf Schokoküsse pro Person! Ich telefoniere einige deutsche Metzgereien durch – nicht wundern, die sind immer eine gute Anlaufstelle für „deutsche“ Sonderwünsche wie z. B. Tortenguss, Überraschungseier u. a. Beim dritten Versuch werde ich fündig, und wir kaufen direkt alle Schaumkuss-Packungen auf, die im Laden zu bekommen sind. Das Personal macht dem Klischee, dass die Deutschen muffelig sind, alle Ehre. Aber die Wurst ist wohl so gut, dass die Kundeninnen und Kunden trotzdem wiederkommen. Uns interessieren ja auch momentan nur die Schokoküsse – Tim und die anderen drei sind happy, ich auch. Klatschen und „one for good luck“ Jedes Land hat seine eigenen Rituale, so auch Amerika. Seitdem wir hier sind, klatschen wir zum Beispiel nach dem Kerzenauspusten in die Hände, bei Tims achtem Geburtstag also neun Mal: „One, two, three, four, five, six, seven, eight – and one for good luck!“ Dieser Brauch ist neu für uns und kommt aus Oles (6) Montessori-preschool – gibt es den in Deutschland eigentlich auch? Und tatsächlich – es klappt: Das erste Mal in seinem Leben kann Tim seinen Kindergeburtstag bei frühlingshaften 16 Grad draußen feiern – und das am 7. Januar! Es ist die höchste Temperatur, die seit Wetteraufzeichnungen an diesem Tag je in New Jersey gemessen wurde.
„Candy of the month“
Ganz, ganz wichtig hier ist der „Candy Cane“, eine rot-weiß gestreifte Zuckerstange, die oben wie ein Spazierstock gebogen ist. Das Typische daran: Candy Canes sind sowohl Süßigkeit als auch Dekoration. Man findet sie beleuchtet in Vorgärten, viele Leute hängen sie aber ebenso als Dekoration in den Weihnachtsbaum. Paul (4) bastelt mit Pfeifenputzern und roten und weißen Perlen jeden Tag einen Candy Cane in der preschool, und die Zuckerstangen sind auch das typische „Mitbringsel“ für Kinder in der Weihnachtszeit. Die Ursprünge dieser Süßigkeit lassen sich übrigens bis ins 17. Jahrhundert nach Köln zurückverfolgen, wo der Chormeister sie seinen jungen Sängern in die Hand drückte, damit sie während der langen Messe ruhig auf ihren Sitzen blieben (steht zumindest so auf einer der Packungen).
Auf der Suche nach dem Christmas Spirit
Ja, auch hier gibt es ganz viel Rummel um die Geschenke, und die Geschäfte werden vor Weihnachten eindeutig voller – aber das ist wohl keine Überraschung. Per E-Mail bekomme ich jeden Tag von diversen Firmen Angebote mit ziemlich vielen „promotional discount codes“ (Rabatt-Angeboten): 40% off one thing, free shipping, 30% off everything, buy one, get one free“ usw. In der letzten Woche vor Weihnachten erreichen die Angebote dann ihren Höhepunkt: „40% off everything“. Und nach Weihnachten gibt es sogar oft „60-80% off everything“.
