Schaukel für Kinder im Rollstuhl

Special Needs in unserem Alltag

Wie Menschen mit Handicap in Amerika mehr Teilhabe am Alltagsleben haben und warum die Unaufgeregtheit im Umgang mit ASS für unseren Alltag sehr angenehm ist.

In Amerika gehören Menschen mit Handicap viel mehr zum Alltag als bei uns in Deutschland. Menschen mit Down-Syndrom neben mir auf der treadmill im Fitnessstudio und beim Einpacken in den Supermärkten sind selbstverständlich. Theo (9) und Tim (8) haben Kinder mit verschiedenen Beeinträchtigungen in ihren Klassen – und das sind dann u.a. bei Schulaufführungen die, die zuerst nicht auf die Bühne wollen und anschließend nicht mehr herunterzubekommen sind 🙂 . Es gibt Kinder, die beim Schulkonzert mit Ohrenschützern herumlaufen und ich habe beim Marathon in New York Läuferinnen und Läufer mit Seh- und Gehbehinderungen neben mir gehabt.

Die Leute gehen hier im Gegensatz zu Deutschland proaktiver und offener mit Einschränkungen jeder Art um – auch mit psychischen Erkrankungen. So sagte mir eine Nachbarin beim nachbarschaftlichen Plausch auf einmal: “You know, I´m bipolar“. Da musste ich anschließend erst einmal wieder googeln … Oder sie sagen dir, dass sie eine „OCD“ (sprich [əʊsiːdiː] haben (guckt mal selber nach 😉 ). Im bunten Mix der Gesellschaft hier sind diese Menschen nur eine weitere Variante, sie gehören dazu, sind mitten dabei, viele sprechen offen darüber und werden nicht ausgegrenzt (so mein Eindruck zurzeit).

Und man ist vorbereitet: Überall gibt es barrierefreie Zugänge, breite Türen, Türschilder und Bankautomaten mit Brailleschrift im Rathaus oder bei den Raumnummern im Hotel, jede Menge Behindertenparkplätze, bei allen TV-Sendungen synchrone Untertitel, bei Nachrichtensendungen Gebärdendolmetscher/innen, auf sehr vielen Spielplätzen bei den Schaukeln, den Karussells oder der Mini-Eisenbahn im Zoo Vorrichtungen für Rollstühle. Und sogar Autismus-freundliche Kinovorstellungen („autism-friendly performance“), sprich: keine Stroboskope, wenig quietschende/kreischende Geräusche, man kann aufstehen, wann man will, keine super lauten Geräusche – Lautstärke, Licht angepasst.

Nun zu uns: Ich gehe mit Oles Diagnose nicht hausieren, aber wenn die Situation es erfordert, dann kommt mir die Mitteilung „Ole is/has special needs“ hier leicht über die Lippen. Das haut niemanden um, kein Entsetzen, kein Mitleid, manchmal ein Nachfragen, manchmal die Info, dass man ebenfalls eine Person in der Familie oder im Bekanntenkreis kennt, die betroffen ist. Dieser allgemein hohe „Wissensstand“ über verschiedene Beeinträchtigungen sowie wie die „Unaufgeregtheit“ im Umgang damit hat mich am Anfang immer überrascht (vielleicht, weil wir noch so nah dran waren). Jetzt empfinde ich es als sehr angenehm, weil das Thema „gesellschaftsfähig“ ist und nicht stigmatisierend wirkt. Im Restaurant hilft es uns, ohne weitere Erklärungen an den ruhigsten Tisch zu kommen, und selbst in der Immigration bei der Einreise hat es einen super bissigen homeland security officer innerhalb von Sekunden lammfromm werden lassen. Beeindruckend, was diese Worte bewirken.