Bücher für beginning readers

Lesen mit 4 Jahren

Warum hier die meisten 3-Jährigen schon alle Buchstaben kennen und wieso es DVD-Serien für Kinder ab 1 Monat (!) gibt. Und von der unglaublichen Tatsache, dass amerikanische Eltern darüber staunen, dass auch Kinder, die erst mit 6 Jahren lesen lernen, ein erfolgreiches und zufriedenes Leben führen können.

 
Zur Einstimmung auf das Thema „Lesen“ kommt hier ein Ausschnitt aus der Sesamstraßenfolge „Learning about letters“:
Experte ist der gelb gefiederte Riesenvogel Bibo („Bird“), der allen hilft – ganz gleich, ob Baby Bear (who has still trouble remembering his letters) oder auch Snuffy (einem mammutähnlichen Tier mit langem Rüssel, riesigen Augen und langen Wimpern):

Bird (zu den Zuschauern): „Oh hi, I’m glad you’re here.“
Snuffy (ins Publikum): „And I’m glad you’re here, too, ’cause today we’re gonna get to go through the whole alphabet. Right, Bird?“
Bird: „Right, Snuffy. And we’re gonna read some words.“
Snuffy: „Words, Bird? Aren’t I too little to be reading words?“
Bird: „Too little?“ (er lacht laut) You are four and a half years old! …“

Es folgt der „ABC-Song“, der „C is for cookie“-Song mit Krümelmonster und natürlich der „la la la song“ von Ernie und Bert, in dem alle Buchstaben des Alphabets mit Gegenständen, die mit dem jeweiligen Buchstaben anfangen, nacheinander vorgestellt und mit Schriftbild eingeblendet werden – für 30 Minuten. Das Motto: „Get ready to sing, dance and laugh all the way from A to Z!“ – Ja, jetzt geht die Party richtig los!

„Do you know your ABCs?“ Unsere Erfahrungen mit dem Thema „Literacy“
Am allerersten Schultag fragte uns eine Lehrerin von Tims Schule mit Blick auf Ole (damals 4 Jahre): „And, does he know his ABCs?“ Ich wusste damals nicht, was ich sagen sollte… Was wollte sie wissen? Ob er seinen Namen schon buchstabieren kann? Er war doch erst 4 Jahre – genau wie Snuffy aus der Sesamstraße ;-).

Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, dass wir als Eltern eines 3-Jährigen und eines 5-Jährigen schon mal öfter gefragt werden: „Kennt er denn schon alle Buchstaben? – Does he know his ABCs?“ Das ist so eine Art „Gesprächsaufhänger“ mit Kindern, wie man eben mit Erwachsenen über das Wetter redet. Inzwischen rattern Ole und Paul auf Kommando das Alphabet runter oder singen direkt das ganze ABCs–Lied rauf und runter. Und eins muss man dem Song lassen – sie lieben ihn heiß und innig und er ist für ewig in ihre kleinen Köpfe eingebrannt.

Noch einige Beispiele aus unserem Alltag, die die Bedeutung früher Bildung illustrieren:

  • Im Times Magazine: Vorstellung einer Studie, die ergeben hat, dass Bildung und Erziehung im Vorschulalter den Verlauf des gesamten Lebens verändern. Kinder, die eine preschool besucht haben (und dort schreiben und lesen lernen), haben später bessere Aussichten (bessere Jobs, eigenes Haus, weniger straffällig).
  • „Your baby can read“-Programm: Im Radio gibt es immer wieder diese Reklame, die als ein besonderes Geschenk für das eigene Kind, die Enkel, die Nichten und Neffen angepriesen wird.
  • Bei unserer Kinderärztin finde ich eine Broschüre (u. a. von der American Academy of Pediatrics), die anregt, dass man beim Vorlesen immer auf die Worte zeigt, die man gerade vorliest, damit das Kind versteht, dass die gedruckten Worte die Geschichte tragen.
  • „Read every day – Lead a better life“ – der Slogan von „Scholastic“, DEM amerikanischen Kinderbuchverlag überhaupt.
  • In den Bilderbüchern, die ich unseren Kindern im Moment vorlese, sieht man öfter Vorschulkinder (ca. 4 Jahre), die zuerst Bücher lesen und dann auf der nächsten Buchseite auf ihren Fahrrädern die Straße runterradeln – links und rechts mit Stützrädern.
  • Im Kindersendungen tragen und liebkosen lachende Kindern oder bunte, gut gelaunte Puppen Buchstaben in Übergröße durch die Gegend, in Zeichentrickfilmen animiert, sie verändern ihre Gestalt (z. B. macht sich das „T“ seinen Reißverschluss vorne auf und raus kommt ein T-Rex, der laut grollt). Oder sie sind Überraschungsgast in einem Swimmingpool, der mit spielenden Kindern gefüllt ist, werden mit unheimlicher Musik und Haifischflosse angekündigt – alle Kinder in heller Aufregung – dann schießt ein gigantisches „L“ aus dem Wasser – alle Kinder rufen daraufhin aus einem Mund: „Oh, it’s an „L“ und nochmal „L“ (na ja …).
  • DVD-Serie „Baby Einstein“ (Altersempfehlung: 1. Monat bis 4. Lebensjahr): Ein Gegenstand wird in verschiedenen Varianten gezeigt, benannt, dann werden der Schriftzug und das Gehörlosenzeichen gezeigt, immer und immer wieder. Das Programm wurde mehrfach ausgezeichnet und die Rezensionen beim amerikanischen Amazon zeigen, dass viele Eltern darauf schwören (und nicht etwa nur eine Randgruppe). So gibt es auch für die Kleinsten schon zum Guten-Morgen-Brei ihre erste Tagesration „education“.
    Ich muss zugeben, dass unsere Kinder statt Fernsehen ab und zu genau dieses Babyprogramm angucken: „Baby Einstein Wordsworth – First words around the House/the Town“. Das ist klasse für sie, weil immer ein Gegenstand vorgestellt und benannt wird. Unsere Versuche, mit Kindersendungen wie „Sesame Street“, „Cat in the Hat“, „Barney“ oder „Dora the Explorer“ dem Englisch der Kinder auf die Sprünge zu helfen, sind am Anfang kläglich gescheitert – ein kaum erträglicher bunter, lauter Riesenzirkus mit quietschigen Stimmen, die selbst ich kaum verstanden haben. Als Sprachinput in den ersten Wochen für unsere Kinder komplett ungeeignet.

Eltern-Panik vor dem Nicht-Lesen-Können
So, jetzt ist es für euch vielleicht schon leichter nachzuvollziehen, wieso einige Eltern hier Panik bekommen, wenn der 6-jährige Nachwuchs noch immer nicht richtig lesen kann (trotz „Baby Einstein“, preschool-Drill und across the kitchen table activities). Wenig erstaunlich also, dass unsere preschool-Lehrerin einer anderen deutschen Mutter, deren Sohn mit fünfeinhalb Jahren noch nicht lesen kann, empfohlen hat, doch bitte einen Nachhilfelehrer im Lesen für den Jungen zu besorgen. Ja, sechs Jahre ist hier schon ein kritisches Alter, in dem bestimmte Meilensteine erreicht sein müssen, sonst gehen hier „red flags“ hoch.

Als ich den anderen preschool moms erzählt habe, dass die Kinder in Deutschland alle erst mit sechs Jahren lesen lernen und trotzdem noch ein erfolgreiches Leben führen können, hatte ich zwar aufmerksame Zuhörerinnen, aber das ist für sie einfach Lichtjahre entfernt und hat keine Bedeutung für das Leben hier.