100 Stunden lesen

Mein persönliches Fazit: Lesen und Schreiben lernen in den USA und in Deutschland

Warum ich es gut finde, dass die deutschen Schulen den Kindern mehr Zeit geben und den Jüngsten weniger Stress machen. Warum ich aber auch gut finde, dass die amerikanischen Schulen die Lernbegierigen besser fördern und die Auswahl für Leseanfänger/innen riesig ist.

 
Und – wo funktioniert es jetzt besser?
Also, ich halte es auch nach zweieinhalb Jahren USA immer noch für großen Humbug, dass für alle kindergartener mit 5 Jahren (oder sogar für noch Jüngere) Buchstaben schreiben und Lesen lernen obligatorisch auf dem Programm stehen. Warum Kinder mit etwas quälen, was sie zwei Jahre später viel leichter, schneller und erfolgreicher lernen würden? Völlig unnötiger Stress. Und Stress für wirklich noch junge Kids, finde ich. Da machen die deutschen Schulen es richtig, den Kindern mehr Zeit zu geben.

Ich sehe aber auf der anderen Seite, dass es in Deutschland sehr wenig „Futter“ für die „Frühstarter/innen“ im Kindergarten gibt, die schon an Buchstaben und Zahlen interessiert sind und gerne loslegen würden. Da sehe ich durchaus Entwicklungspotential. Als ich für Theo, der mit fünf Jahren keine Lust mehr auf „Spielen“ und „Sandburgen“ hatte und sich langweilte, im deutschen Kindergarten explizit nach Vorschulmaterial gefragt habe, gab es eine Absage. „Nein, dürfen wir hier nicht, das wird nicht gewünscht.“ Warum, habe ich nicht wirklich verstanden. Also musste Theo die Zeit im Kindergarten „absitzen“ – das war auch nicht so toll.

Ebenso sehe ich noch großen Aufholbedarf bei der Förderung des Lesens in den Grundschulen. Da sind sie hier meilenweit besser als in Deutschland. Ok, bei Theo gab es im 1. Schuljahr in Deutschland zwar die „Lesemütter“, die zweimal pro Woche mit den Kindern in Einzelarbeit lesen geübt haben. Dazu gab es auch das „Antolin“-Leseprogramm, das die Kinder motivieren sollte, mehr zu lesen. Aber das war nicht verpflichtend, und insofern sprach das eher die Kinder an, die sowieso gerne lesen.

Großes Manko in Deutschland: Für Leseanfänger/innen gibt es nur eine super kleine Auswahl an mäßig motivierenden Büchern, die nicht wirklich von den Themen handeln, die Kinder interessieren (wie z. B. bestimmte aktuelle Filme, Helden, Märchen oder Sachbücher über wissenschaftliche Themen, wie z.B. das All, Naturkatastrophen …). Selbst ich finde die echt langweilig. Also, viel, viel zu wenig spannende Bücher für Kinder im 1. bis 4. Schuljahr (Marktlücke!!!). Und die Lesefibeln holen themenmäßig auch kein Kind hinter dem Ofen hervor.

Mehr Lesestufen für deutsche Kinder: Die ersten Lesebücher für Kinder sind in Deutschland immer schon auf einem recht hohen Niveau – viel Schrift mit wenigen Bildern. Es sollte viel differenziertere Stufen geben. Dazu müssten die Lehrkräfte aber natürlich auch testen können, auf welchem Leselevel die Kinder sind.

Zusammenfassend gesagt: Man kommt in Deutschland ganz gut durch die Grundschule, ohne je ein echtes Buch in der Hand gehalten zu haben. Das benachteiligt vor allem die Kinder, deren Eltern nicht unterstützen und mitgucken – die fallen durchs Netz und bekommen in den weiterführenden Schulen u. U. Probleme, wenn sie dann auf einmal zwei Seiten im Erdkundebuch lesen müssen, um Fragen zu beantworten.

Also, wenn es in Deutschland schon kein Pendant zum genialen Dr. Seuss gibt, muss sich good old Germany bei der Leseförderung bald mal etwas mehr ins Zeug legen. Das geht definitiv besser!