Es gibt Wörter, die man hier je nach Situation am besten gar nicht laut ausspricht, weil man sonst MEGA-Ärger bekommen kann. So sollte man z. B. bei der Einreise in die USA NIEMALS auch nur im Spaß das Wort „Bombe“ aussprechen – das gibt „Befragung in der Einzelkabine“ (und tschüss). Ähnliches ist uns jetzt im Mai mit dem Wort „strep throat“ in der preschool passiert. Insofern ist das jetzt eine gute Gelegenheit, um Einblicke in den Umgang mit Hygienevorstellungen und dem alltäglichen Staatfeind No. 1, den „germs“, also Krankheitserregern, zu geben:
Mit bakteriellen Entzündungen im Hals darf man nicht spaßen, weder in Deutschland noch in den USA – keine Frage. Die Bezeichnungen und Diagnosen dafür sind dagegen eine interkulturelle Herausforderung. Vorweg: Wer hier an „angina“ leidet, hat’s mit dem Herzen zu tun („Angina pectoris“ – Vorsicht, false friend!). An dieser Stelle ein kurzer Ausflug zu Herpes: “I have a cold sore” sagen die Leute hier bei Lippenherpes. “Herpes” wird umgangssprachlich immer nur für Genitalherpes genutzt! Das kann sonst ziemlich peinlich werden, weil einem direkt eine STD (sexually transmitted disease) angedichtet wird.
Zurück zur Halsenzündung: Wenn ein Kind in der Schule fehlt, hört man öfter: „He/she has strep.“ Was dann soviel heißt wie „strep throat“ oder auf Deutsch: „eine durch Streptokokken hervorgerufene Halsinfektion“. Dies ist nicht unbedingt deckungsgleich zum deutschen Klassiker „eitrige Mandelentzündung“, die bei uns ja üblicherweise diagnostiziert wird, wenn man mit starken Schluckbeschwerden zur kinderärztlichen Praxis geht.
Es gibt diverse Internetforen, die über die Beteiligung von Körperteilen, verursachende Erreger und semantische Schnittmengen diskutieren:
Was ist also was?
„Mandelentzündung“
„Angina“
„sore throat“
„angina tonsillaris“
“tonsillitis”
„pharyngitis“
„pharyngotonsillitis“
Viel Spaß schon mal beim Googeln …
Das Tückische bei strep: Kann ganz verschiedene Symptome haben, also neben den klassischen Halsschmerzen und Fieber auch Bauchschmerzen oder Hautausschlag. Das Praktische bei strep: Kurzer Abstrich im Hals und zehn Minuten später gibt es Gewissheit– und das für schlappe 120 Dollar pro Test! Wenn der Schnelltest negativ ist, wird noch über Nacht bebrütet. Bei positivem Ergebnis kommt man für 24 Stunden in Quarantäne (also keine Schule – yepeee!).
In Deutschland hatte ich noch nie was von „strep throat“ gehört, aber inzwischen sind wir hier schon öfter mit dieser Diagnose von unserer Kinderärztin nach Hause gekommen. Diesen Monat ging es dann so richtig rund. Tims Heuschnupfensymptome mit Halskratzen waren auch nach einer Woche Antiallergikum nicht besser, daher ging‘s noch mal zum Kinderarzt. Die Diagnose war dann auch „strep“. Unvorsichtigerweise habe ich davon einer anderen Mutter beim drop-off in der preschool erzählt (also das Wort „strep“ erwähnt). Fünfzehn Minuten später hatte ich einen Anruf von der preschool, Ole sei sofort abzuholen, er beklage sich über einen „itchy back“: Ja, er hat Neurodermitis, seit Monaten, das wissen Sie doch … Nein, das könnte auch „strep“ sein … (eine der Lehrerinnen hatte am Morgen aufmerksam mein Gespräch mitgehört). Es half nichts, ich musste ihn natürlich zu unserer Kinderärztin mitnehmen (mit klarer Ansage, dass er die preschool erst wieder mit schriftlicher ärztlicher Bestätigung, dass er clean ist, betreten dürfe). I was not amused – und ich war mir meiner Sache so sicher … und dann testet er auch positiv … Die Kinderärztin empfiehlt, grundsätzlich alle Geschwisterkinder testen zu lassen – nun gut.
Zunächst muss ich in der preschool reumütig zu Kreuze kriechen, als ich Paul abhole. Am nächsten Morgen kommt mir eine andere deutsche Mutter schon mit einem breiten Grinsen im Treppenhaus, mit einem Zettel wedelnd, entgegen: „Seid ihr das?“ „We have had one confirmed case of strep in Mrs. Pisani´s class. Please be assured that we regularly disinfect the classroom. We are also encouraging the children to wash their hands several times during the school day and at home.“ Danach gibt es noch eine Definition, Symptome, Diagnose und Behandlung und Rückkehr-policy für die erkrankten Kinder.
Ja, das sind wir. 🙂
Lange Rede, kurzer Sinn: Wir lassen alle übrigen „gesunden“ Kids und direkt auch Vitoria und mich durchchecken. Theo ist der einzige, der den Schnelltest negativ „überlebt“, aber am nächsten Morgen kommt dann der Anruf vom Kinderarzt, dass die Übernachtbebrütung auch bei ihm positiv ist. Wir dürfen also alle für zehn Tage ein Antibiotikum schlucken – und ich frage mich, ob in Deutschland auch nur ein einziger von uns mit dieser Diagnose nach Hause gegangen wäre (außer Tim hatte niemand von uns auch nur in Ansätzen Halsschmerzen). Marc ist verschont geblieben – der hatte sich früh genug ans andere Ende der Welt aus dem Staub gemacht.
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