Kratzen und Schaufeln

Unsere Blamage: Wenn es hier richtig geschneit hat, dann dauert es nicht lange, bis alle Leute auf den Beinen sind – dann werden die Straßen und auch die driveways (Einfahrten) geräumt. Die sonoren, kratzenden Geräusche hört man selbst im Haus, wenn die großen Schneepflüge über den Asphalt schaben. Und ebenso die Nachbarsfamilien, die mit den Schneeschaufeln scheppern (das kennt man ja auch aus Deutschland).

Unser über 80-jähriger Nachbar holt seinen snowblower heraus (eine Art „Rasenmäher“ mit seitlichem Rohr, aus dem der Schnee rausgeschossen kommt). So fährt er nach einem ausgeklügelten System seine gesamte Einfahrt ab und ist nach anderthalb bis zwei (! J) Stunden fertig.

Zuerst Entspannung …

Bei der Nachbarsfamilie gegenüber packen alle an und schaufeln Schnee (Schule fällt ja aus) – nach anderthalb Stunden Schipperei ist die gesamte Einfahrt frei. Und während die ganze Carton Road fräst, schaufelt und schwitzt, sitzen wir noch drinnen im Haus, die Kids spielen, wir machen den Kamin an und gucken in den Garten, der so wunderschön winterlich daherkommt. Unser driveway interessiert uns nicht sonderlich. Mit dem Allradantrieb des BMW kommen wir sogar durch den Schnee rauf und runter, und den Honda lassen wir vorsorglich unten an der Straße (soweit haben wir noch mitgedacht). Nach deutscher Art machen wir nur einen kleinen Weg für den Paketboten zur Garage frei (oder habt ihr das bisher etwa anders gemacht?) Ansonsten genieße ich das Knirschen des frischen Schnees unter unseren Füßen. Das war’s. Wir sind die einzige Einfahrt auf unserer Straße, die noch Schnee drauf hat – wirklich die allereinzige, aber noch finden wir das o.k. So weit, so gut, die ersten zwei Tage läuft es auch nicht schlecht.

… dann das böse Erwachen!

Aber dann … ja dann schmilzt ein großer Teil des Schnees tagsüber, als die Sonne scheint, wird wässrig und matschig. Nachts fallen die Temperaturen derart, dass wir am nächsten Morgen eine komplett vereiste Einfahrt haben. Es ist kaum möglich, da runter zu kommen, ohne sich hinzulegen (es sei denn, man geht durch den Schnee auf dem Rasen, aber da ist man immer komplett voll), der BMW kommt auch kaum noch rauf (vom Honda ganz zu schweigen).

 
Die Nachbarsfamilien sprechen uns beim bus stop darauf an – viel zu spät höre ich auf dem Anrufbeantworter die Nachricht einer netten Nachbarin, die uns schon zwei Tage zuvor die Telefonnummer eines professionellen Schneeplowers gegeben hat – nichts geht mehr!

Wir versuchen es mit Salz (sehr viel Salz!). Funktioniert aber nicht, denn die Eisschicht ist viel zu dick, die Fläche zu groß und die Temperaturen zu kalt. Wir rufen einen professionellen Pick-up mit riesigem Schneepflug herbei, aber der Fahrer hebt nur die Augenbrauen und zuckt die Achseln, guckt uns fragend an, er kann auch nichts mehr verrichten – das Eis ist zu dick.

So leben wir also im Moment mit einer Eisschicht vor unserem Haus und es sieht nicht so aus, als ob das in der nächsten Zeit besser wird, denn es gibt einfach Dauerfrost und immer neuen Schneefall. Klarer Fall: Sollten wir je wieder einen eisfreien driveway haben, werde ich bei Schnee die erste sein, die die gesamte Fläche freiräumt – wir sind von jeder Winterromantik bei snow days für alle Zeiten geheilt. Und: Unser driveway-Fiasko hat uns gelehrt, dass wir in Zukunft gut daran tun, aufzupassen und nachzumachen, was die Einheimischen so tun – auch wenn es auf den ersten Blick keinen Sinn macht. Um das Thema „driveway“ nun doch noch zu einem netten Abschluss zu bringen, noch ein kleiner Beitrag zum Thema „sprachliche Paradoxien“: You park on a driveway (Einfahrt), and you drive on a parkway (Bundesstraße) – verrückt, oder?