Brittas home made food
Und während am Thanksgiving Donnerstag ab mittags überall die Bürgersteige hochgeklappt, ab 16 Uhr alle Geschäfte und Cafés dicht, Morristown wie ausgestorben und die Straßen leergefegt sind, ganz Amerika zu Tisch sitzt und Football guckt, darf ich mich in aller Ruhe zuhause ausprobieren: an butternut soup (Kürbissuppe), corn bread (Maisbrot), banana cranberry bread, oven-roasted vegetables (Ofengemüse), cranberry sauce, bread stuffing (Brotfüllung), turkey gravy (Sauce), pumpkin pie (Kürbiskuchen – ein absolutes MUSS) und apple pie. Natürlich gibt es bei unserem „feast“ (Festmahl) nur „home made food“, also alles selbst gemacht – da stehen die Leute hier drauf. Mein Fazit: Es hat einen Riesenspaß gemacht, sich da mal richtig reinzuknien und alles auszuprobieren (obwohl ich sonst keine große Köchin bin). Das Ergebnis: Es sieht super aus und alles ist knallbunt: leuchtend rot, orange, grün und weiß (u. a. Kürbis, rote Beete, Pastinaken, Möhren, Rüben, Süßkartoffeln, Cranberrys). Es ist ein ganz neues Geruchserlebnis: Muskatnuss, Gewürznelke, Ingwer und Vanilleschote stehen ganz oben auf der Liste vieler Gerichte. Dazu der Duft von frisch gepressten Orangen, Zitronen und frisch geriebenem Ingwer, geröstete Pekan- und Walnüsse sowie Kürbiskerne. Die Küchenwage kann getrost im Schrank bleiben – das meiste wird hier in „cups/Tassen“ gemessen. Etwas unpraktisch, wie ich finde: Butter in den Messbecher reinschmieren und dann wieder rauskratzen (aber vielleicht gibt es da ja auch Tricks, die ich noch nicht kenne?). Testet euch selber: Wie viel ist ein ¾ q? Ohne Cranberrys läuft nichts Ein Highlight ist die Zubereitung der Cranberry-Sauce: Frische Cranberrys (deutsch: Moosbeere) sind hart, klein und schmecken sauer und bitter. Roh sind die ungenießbar – ich habe es probiert. Aber sie sind hier nicht wegzudenken und gehören definitiv als Sauce neben die Pute. Sie wachsen in Nordamerika und Kanada und sind mit unseren Preisel- und Heidelbeeren verwandt (Heidekrautgewächs). Schon die Indianer nutzten Cranberrysaft, um Wunden auszuwaschen – wegen ihres hohen Vitamin-C-Gehalts und ihrer vorbeugenden Wirkungen gegen Blasenentzündungen findet man zahlreiche Cranberry-Präparate in jeder pharmacy. Bei der Ernte werden die Cranberry-Felder geflutet (die sogenannte Nassernte) – da schwimmen dann leuchtend feuerrote, gigantische Beerenteppiche im Wasser. Schaut euch mal ein paar Bilder im Internet an, das …
Unser Thanksgiving-Festmahl
Morgens stürmen aufgeregte Kinder in unser Schlafzimmer: „Mama, der turkey.“ (Theo), „Daddy, is the turkey in the oven?“ (Tim). Aber klar, ich habe ihn morgens direkt als erstes in die Backröhre geschoben. Am Nachmittag treffen die Gäste ein. Unsere amerikanischen Freunde – sonst immer in Shirt und Turnschuhen – sind heute mit Hemd und Kleid herausgeputzt! Ooops – ich schicke Marc direkt wieder nach oben, damit er sich umziehen kann. Und dann wird es trotz aller Vorbereitungen doch etwas hektisch in der Küche, weil alles auf den Punkt fertig sein muss. Es stellt sich heraus, dass selbst unser gigantischer Backofen zu klein ist, um alles gleichzeitig zu garen und warmzuhalten. Ich muss also zugeben, dass es für Thanksgiving durchaus hilfreich sein kann, zwei Backöfen in einer Küche zu haben, wie es in manchen amerikanischen Familien üblich ist. Unser Truthahn lässt sich von der commotion nicht beeindrucken – nach knapp fünf Stunden kommt der Truthahn aus der Röhre – schön knusprig von außen und richtig saftig von innen. Selbst die „Einheimischen“ sind voll des Lobes – das Fleisch