Embracing diversity: Offenheit und Neugierde mit Respekt für das Andersartige

Was mich hier bei uns in Morristown beeindruckt, ist die Einstellung der Menschen, diese Vielfalt zu „umarmen“ und sie auf positive Weise in ihr Leben zu integrieren. Entsprechend sind die Umgangsformen der Menschen untereinander und miteinander.

  • „Where do you come from?“
    Ich habe in „Kennenlernsituationen“ noch nie das Gefühl gehabt, dass die Leute mir mit Skepsis begegnen. Im Gegenteil, viele Leute („bunt“ gemischt) fragen eher neugierig nach, wenn sie meinen Akzent bemerken. Eine Frau, die in der Bäckerei neben mir wartete, fragte mich: „Where does your lovely accent come from?“
    Dann fragte sie, warum wir hier seien, seit wann, wie es uns gefiele und woher genau wir in Deutschland kämen – solche Gespräche laufen mal eben nebenbei beim Einkaufen. Und wenn die Leute schon einmal in Deutschland gewesen sind, erzählen sie dann, was sie erlebt und gesehen haben – oft positive Dinge oder eben für sie Erstaunliches, ob beim Urlaub oder bei der Armee. Bisher hat mich noch niemand als „foreigner“ bezeichnet – das Wort habe ich kein einziges Mal gehört. Es ist fast so, als ob es das hier im Vokabular gar nicht gäbe. Ich muss natürlich sagen, dass das meine Erfahrungen als weiße Person sind. Ob es anders wäre, wenn ich anders aussähe, kann ich natürlich nicht sagen.
  • Sprachvielfalt
    In Morristown hört man sehr viele verschiedene Sprachen – allen voran natürlich Englisch und Spanisch – aber auch viele andere (europäische) Sprachen.
    Die meisten deutschen Expats sprechen ausschließlich Deutsch in der Familie, während in amerikanischen Familien, in denen der Vater oder die Mutter eine andere Muttersprache hat, auch die zweite Sprache aktiv benutzt wird – selbst wenn alle Familienmitglieder fließend Englisch sprechen.Und wenn die Leute nicht wissen, was man da redet, dann fragen sie nach: Für mich sehr einprägsam war eine Begegnung mit einer orthodoxen Jüdin im Zoo, die Jiddisch mit ihrer Familie sprach. Sie drehte sich plötzlich zu uns um und wollte wissen, was das denn für eine Sprache sei, die wir sprechen. Vielleicht hat sie uns ja sogar verstanden, denn Jiddisch und Deutsch sind sich an einigen Stellen ähnlich – jedenfalls habe ich einige Brocken von dem, was sie mit ihrer Familie sprach, verstanden.

 

  • Kultureller Austausch in der preschool
    Alle Eltern in der preschool sind ausdrücklich eingeladen, die Feste und Traditionen ihrer Heimatländer und Religionen in der Gruppe ihrer Kinder vorzustellen und dann mit kleinen Basteleien, „kindertauglichen“ Ritualen (z. B. Tänzen) und traditionellem Essen zu feiern. So haben Paul (4) und Ole (5) allein in den letzten zwölf Monaten einiges mitgefeiert und verschiedene Geschenke mit nach Hause genommen: Einen Lampion vom indischen Diwali-Fest (Lichtfest), eine Tüte mit chinesischen Schriftzeichen, einen Hasen vom chinesischen Neujahr, einen mit Schokolade gefüllten Dreidel vom jüdischen Hanukkah und eine grüne Kleeblatt-Kette vom St. Patricks Day, die Paul so liebt. Je nach Lust und Laune kramen die beiden dann das eine oder andere aus ihren Schatzkisten hervor und spielen einige Zeit damit, bis es wieder in den Tiefen der Kinderzimmer verschwindet.
    Im kommenden Herbst werde ich den Gruppen von Ole und Paul „unseren St. Martin“ vorstellen – mit allem, was dazugehört: Laternenbasteln, Weckmann essen und Lieder singen.

 

  • “Bunt” heiraten und kochen
    Wer in den USA Kinder hat (und davon haben die Amerikaner/innen ja deutlich mehr als wir Deutschen), der kann gespannt sein, was einem der Nachwuchs später so mit nach Hause bringt.
    Ein Arbeitskollege von Marc hat uns sein Familienfoto gezeigt: Das ist ziemlich „facettenreich“! Er hat drei eigene Kinder, von denen zwei bereits verheiratet sind.
    Der Sohn hat eine Koreanerin geheiratet – zur Hochzeit ging es in Kimonos nach Korea. Die jüngste Tochter hat einen Mann jüdischen Glaubens geheiratet, der aus einem sehr streng religiösen Haus kommt. Vor der Heirat musste sie also zunächst zum Judentum konvertieren. Die Zubereitung des Hochzeitmahls stellte alle vor eine große Herausforderung, weil es nur koscheres Essen geben durfte. Es wurde also ein Rabbi angestellt, der über die richtige Zubereitung der Speisen wachte und dabei wohl von allen Sachen genascht hat, so dass sie ihn am Ende aus der Küche geworfen haben. Bei den Nachspeisen wurde es dann noch komplizierter, da die Tochter so gerne sahnige Cremes mochte, aber strenggläubige jüdische Menschen kein Dessert mit Quark oder Sahne essen dürfen, wenn es bei der Mahlzeit Fleisch gibt.
    Sie wollte jedoch nicht auf diesen Teil verzichten, daher wurden die nicht-koscheren Nachspeisen in einer anderen Küche zubereitet und auf einem Extra-Tisch aufbewahrt. Am Ende war es dann aber ein ganz tolles Fest, alle waren zufrieden und allen hat’s geschmeckt.
    Familientreffen im Elternhaus sind allerdings immer etwas schwierig – die neuen Schwiegereltern können nichts bei ihnen essen, weil sie dort kein koscheres Essen herstellen können (sie haben keine geteilte Küche: eine Hälfte des Geschirrs fürs Fleisch, die andere Hälfte des Geschirrs nur für Milchprodukte).
    Diesen Herbst heiratet nun ihr letztes Kind – beide machen drei Kreuzzeichen, denn dann sind ihre Kinder alle unter der Haube und diesmal steht weder eine Weltreise noch ein kompliziertes Hochzeitsmahl an.
    Was würde wohl bei uns passieren, wenn wir hier bleiben würden? Welche Freundinnen würden die Jungs hier an Land ziehen? Das wäre bestimmt auch sehr spannend und „heterogen“ – man braucht sich doch nur Theos Klassenfoto anzuschauen…