Marc erzählt:
Britta hat mir erzählt, dass es vielleicht auch erwähnenswert ist, wie sich das Geschäftsleben in den USA vom Business in Deutschland unterscheidet. Nachdem ich im letzten Jahr wochenweise gependelt bin und die Grundlagen gelegt habe, sind wir jetzt seit Ende Januar wirklich „feet on the ground“, also nach ziemlich genau drei Monaten.
In dieser Zeit haben wir ein heftiges Pensum absolviert: Büro gefunden (keine 500 Meter von zuhause), renovieren lassen, IT installiert, Büromöbel gekauft, Leute eingestellt (wir sind jetzt zwölf) und vieles mehr. Die Arbeitsbelastung ist echt groß, weil – anders als in Deutschland – die Infrastruktur noch nicht da ist: kein Backoffice, keine Buchhaltung, keine IT.
Wir arbeiten eng mit Deutschland und unseren Kollegen von P3 North America (Automotive) in Detroit zusammen, aber im Endeffekt mache ich CEO, CTO, CFO und was sonst noch alles gleichzeitig. Hinzu kommt mein eigentlicher Job, das business development. Das ergibt dann auch schon mal vier 20+ Stunden Tage nacheinander. Resultat: ein erhebliches Schlafbedürfnis am Wochenende. 🙂
Viele Kunden in Sicht
Aber das Geschäft läuft gut an. Unser Hauptkunde Verizon Wireless (DER Mobilfunkbetreiber in den USA) mag uns und weitet sein Geschäft mit uns aus. Wir haben mittlerweile weitere wichtige Kunden gewinnen können, die ich aber nicht alle nennen darf. Meine Tagesreisen führen mich jetzt nach Toronto, Chicago, Dallas oder Kansas City. Da der Flughafen Newark zwar perfekte Verbindungen hat, aber recht teuer ist, fliege ich häufig auch ab La Guardia oder sogar Philadelphia. Allerdings bedeutet ein Abflug um 6 a.m. auch Aufstehen um zwei Uhr morgens. 🙁
Die Sprache ist überhaupt kein Problem. Die Leute halten mich in der Regel zumeist für einen Südafrikaner oder (seltener) Schweden (warum auch immer), und ich lache mich vor allem über den Slang (‚red tape’) kaputt.
Kündigungs- und Zahlprocedere
Einige Worte zu den Unterschieden im „Corporate America“ verglichen mit Deutschland: Die Leute sind viel mobiler und das ist nicht immer gut. Da der Arbeitsmarkt viel durchlässiger ist, kann ich innerhalb von zwei Wochen jemanden feuern. Aber das ist ein zweischneidiges Schwert: Wenn jemand Mist baut und man dann ein paar ernste Worte mit ihm redet, oder wenn ein Mitarbeiter auch nur ein bisschen stärker belastet wird, können die Leute ganz schnell weg sein. Ich habe mittlerweile fünf Leute verloren, in deren Training ich bereits investiert hatte. Das muss man erst einmal verstehen und sich dann ganz andere Mechanismen ausdenken, um die Leute in der Firma zu halten. Unsere Führungsmannschaft macht aber einen sehr guten Eindruck (Ron in New York, John in North Carolina, Wells in San Francisco und Moe in Los Angeles) und es macht Spaß, mit den Kollegen zusammenzuarbeiten.
Ein anderer Unterschied ist, dass eine Firma ohne credit history (wie wir hier) extremen Wert darauf legen muss, absolut pünktlich zu zahlen und so eine blütenreine Historie aufzubauen, um dann nach zwei, drei Jahren auf einmal mit ‚credit’ überschwemmt zu werden.
Spagat Job-Familie
Alles in allem muss ich sagen, dass es eine extreme Herausforderung und anstrengender ist, als ich erwartet habe. Auch der Spagat mit den familiären Herausforderungen ist manchmal heftig. Auf der anderen Seite macht es sehr viel Spaß und man lernt wahnsinnig viel in einem riesigen Markt, der für uns absolut neu ist. Trotz der hohen Belastung fühle ich mich der Aufgabe aber gewachsen. Meine Partner in Deutschland machen einen Super-Job, unterstützen mich und bauen das Geschäft in Europa weiter aus, so dass wir wirklich zu einem internationalen Unternehmen werden.