Da geht’s lang!

Marathon-Countdown, August 2011 – noch drei Monate bis zur Ziellinie

Wie das Training trotz Hurricane Irene weitergeht und warum ich anfange, Trinkflaschen zu verstecken. Was Langlaufen mit Fahrradfahren zu tun hat und welches die schönsten Highlights nach dem Laufen sind.

 

Langsam geht’s zur Sache – 248 Kilometer gelaufen.

August: Langsam geht’s zur Sache
Noch 14 Wochen bis zum Marathon: Ich bin wieder zurück in Morristown. Und auch wenn der Hurricane Irene hier einiges durcheinanderwirbelt, geht das Training weiter. Die Langläufe am Wochenende legen jetzt gut an Strecke zu und rutschen vom unteren 20er Bereich um fünf bis zehn Kilometer nach oben. Das ist hart, aber bringt überraschende neue Einsichten. Meine Premiere ist der Ü30: mein erster Lauf über 30 Kilometer im hügeligen Central Park. In diesem Monat laufe ich insgesamt 248 Kilometer!

Morgens um sechs in Morristown
Morgens um sechs Uhr stehle ich mich sonntags aus dem Haus und los geht es … mit mehreren Flaschen unterm Arm und für mehrere Stunden. Da muss man sich, wenn man müde wird, zwischendurch schon mal selbst daran erinnern, „Haltung zu bewahren“ (s. u.). Auf dem Hinweg verstecke ich Trinkvorräte, die ich dann später auf dem nach-Hause-Weg einsammle. Ich schaffe die meisten der Langläufe ohne Unterbrechung, auch wenn es gegen Ende manchmal echt „eckig“ wird. Wenn ich am Ziel bin, könnte mich aber niemand überzeugen, auch nur einen Meter weiter zu laufen, als ich muss. Hat wohl tatsächlich etwas mit einer mentalen Einstellung zu tun.

Und wenn ich nach drei Stunden wieder nach Hause komme, sehe ich an Marcs Gesicht, wer den anstrengenderen Job hatte: „Kinder, alle mal herkommen – lasst den Papa mal in Ruhe!“ Ich habe zwar müde Beine, aber stehe gleichzeitig unumstößlich fest mit beiden Füßen fest auf dem Boden und bin dabei tiefenentspannt. Ich habe eine Geduld wie ein Elefant und mich bringt nach 30 Kilometern keine Übellaunigkeit der Kinder mehr aus der Fassung. Auch schön.

Laufen und Fahrräder
Wenn man bei einem langen Lauf nicht aufpasst, dann „sackt man ein“ – also unterwegs immer mal wieder selbst die Haltung checken und korrigieren. Meine „Haltungsformel“ für unterwegs: Oberkörper aufrichten, Bauch fest, „losradeln“ (mit den Beinen) und dabei Arme „mitnehmen“. Ja, Langlaufen hat viel vom Fahrradfahren mit unterschiedlich guten Fahrrädern (finde ich). Hier mal ein Vergleich:

  • Kilometer 0 bis 5: „Hollandrad“ (z. T. leicht bergauf) – der Körper fühlt sich noch recht schwer an und muss sich erst auf die Bewegung einstellen, daher anstrengend. Motto: „Aller Anfang ist schwer …“
  • Kilometer 5 bis 15: Rennrad (teilweise mit Rückenwind) – der Körper ist schön leicht, hat auf das Programm „Laufen“ umgestellt und man kommt gut voran. Motto: „Nothing’s gonna stop us …“
  • Kilometer 15 bis 20: Postfahrrad (gut aufgepumpt) – es wird wieder etwas anstrengender, aber läuft insgesamt noch rund. Motto: „Keep it up …“
  • Kilometer 20 bis 25: vollbeladenes Postfahrrad (schlecht geölte Kette) – der Körper wird wieder schwerer, die Muskeln auch, erste Schmerzen (mal Schienbein, mal Schulter, mal Oberschenkel, mal Füße). Motto: „What doesn’t kill you, makes you stronger“ bzw. „Nur die Harten kommen in den Garten.“
  • Kilometer 25 bis 30: Fahrrad mit Felgen, die einen Schlag abbekommen haben – Beine schwer, Hüfte fängt an weh zu tun, man sehnt das Ende herbei, mühselig. Motto: „Highway to hell.“

 

Laufen im Central Park
Mein allererster Lauf über 30 Kilometer steht an. In New York City sind es morgens um sechs Uhr schon über 25 Grad und es herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Ich bin noch voll im Jetlag von Deutschland (gut fürs frühe Aufstehen), aber die Hitze haut mich um.