fällt zart und locker vom Knochen, so soll es sein. Ja, da hatte die Dame im New York Times-Video also recht – bloß nicht immer wieder die Ofentür aufmachen … Wie letztes Jahr passt kaum alles auf einen Teller, so viele verschiedene Speisen gibt es. Ein bunt zusammengewürfeltes Essen, eine gesellige Runde – ein perfekter Nachmittag. Eins steht jetzt aber auch fest: Ich mag definitiv immer noch keinen keinen pumpkin pie – brrr. Im Gegensatz zu allen Amerikaner/innen, die ich bisher kenne – für sie gehört Kürbiskuchen untrennbar zu Thanksgiving. Und wer keinen turkey mag? Ich will ehrlich sein – einige mögen turkey nicht gern, finden ihn langweilig oder zu trocken. Daher gibt es bei vielen „ham“ (Schinken in Schweinebratenform) als Alternative. Einige probieren auch mal etwas anderes aus und frittieren den Truthahn: „Deep fried turkey“. Dabei kommt der Vogel im Garten in einen mit heißem Fett gefüllten Blecheimer (Vorsicht: vorher die Kids festbinden!). Für Vegetarier/innen, wie z. B. die Familie von Tims Freund Deepak aus Indien (Hindus), die aus …
Leckersterapfelkuchenmonatever
Dabei hatte alles sehr viel versprechend angefangen: Im Oktober wird es richtig bunt. Es ist der Monat der orangen pumpkins, des Zimts und der genial leckeren saftigen apple pies – den besten Apfelkuchen aller Zeiten haben wir in Pennsylvania mitten in einem verschlafenen Kaff im „Water Gap Diner“ genossen. Auch in der preschool gibt es große Aktionen rund um den Apfel: Apple tasting (Welcher Apfel schmeckt am besten? – Auswertung natürlich über Säulendiagramme!), apple cutting and apple sauce making (Zubereitung von Apfelmus).
School affairs
Paul (4) ist weiterhin in der preschool, bleibt aber jetzt auch bis 15 Uhr da und will oft gar nicht abgeholt werden. Er arbeitet mit Begeisterung an bunten Perlenketten und legt damit das Einmaleins – verrückt, er ist voll bei der Sache. „I’m a kindergartener now“, erzählt Ole (6) die ganze Zeit super stolz. Die Kindergartenklasse ist die heilige Kuh der ganzen Montessori-preschool. Viele Eltern erwarten, dass die Lehrerin das erreicht, was der preschool-Newsletter verspricht: (…) „by the age of five, most Montessori children will begin to read, and many, having mastered addition and substraction, will be introduced to multiplication and division …“ Steht Multiplikation in Deutschland nicht erst im zweiten Schuljahr an? Unsere klare Ansage an die preschool lautet daher: „We don’t care if he learns to read this year!!!“ Hauptsache Ole bleibt in seiner Komfortzone. Abwarten. Tim (7) ist jetzt im zweiten Schuljahr, übt fleißig lesen und schreiben und trifft seinen „alten“ Freund Deepak aus dem „Kindergarten-Jahr“ wieder. Theo (9) ist Viertklässler und hat Glück und Unglück zugleich. Er ist super happy, dass er dieses Schuljahr mit seinen zwei besten Freunden in eine Klasse gekommen ist. Und er kommt in die „advanced math class“ – ab dem vierten Schuljahr werden also die Kinder schon nach Fähigkeiten getrennt. Aber er bekommt auch die Folgen vom hurricane zu spüren: Cafeteria und Turnhalle seiner Schule sind eine Baustelle nach der Überschwemmung. Die Konsequenzen: Auf dem Speiseplan stehen „until further notice“ vier Mal pro Woche Truthahnbrötchen mit Salatblatt, ein Mal Thunfischbrötchen mit Salatblatt alternativ zu PBJ (Peanut-Butter-Jelly-Sandwich). Arme Kids, die das für die nächsten Wochen essen müssen. Lunchbreak und Sport gibt es bis auf Weiteres nur noch im Klassenraum (Wie soll das gehen? Wie wird Theo diesen Bewegungsmangel aushalten? Machen die dann nur „cup staking“ beim Sport, oder was?).