  • Das Rennen: mehrere Runden durch den Park, der von Runde zu Runde bergiger wird (der Central Park ist eh schon ziemlich hügelig).
  • Nicht so schön: Es ist super heiß, ich stelle mich in voller Montur unter die dicken Rasenschläuche, die Schuhe sind nass und am Ende habe ich Blasen (das allererste Mal).
  • Das Tolle: Man startet so früh (6:30 Uhr), dass man nach dem Lauf wieder bequem zurück zum Hotel gehen kann, sich duscht und dann noch den normalen Check-out mitmacht. Die meisten Tourist/innen starten dann erst in den Tag und man selber hat schon sein Tageswerk (30,78 Kilometer in 2:56 Stunden) vollbracht.

 

Die Highlights danach
Aber: Nach getaner Arbeit erwarten mich – wie wohl alle Langläufer/innen – drei absolute Highlights:

  1. Allein das Stehenbleiben ist ein großer Moment, den man so lange herbeigesehnt hat, sich-Hinsetzen eine absolute Wohltat (beides wird nicht empfohlen, besser ist „ausgehen“, ja, ja, ich weiß…).
  2. Trinken, trinken, trinken – am Ende brodelt ein ziemlich gieriger Durst tief in mir drin, obwohl ich unterwegs immer brav „tanke“ – also her mit dem isotonischen Sportgetränk, oaahhhh …
  3. Dehnen – die Wadenmuskulatur fühlt sich an wie ein Stück verfilzter Wollpullover, den man zu heiß gewaschen hat. Und es tut soooo gut, wenn man diese Muskeln wieder auseinanderzieht!

Übrigens ist man hinterher nicht nur verschwitzt, sondern die Haut fühlt sich auch irgendwie „verkrustet und sandig“ an. Das war eine Überraschung für mich – woher kommt das? Antwort: Das ist das Salz, das der Körper mit dem Schwitzen verliert – daher soll man z. B. während des Laufens bzw. hinterher immer etwas Gesalzenes (sodium) zu sich nehmen (z. B. Salzstangen) oder aber ein Päckchen Salz vom Fast Food-Restaurant von der Hand lecken.

Und was kommt nach dem Dehnen, Trinken, Essen?
Das Schönste: ein „ice bath“! Dazu die Badewanne mit kaltem Wasser auffüllen und ganz, ganz viele Eiswürfel reinkippen! Ja, das habe ich wochenlang auch für einen Witz gehalten, wenn es in den wöchentlichen Trainings-E-Mails empfohlen wurde. Bis sich zwei Laufkolleginnen über die Menge an Eiswürfeln unterhalten haben und eine freudig berichtete, dass sie es jetzt schon mit drei ice bags schaffen würde! Also probiere ich es selbst und schütte die gesamte Eisschublade unseres Ami-Kühlschranks in unsere Badewanne (ca. fünf Kilogramm).

Mein 1. Versuch:
Ich steige ohne Klamotten in die Wanne – es ist ätzend, brennt und kribbelt die meiste Zeit und ist einfach SAUKALT 🙁 ! Wie die Nordsee im Winter – da will doch auch keiner 15 Minuten drin sitzen, oder?

Mein 2. Versuch:
Diesmal steige ich mit Laufklamotten inklusive Socken in die Wanne, einen heißen Tee in der einen Hand und die Salzstangen zum Knabbern in der anderen. Ist zwar immer noch eiskalt, aber nach fünf Minuten merkt man nichts mehr. Vor allem, wenn man sich nicht so stark bewegt. Fazit: Viel besser als nackt! Oder ist das dann gepfuscht? 🙂

 

Und warum der ganze Hokuspokus mit der „Eiswanne“? Aus dem gleichen Grund, warum man sich ein Kühl-Pack auf eine Verletzung legt – dann schwillt es nicht an und heilt besser. Durch die starke Belastung beim intensiven Laufen entstehen feine Muskelrisse, die zu Schwellungen führen würden. Damit diese Entzündungsprozesse im Körper erst gar nicht in Gang kommen, soll man also ins Eiswasser steigen. Zusätzlich verengen sich die Blutgefäße durch das kalte Wasser und so wird z. B. die angesammelte Milchsäure aus den Muskeln gespült. Beim anschließenden „Auftauen“ erweitern sich die Blutgefäße wieder und so kann frisches Blut mit reichlich Sauerstoff und Nährstoffen den angeschlagenen Muskeln beim Erholen helfen.

Also, ich weiß ja nicht, wie ihr das findet, aber ich finde das schon ein bisschen krank: Man macht Sport und muss sich anschließend künstlich runterkühlen. Das kann doch nicht wirklich gesund für den Körper sein, oder?

Special: Marathon-Countdown, September 2011 – noch zwei Monate bis zur Ziellinie

High five motiviert

Warum ich so langsam zur Straßenfrau werde und wie ich die Städte geschrumpft habe. Wer zu meiner bunten Laufgemeinde gehört und wie sich die Ähnlichkeit „Marathon – Schwangerschaft“ weiterhin hartnäckig hält.